Lenin

über August Bebel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lenin-Zitate zusammengestellt von Wolfgang Eggers

aus Anlass des 100. Todestages von August Bebel

am 13. August 2013

 

LENIN:

Beileidstelegramm - 1913

 

AN DIE SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI
DEUTSCHLANDS
ANLÄSSLICH DES TODES AUGUST BEBELS


Teilen Ihren Schmerz wegen Verlust größten Führers der internationalen
revolutionären Sozialdemokratie.
Im Auftrage des Zentralkomitees der
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands

Lenin

geschrieben zwischen dem
I3. und 17. August 1913.
geschickt von Poronin nach Berlin.
Veröffentlicht am 17. August 1913 im „Vorwärts" "Nr. 211

 

 

"August Bebel ist ein Vorbild eines Arbeiterführers, eines Repräsentanten und Mitkämpfers der Lohnsklaven des Kapitals in ihrem Massenkampf für eine bessere Ordnung der menschlichen Gesellschaft.”

[“Was tun ?”]

 

 

Lenin über August Bebel

8. August 1913 (Band 19 , Seite 285 - 291

Mit Bebel ist nicht nur der unter den Arbeitern angesehenste und von
den Massen am meisten geliebte Führer der deutschen Sozialdemokratie
ins Grab gesunken: Bebel verkörperte in seiner Entwicklung und seiner
politischen Tätigkeit eine ganze historische Periode aus dem Leben nicht
nur der deutschen, sondern auch der internationalen Sozialdemokratie.

 

 

 

 

 

Die Geschichte der Arbeiterbewegung aller Länder zeigt, daß die Ideen des Sozialismus am frühesten und am leichtesten von den am besten gestellten
Arbeiterschichten aufgenommen werden. Aus ihrer Mitte hauptsächlich stammen jene führenden Arbeiter, die jede Arbeiterbewegung hervorbringt, Arbeiter, die es verstehen, das volle Vertrauen der Arbeitermassen zu gewinnen, Arbeiter, die sich ganz und gar der Aufklärung und Organisierung des Proletariats widmen, Arbeiter, die den Sozialismus ganz bewußt aufnehmen und die sogar selbständig sozialistische Theorien ausgearbeitet haben. Jede lebensfähige Arbeiterbewegung hat solche Führer aus der Arbeiterklasse hervorgebracht, ihre Proudhon und Vaillant, ihre Weitling und Bebel.

(Lenin, Band 4, Seite 275)

 

Nehmen wir die Deutschen. Man wird doch hoffentlich nicht leugnen wollen, daß ihre Organisation die Menge erfaßt, daß alles von der Menge ausgeht, daß ihre Arbeiterbewegung gelernt hat, auf eigenen Füßen zu gehen? Und wie versteht diese millionenköpfige Menge es trotzdem, ihr „Dutzend" bewährter politischer Führer zu schätzen, wie fest hält sie zu ihnen! Im Parlament kam es wiederholt vor, daß Abgeordnete der feindlichen Parteien die Sozialisten hänselten: „SchöneDemokraten seid ihr! Nur in Worten habt ihr eine Bewegung der Arbeiterklasse, in Wirklichkeit aber tritt immer dieselbe Führersippe auf. Immer derselbe Bebel, derselbe Liebknecht, jahraus, jahrein, von einem Jahrzehnt zum anderen. Eure angeblich gewählten Abgeordneten der Arbeiterschaft sind
noch weniger absetzbar als die vom Kaiser eingesetzten Beamten!" Doch die Deutschen hatten nur ein verächtliches Lächeln für diese demagogischen
Versuche übrig, die „Menge" gegen die „Führer" auszuspielen, in der Menge schlechte und eitle Instinkte zu entfachen, der Bewegung durch Erschütterung des Vertrauens der Masse zu einem „Dutzend Schlauköpfen" die Widerstandsfähigkeit und Festigkeit zu rauben. Das politische Denken der Deutschen ist schon entwickelt genug, sie haben genügend politische Erfahrung gesammelt, um zu verstehen, daß es ohne ein „Dutzend" talentvoller (Talente aber kommen nicht zu Hunderten zur Welt), bewährter Führer, die mit den notwendigen Kenntnissen ausgerüstet sind, eine lange Schule durchgemacht haben und die ausgezeichnet zusammenarbeiten, in der heutigen Gesellschaft keinen beharrlichen Kampf einer Klasse geben kann. Die Deutschen haben auch in ihrer Mitte Demagogen gesehen, die einem „Hundert Dummköpfen" schmeichelten, indem sie sie über das „Dutzend Schlauköpfe" stellten, die der „schwieligen Faust" der Masse schmeichelten, sie (wie Most oder Hasselmann) zu unüberlegten „revolutionären" Aktionen anstachelten und Mißtrauen gegen die
bewährten und standhaften Führer säten. Und nur dank dem unentwegten und unversöhnlichen Kampf gegen alle demagogischen Elemente innerhalb des Sozialismus ist der deutsche Sozialismus so gewachsen und erstarkt.

 

Darum sind sie sofort bemüht, für jeden begabten Arbeiter Verhältnisse zu schaffen, unter denen seine Fähigkeiten zu voller Entfaltung gelangen und restlose Verwendung finden: man macht ihn zum Berufsagitator, man veranlaßt ihn, sein Arbeitsfeld zu erweitern, es von einer Fabrik auf das ganze Gewerbe, von einem Ort auf das ganze Land auszudehnen. Er erwirbt Übung und Geschicklichkeit in seinem Beruf, er erweitert seinen Gesichtskreis und seine Kenntnisse, er hat Gelegenheit, hervorragende politische Führer anderer Gegenden und anderer Parteien aus unmittelbarer Nähe zu beobachten, er bemüht sich, das gleiche Niveau zu erreichen sowie Kenntnis des Arbeitermilieus und Frische der sozialistischen Überzeugung mit der beruflichen Schulung in sich zu vereinigen, ohne die das Proletariat den hartnäckigen Kampf gegen die
ausgezeichnet geschulten Reihen seiner Feinde nichtt führen kann. So, und nur so steigen aus der Arbeitermasse die Bebel und Auer empor.

(Lenin; Band 5, Seite 490)

 

Diese Zeitung würde zu einem Teil des gewaltigen Blasebalgs werden, der jeden Funken des Klassenkampfes und der Volksempörung zu einem allgemeinen Brand anfacht. Um diese an und für sich noch sehr harmlose und noch sehr kleine, aber regelmäßige und im vollen Sinne des Wortes gemeinsame Sache könnte man eine ständige Armee von erprobten Kämpfern systematisch sammeln und schulen. Auf dem Gerüst dieses gemeinsamen oganisatorischen Baus würden ans den Reihen unserer Revolutionäre bald sozialdemokratische Sheljabows, aus den Reihen unserer Arbeiter russische Bebels emporsteigen und hervortreten, die sich an die Spitze der mobilisierten Armee stellen und das ganze Volk zur Abrechnung mit der Schmach und dem Fluche Rußlands führen würden.

(Lenin, Band 5, Seite 529)

 

Das ist alt! schreit Ihr. Jawohl. Alle Parteien, die eine gute volkstümliche
Literatur haben, verbreiten alte Sachen — Guesde und Lafargue, Bebel, Bracke,
Liebknecht usw. — jahrzehntelang. Hört Ihr: jahrzehntelang! Und nur die volkstümliche Literatur ist gut, nur die taugt etwas, die jahrzehntelang Dienste leistet.

(Lenin, Band 6, Seite 307)

Das ist nur bei den Deutschen im Schwange, daß man zum Beispiel im Jahre 1903 zum elften Male „Unsere Ziele" von Bebel herausgibt, die er vor 34 Jahren geschrieben hat!! Wie langweilig! Unsere „faszinierenden" Sozialrevolutionäre lachen sich darüber denn auch halbtot.

(Lenin, Band 6, Seite 311)

 

Das ist buchstäblich derselbe Vorwurf und derselbe Spott, die 1895 auch Bebel
und Liebknecht trafen, als Clara Zetkin zu ihnen sagte: „Es tut mir in der Seele weh, daß ich dich in der Gesellschaft seh*" (d. h. Bebel in der Gesellschaft von Vollmar und Co.). Es ist wirklich sonderbar, daß Bebel und Liebknecht damals nicht an Kautsky und Clara Zetkin ein hysterisches Schreiben wegen falscher Beschuldigung des Opportunismus gerichtet haben...

(Lenin, Band 7, Seite 286)

Wir standen vor dem Dilemma: Will Gen. Martow seine Parteitags-„Koalition" als vereinzelte politische Tatsache betrachten (wie z. B. die Koalition Bebels mit Vollmar 1895 ein Einzelfall war - si Ucet parva componere magnis [* wenn man Kleines mit Großem vergleichen darf. Die Red], oder will er diese Koalition festigen und alle Anstrengungen machen, um nachzuweisen, daß auf dem Parteitag Pledbanow und ich einen Fehler begangen haben, wird er zum regelrechten Führer des opportunistischen Flügels unserer Partei werden?

(Lenin, Band 7, Seite 352)

Bebel erklärte auf den Kongressen seiner Partei öffentlich, daß er keinen Menschen kenne, der sich so sehr durch seine Umgebung beeinflussen lasse wie Genosse Bernstein (nicht Herr Bernstein, wie sich früher Genosse Plechanow auszudrücken pflegte, sondern Genosse Bernstein): Wir werden ihn in unseren
Kreis aufnehmen, wir werden ihn zum Reichstagsabgeordneten machen, wir werden gegen den Revisionismus kämpfen, ohne mit unangebrachter Schärfe (ä la Sobakewitsch-Parvus) gegen den Revisionisten zu kämpfen - wir werden diesen Revisionisten „durch Milde töten" (kill with kindness), wie diese Methode, wenn ich nicht irre, Gen. Max Beer in einer englischen sozialdemokratischen Versammlung kennzeichnete, als er die deutsche Nachgiebigkeit, Friedfertigkeit, Milde, Elastizität und Umsicht gegen die Angriffe Hyndmans, des englischen Sobakewitsch, verteidigte.

(Lenin, Band 7, Seite 373)

Die Juristen sind die reaktionärsten Leute, wie, glaube ich, Bebel gesagt hat.
Schuster, bleib bei deinem Leisten. Sei nur Jurist, mache die Belastungszeugen
und den Staatsanwalt lächerlich, stelle höchstens einen Vergleich zwischen einem solchen Gericht und Sem Geschworenengericht in einem freien Lande an, aber laß die Überzeugungen des Angeklagten beiseite, untersteh dich nicht, auch nur ein Wort darüber fallenzulassen, wie du seine Überzeugungen und seine Handlungen bewertest. Denn du armseliger Liberaler, der du bist, verstehst diese Überzeugungen so wenig, daß du, auch wenn du sie lobst, nur Plattheiten von dir geben wirst.

(Lenin, Band 8, Seite 55)

In einem Brief an Lenin hat sich Bebel als Schiedsrichter zwischen den Anhängern der „Iskra" und denen des „Wperjod" angeboten. Lenin antwortete,
daß sich weder er noch irgendein anderer der ihm bekannten Anhänger des „Wperjod" das Recht anmaße, Schritte zu unternehmen, die die gesamte Partei binden würden, und daß der Vorschlag Bebels dem vom russischen Büro
einberufenen Parteitag zur Erörterung vorgelegt werden muß. Wir sind der
Meinung, daß der Parteitag diesen Vorschlag in den Punkt „Parteikrise" aufnehmen könnte.

