Die Cartoons des Jahrzehnts und andere neue Comic-Alben

Sommerfrisuren Contest 2016: Die Karikatur von Gerhard Haderer ist Teil der Ausstellung "Beste Beste Bilder" im Frankfurter Caricatura-Museum, zu der das hier vorgestellte Buch aus dem Lappan-Verlag erschienen ist. Die Ausstellung dauert bis 14. Juni und ist wieder geöffnet. Foto: Gerhard Haderer / Caricatura-Museum
© Gerhard Haderer / Caricatura-Museum

„Jein“, „Beethoven“, „Das Geheimnis des unfehlbaren Gedächtnisses“ und „10 Jahre beste Bilder“ – diese neunen Comic-Alben sind absolut lesenswert.

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. Wieso muss man sich eigentlich immer entscheiden? Die Berliner Zeichnerin Büke Schwarz erzählt in ihrem Erstling „Jein“ (Jaja-Verlag, 232 SW-Seiten, 24 Euro) von der fiktiven Berliner Künstlerin Elâ Wolf. Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater Türke. Kaum ist sie dazu auserkoren worden, ihre Bilder erstmals in einer großen Ausstellung präsentieren zu dürfen, erscheint ihr konservativer Vater auf dem Schirm. In der Türkei, sagt er, könne sie groß rauskommen – wenn sie sich entsprechend anpassen würde. Aber will Elâ in einem Land berühmt werden, dessen Präsident sich wie ein Diktator aufführt? Und wieso hat Kunst etwas mit Politik zu tun? Ein locker gezeichnetes Album, das der Frage nachgeht, ob Kunst sich einmischen muss, und das den Zwiespalt, in dem Menschen leben, die in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen sind, gut rüber bringt.

Graphic Novels, die zu runden Jahrestagen erscheinen, lohnen die Aufmerksamkeit nur selten. Wenn aber Peer Meter der Autor ist, ist das anders. In seinem neuen Album „Beethoven“ (Carlsen-Verlag, 144 Seiten, 22 Euro) präsentiert er keine langweilige Biografie, sondern lässt allerlei Freunde und Bekannte des Meisters an dessen Totenbett eine wilde Mischung aus Spekulationen, Gerüchten und Tratsch auftischen. Man streitet sich darum, wer den Verstorbenen am besten gekannt und unter welchen Krankheiten er gelitten hat, ob er in Holland, Deutschland oder Österreich geboren wurde. In den Erzählungen mischt sich Lüge mit Wahrheit, Prahlerei mit Profitgier, Tragik mit Absurdität, und so entsteht ein Reigen munterer Geschichten, die ebenso lebendig erzählt wie gezeichnet werden. Mit dem Wissen aus diesem Album wird man zwar keine Prüfung in Musik oder Kunstgeschichte bestehen – aber auf jeder Party ein begehrter Gesprächspartner sein.

Wer sich schon immer gefragt hat, wie man sich hundertstellige Zahlen oder die Vokabeln für den Französischtest merken kann, dem geben Sébastien Martinez und Mathieu Burniat in ihrem Comic „Das Geheimnis des unfehlbaren Gedächtnisses“ Hilfestellung (Knesebeck, 160 Seiten, 20 Euro). Der Monarch des Königreichs Amnesien muss, um eine geliebte Prinzessin zu umwerben, seine Gedächtniskünste auffrischen. Dazu wird er von dem kauzigen Simonides von Keos unterrichtet – und zwar auf sehr amüsante Weise. Der Leser findet alle bekannten Mnemotechniken, mit denen er seine grauen Zellen in sichere Datenbanken verwandeln kann. Autor Sébastien Martinez, Gewinner der französischen Gedächtnismeisterschaft, bettet seine Tricks in eine unterhaltsame Geschichte mit allerlei skurrilen Figuren ein.

In ihrem Sammelband „10 Jahre beste Bilder“ (Lappan-Verlag, 384 Seiten, 20 Euro) präsentieren die Herausgeber Dieter Schwalm und Wolfgang Kleinert die besten Cartoons des abgelaufenen Jahrzehnts. Wer Lektüre für ein paar vergnügliche Stunden sucht, liegt hier richtig. Ob Uli Hoeneß in seiner Zelle in BVB-Bettwäsche schlafen muss, Günter Wallraff auf einer Hühnerfarm als Huhn verkleidet um sein Leben bangt, Bären eine eigenwillige Facebook-Sammlung zur Schau stellen oder das Navi einer Seniorin am Friedhofstor doppeldeutig mitteilt: „Sie haben ihr Ziel erreicht“ – von lustig bis zu schwarzem Humor ist alles vertreten. Eine prima Idee, die vergangenen zehn Jahre auf diese Weise noch einmal Revue passieren zu lassen, denn neben dem Unterhaltungs- bietet dieses Buch auch einen hohen Erinnerungswert.