Endlich wurde die Corona-Warn-App aktualisiert. Ab sofort kann man mit ihr in Bars oder Konzerten einchecken und wird dann später gewarnt, wenn sich herausstellt, dass sich eine infizierte Person am selben Ort aufgehalten hat. Auch wenn das Update schon vor Monaten möglich gewesen wäre, ist gut, dass es endlich da ist. Das heißt aber auch: Die Politik muss jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es auch effektiv eingesetzt werden kann. 

Sobald die Biergärten, die Bars, die Shoppingmalls wieder öffnen, stellt sich die Frage: Was passiert, wenn jemand dort war, der zum Zeitpunkt des Aufenthalts mit Corona infiziert war? Irgendwie müssen alle Menschen benachrichtigt werden, die möglicherweise in Kontakt mit der infizierten Person standen. Dieses Contact-Tracing ist ein wichtiger Baustein der Pandemiebekämpfung, aber es ist aufwendig. Gesundheitsämter kommen bei hohen Infektionszahlen oft kaum hinterher damit, Kontaktpersonen zu identifizieren und rechtzeitig zu warnen, bevor sie möglicherweise weitere Menschen anstecken. Öffnen nun irgendwann wieder Orte, an denen sich viele Menschen treffen, wird es noch komplizierter, weil man herausfinden muss, ob jemand überhaupt zum selben Zeitpunkt wie die infizierte Person da war. 

Lange behalf man sich mit Zettelwirtschaft. Viele Bundesländer wollen dieses Problem nun mithilfe einer Smartphone-App lösen – allerdings nicht mit der Corona-Warn-App, sondern mit der von einem privaten Unternehmen veröffentlichten Anwendung Luca. Beide Apps leisten sehr Ähnliches, aber auf unterschiedlichen Wegen: Man checkt mit ihnen an einem Ort ein und wird dann später gewarnt, wenn man sich in der Nähe eines Corona-Infizierten befand. Warum die Bundesländer Millionen für eine weitere App ausgeben, obwohl auch schon Millionen in die Corona-Warn-App flossen? Nun ja, die Funktion in der Luca-App war eben schon verfügbar.

Schaut her, wir tun was

Dass es nun überhaupt ein weiterer Anbieter in die Diskussion geschafft hat, ist auch ein Versagen auf politischer Ebene. Ob und wann die Corona-Warn-App um eine Check-in-Funktion erweitert werden würde, war lange nicht absehbar. Viele Ministerinnen und Minister, Jens Spahn, Dorothee Bär, Helge Braun und andere, haben sich im Juni 2020 feiern lassen für die Corona-Warn-App, die damals zurecht als ein geradezu verblüffend gut gemachtes staatliches IT-Projekt galt. Sie müssen sich jetzt fragen lassen, warum dann so lange nichts passierte. Warum, im Gegenteil, einige ihrer Kolleginnen und Kollegen, etwa Markus Söder, öffentlich gar die Wirksamkeit der Corona-Warn-App infrage stellten – obwohl die Anwendung grundsätzlich funktioniert.

In diese Lücke, die durch die Nicht-Weiterentwicklung der Corona-Warn-App entstanden war, stieß Luca. Das Berliner Unternehmen Nexenio und der Rapper Smudo präsentierten ihr Produkt erfolgreich als vermeintlich einzig sinnvolle Lösung für ein immer drängender scheinendes Problem. Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben wohl auch deshalb überraschend schnell und ohne Ausschreibung Geld dafür auf den Tisch gelegt, weil sie zeigen wollten: Schaut her, wir tun etwas. Bald könnt ihr wieder in euren gewöhnten Alltag zurück. 

Dieses Versprechen hat man ähnlich auch schon bei der Corona-Warn-App gesehen und schon damals stimmte es nicht: Keine der beiden Apps wird im Alleingang normales Leben inmitten einer Pandemie ermöglichen ohne weitere Schutzmaßnahmen wie Abstand halten, auf die Hygiene achten, Masken tragen. Diese Hoffnungen werden sich wohl nur erfüllen, wenn sich ein Großteil der Bevölkerung impfen lässt.

Doch mit Luca gibt es, um es vorsichtig zu formulieren, noch ganz andere Probleme. Man muss nicht so weit gehen wie manche Twitter-User, die den Luca-Machern von Geldgier bis komplette Unfähigkeit alles Mögliche unterstellen. Das ist vermutlich übertrieben. Völlig gerechtfertigt aber ist die inhaltliche Kritik: Daten sind nicht gut gesichert, die Bewegungen von Nutzerinnen könnten praktisch transparent für das Unternehmen einsehbar sein und die Gesundheitsämter werden möglicherweise auch durch Luca am Ende nur mit Daten zugeschüttet werden, die dann immer noch verarbeitet werden müssen, oder die ihnen wenig nutzen. Im schlimmsten Fall müssen sie sich gar nicht nur durch die Kontaktpersonen von Infizierten kämpfen, sondern auch noch durch den Datenmüll, den Spaßvögel (oder Querdenker) durch falsche Check-ins produzieren. 

Leserkommentar Original-Kommentar anzeigen

Die offizielle Corona-Warn-App ist ersterer in jedem Fall vorzuziehen. So langsam macht die Installation auch Sinn, zumal noch weitere nützliche Funktionen vorhanden sind, bzw. folgen, wie die Schnelltestverwaltung inkl. Benachrichtigung und der digitale Impfnachweis, der mindestens in ganz Europa Gültigkeit haben wird.[...] Vor allem dann, wenn nicht noch parallel analoge Listen in Restaurants und beim Friseur ausgefüllt werden müssen.