(Anmerkung der Redaktion in: Lenin, Band 8, Seite 166)

Der Beschluß des Rats vom 10. März 1905 wendet sich an die Teilnehmer des vom russischen Büro einberufenen dritten Parteitags mit dem Vorschlag, die Vermittlung der deutschen Partei und Bebels zur Wiederherstellung der Parteieinheit anzunehmen, und erklärt, daß man bereit sei, zwei Vertreter des Rats zum Parteitag zu entsenden, um über die Durchführung der Idee eines Schiedsgerichts zu verhandeln.

( Lenin, Band 8, Seite 230)

II. Ich gehe nun zu dem Vorschlag des Genossen Bebel über, der unsere
Angelegenheiten betrifft.
Hier muß ich folgendes bemerken: 1. Ich bin nur eines der Mitglieder des ZK und verantwortlicher Redakteur des Zentralorgans der Partei, des „Proletari". Im Namen des gesamten ZK kann ich nur Auslandsangelegenheiten und einige andere, mit denen ich speziell betraut bin, entscheiden.
In jedem Falle können alle meine Entscheidungen von der Vollsitzung des ZK aufgehoben werden. Ich kann folglich die Frage der Einmischung des Büros in die Angelegenheiten unserer Partei nicht entscheiden.
Ich habe jedoch Ihren Brief und auch die Briefe der Genossen Bebel und Plechanow unverzüglich an alle Mitglieder des ZK in Rußland geschickt.
2. Um die Antwort des ZK zu beschleunigen, wäre es sehr nützlich, vom Büro einige notwendige Aufklärungen zu erhalten: a) Sind unter dem Wort „Einmischung" (intervention) nur eine friedenstiftende Vermittlung und ein Ratschlag zu verstehen, die nur moralische und nicht bindende Kraft haben?

b) Oder aber hat das Büro einen bindenden Beschluß im Auge, der von einem Schiedsgericht gefaßt wird? c) Schlägt das Exekutivkomitee des Büros vor, das Recht der endgültigen und unwiderruflichen Entscheidung über unsere Meinungsverschiedenheiten dem Plenum des Internationalen Sozialistischen Büros einzuräumen? 3. Meinerseits halte ich mich für verpflichtet, das Büro davon in Kenntnis zu setzen, daß Gen. Bebel kurz vor dem III. Parteitag mir und meinen Gesinnungsgenossen schon einen ähnlichen Vorschlag gemacht hat, indem er uns seine Dienste oder die Dienste des gesamten deutschen Parteivorstands als Schiedsrichter im Konflikt zwischen der Mehrheit und der Minderheit unserer Partei antrug.
Ich antwortete, daß bald ein Parteitag stattfinden werde und daß ich persönlich für die Partei oder in ihrem Namen keine Entscheidung treffen könne.
Das Büro der Komitees der Mehrheit lehnte Bebeis Vorschlag ab. Der III. Parteitag faßte über diesen Vorschlag keinerlei Beschluß und brachte dadurch sein stillschweigendes Einverständnis mit der Antwort des Büros der Komitees der Mehrheit zum Ausdruck. 4. Da das Internationale Büro es für möglich hält, seine Informationen aus „einigen deutschen Zeitungen" zu schöpfen, bin ich gezwungen, zu erklären, daß fast alle deutschen sozialistischen Zeitungen, besonders aber „Die Neue Zeit" und die „Leipziger Volkszeitung", ganz auf der Seite der „Minderheit" stehen und unsere Angelegenheiten sehr einseitig und unrichtig beleuchten. Kautsky z. B. bezeichnet sich ebenfalls als unparteiisch, ist aber in Wirklichkeit so weit gegangen, sich zu weigern, in der „Neuen Zeit" die Widerlegung eines Artikels von Rosa Luxemburg, in dem sie die Desorganisation der Partei verteidigte, zu bringen. In der „Leipziger Volkszeitung" hat Kautsky sogar geraten, die Broschüre mit der deutschen Übersetzung der Resolutionen des III. Parteitags nicht zu verbreiten!! Nach alledem ist nicht schwer zu verstehen, warum viele Genossen in Rußland geneigt sind, die deutsche Sozialdemokratie, was die Spaltung in den Reihen der russischen Sozialdemokratie betrifft, als parteiisch und äußerst voreingenommen zu betrachten.
Nehmen Sie, werte Genossen, unsern brüderlichen Gruß entgegen.
Lenin

(Lenin, Band 9, Seite134 - 135)

BRIEF AN DAS INTERNATIONALE SOZIALISTISCHE BÜRO
Genf, den 27. Oktober 1905
Werter Genosse!
Sie haben uns am 28. Juni einen Vorschlag des Genossen Bebel wegen der Differenzen in unserer Partei geschickt.
Am 24. Juli schrieb ich Ihnen*, daß ich der Entscheidung des Zentralkomitees
unserer Partei nicht vorgreifen könne, da ich nur eines der Mitglieder des Komitees sei, und bat das Büro um einige Erläuterungen. Als Antwort erhielt ich einen Brief von Huysmans vom 5. August, in dem er schreibt, daß die Einmischung des Exekutivkomitees nur moralischen Einfluß haben solle. Ich habe dem Zentralkomitee unserer Partei sofort mitgeteilt, welches der genaue Sinn des von Bebel gemachten Vorschlags ist.
Jetzt hat mir das Zentralkomitee geantwortet, daß es den Vorschlag annimmt und die Genossen Wassiljew, Schmidt107 und Lenin zu seinen Vertretern
ernennt. Genosse Schmidt befindet sich in Rußland. Deshalb müssen wir den für die Zusammenkunft bestimmten Tag rechtzeitig (mindestens drei Wochen vorher) erfahren.
Die beiden anderen Delegierten sind in der Schweiz.
Genehmigen Sie usw.
W. Uljanow (Lenin)

(Lenin, Band 9, Seite 390)

 

Wichtig ist, daß aus der Masse der Arbeiter bewußte sozialdemokratische Arbeiter hervorgehen, Arbeiterrevolutionäre, russische Bebel; wichtig ist, jeden
Bezirk, jedes Werk etc. zu organisieren.

(Lenin, Band 8, Seite 174)

 

Struve: „Im Vergleich mit dem Revolutionarismus der Herren Lenin und Genossen
erscheint der Revolutionarismus der westeuropäischen Sozialdemokratie Bebels
und sogar Kautskys als Opportunismus, doch selbst diesem schon gemilderten
Revolutionarismus hat die Geschichte den Boden unterspült und weggespült."


Ein sehr zorniger Ausfall. Herr Struve ist jedoch im Irrtum, wenn er meint, man könne mir, wie einem Verstorbenen, alles in die Schuhe schieben. Es genügt,
wenn ich an Herrn Struve eine Herausforderung richte, die anzunehmen er nie und nimmer imstande sein wird. Wo und wann habe ich den „Revolutionarismus
Bebels und Kautskys" als Opportunismus bezeichnet? Wo und wann habe ich versucht, in der internationalen Sozialdemokratie eine besondere Richtung ins Leben zu rufen, die mit der Richtung Bebels und Kautskys nidot identisch wäre? Wo und wann sind zwischen mir einerseits und Bebel und Kautsky anderseits Meinungsverschiedenheiten zutage getreten, die auch nur annähernd so ernst wären wie beispielsweise die Meinungsverschiedenheiten zwischen Bebel und Kautsky in der Agrarfrage in Breslau? Soll Herr Struve versuchen, auf diese drei Fragen zu antworten.
Den Lesern aber sagen wir: Die liberale Bourgeoisie wendet stets und überall
den Kunstgriff an, ihren Anhängern in dem betreffenden Lande zu versichern,
daß die Sozialdemokraten dieses Landes die unvernünftigsten Leute, ihre Genossen im benachbarten Staat aber „Musterknaben" seien. Die deutsche
Bourgeoisie hat den Bebel und Kautsky die französischen Sozialisten Hunderte Male als „Musterknaben" vorgehalten. Die französische Bourgeoisie hat erst unlängst den französischen Sozialisten den „Musterknaben" Bebel vorgehalten.
Ein alter Trick, Herr Struve! Nur Kinder und Ignoranten werden auf diesen Leim kriechen. Die volle Solidarität der internationalen revolutionären Sozialdemokratie in allen wichtigen Fragen des Programms und der Taktik ist
eine absolut unbestreitbare Tatsache.

(Lenin, Band 9, Seite 54)

Liebknecht fand die allgemeine Zustimmung des Parteitags, als er sich gegen die Idee der „Neutralität" der Gewerkschaften aussprach und dazu bemerkte: „Bebel ist zwar auch für die Neutralität eingetreten, aber ich glaube, daß es einer der wenigen Punkte ist, wo Bebel nicht die Mehrheit der Partei hinter sich hat."
Bebel selbst bestritt, daß er den Gewerkschaftsverbänden Neutralität gegenüber der Sozialdemokratie angeraten habe. Die Gefahr des Gewerkschaftsegoismus
erkannte Bebel uneingeschränkt an. Er sagte weiter, daß ihm noch schlimmere Beispiele dieser zünftlerischen Verblödung bekannt seien: Bei den jüngeren Gewerkschaftsführern gehe das so weit, daß sie ganz ungeniert über die Partei und über den Sozialismus, ja sogar über die Theorie des Klassenkampfes höhnen. Diese Erklärung Bebels löste allgemeine Empörungsrufe des sozialdemokratischen Parteitags aus. Lauter Beifall ertönte, als er entschlossen erklärte: „Genossen, seid auf dem Posten, überlegt euch, was ihr tut, ihr wandelt einen sehr verhängnisvollen Weg, an dessen Ende ihr euren eigenen Niedergang herbeiführt...."
Zur Ehre der deutschen Sozialdemokratie muß also gesagt werden, daß sie der Gefahr unverzagt ins Auge schaute. Weder vertuschte sie die Extreme des Ökonomismus, noch ersann sie üble Ausflüchte und Winkelzüge (wie sie bei uns z. B. von Plechanow nach dem II. Parteitag so reichlich erfunden wurden). Nein, sie hat die Krankheit rücksichtslos festgestellt, die schädlichen Tendenzen entschieden verurteilt und alle Parteimitglieder unumwunden und offen aufgefordert, sie zu bekämpfen. Ein lehrreiches Ereignis für die russischen Sozialdemokraten, von denen sich manche das Lob des Herrn Struve für ihre „Erleuchtung" in der Frage der Gewerkschaftsbewegung redlich verdient haben!

(Lenin, Band 9, Seite 288-289)

 

Herr Jollos beschränkt sich nicht darauf, dem Proletariat zu raten, „die Endziele vorübergehend in die Tasche zu stecken", d. h. sich vom Sozialismus loszusagen, nein, er rät außerdem davon ab, die gegenwärtige politische Revolution zu Ende zu führen. Herr Jollos zitiert Bebels Rede und rückt jene Stelle dieser Rede in den Vordergrund, wo Bebel Zweifel äußerte, ob es uns „in der nächsten Zeit" gelingen werde, Rußland in einen Kulturstaat zu verwandeln, wobei er gleichzeitig erklärte, daß das alte, absolutistische Regime nicht wiederkehren werde, „daß das alte Rußland jedenfalls unmöglich ist". Über diese Stelle schreibt Herr Jollos:
„Ich betrachte Bebel nicht als Autorität in russischen Dingen, muß aber
bemerken, daß er sich in diesem Teil seiner Rede von Kautsky und einigen
anderen Doktrinären, die der Revolution in Permanenz (der ununterbrochenen
Revolution) das Wort reden, vorteilhaft unterscheidet. Als kluger
Mensch und Politiker, der weiß, was für konkrete Formen ein Zustand
ständiger Anarchie im Leben eines Volkes anzunehmen pflegt, sieht Bebel
den Erfolg vor allem in der Verwirklichung der kulturellen Aufgaben, und
aus seinen Worten geht ganz klar hervor, daß er zwischen der russischen
Intelligenz und dem russischen Proletariat, wenigstens bis zur Erlangung
der elementaren Menschenrechte, keine Demarkationslinien zieht und
schon ganz gewiß keine Mauern errichtet."

