Eine Frage, vier Antworten: Herausforderungen im Gesundheitswesen
Artikel aus Hamburg
Die Ressourcen im Gesundheitswesen sind knapp. Zum einen sorgen stark steigende Leistungsausgaben und eine höhere Inanspruchnahme für instabile Finanzen im Gesundheitssystem. Zum anderen steigen die Einnahmen nicht im selben Maße und fehlen bereits jetzt die nötigen Fachkräfte. Die Folge: Das Gesundheitswesen braucht dringend Reformen!

Auf dem diesjährigen TK-Osterempfang wurde diskutiert, welche Herausforderungen nach den Wahlen im Jahr 2025 im Gesundheitswesen warten. Auf dem Empfang haben wir Gäste aus verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung gefragt:
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Themen im Hamburger Gesundheitswesen für die kommenden fünf Jahre?
Ursula Störrle-Weiss

Hamburg sollte die Trägervielfalt in seiner Krankenhauslandschaft sichern, sonst drohen Qualitätseinbußen aufgrund von nachlassendem Wettbewerbsdruck.
Ursula Störrle-Weiss, Geschäftsführerin AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM HAMBURG gGmbH: "Themen gibt es viele, aber besonders am Herzen liegt mir ein strategischer Aspekt: Hamburg sollte die Trägervielfalt in seiner Krankenhauslandschaft sichern, sonst drohen Qualitätseinbußen aufgrund von nachlassendem Wettbewerbsdruck. Das wäre das Gegenteil von dem, was mit der Krankenhausreform eigentlich beabsichtigt ist. Darüber hinaus ist es wichtig, bei der Vernetzung von der ambulanten und stationären Versorgung voranzukommen, und zwar vor allem im Sinne der guten Patientenversorgung. Und natürlich ist es wichtig, immer wieder neu Menschen für die Arbeit im Gesundheitswesen zu begeistern. Dazu müssen wir als Krankenhaus in der Lage sein, die veränderten Erwartungen der Mitarbeitenden an Zeit- und Vergütungsmodelle abzubilden und eine moderne Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Größtes Problem dabei: die andauernde Unterfinanzierung."
Dr. Andreas Krokotsch

Patientinnen und Patienten verdienen Transparenz und müssen leicht erkennen können, welche Klinik für ihre Erkrankung die richtige ist.
Dr. Andreas Krokotsch, Leitender Arzt des Medizinischen Dienstes Nord (MD Nord): "Hamburg ist in der Gesundheitsversorgung ein sehr leistungsfähiger Standort. Gerade mit Blick auf den demographischen Wandel brauchen wir aber auch in der Hansestadt eine zukunftssichere und bedarfsorientierte Krankenhausstruktur, die unseren Ansprüchen an Behandlungsqualität und Effizienz gerecht wird. Patientinnen und Patienten verdienen Transparenz und müssen leicht erkennen können, welche Klinik für ihre Erkrankung die richtige ist. Wir brauchen eine gezieltere ambulante ärztliche Versorgung - ohne Ärztehopping und Doppeluntersuchungen. Der Schlüssel dafür liegt im Primärarztmodell mit Opt-out-Option. Auch im Rettungswesen werden wir mehr Transparenz und bundeseinheitliche Qualitätsstandards benötigen. Gerne steht der Medizinische Dienst bei diesen großen Aufgaben mit Expertise und Erfahrung beratend zur Seite".
PD Dr. Birgit Wulff

Insbesondere mit Blick auf die Fachkrankenhäuser und auf die ärztliche Weiterbildung werden wir uns genau überlegen müssen, wie die Häuser und Sektoren in der Stadt noch besser zusammenarbeiten können.
PD Dr. med. Birgit Wulff, Vizepräsidentin der Ärztekammer Hamburg, stellvertretend für die Ärzteschaft: "Es gibt im Gesundheitswesen eine Reihe von Themen, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Ich will drei herausheben, die aus meiner Sicht besonders bedeutend für die Gesundheitsversorgung in Hamburg sein werden.
Das ist erstens die Krankenhausreform. Deren Rahmen ist zwar schon beschlossen, über die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung vor Ort werden wir aber noch intensiv beraten müssen. Insbesondere mit Blick auf die Fachkrankenhäuser und auf die ärztliche Weiterbildung werden wir uns genau überlegen müssen, wie die Häuser und Sektoren in der Stadt noch besser zusammenarbeiten können.
Der zweite Punkt ist die Frage, wie wir angesichts des demographischen Wandels und gewandelter Vorstellungen in der Ärzteschaft zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine ambulante Versorgung aufrechterhalten, die für alle Hamburgerinnen und Hamburger gut erreichbar ist.
Die dritte Herausforderung ist, wie wir die Patientinnen und Patienten effizient durch das Gesundheitswesen lotsen, wie wir also unnötige Arztbesuche oder auch die Inanspruchnahme von Notaufnahmen und Notfallpraxen verringern".
Bettina Spechtmeyer-Högel und Michael Sander

Erstens braucht es eine grundlegende Strukturreform der Pflegeversicherung.
Eine Stimme für die ambulante Pflege geben Michael Sander, Landesgeschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes Hamburg (ASB), und Bettina Spechtmeyer-Högel, die ab Juli 2025 die Geschäftsführung des ASB Hamburg übernimmt, ab.
"Aus Sicht des ASB Hamburg gibt es schwerpunktmäßig drei drängende Themen im Hamburger Gesundheitswesen für die kommenden fünf Jahre. Erstens braucht es eine grundlegende Strukturreform der Pflegeversicherung. Zweitens müssen Präventionsmaßnahmen gestärkt werden, um den Verbleib von älteren Menschen in der gewohnten Umgebung länger zu ermöglichen. Das kann gelingen etwa durch eine konsequente Quartiersarbeit, die Stärkung der Tagespflege, der ambulanten Pflege und der pflegenden Angehörigen sowie durch eine niedrigschwellige und präventive Pflegeberatung unter Nutzung der bestehenden Pflegeinfrastruktur. Und drittens braucht es dringend eine Reform der Notfallversorgung, die unter anderem Versorgungsanlässe und -strukturen bedarfsorientiert vernetzt und eine Leitstelle als 'Gatekeeper' mit der Entscheidung: 'Hilfeersuchen oder Notfall' in den Blick nimmt."
Weitere Eindrücke zum TK-Osterempfang 2025 gibt es im Nachbericht und auf dem LinkedIn-Account der TK-Landesvertretung Hamburg.