zum Hauptinhalt
Ein Comic informiert Patienten der Kardiologie der Charité über Praxis und Nutzen der Herzkatheteruntersuchung.

© Monika Skolimowska/dpa

Patienten-Aufklärung: Charité macht sich mit Comic verständlicher

Berliner Ärzte setzen jetzt Comics ein, um Patienten besser über einen bestimmten Eingriff aufzuklären. Auch andere Kliniken zeigen Interesse.

Ärzten wird nachgesagt, manchmal so zu sprechen, dass Patienten ohne Medizinstudium kaum verstehen, worum es geht. Steht eine Behandlung noch bevor, können Patienten es schlimmstenfalls mit der Angst zu tun bekommen, wenn Fragen offen bleiben: „Koronarangiografie“, „Ballondilatation“, „arterieller Katheter". Das sind Begriffe, mit denen Patienten tagtäglich konfrontiert werden. Vorausgesetzt, sie lesen den Aufklärungsbogen vor einer Linksherzkatheter-Untersuchung.

Über die medizinischen Schritte und Risiken dieses Routineeingriffs verständlich aufzuklären, ohne zu verharmlosen - das haben sich Ärztinnen an der Berliner Charité vorgenommen. Sie haben einen knapp 20-seitigen Comic entwickelt, den Patienten ergänzend zur rechtlich notwendigen Aufklärung von der Behandlung bekommen. In der Broschüre wird etwa in Wort und Bild erklärt, wie die Herzkranzgefäße untersucht werden und wie sich der Patient danach verhalten sollte. Eine frühere Studie hatte gezeigt, dass viele Patienten trotz Aufklärung das Prinzip der Herzkatheteruntersuchung nicht vollständig erfassten und somit falsche Vorstellungen vom Nutzen hatten.

Viele Patienten sind trotz Aufklärung nicht gut informiert

Trotz der bunten Illustrationen und der klaren Sprache wirkt das Heft nicht kindlich. Auch Ausrufe wie „Oh!“, „Boom!“, „Bang!“ oder lustige Szenen, wie aus vielen Comics bekannt, wären natürlich fehl am Platz. Das Heft erinnert eher an sogenannte Graphic Novels - ins Comicformat übertragene Romane, meist für erwachsene Leser. Das Genre zeigte in den vergangen Jahren, dass Comics auch für diese Altersgruppe mehr sein können als Klo-Lektüre.

Kardiologin Verena Stangl, die den Medizin-Comic an der Charité mit einem Team entwickelt hat, zeigt sich im Gespräch überzeugt von den Qualitäten des Mediums zur medizinischen Wissensvermittlung. „Der Comic soll natürlich nicht das persönliche Gespräch mit dem Patienten ersetzen“, betont sie. Nach Stangls Erfahrung kommen Nachfragen bei Patienten manchmal aber erst auf, wenn der Arzt gerade zur Tür hinaus ist. Ein Comic habe dann im Vergleich zu Videos etwa den Vorteil, dass der Patient die Geschwindigkeit beim Erfassen des Inhalts bestimmen kann.

Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv

Anfangs gab es auch Unsicherheiten: Würden sich gerade ältere Patienten nicht veräppelt fühlen, wenn man ihnen einen Comic in die Hand drückt? Die Rückmeldungen seien aber positiv gewesen, sagt Stangl. In einer kürzlich publizierten Studie mit Daten von rund 120 Patienten belegten ihr Team und sie einige Vorteile: Probanden, die zusätzlich auch die Bildergeschichte erhielten, hatten weniger Angst vor dem Eingriff und konnten mehr Fragen dazu richtig beantworten als Teilnehmer nach der Standard-Aufklärung mit Gespräch und Infobogen. Auch war die Comic-Gruppe laut der im Fachblatt „Annals of Internal Medicine“ veröffentlichten Studie zufriedener mit der Aufklärung.

Charité-Kardiologin Verena Stangl nutzt die Comics, um Patienten besser auf die Operation vorzubereiten.
Charité-Kardiologin Verena Stangl nutzt die Comics, um Patienten besser auf die Operation vorzubereiten.

© Monika Skolimowska/dpa

Stangl sagte, auch für andere kardiologische Eingriffe sollen nun Comics erarbeitet werden. Die Version zur Herzkatheteruntersuchung wolle die Uniklinik demnach standardmäßig einsetzen. Auch andere Kliniken hätten Interesse signalisiert, so die Medizinerin.

Auch andere Kliniken zeigen sich an Comics interessiert

Bisher ist von Patienten oft Eigeninitiative gefragt, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Man kann etwa auf Internetseiten von Selbsthilfegruppen oder Stiftungen laienverständlich aufbereitete Angaben finden - manchmal ist aber auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob eine Quelle wirklich seriös ist.

Ansätze wie ein Comic seien „prima“, wenn es im Gespräch gelinge, eine Brücke zu schlagen von den allgemeinen Infos hin zum Einzelfall, sagte Ansgar Jonietz vom Portal washabich.de. Auf der Internetseite können Patienten Arztbefunde kostenfrei von Medizinstudenten in verständliches Deutsch übersetzen lassen, außerdem bietet die gemeinnützige GmbH Kommunikationskurse für angehende Mediziner.

Es sei generell wichtig, dass Patienten nach einem Arzt-Gespräch etwas Schriftliches in die Hand bekommen, das sie zu Hause nachlesen können, sagte Jonietz. Beim Arzt seien Patienten manchmal aufgeregt, hinzu kämen Ängste und Sorgen im Hinterkopf. Fragt später die Familie nach, was der Arzt gesagt hat, könne es schon mal schwer fallen, die Einschätzung wiederzugeben. Im Medizinstudium habe Kommunikation lange keine Rolle gespielt, sagte Jonietz, und auch heute sei der Anteil noch zu gering. Manchen Ärzten sei gar nicht bewusst, dass ihr Sprachgebrauch nicht allgemeinverständlich ist. In den Kursen gehe es um das Vokabular und das Vermitteln komplexer Sachverhalte.

Manche Patienten wollen es gar nicht so genau wissen

„Wenn der Patient nicht versteht, was mit ihm passiert, ist er auch nicht bereit mitzuarbeiten“, sagte Jörg-Andreas Rüggeberg vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen. Er ist aber etwas skeptisch, was Medizin-Comics im Allgemeinen anbelangt: Schriftliche Maßnahmen seien immer standardisiert, wichtiger sei es, im Gespräch auf den einzelnen Patienten einzugehen. „Das ist der Schlüssel.“ Nach Rüggebergs Erfahrung hat die Wissbegierde von Patienten ohnehin auch Grenzen, etwa wenn es um technische Details von OPs geht. „Manche sagen, sie wollen es lieber gar nicht so genau wissen.“

„Wir müssen alles tun, um falsche Angespanntheit zu vermeiden, aber die persönliche Aufklärung ist nicht zu ersetzen“, sagte der Vorstandschef der Deutschen Herzstiftung, Dietrich Andresen. Als Kardiologe verdeutliche er Patienten die Abläufe einer OP jedes Mal aufs Neue etwa mit Zeichnungen auf Papier und versuche auch sprachlich, sich auf sein Gegenüber einzulassen. Zum Beispiel mit Begriffen aus dessen Berufsfeld, ergänzend zur Fachsprache. Die Zeit müssten sich Ärzte auch im Klinikalltag nehmen. (dpa)

Gisela Gross

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false