Erstens ist das eine Verleumdung
Bebels, eine echte „Nowoje Wremja"-
Verleumdung.
Bebel zieht zwischen dem bürgerlichen und dem proletarischen
Demokratismus stets und unbedingt eine „Demarkationslinie",- Herr Jollos muß das wissen. Bebel trennt aufs entschiedenste die bürgerliche von der sozialdemokratischen Intelligenz. Dem russischen Leser zu versichern, daß
Bebel, während er für die „Kultur" kämpft, die Verlogenheit und den Verrat der bürgerlichen Demokratie einerseits und die sozialistischen Ziele der Arbeiterklasse anderseits auch nur vorübergehend außer acht lasse — heißt über den Führer der revolutionären deutschen Sozialdemokratie eine monströse Lüge verbreiten.
Zweitens geht aus
Bebels Rede absolut nicht hervor, daß er die russische
Revolution anders betrachtet als Kautsky. Daß sich
Bebel in dieser Hinsicht von Kautsky „vorteilhaft unterscheidet", ist eine Erfindung des Herrn Jollos, der aus Bebels Rede ein Stück herausreißt und entstellt, eine ganze Reihe seiner Erklärungen, die eindeutig für die russische Revolution und ihren entscheidenden Sieg Stellung nehmen, aber verschweigt.
Drittens — und darin besteht für uns die interessanteste Besonderheit der Stellung der „Russkije Wedomosti" — zeigt Herr Jollos durch seinen Ausfall, daß er gerade den entscheidenden Sieg der Revolution in Rußland fürchtet. Die „Revolution in Permanenz" bezeichnet Herr Jollos als „Anarchie in Permanenz". Das zu sagen heißt die Revolution zu einem bloßen Aufruhr stempeln, das zu sagen heißt zum Verräter an der Revolution werden.

(Lenin, Band 9, Seite 316 - 317)

 

 

Marx beklagt sich über die Kompromisse der deutschen Sozialdemokraten mit den Lassalleanern und mit Dühring (Brief vom 19. Oktober 1877) und verurteilt auch das Kompromiß „mit einer ganzen Bande halbreifer Studiosen und überweiser Doctores".

Dann richteten sie ein Rundschreiben (Zirkularbrief 1879) direkt an Bebel, Liebknecht und andere Führer der sozialdemokratischen Partei, worin sie drohten, gegen eine „solche" Herabwürdigung (deutsch „Verluderung" - ein nod) kräftigeres Wort) „der Partei und der Theorie" offen zu kämpfen, wenn die Richtung Höchberg, Schramm und Bernstein sich nicht ändere.

Es war die Zeit in der deutschen sozialdemokratischen Partei, die Mehring in seiner „Geschichte" „Ein Jahr der Verwirrung" nannte. Nach dem
„Ausnahmegesetz" fand die Partei nicht sofort den richtigen Weg. Sie verfiel zunächst in den Anarchismus Mosts und in den Opportunismus von Höchberg und Konsorten.

Der „ungestüme" Angriff von Marx führte dazu, daß die Opportunisten
zurückwichen und . . . sich dünne machten. Im Brief vom 19. November 1879 teilt Marx mit, daß man Höchberg aus der Redaktionskommission entfernt habe und daß alle einflußreichen Führer der Partei - Bebel, Liebknecht, Bracke usw. - seine Ideen desavouiert haben.
Der „Sozialdemokrat", das Parteiorgan der Sozialdemokratie, erschien nunmehr unter der Redaktion Vollmars, der damals auf dem revolutionären Flügel der Partei stand. Nach einem weiteren Jahr (am 5. November 1880) berichtet Marx, wie er und Engels ständig gegen die „miserable" Leitung dieses „Sozialdemokrat" gekämpft haben, „wobei es oft scharf hergeht". Liebknecht war im Jahre 1880 bei Marx und versprach eine „Besserung" in jeder Beziehung.
Der Friede war wiederhergestellt, der Krieg war nicht nach außen geflammt. Höchberg trat ab, Bernstein wurde revolutionärer Sozialdemokrat. . . jedenfalls bis zum Tode von Engels im Jahre 1895.

Das geht nicht anders - rechtfertigt sich Engels - , die Arbeiterpartei müsse die Kandidaten nehmen, wo sie sie findet und wie sie sie findet. „Die Herren vom rechten Flügel wissen, daß sie nur infolge des Sozialistengesetzes noch toleriert
werden und sofort an die Luft fliegen an dem Tag, wo die Partei wieder
Bewegungsfreiheit erhält." Es ist Engels überhaupt lieber, „wenn die Partei besser ist als ihre Parlamentshelden - als umgekehrt" (3. März 1887). Liebknecht ist ein Versöhnler, klagt Engels, er vertuscht dauernd die Gegensätze durch Phrasen, kommt es aber zur Spaltung, wird er im entscheidenden Moment mit uns sein.

Die Possibilisten sind auf den Beinen, die Unsrigen schlafen, ärgert sich Engels. Jetzt verlangen Auer und Schippel sogar, daß wir auf den Possibilistenkongreß
gehen. Dies aber hat „endlich" Liebknecht die Augen geöffnet. Engels schreibt gemeinsam mit Bernstein Pamphlete gegen die Opportunisten (gezeichnet von Bernstein - Engels nennt sie „unsere Pamphlete").

1889. Zwei internationale sozialdemokratische Kongresse in Paris. Die
Opportunisten (mit den französischen Possibilisten107 an der Spitze) haben sich von den revolutionären Sozialdemokraten abgespalten. Engels (er war damals 68 Jahre alt) stürzt sich wie ein Jüngling in den Kampf.
Eine Reihe von Briefen (vom 12. Januar bis zum 20. Juli 1889) ist dem Kampf gegen die Opportunisten gewidmet. Nicht nur sie, sondern auch die Deutschen, Liebknecht, Bebel usw., bekommen wegen ihres Versöhnlertums ihren Teil ab.

[Engels] „Aber von der Naivität der Deutschen hast Du keinen Begriff. Es hat
mich unendliche Mühe gekostet, selbst Bebel beizubringen, um was es
sich eigentlich handelt..."
(8. Juni 1889.)

Daraus sehen wir, daß Marx und Engels mehr als zehn Jahre systematisch,
unentwegt gegen den Opportunismus in der deutschen sozialdemokratischen
Partei kämpften und das intelligenzlerische Philistertum und Spießbürgertum im Sozialismus verfolgten. Das ist eine äußerst wichtige Tatsache. Weite Kreise wissen, daß die deutsche Sozialdemokratie als ein Vorbild marxistischer Politik und Taktik des Proletariats gilt, aber sie wissen nicht, welchen ständigen Krieg die Begründer des Marxismus gegen den „rechten Flügel" (ein Ausdruck von Engels) dieser Partei zu führen hatten. Daß dieser Krieg bald nach Engels' Tode aus einem versteckten zu einem offenen wurde, ist kein Zufall. Es ist das unvermeidliche Ergebnis der jahrzehntelangen historischen Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie.

Und heute erkennen wir besonders deutlich zwei Linien in den Ratschlägen,
Hinweisen, Richtigstellungen, Drohungen und Ermahnungen von Engels (und Marx). Den englisch-amerikanischen Sozialisten legten sie mit größter Beharrlichkeit nahe, sich mit der Arbeiterbewegung zu verschmelzen, den engen und verknöcherten sektiererischen Geist aus ihren Organisationen auszumerzen. Die deutschen Sozialdemokraten lehrten sie mit größter Beharrlichkeit: Verfallt nicht in Philistertum, in „parlamentarischen Idiotismus" (ein Ausdruck von Marx im Brief vom 19. September 1879), in kleinbürgerlich-intelligenzlerischen Opportunismus.

Heute, wo die internationale Arbeiterbewegung Symptome einer tiefen Gärung und großer Schwankungen offenbart, wo die Extreme des Opportunismus, des „parlamentarischen Idiotismus" und des philisterhaften Reformismus die entgegengesetzten Extreme des revolutionären Syndikalismus hervorgerufen haben - heute erlangt die gesamte Linie der Marxschen und Engelsschen „Richtigstellungen" am englisch-amerikanischen und am deutschen Sozialismus außerordentliche Bedeutung.
In Ländern, wo es keine sozialdemokratische Arbeiterpartei, keine
sozialdemokratischen Abgeordneten in den Parlamenten, keine systematische,
prinzipienfeste sozialdemokratische Politik bei den Wahlen, in der Presse usw. gibt - in solchen Ländern, lehrten Marx und Engels, müssen die Sozialisten um jeden Preis mit dem engen Sektierertum aufräumen und sich der Arbeiterbewegung anschließen, um das Proletariat politisch aufzurütteln. Denn in England wie in Amerika zeigte das Proletariat im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts fast keine politische Selbständigkeit.
Der politische Schauplatz in diesen Ländern - in denen es fast keine bürgerlich-demokratischen historischen Aufgaben gibt - wurde ausschließlich von der triumphierenden, selbstzufriedenen Bourgeoisie eingenommen, die in der Kunst, die Arbeiter zu betrügen, zu demoralisieren und zu bestechen, in der Welt nicht ihresgleichen findet.
Zu glauben, daß diese Ratschläge von Marx und Engels für die englisch-
amerikanische Arbeiterbewegung einfach und direkt auf die russischen Verhältnisse angewandt werden können - heißt sich den Marxismus zunutze machen, nicht um sich über seine Methode klarzuwerden, nicht um die konkreten historischen Besonderheiten der Arbeiterbewegung in bestimmten Ländern zu untersuchen, sondern um ihn zu kleinlichen fraktionellen, intelligenzlerischen Zwecken zu mißbrauchen.
In einem Lande dagegen, wo die bürgerlich-demokratische Revolution
unvollendet geblieben ist, wo „ein mit parlamentarischen Formen verbrämter
Militärdespotismus" (ein Ausdruck von Marx in seiner „Kritik des Gothaer Programms") herrschte und herrscht, wo das Proletariat bereits seit langem in die Politik einbezogen ist und eine sozialdemokratische Politik betreibt - in einem solchen Land fürchteten Marx und Engels vor allem die parlamentarische Verflachung, die philisterhafte Herabwürdigung der Aufgaben und des Schwungs der Arbeiterbewegung.
In der Epoche der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland diese Seite des Marxismus zu betonen und in den Vordergrund zu rücken, sind wir um so mehr verpflichtet, als bei uns eine weitverbreitete, „glänzende", reiche bürgerlich-liberale Presse mit Tausenden Stimmen dem Proletariat die „vorbildliche" Loyalität, die parlamentarische Legalität, die Bescheidenheit und Mäßigung der benachbarten deutschen Arbeiterbewegung anpreist.
Diese eigennützige Lüge der bürgerlichen Verräter an der russischen Revolution entsprang nicht einem Zufall und nicht der persönlichen Verderbtheit
irgendwelcher ehemaligen oder künftigen Minister aus dem kadettischen Lager, sondern den tiefgreifenden, ökonomischen Interessen der liberalen Gutsbesitzer und der liberalen Bourgeois in Rußland. Und im Kampf gegen diese Lüge, diese „Massenverdummung" (ein Ausdruck von Engels in dem Brief vom 29. November 1886)119 müssen die Briefe von Marx und Engels allen russischen Sozialisten als eine unersetzliche Waffe dienen.
Die eigennützige Lüge der liberalen Bourgeois verweist das Volk auf die vorbildliche „Bescheidenheit" der deutschen Sozialdemokraten. Die Führer dieser Sozialdemokraten, die Begründer der Theorie des Marxismus, sagen uns:
„Die revolutionäre Sprache und Aktion der Franzosen hat die Heulmeierei der Vierecks u. Co." (opportunistische Sozialdemokraten in der deutschen sozialdemokratischen Reichstagsfraktion) „erst recht matt erscheinen lassen" (es handelt sich um die Bildung einer Arbeiterpartei in der französischen Kammer und um den Decazeviller Streik, der die französischen Radikalen vom französischen Proletariat abspaltete), „und so sind in der letzten Sozialistengesetzdebatte nur Bebel und Liebknecht aufgetreten, und beide sehr gut. Mit dieser Debatte können wir uns wieder in anständiger Gesellschaft sehen lassen, was keineswegs mit allen der Fall war. überhaupt ist es gut, daß den Deutschen, namentlich seitdem sie so viel Philisterelemente gewählt (was freilich unvermeidlich war), die Führung" (der internationalen sozialistischen Bewegung) „etwas streitig gemacht wird. 3n "Deutschland wird alles in ruhigen Zeiten philisterhaft; da ist der Stachel der französischen Konkurrenz absolut nötig . . . "
(Brief vom 29. April 1886.)
Das sind die Lehren, die sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands, die unter dem ideologischen Einfluß vor allem der deutschen Sozialdemokratie steht, am gründlichsten zu eigen machen muß.
Diese Lehren werden uns nicht vermittelt durch diese oder jene vereinzelte
Stelle aus dem Briefwechsel der größten Männer des 19. Jahrhunderts, sondern durch den ganzen Geist und den ganzen Inhalt ihrer kameradschaftlichen, offenen, jeder Diplomatie and kleinlichen Erwägungen abgeneigten Kritik an den internationalen Erfahrungen des Proletariats.

Ein weiteres Beispiel. Im Jahre 1891 bestand die Gefahr eines europäischen
Krieges. Engels korrespondierte darüber mit
Bebel, und sie waren sich darüber einig, daß sich die deutschen Sozialisten bei einem Angriff Rußlands auf Deutschland verzweifelt mit den Russen und mit allen Verbündeten der Russen werden schlagen müssen. „Wird Deutschland erdrückt, dann auch wir, während der Kampf im günstigsten Falle ein so heftiger wird, daß Deutschland sich nur durch revolutionäre Mittel halten kann und daß daher sehr möglicherweise wir gezwungen werden, ans Ruder zu kommen und 1793 zu spielen." (Brief vom 24. Oktober 1891.)
Mögen sich das jene Opportunisten merken, die vor aller Welt das Geschrei erhoben, die „jakobinischen" Perspektiven der russischen Arbeiterpartei im Jahre 1905 seien etwas Nichtsozialdemokratisches!
Engels wies Bebel geradezu auf die Möglichkeit hin, daß sich die Sozialdemokraten an einer provisorischen Regierung werden beteiligen müssen.

(Lenin: Vorwort zu den Briefen von Marx/Engels an Sorge

Band 12, Seite 364 ff.)

Ebenso müßige Anstrengungen des Opportunismus sehe ich in den Verhandlungen mit den Narodowzen; die Rechtfertigung dieser Verhandlungen
mit Berufung auf Bebel ist absolut schwach. Bebel habe gesagt, wenn es für die Sache notwendig ist, treten wir auch mit des Teufels Großmutter in Verbindung. Bebel hat recht, Genossen: wenn es für die Sache notwendig ist, kann man sich natürlich auch mit des Teufels Großmutter einlassen. Nun, und für welche Sache erwiesen sich Ihre Verbindungen mit den Narodowzen als notwendig? Für gar keine. Ihr Nutzen ist gleich Null. Und daraus folgt, daß Bebel gut gesprochen hat, Sie ihn aber schlecht verstehen.

(Lenin, Band 12, Seite 451-452)

 

Man muß dem Sozialismus einen Anstoß in dem Sinne geben, daß man sich nicht nur auf parlamentarische Kampfmittel beschränken darf, daß man in den Massen
das Bewußtsein der Notwendigkeit revolutionärer Aktionsmethoden in
-Verbindung mit den Krisen,die der Kriegunvermeidlich im Gefolge hat,
entwickeln muß, in dem Sinne schließlich, daß man in den Massen ein
lebendigeres Bewußtsein; der internationalen Solidarität der Arbeiter und der Verlogenheit des bürgerlichen Patriotismus schaffen muß..
- Die Resolution Bebels, die von den Deutschen eingebracht wurde und
sich in allen wesentlichen Punkten mit der Resolution von Guesde deckte,
litt gerade an dem Mangel, daß in ihr jeder Hinweis auf die aktiven Aufgaben
des Proletariats fehlte. Dies gab die Möglichkeit, die orthodoxen Formulierungen Bebels durch die opportunistische Brille zu lesen. Vollmar setzte diese Möglichkeit unverzüglich in die Wirklichkeit um.
Daher brachten, Rosa Luxemburg und die russischen sozialdemokratischen
Delegierten zur Bebelschen: Resolution Abänderungsanträge ein.
Diese Anträge besagten 1., daß der Militärismus ein Hauptwerkzeug der
Klassenunterjochung ist, verwiesen 2. auf die Aufgabe der Agitation unter
der Jugend und betonten 3. die Aufgabe der Sozialdemokratie, nicht nur
gegen den Ausbruch von Kriegen oder für die rasche Beendigung bereits
ausgebrochener Kriege zu kämpfen, sondern auch die durch den Krieg
herbeigeführte Krise auszunutzen, um den Sturz der Bourgeoisie zu beschleunigen.
Alle diese Abänderungsanträge nahm die Unterkonimission (die von der Kommission für die Frage des Antimilitarismus gewählt worden war) in die Bebeische Resolution auf .Außerdem schlug Jaures einen trefflichen Plan vor: statt auf die Kampfmittel (Streik, Auf stand): solle auf die historischen Beispiele, des Kampf es des Proletariats gegen-den Krieg - von den Demonstrationen in Europa bis zur Revolution in Rußland - hingewiesen werden. Das.Resultat dieser ganzen Umarbeitung war eine zwar übermäßig lange, dafür aber wirklich gedankenreiche, die Aufgaben des Proletariats. genau aufzeigende Resolution. Sie verbindet die Strenge einer orthodoxen, d. h. der einzig wissenschaftlichen marxistischen Analyse mit der Empfehlung entschlossensten und revolutionärster Kampf maßnahmen für die Arbeiterparteien. Diese Resolution kann man nicht, auf Vollmarsche Art lesen, ebensowenig wie man sie in den engen Rahmen des naiven Herveismüs zwängen kann.
Im großen und ganzen hat der Stuttgarter Kongreß in einer ganzen Reihe bedeutsamster Fragen den opportunistischen und den revolutionären
Flügel der internationalen-Sozialdemokratie in aller Deutlichkeit einandergegenübergestellt und diese Fragen im Geiste des revolutionären
Marxismus gelöst.

Der kürzlich beendete Kongreß m Stuttgart war der zwölfte Kongreß der proletarischen Internationale. Die ersten fünf Kongresse fallen in die Zeit der ersten Internationale (1866-1872), die unter der Führung von Marx stand, der - um den treffenden Ausdruck Bebels zu gebrauchen - versucht hatte, die internationale Einheit des kämpfenden Proletariats von oben her zu verwirklichen. Dieser Versuch konnte keinen Erfolg haben, solange sich nicht nationale sozialistische Parteien herausgebildet hatten, solange sie nicht erstarkt waren, doch die Tätigkeit der ersten Internationale erwies der Arbeiterbewegung aller Länder große Dienste und hinterließ bleibende Spuren.

Die zweite Internationale beginnt mit dem Pariser Internationalen Sozialistenkongreß von 1889. Auf den nachfolgenden Kongressen in Brüssel (1891), Zürich (1893), London (1896), Paris (1900) und Amsterdam (1904) erstarkte diese sich auf festgefügte nationale Parteien stützende neue Internationale endgültig. In Stuttgart versammelten sich 884 Delegierte von 25 Völkern Europas, Asiens (Japan und ein Teil aus Indien), Amerikas, Australiens und Afrikas (ein Delegierter aus Südafrika).
Die große Bedeutung des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart besteht gerade darin, daß er die endgültige Festigung der zweiten Internationale und die Umwandlung der internationalen Kongresse in sachliche Tagungen manifestiert, die auf Charakter und Richtung der sozialistischen Tätigkeit in der ganzen Welt von größtem Einfluß sind.

(Lenin, Band 13, Seite 72 und 74)

In Stuttgart ging es dem Wesen nach, eben um,die Frage: Neutralität der Gewerkschaften oder immer größere Annäherung derselben an die Partei? Und der Internationale Sozialistenkongreß sprach sich, wie sich der Leser in der entsprechenden Resolution überzeugen kann, für die größere-Annäherung der Gewerkschaften an die Partei aus. Weder von Neutralität noch von Parteilosigkeit der Gewerkschaften ist in der Resolution die Rede: Kautsky, der in der deutschen Sozialdemokratie für die Annäherimg der Gewerkschaften an die Partei eintrat und sich gegen die von Bebel befürwortete Neutralität wandte, erklärte daher in seinem Bericht vor den Leipziger Arbeitern über den Stuttgarter Kongreß mit vollem Recht („Vorwärts",. 1907, Nr. 209, Beilage): .
„Die Resolution, des Stuttgarter. Kongresses sagt alles, was wir brauchen.
Sie macht der Neutralität für immer, ein Ende." Clara Zetkin

(Lenin, Band 13, Seite 79)

Gen. Woinow hatte auch keine Veranlassung, Plechanow Glauben zu schenken, wenn dieser behauptete, Bebel habe in seiner Begrüßungsrede absichtlich über die russische Revolution geschwiegen, Bebel wolle nicht über Rußland sprechen. Diese Worte Plechanows waren einfach eine plumpe Narretei des von den Liberalen hochgeschätzten Sozialisten, man hätte sie nicht für einen Augenblick emst nehmen dürfen, man hätte selbst die Möglichkeit verwerfen müssen, daß diese Worte auch nur ein Körnchen Wahrheit enthalten. Ich meinerseits kann bezeugen, daß während der Rede Bebels van Kol, ein Vertreter des rechten Flügels der Sozialisten, der neben mir im Büro saß, speziell darauf achtete, ob Bebel Rußland erwähnen würde. Und kaum hatte Bebel geendet, als sich van Kol an mich wandte und seine Verwunderung ausdrückte; er zweifelte nicht daran
(wie-auch kein einziger.emst zu nehmender Teilnehmer,des Kongresses daran zweifelte), daß Bebel Rußland zufällig vergessen hatte. Fehler können den besten und erfahrensten Rednern unterlaufen. Wenn Gen. Woinow die Vergeßlichkeit des alten Bebel als „charakteristisch" bezeichnet, so ist das meiner Meinung nach im höchsten Grade 'ungerecht. Ebenso ist es völlig ungerecht, allgemein: von dem „heutigen" opportunistischen Bebel zu sprechen. Für eine solche Verallgemeinerung liegt kein Grund vor.
Um aber keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sage ich gleich, daß, wenn irgend jemand versuchen sollte,; diese Äußerung des Gen. Woinow gegen die revolutionären deutschen Sozialdemokraten auszunutzen, dies ein unlauteres Herausgreifen einzelner Worte wäre. Gen. Woinow hat durch seine ganze Broschüre hinreichend bewiesen, daß er auf der Seite der deutschen revolutionären Marxisten (wie Kautsky) steht, daß er gemeinsam mit ihnen an der Liquidierung alter Vorurteile, opportunistischer Schablonen und kurzsichtiger Selbstzufriedenheit arbeitet.
Deshalb war ich auch in Stuttgart in allem Wesentlichen mit Gen. Woinow
einverstanden und bin auch jetzt, was den ganzen Charakter seiner revolutionären Kritik anbetrifft, mit ihm einverstanden. Er hat tausendmal
recht, wenn er sagt, daß wir jetzt nicht nur bei den Deutschen, sondern auch am Beispiel der Deutschen lernen müssen. Nur Ignoranten, die noch nichts bei den Deutschen.gelernt haben und deshalb die Anfangsgründe nicht kennen, können hieraus .„Differenzen" unter den revolutionären Sozialdemokraten herleiten. Die Fehler der deutschen Führer müssen wir furchtlos und offen kritisieren, wenn wir dem Geist von Marx treu bleiben und den russischen Sozialisten helfen wollen, den gegenwärtigen Aufgaben der Arbeiterbewegung gerecht zu werden. Zweifellos beging Bebel auch in Essen einen Fehler, als er Noske verteidigte, als er auf der Unterscheidung zwischen Verteidigungs- und Angriffskrieg bestand, als er sich gegen die Methode des Kampfes der „Radikalen" gegen van Kol wandte, als er (gemeinsam mit Singer) die Erfolglosigkeit und die Unrichtigkeit der Taktik der deutschen Delegation in Stuttgart bestritt. Wir dürfen diese
Fehler nicht verbergen, sondern müssen an ihrem Beispiel zeigen, daß die
russischen Sozialdemokraten lernen müssen, sie zu vermeiden, daß sie den höheren Anforderungen des revolutionären Marxismus gerecht werden müssen. Die russischen Anarchisten und Syndikalisten, die Liberalen und Sozialrevolutionäre aber mögen sich die Schadenfreude über unsere Kritik an Bebel sparen. Wir werden diesen Herren sagen: Wohl traf's sich, daß des Adlers Flug ihn niedriger, als Hühner fliegen, trug, doch fliegen Hühner nie auf Adlershöh'n!

(Lenin, Band 13, Seite160 - 161)

 

 

„Ich bin für die Neutralität im Bebelschen, nicht im revisionistischen Sinne", schreibt Plechanow. So reden, heißt auf Bebel schwören und doch zugleich in den Sumpf hineinwaten. Zweifellos ist Bebel eine so bedeutende Autorität in der internationalen proletarischen Bewegung, ein so erfahrener praktischer Führer, ein Sozialist von so feinem Gefühl für die Erfordernisse des revolutionären Kampfes, daß er in 99 von 100 Fällen sich selber aus dem Sumpf zu helfen vermochte, wenn er hie und da einen, falschen Schritt getan hatte, daß er diejenigen herauszog, die. ihm folgten.
Bebel beging Fehler sowohl in Breslau (1895), wo er zusammen mit Vollmar das Agrarprogramm der Revisionisten verteidigte, als auch seinerzeit (in Essen), da er: auf der prinzipiellen Unterscheidung zwischen Verteidigungs- und Angriffskrieg bestand, wie auch dann, als er bereit war, die „Neutralität" der Gewerkschaften zum Prinzip zu erheben. Wir glauben gern, wenn Plechanow nur in Bebels Gesellschaft in den Sumpf geraten sollte, so wird dies nicht oft und nicht für lange geschehen. Doch meinen wir, man sollte Bebel nicht gerade dann nacheifern, wenn er Fehler begeht.

(Lenin, Band 13, Seite474 - 475)

 

Der prinzipielle Zusammenhang zwischen Militarismus und Kapitalismus steht also bei den Sozialisten durchaus fest, und es gibt in dieser Frage keine Meinungsverschiedenheiten. Aber die Anerkennung dieses
Zusammenhangs bestimmt noch nicht konkret die antimilitaristische 7äktik der Sozialisten, entscheidet nicht die praktische Frage, wie gegen die Last des Militarismus zu kämpfen ist und wie Kriege verhindert werden können. Und gerade in den Antworten auf diese Fragen gehen die Auffassungen der Sozialisten erheblich auseinander. Auf dem Stuttgarter Kongreß konnte man diese Meinungsverschiedenheiten besonders deutlich konstatieren.
Auf dem einen Pol stehen die deutschen Sozialdemokraten vom Typ Vollmars. Da - so argumentieren sie - der Militarismus ein Produkt des Kapitalismus ist und Kriege eine unvermeidliche Begleiterscheinung der kapitalistischen Entwicklung bilden, bedarf es keinerlei spezifischen Antimilitarismus.
So sagte es Vollmar auf dem Parteitag in Essen. In der Frage, wie sich die Sozialdemokraten im Falle einer Kriegserklärung verhalten sollen, steht die Mehrheit der deutschen Sozialdemokraten, mit Bebel und Vollmar an der Spitze, hartnäckig auf dem Standpunkt, daß die Sozialdemokraten ihr Vaterland gegen einen Angriff verteidigen müßten und verpflichtet seien, an einem „Verteidigungskrieg" teilzunehmen.

Dem Proletariat können die politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen seines Kampfes nicht gleichgültig sein, folglich können ihm auch die Geschicke seines Landes nicht gleichgültig sein. Jedoch interessieren es diese Geschicke nur insofern, als sie seinen Klassenkampf betreffen, nicht aber kraft eines bürgerlichen, im Munde von Sozialdemokraten ganz unangebrachten „Patriotismus".

Lenin: Der streitbare Militarismus und die antimilitaristische Taktik

(Lenin, Band 15, Seite 189)

Die erhabensten Wahrheiten kann man banalisieren, Genossen Otsowisten, die erhabensten Aufgaben in eine Phrase verwandeln, und das tut ihr eben. Den Kampf gegen den Opportunismus habt ihr zu einer Phrase gemacht und damit nur den Opportunisten in die Hände gespielt.
Unsere Fraktion machte und macht Fehler, aber gerade die Erfahrungen ihrer Arbeit haben bewiesen, daß sie standhaft und konsequent das Proletariat vertreten „konnte und kann" - konnte und kann, wenn wir, die Partei, ihr die Richtung geben, ihr helfen, ihr unsere besten Kräfte als Leiter geben, ihr Direktiven und Entwürfe für Reden abfassen und ihr erläutern, wie schädlich und verhängnisvoll die Ratschläge der kleinbürgerlichen Intelligenz sind, der es immer und überall in der "Welt! nicht nur in Rußland, am leichtesten gelingt, in alle möglichen Institutionen um das Parlament herum einzudringen.
Habt den Mut zuzugestehen, Genossen, daß wir noch viel zuwenig für eine solche wirkliche Anleitung der Arbeit unserer Fraktion, für ihre praktische Unterstützung getan haben. Habt den Mut zuzugestehen, daß wir auf diesem Wege zehnmal mehr tun könnten, wenn wir es verstünden, unsere Organisationen zu festigen, unsere Partei zusammenzuschließen,
sie enger mit den Massen zu verbinden und Parteiorgane zu schaffen, die ständig auf die breiten Schichten des Proletariats einwirken. Darauf konzentrieren sich unsere Bemühungen und darauf müssen die Bemühungen all derer konzentriert sein, die in der Tat, und nicht bloß in Worten, gegen den Opportunismus kämpfen wollen.
Die Otsowisten haben den Kampf gegen den Opportunismus der Fraktion zu einer Phrase gemacht, denn sie haben Worte auswendig gelernt, ohne den Unterschied zwischen anarchistischer und sozialdemokratischer Kritik am Opportunismus begriffen zu haben. Nehmt die Anarchisten:
Sie alle greifen jeden Fehler auf, ziehen gegen jeden sozialdemokratischen
Parlamentarier vom Leder, alle erheben sie ein Geschrei darüber, daß sogar Bebel irgendwann einmal eine Rede beinahe im Geiste des Patriotismus gehalten, irgendwann einmal eine falsche Haltung in der Frage des Agrarprogramms bezogen hat usw. usf. Es stimmt, daß sogar ein Bebel in seiner parlamentarischen Laufbahn opportunistische Fehler gemacht hat. Aber was folgt daraus? Für einen Anarchisten lautet die Schlußfolgerung, daß man alle Arbeiterdeputierten abberufen müsse. Die Anarchisten schimpfen über die sozialdemokratischen Parlamentarier, um mit ihnen zu brechen, sie schimpfen, aber sie weigern sich, für den Aufbau einer proletarischen Partei, für die Entwicklung einer proletarischen Politik, für die Heranbildung proletarischer Parlamentarier zu arbeiten. Und in der Praxis werden die Anarchisten durch ihre Phrasen zu treuesten Handlangern des Opportunismus, zu seiner Kehrseite.
Die Sozialdemokraten ziehen aus den Fehlern einen anderen Schluß.
Sie sagen, daß sogar ein Bebel nicht zu einem Bebel werden konnte ohne langwierige Arbeit der Partei an der Entwicklung einer wirklich sozialdemokratischen Vertretung. Man möge uns nicht damit kommen: „Wir
haben keine Bebel in der Fraktion." Man wird nicht als Bebel geboren, zu einem Bebel entwickelt man sich. Die Bebel fallen nicht vom Himmel, wie Minerva dem Haupte des Jupiter entsprang, sondern sie werden von der Partei und der Arbeiterklasse hervorgebracht. Wer sagt: Wir haben keine Bebel, der kennt die Geschichte der deutschen Partei nicht, der weiß nicht, daß es eine Zeit gegeben hat, während des Sozialistengesetzes, da August Bebel opportunistische Fehler beging, die Partei diese Fehler korrigierte und Bebel die Richtung wies.

(Lenin: Band 15, Seite 392 - Eine Karikatur auf den Bolschewismus )

Elm, von Jaures unterstützt, trat entschieden dagegen auf und offenbarte restlos seinen ganzen Opportunismus. Er sagte, es sei ungewiß, ob es überhaupt zur Expropriation kommen würde, er persönlich halte dies für völlig unwahrscheinlich, für die „Mehrheit" (!) sei dies eine strittige Frage, im Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sei von Expropriation nicht die Rede, man sollte „Überwindung des Kapitalismus"* sagen. Die bekannten Worte, die Bebel in Hannover zum Abschluß der Auseinandersetzungen mit Bernstein gesagt hatte, „es bleibt bei der Expropriation", hat einer der Führer des deutschen Opportunismus vergessen.

Lenin: DIE FRAGE DER GENOSSENSCHAFTEN AUF DEM INTERNATIONALEN SOZIALISTENKONGRESS IN KOPENHAGEN

Lenin, Band 16, Seite 283

Der zweite Abänderungsantrag bezog sich auf den Punkt, der vom Verhältnis der Genossenschaften zur Partei spricht. Wir haben vorgeschlagen, entweder die Worte:
„was" (d. h. die Hilfe für den Kampf der Arbeiter) „vom Standpunkt des
Sozialismus auf jeden Fall wünschenswert ist", hinzuzufügen, oder diesen ganzen Punkt durch einen anderen zu ersetzen, der den Sozialisten in den Genossenschaften direkt empfiehlt, die Notwendigkeit der direkten Unterstützung des Klassenkampfes des Proletariats zu propagieren und
zu verteidigen.
Beide Abänderungsanträge wurden von der Kommission abgelehnt, es wurden nur etwa 15 Stimmen dafür abgegeben. Die Sozialrevolutionäre stimmten - wie immer auf internationalen Kongressen - für Jaures.
Vor der russischen Öffentlichkeit sind sie nicht abgeneigt, sogar Bebel des Opportunismus zu beschuldigen, aber vor der europäischen Öffentlichkeit
folgen sie Jaures und Elm! Wurm machte den Versuch, den Schluß der Resolution durch eine Umstellung der letzten drei Absätze zu korrigieren. Am Anfang sollte gesagt werden, daß die Genossenschaften einen einheitlichen Verband bilden sollen (vorletzter Absatz). Dann könnte erklärt werden, daß.es den Genossenschaften überlassen sei, ob sie die Partei direkt unterstützen wollen oder nicht (drittletzter Absatz).
Und der letzte Absatz könne mit „aber" beginnen (aber der Kongreß erklärt, daß es erwünscht ist, daß die Beziehungen zwischen der Partei, den Gewerkschaften und den Genossenschaften immer inniger werden).
Dann wäre aus dem gesamten Kontext klar ersichtlich, daß der Kongreß
den Genossenschaften empfiehlt, die Partei zu unterstützen. Elm lehnte auch diesen Abänderungsantrag ab! Wurm zog ihn darauf zurück. Als Wibaut ihn wieder aufnahm, stimmten wir für ihn, aber der Abänderungsantrag wurde abgelehnt.

Zu der Frage, wie man sich auf dem Plenum des Kongresses verhalten soll, hatten wir eine Beratung mit Guesde. Guesde war der Meinung — und seine Meinung teilten die deutschen revolutionären Sozialdemokraten —, daß man wegen einzelner Korrekturen auf dem Plenum des Kongresses keinen Kampf beginnen und für die Resolution insgesamt stimmen solle.
Ihre Mängel bestünden darin, daß ein revisionistischer Satz zugelassen wurde, der die Bestimmung des Ziels des Sozialismus nicht ersetze, sondern neben dieser Bestimmung stehe - und in einem ungenügend starken Ausdruck des Gedankens, daß die Arbeitergenossenschaften den Klassenkampf der Arbeiter unterstützen müßten. Diese Mängel müßte man zu korrigieren suchen, aber es bestehe kein Grund, ihretwegen auf dem Plenum einen Kampf zu beginnen. Wir erklärten uns mit dieser Meinung von Guesde einverstanden, und die Resolution wurde vom Plenum des Kongresses einstimmig angenommen.

Lenin: DIE FRAGE DER GENOSSENSCHAFTEN AUF DEM INTERNATIONALEN SOZIALISTENKONGRESS IN KOPENHAGEN

Lenin, Band 16, Seite 286

Die Aufgabe, unsere Partei in einem Organ der deutschen Revisionisten zu verleumden, hat ein anderer Literat übernommen: TL. Streltzow.
Sein Artikel erschien in den „Sozialistischen Monatsheften", die von Herrn Bloch redigiert werden, den Bebel in Magdeburg zu Recht einen Nationalliberalen nannte.

Lenin: Wie manche Sozialdemokraten über die Lage in der SDAPR informieren

Lenin, Band 16, Seite 289

Zwei Welten

16. November 1910

Über den Magdeburger Parteitag der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands

Martow hat die Schule der kapitalistischen "Bourgeoisie an die Stelle der Schule des 'Kapitalismus gesetzt. (In Parenthese sei bemerkt: eine andere Bourgeoisie als die kapitalistische gibt es in der Welt nicht.) Worin besteht die Schule des Kapitalismus? Darin, daß der Kapitalismus die Bauern aus der Idiotie des Dorflebens herausreißt, sie aufrüttelt und zum Kampf drängt. Worin besteht die Schule der „kapitalistischen Bourgeoisie"?
Darin: „Die deutsche Bourgeoisie von 1848 verrät ohne allen Anstand diese Bauern, die ihre natürlichsten Bundesgenossen sind, und ohne die sie machtlos ist gegenüber dem Adel." (K. Marx in der „Neuen Rheinischen Zeitung" vom 29. Juli 1848.) Darin, daß die russische liberale Bourgeoisie in den Jahren 1905-1907 systematisch und beharrlich die Bauern verriet, sich dem Wesen der Sache nach auf die Seite der Gutsbesitzer und des Zarismus gegen die kämpfenden Bauern schlug, der Entfaltung des Kampfes der Bauern direkte Hindernisse in den Weg legte.
Unter dem Deckmantel „marxistischer" Schlagworte über „Erziehung" der Bauern durch den Kapitalismus verteidigt Martow die „Erziehung" der Bauern (die revolutionär gegen den Adel kämpften) durch die Liberalen (die die Bauern an die Adligen verrieten).
Das ist eben ein Ersetzen des Marxismus durch den Liberalismus. Das ist eben ein mit marxistischen Phrasen verbrämter Liberalismus. Bebels Worte in Magdeburg, daß es unter den Sozialdemokraten Nationalliberale gebe, sind nicht nur in der Anwendung auf Deutschland richtig.
Zudem muß bemerkt werden, daß sich die meisten ideologischen Führer des russischen Liberalismus an deutscher Literatur gebildet haben und speziell den TSrentanosdhen und Sombartsdben „Marxismus" nadi Rußland verpflanzen, der die „Schule des Kapitalismus" anerkennt, die Schule des revolutionären Klassenkampfes jedoch ablehnt. Alle konterrevolutionären Liberalen in Rußland: Struve, Bulgakow, Frank, Isgojew und Co., prunken mit ebensolchen „marxistischen" Phrasen.

Lenin: DER HISTORISCHE SINN DES INNERPARTEILICHEN KAMPFES IN RUSSLAND

Lenin, Band 16, Seite 383

 

Unter dem Ausnahmegesetz gegen die Sozialisten kämpfte Singer zusammen mit Engels, Liebknecht und Bebel an zwei Fronten:.sowohl gegen die „Jungen", die
Halbanarchisten, die den parlamentarischen Kampf ablehnten, als auch gegen die gemäßigten „Legalisten um jeden Preis". Später bekämpfte Singer mit der gleichen Entschiedenheit die Revisionisten.

Lenin: PAUL SINGER Gestorben am 18. (31.) Januar 1911

Lenin, Band 17, Seite78

Warum erwiesen sich die „Krisen" in Österreich und Preußen in den sechziger Jahren als „Verfassungs"krisen und nicht als revolutionäre Krisen?

Darum, weil eine Reihe besonderer Umstände die schwierige Lage der Monarchie erleichterte (die „Revolution von oben" in Deutschland, seine Einigung mit „Blut und Eisen"), darum, weil das Proletariat der genannten Länder damals noch überaus schwach und unentwickelt war und die liberale Bourgeoisie sich durch ebensolche erbärmliche Feigheit und Verrätereien auszeichnete wie die russischen Kadetten.
Um zu illustrieren, wie deutsche Sozialdemokraten selbst, die diese Epoche durchgemacht haben, diese Lage der Dinge einschätzten, wollen wir einige Äußerungen Bebels anführen, der im vergangenen Jahr den ersten Teil seiner „Erinnerungen" herausgegeben hat. über das Jahr 1862, das Jahr der „Verfassungs"krise in Preußen, erzählte Bismarck - wie in der Folgezeit bekannt geworden ist - , daß der König damals sehr niedergeschlagen war und ihm, Bismarck, gegenüber in Klagen ausgebrochen sei über das ihnen beiden drohende Schafott. Bismarck beschämte den Feigling und redete ihm zu, den Kampf nicht zu fürchten.
„Diese Vorgänge zeigen", erklärte Bebel dazu, „was die Liberalen hätten erreichen können, wenn sie die Lage auszunützen verstanden.
Aber sie fürchteten bereits die hinter ihnen stehenden Arbeiter. Bismarcks
Wort, wenn man ihn zum Äußersten dränge, werde er den Acheron in Bewegung setzen" (d. h. die Volksbewegung der unteren Schichten, der Masse, auslösen), „jagte ihnen einen heillosen Schrecken ein."

Der Führer der deutschen Sozialdemokratie verweist ein halbes Jahrhundert
nach der „Verfassungs"krise, die „ohne jede Revolution" die Umwandlung seines Landes in eine bürgerlich-junkerliche Monarchie vollendete, auf den revolutionären Charakter der damaligen Lage, die von den Liberalen aus Furcht vor den Arbeitern nicht ausgenutzt wurde. Die Führer der russischen Reformisten sagen den russischen Arbeitern: Wenn die deutsche Bourgeoisie so erbärmlich war, daß sie Angst bekam vor einem König, der selbst die Courage verloren hatte, warum sollten wir dann nicht audb versuchen, diese ausgezeichnete Taktik der deutschen Bourgeoisie zu wiederholen? Bebel macht der Bourgeoisie mit ihrer Ausbeuterfurcht vor der Volksbewegung den Vorwurf, daß sie die „Verfassungs"krise nicht für die Revolution „ausgenutzt" habe. Latin und Co. beschuldigen die russischen Arbeiter, daß sie die Hegemonie angestrebt
hätten (d. h. die Einbeziehung der Massen in die Revolution, entgegen
den Liberalen), und geben den Arbeitern den Rat, sich „nichtt für die Revolution", sondern „für die Verteidigung ihrer Interessen bei der bevorstehenden konstitutionellen Erneuerung Rußlands" zu organisieren.
Die faulen Ansichten des faulen deutschen Liberalismus werden den russischen
Arbeitern von den Liquidatoren als „sozialdemokratische" Ansichten aufgetischt! Nun, kann man denn solche Sozialdemokraten anders als Stolypinsche Sozialdemokraten bezeichnen?
Bei der Einschätzung der „Verfassungs"krise der sechziger Jahre in Preußen beschränkt sich Bebel nicht darauf zu zeigen, daß die Bourgeoisie, weil sie die Arbeiter fürchtete, Angst hatte vor dem Kampf mit der Monarchie. Er legt auch dar, was damals in den Reihen der Arbeiter vor sich ging. „Die unerquicklichen öffentlichen Zustände", sagte er, „die den Arbeitern immer mehr zum Bewußtsein kamen, wirkten naturgemäß auch auf deren Stimmung. Alle verlangten nach Änderung. Aber da keine klare und zielbewußte Führung vorhanden war, zu der man Vertrauen hatte, auch keine mächtige Organisation bestand, die die Kräfte zusammenfaßte, verpuffte die Stimmung. Nie verlief resultatloser eine im Kern vortreffliche Bewegung. Alle Versammlungen waren überfüllt, und wer am schärfsten sprach, war der Mann des Tages. Diese Stimmung herrschte vor allein im Leipziger Arbeiterbildungsverein."

In einer von 5000 Personen besuchten Versammlung in Leipzig, am 8. Mai 1866,
wurde einstimmig die Resolution Liebknechts und Bebels angenommen, die die Einberufung eines aus allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgegangenen Parlaments, unterstützt durch allgemeine Volkswehr forderte und die Erwartung aussprach, „daß das deutsche Volk nur solche Männer zu seinen Vertretern erwählt, die jede erbliche Zentralgewalt verwerfen". Die Resolution Liebknechts und Bebels trug mithin einen völlig bestimmten republikanischen und revolutionären Charakter.
Also, der Führer der deutschen Sozialdemokraten bringt während einer
„Verfassungs"krise auf Massenversammlungen Resolutionen republikanischen
und revolutionären Charakters durch. Ein halbes Jahrhundert später, als er in Erinnerung an seine Jugend der neuen Generation von den Geschehnissen längst vergangener Tage erzählt, betont er am meisten das Bedauern darüber, daß keine genügend zielbewußte Führung vorhanden war, die die revolutionären Aufgaben begriffen hätte (d. h., daß es keine revolutionäre sozialdemokratische 'Partei gegeben bat, die die Aufgabe der Hegemonie begriffen hätte), daß keine mächtige Organisation bestand, daß die revolutionäre Stimmung „verpuffte". Die Führer der russischen Reformisten aber berufen sich mit dem Scharfsinn des kleinen Moritz auf das Österreich und Preußen der sechziger Jahre als Beweis dafür, daß man auch „ohne jede Revolution" auskommen könne! Und diese dem konterrevolutionären Taumel verfallenen, vom Liberalismus geistig versklavten
Philisterseelen wagen es noch, den Namen SDAPR zu schänden!

Lenin: Der Reformismus in der russischen Sozialdemokratie

Lenin, Band 17, Seite 223 - 225

Eine Spaltung ist eine schwere, schmerzhafte Angelegenheit. Aber zuweilen wird sie notwendig, und in solchen Fällen ist jegliche Schwäche, jegliche „Sentimentalität" (ein Wort, das in Reggio unsere Landsmännin Balabanowa gebrauchte) ein Verbrechen. Die Führer der Arbeiter sind keine Engel, keine Heiligen, keine Heroen, sondern Menschen wie alle.
Sie machen Fehler. Die Partei korrigiert sie. Es hat Fälle gegeben, wo die
deutsche Arbeiterpartei opportunistische Fehler selbst solcher großen Führer
wie Bebel korrigieren mußte.
Aber wenn man auf dem Fehler beharrt, wenn zur Verteidigung des Fehlers eine Gruppe gebildet wird, die alle Beschlüsse der Partei, die ganze Disziplin der proletarischen Armee mit Füßen tritt, dann ist eine Spaltung notwendig. Und indem die Partei des sozialistischen Proletariats Italiens die Syndikalisten und rechten Reformisten aus ihrer Mitte entfernte, beschritt sie den richtigen Weg.

Lenin: Der Parteitag der italienisdhen Sozialisten - 15. Juli 1912

Lenin, Band 18, Seite 161

Trotz des Klatsches der Liquidatoren haben eben diese Sammlungen, die über 12 000 Mark ausmachten, sowie die frühere Hilfe der deutschen Genossen den Grundfonds nnserer sozialdemokratischen Presse in Rußland gebildet. Die im Texte erwähnte vollständige Übersetzung aller Rechenschaftsberichte über die Geldsammlungen in den verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen im Laufe des Halbjahres wurde an den Vorstand, an die Kontrollkommission und an Bebel gesandt.

Wenn der Vorstand jetzt auf die eine oder andere Weise den Liquidatoren helfen will, so wird er uns zwingen, bei aller unserer Achtung vor der deutschen Bruderpartei, an die Internationale zu appellieren. Wir werden dann dem Wiener internationalen Kongress auf Grund der Dokumente beweisen, daß der Vorstand sich bereit erklärte, durch Geldunterstützung die Spaltung bei uns zu fördern, die Doppelkandidaturen ins Leben zu rufen und die geschlagenen
Liquidatoren, diese Kadaver, zu galvanisieren. Wenn die deutschen Genossen
der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands helfen wollen, so müssen sie die Gelder dem Zentralkomitee der alten Partei und nicht denjenigen, die eine neue Partei bilden, ausfolgen.
Das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands

Lenin: Zur gegenwärtigen Sachlage in der SDAPR

Lenin, Band 18, Seite 201

Die Demokratie kann niemals den Standpunkt einnehmen, daß die Geistlichkeit am politischen Leben nicht teilnehmen solle. Das ist ein erzreaktionärer
Standpunkt. Er führt nur zu konventioneller Heuchelei und zu weiter nichts. Im Leben sind Maßnahmen, die die eine oder andere Bevölkerungsgruppe oder -Schicht von der Politik und vom Klassenkampf ausschließen, völlig unmöglich und undurchführbar.
Erinnern wir uns, daß Bebel und die anderen deutschen Sozialdemokraten für die Agitationsfreiheit der Jesuiten in Deutschland waren. Wir sind gegen die liberalen Phrasen, daß man die Agitation der Jesuiten „verbieten" müsse, sagten die Sozialdemokraten. Wir fürchten die Jesuiten nicht. Mögen die Jesuiten votte "Freiheit der Agitation haben, mag man aber auch uns Sozialdemokraten die volle Agitationsfreiheit geben. So argumentierten Bebel und die anderen deutschen Sozialdemokraten.
Die Arbeiterdemokraten Rußlands kämpfen gegen die Verfälschung des
Wahlrechts (und jedes anderen Rechts) zugunsten der Gutsbesitzer oder der Geistlichkeit usw., keineswegs aber gegen die Freiheit der Teilnahme der Geistlichkeit am politischen Leben. Wir stehen auf dem Standpunkt des Klassenkampfes und fordern die volle Freiheit der politischen Betätigung für jede Klasse, für jeden Stand, für beide Geschlechter, für jedes Volk, jede Bevölkerungsschicht oder -gruppe.

Lenin: Die Liberalen und die Klerikalen - 25. Juli 1912

Lenin, Band 18, Seite 216

Von bekannten Sozialisten sprachen auf der Konferenz Greulich, ein Veteran der schweizerischen Sozialdemokratie, und August Bebel.
Einstimmig wurde eine Resolution angenommen, die den Chauvinismus verurteilt und erklärt, daß die überwältigende Mehrheit beider Völker, des französischen wie des deutschen, den Frieden will und die Beilegung internationaler Konflikte durch Schiedsgerichte fordert.
Zweifellos war die Konferenz eine eindrucksvolle Friedensdemonstration.
Es wäre aber ein großer Fehler, wollte man den schönen Reden der wenigen bürgerlichen Abgeordneten glauben, die an der Konferenz teilgenommen und für die Resolution gestimmt haben. Wenn sie ernsthaft den Frieden wollten, hätten diese bürgerlichen Abgeordneten die verstärkte Aufrüstung in Deutschland offen verurteilen müssen (das deutsche Heer wird um 140 000 Mann verstärkt; dieser neuen Regierungsvorlage werden die bürgerlichen Parteien in Deutschland trotz des entschiedenen Protestes der Sozialisten zweifellos zustimmen); ebenso verurteilen müßten sie auch die französische Regierungsvorlage über die Verlängerung der Militärdienstzeit auf drei Jahre.
Dazu haben sich die Herren bürgerlichen Abgeordneten nicht entschließen
können. Noch weniger zeigten sie sich fähig, mit der entschiedenen Forderung nach Einführung des Milizsystems aufzutreten, das heißt nach der Ersetzung des stehenden Heeres durch die allgemeine Bewaffnung des Volkes. Einzig und allein diese Maßnahme, die nicht über den Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft hinausgeht, ist imstande, das Heer zu demokratisieren und die Sache des Friedens auch nur um einen Schritt ernsthaft voranzubringen.
Nein. Aus Angst vor der Arbeiterbewegung klammert sich die europäische
Bourgeoisie krampfhaft an Militarismus und Reaktion.

Lenin: Bourgeoisie und der Frieden

- 7. Mai 1913

Lenin, Band 19, Seite 66

Jeder russische Sozialdemokrat muß jetzt wählen zwisdien den Marxisten
oder den Liquidatoren.

1. Den Unterschied zwischen den russischen Marxisten und Liquidatoren
definiert Ihr „russischer Korrespondent" als Unterschied zwischen den Radikalen und Revisionisten in Deutschland, als Unterschied „eines Bebels oder Ledebours und eines Franks oder Davids". Dies ist aber nicht ganz richtig. Der russische Liquidator steht selbstverständlich auf dem Boden des Revisionismus. Er hat vom westeuropäischen Opportunismus alles Schlechtere entlehnt. Jedoch besteht ein weitgehender Unterschied zwischen den Liquidatoren und Revisionisten. Ein Frank oder David wird niemals beweisen wollen, daß die Existenz der jetzigen deutschen Sozialdemokratischen Partei und ihrer Organisation „schädlich" sei. Unsere Liquidatoren aber kämpfen gerade gegen die Existenz unserer Partei
selbst, sie vernichten faktisch („liquidieren") ihre illegale Organisation, bekämpfen sogar ihre Beschlüsse während der (politischen) Streiks, und für diese Tätigkeit erfreuen sie sich des Beifalles und der warmen Unterstützung
der ganzen russischen Bourgeoisie.

Lenin: Zur Spaltung in der russischen sozialdemokratischen Dumafraktion - 24. Dezember 1913

Lenin, Band 19, Seite 476

Die längst angekündigte Ausgabe des Briefwechsels der berühmten Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus liegt endlich vor. Engels betraute mit der Herausgabe Bebel und Bernstein, und Bebel konnte seinen Anteil an der redaktionellen Arbeit noch kurz vor seinem Tode fertigstellen.
Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels, der vor wenigen Wochen bei Dietz in Stuttgart erschienen ist, umfaßt vier starke Bände. Sie enthalten insgesamt 1386 Briefe von Marx und Engels aus der gewaltigen Zeitspanne von 1844 bis 1883.

Lenin, Band 19, Seite 548

LENIN:

DER BRIEFWECHSEL
ZWISCHEN MARX UND ENGELS

 

Nach den Worten der Zeitung der Liquidatoren zu urteilen, klopfte Vandervelde in Petersburg auf den Busch, ob wir uns damit einverstanden erklären würden, daß das Exekutivkomitee nicht als Vermittler, sondern als Schiedsrichter, d.h.als endgültiger „Richter" über unsere Meinungsverschiedenheiten auftritt.
Unsere Antwort lautet: Als Bebel 1905 diesen Vorschlag machte, hat unser Parteitag ihn abgelehnt, mit Dank, aber mit der Erklärung, daß wir eine autonome Partei sind. Ich denke, daß unser Parteitag auch jetzt die gleiche Antwort geben wird. (Das ZK wenigstens ist dieser Meinung.)

Lenin: Bericht des ZK der SDAPR zur Brüsseler Konferenz [ Beilagen: "Instruktive Hinweise"]

Lenin, Band 20, Seite 548

 

Und auch zu Beginn dieses Krieges billigten es Marx und Engels, daß Bebel und Liebknecht sich weigerten, für die Kriegskredite zu stimmen, und rieten der Sozialdemokratie, sich nicht mit der Bourgeoisie zu vereinigen, sondern die selbständigen Klasseninteressen des Proletariats zu verfechten. Dieses Urteil über einen bürgerlichfortschrittlichen, nationalen Befreiungskrieg auf den jetzigen imperialistischen Krieg übertragen heißt die Wahrheit vergewaltigen.

Lenin: "Sozialismus und Krieg" Juli- August 1915

Band 21 Seite 309

 

In der amerikanischen Zeitung „Appeal to Reason" vom 12. September 1915 sagt er :

„Ich bin kein kapitalistischer Soldat; ich bin ein proletarischer Revolutionär. Ich gehöre nicht zur regulären Armee der Plutokratie, wohl aber zur irregulären Armee des Volkes.
Ich verweigere den Gehorsam, in den Krieg zu gehen für die Interessen der Kapitalistenklasse.
Ich bin gegen jeden Krieg außer e i n e m Kriege.
Für diesen Krieg stehe ich mit meiner ganzen Seele, und das ist der Weltkrieg für die soziale Revolution. An diesem Kriege bin ich bereit teilzunehmen, wenn die herrschenden Klassen einen Krieg überhaupt notwendig machen wollen."
So schreibt an die amerikanischen Arbeiter ihr geliebter Führer, der
amerikanische Bebel, Genosse Eugene Debs
.

Lenin: Rede auf der internationalen Kundgebung in Bern - 8. Februar 1916

Lenin, Band 22, Seite 124

3. Ein Brief an Bebel
Eine der bemerkenswertesten, wenn nicht die bemerkenswerteste Betrachtung
in den Werken von Marx und Engels über den Staat ist folgende Stelle in einem Brief von Engels an Bebel vom 18./28. März 1875.
Dieser Brief ist, nebenbei bemerkt, unseres Wissens zum ersten Male von Bebel im Zweiten Teil seiner Memoiren („Aus meinem Leben") veröffentlicht worden, der 1911, also 36 Jahre nach Niederschrift und Absendung des Briefes, erschienen ist.
Engels kritisierte in seinem Brief an Bebel denselben Entwurf des Gothaer
Programms, an dem auch Marx in seinem berühmten Brief an Bracke Kritik übte. Speziell zur Frage des Staates schrieb Engels folgendes:
„Der freie Volksstaat ist in den freien Staat verwandelt. Grammatikalisch
genommen ist ein freier Staat ein solcher, wo der Staat frei gegenüber seinen Bürgern ist, also ein Staat mit despotischer Regierung. Man sollte das ganze Gerede vom Staat fallenlassen, besonders seit der Kommune, die schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war. Der .Volksstaat' ist uns von den Anarchisten bis zum Überdruß in die Zähne geworfen worden, obwohl schon die
Schrift Marx' gegen Proudhon und nachher das .Kommunistische Manifest' direkt sagen, daß mit Einführung der sozialistischen Gesellschaftsordnung der Staat sich von selbst auflöst und verschwindet.
Da nun der Staat doch nur eine vorübergehende Einrichtung ist, deren man sich im Kampf, in der Revolution bedient, um seine Gegner gewaltsam niederzuhalten, so ist es purer Unsinn, von freiem Volksstaat zu sprechen: solange das Proletariat den Staat noch gebraucht, gebraucht es ihn nicht im Interesse der Freiheit, sondern der Niederhaltung seiner Gegner, und sobald von Freiheit die Rede sein kann, hört der Staat als solcher auf zu bestehen. Wir
würden daher vorschlagen, überall statt Staat .Gemeinwesen' zu setzen, ein gutes altes deutsches Wort, das das französische .Kommune' sehr gut vertreten kann." (S. 321/322 des deutschen Originals.)

Man muß im Auge behalten, daß dieser Brief sich auf das Parteiprogramm bezieht, das Marx in einem nur wenige Wochen später geschriebenen Brief (vom 5. Mai 1875) kritisierte, und daß Engels damals mit Marx zusammen in London lebte. Wenn also Engels im letzten Satz „wir" sagt, 60 empfiehlt er zweifellos in seinem und in Marx' Namen dem Führer der deutschen Arbeiterpartei, das Wort „Staat" aus dem Programm zu streichen und es durch das Wort „Gemeinwesen" zu ersetzen.
Welches Geheul über „Anarchismus" würden die Häuptlinge des jetzigen, für die Opportunisten gebrauchsfertig zurechtgemachten „Marxismus" erheben, wenn man ihnen eine solche Korrektur am Programm vorschlagen wollte!
Mögen sie heulen. Dafür wird sie die Bourgeoisie loben.

„Der Volksstaat' ist uns von den Anarchisten bis zum Überdruß in die Zähne geworfen worden", sagt Engels und meint in erster Linie Bakunin und dessen Ausfälle gegen die deutschen Sozialdemokraten. Engels erkennt diese Ausfälle insoweit für berechtigt an, als der „Volksstaat" ein ebensolcher Unsinn und ein ebensolches Abweichen vom Sozialismus ist wie auch der „freie Volksstaat". Engels ist bemüht, den Kampf der deutschen Sozialdemokraten gegen die Anarchisten zu korrigieren, diesem Kampf die prinzipiell richtige Linie zu geben, ihn von den opportunistischen Vorurteilen in bezug auf den „Staat" zu reinigen.
Aber leider! Der Brief von Engels hat 36 Jahre lang in einer Schreibtischschublade gelegen. Wir werden weiter unten sehen, daß auch nach
der Veröffentlichung dieses Briefes Kautsky im wesentlichen die gleichen Fehler hartnäckig wiederholt, vor denen Engels warnte.
Bebel antwortete Engels mit einem Brief vom 21. September 1875, in dem er unter anderem schrieb, daß er mit Engels' Urteil über die Programmvorlage
„vollkommen übereinstimme" und daß er Liebknecht Nachgiebigkeit vorgeworfen habe (Bebel, „Aus meinem Leben", Zweiter Teil, S. 334). Nimmt man jedoch Bebels Broschüre „Unsere Ziele" zur Hand, so rindet man in ihr vollkommen falsche Betrachtungen über den Staat:
„Der Staat soll also aus einem auf Klassenherrschaft beruhenden Staat in einen
Volksstaat verwandelt werden." („Unsere Ziele", deutsche Ausgabe von 1886. S. 14.)

So zu lesen in der neunten (neunten!) Auflage der Bebeischen Broschüre!
Kein Wunder, daß die so hartnäckig wiederholten opportunistischen Betrachtungen über den Staat der deutschen Sozialdemokratie in Fleisch und Blut übergingen, besonders da man die revolutionären Erläuterungen von Engels vor der Welt geheimhielt und da die ganzen Lebensverhältnisse für lange Zeit von der Revolution „entwöhnten".

 

Die Fragestellung bei Marx
Bei einem oberflächlichen Vergleich des Briefes von Marx an Bracke vom 5. Mai 1875 mit dem oben besprochenen Brief von Engels an Bebel vom 28. März 1875 könnte es scheinen, als wäre Marx viel mehr „Staatsanhänger" als Engels und als bestünde zwischen den Auffassungen der beiden Verfasser über den Staat ein ganz erheblicher Unterschied.
Engels empfiehlt Bebel, das ganze Gerede vom Staat überhaupt fallenzulassen,
das Wort „Staat" gänzlich aus dem Programm zu entfernen und es durch das Wort „Gemeinwesen" zu ersetzen; Engels erklärt sogar, die Kommune sei kein Staat im eigentlichen Sinne mehr gewesen.
Marx dagegen spricht sogar vom „zukünftigen Staatswesen der kommunistischen
Gesellschaft", d. h., er erkennt scheinbar die Notwendigkeit des Staates selbst im Kommunismus an.
Eine derartige Auffassung wäre jedoch grundfalsch. Eine nähere Betrachtung
ergibt, daß sich die Ansichten von Marx und die von Engels über den Staat und dessen Absterben durchaus decken, der erwähnte Ausdruck von Marx bezieht sich doch gerade auf dieses absterbende Staatswesen.
Es ist klar, daß von einer Bestimmung des Zeitpunkts des künftigen „Absterbens" nicht einmal die Rede sein kann, um so mehr, als es sich offenkundig um einen langwierigen Prozeß handelt. Der scheinbare Unterschied zwischen Marx und Engels erklärt sich aus der Verschiedenheit der Themen, die sie behandelten, der Aufgaben, die sie verfolgten. Engels machte es sich zur Aufgabe, Bebel anschaulich, scharf umrissen, in großen Zügen die ganze Unsinnigkeit der landläufigen (und in nicht geringem Maße von Lassalle geteilten) Vorurteile in bezug auf den Staat nachzuweisen. Marx streift diese Frage nur nebenbei; ihn interessiert ein anderes Thema: die Entwicklung der kommunistischen Gesellschaft.
Die ganze Theorie von Marx ist eine Anwendung der Entwicklungstheorie - in ihrer konsequentesten, vollkommensten, durchdachtesten und inhaltsreichsten Form - auf den modernen Kapitalismus. Es ist nur natürlich, daß sich für Marx die Frage nach der Anwendung dieser Theorie auch auf den bevorstehenden Zusammenbruch des Kapitalismus und die künftige Entwicklung des künftigen Kommunismus erhob.

 

Die Diktatur des Proletariats aber, d. h. die Organisierung der Avantgarde der Unterdrückten zur herrschenden Klasse, um die Unterdrücker niederzuhalten, kann nicht einfach nur eine Erweiterung der Demokratie ergeben. Zugleich mit der gewaltigen Erweiterung des Demokratismus, der zu m er st enmal ein Demokratismus für die Armen, für das Volk wird und nicht ein Demokratismus für die Reichen, bringt die Diktatur des Proletariats eine Reihe von Freiheitsbeschränkungen für die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Kapitalisten. Diese müssen wir niederhalten, um die Menschheit von der Lohnsklaverei zu befreien, ihr Widerstand muß mit Gewalt gebrochen werden, und es ist klar, daß es dort, wo es Unterdrückung, wo es Gewalt gibt, keine Freiheit, keine Demokratie gibt.
Engels hat das ausgezeichnet in seinem Brief an Bebel zum Ausdruck gebracht, wenn er, wie der Leser sich entsinnen wird, sagt: „Solange das Proletariat den Staat noch gebraucht, gebraucht es ihn nicht im Interesse der Freiheit, sondern der Niederhaltung seiner Gegner, und sobald von Freiheit die Rede sein kann, hört der Staat als solcher auf zu bestehen."
Demokratie für die riesige Mehrheit des Volkes und gewaltsame Niederhaltung
der Ausbeuter, der Unterdrücker des Volkes, d. h. ihr Ausschluß von der Demokratie - diese Modifizierung erfährt die Demokratie beim Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus

Lenin: "Staat und Revolution"

Lenin, Band 25, Seite 453 und 455, 470-471, und 475

Ist es wahr oder nicht, daß eine bürgerlich-demokratische parlamentarische
Republik tiefer steht als eine Republik vom Typus der Kommune oder der Sowjets?

Das ist der Kern der Frage, Kautsky aber ist dem ausgewichen.
Alles, was Marx in der Analyse der Pariser Kommune gegeben hat, hat Kautsky „vergessen". Er hat auch den Brief von Engels an Bebel vom 28. März 1875 „vergessen", in dem der gleiche Marxsche Gedanke besonders anschaulich und einleuchtend ausgedrückt ist: Die Kommune war „schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr".

Lenin: Die proletarisdie Revolution und der Renegat Kautsky

Lenin, Band 28, Seite 266

Das revolutionäre Proletariat soll, ganz so wie der „Konfusionsrat" Kautsky, eine Schlafmütze über die Ohren ziehen und die Bourgeoisie, die die Dutowschen, Krasnowschen und tschechischen konterrevolutionären Aufstände organisiert und Millionen an Saboteure zahlt, als legale „Opposition" betrachten. Oh, welcher Scharfsinn!
Kautsky interessiert ausschließlich die formal-juristische Seite der Sache, so daß man sich beim Lesen seiner Betrachtungen über die Sowjetverfassung
unwillkürlich der Worte Bebels erinnert, Juristen seien durch und durch reaktionäre Leute. „In Wahrheit", schreibt Kautsky, „kann man aber die Kapitalisten allein gar nicht entrechten. Wer ist ein Kapitalist in juristischem Sinne? Ein Besitzender? Selbst in einem ökonomisch so weit vorgeschrittenen Lande wie Deutschland, dessen Proletariat so zahlreich ist, würde die Errichtung einer Sowjetrepublik große Massen politisch entrechten. Im Jahre 1907 betrug im Deutschen Reiche die Zahl der Berufszugehörigen (Erwerbstätige und ihre Familien) der drei großen Gruppen Landwirtschaft, Industrie und Handel in der Gruppe der Angestellten und Lohnarbeiter etwas über 35 Millionen, die der Selbständigen 17 Millionen. Eine Partei könnte also sehr wohl die Mehrheit der
Lohnarbeiter hinter sich haben und doch die Minderheit der Bevölkerung
bilden." (S. 33.)

Da haben wir ein Muster Kautskyscher Betrachtungsweise. Ist das etwa nicht das konterrevolutionäre Geflenne eines Bourgeois?

Lenin: Die proletarisdie Revolution und der Renegat Kautsky

Lenin, Band 28, Seite 273

 

Bis jetzt haben allerdings alle Marxisten angenommen und Tausende Tatsachen haben es bestätigt, daß die Kleinunternehmer die gewissenlosesten und schäbigsten Ausbeuter der Lohnarbeiter sind, aber Juduschka Kautsky nimmt natürlich nicht die Klasse der Kleinunternehmer (wer hat bloß die schädliche Theorie vom Klassenkampf ausgedacht?), sondern einzelne Personen, solche Ausbeuter, die „ganz proletarisch leben und fühlen". Die berühmte „Spar-Agnes", die man längst tot wähnte, ist unter der Feder Kautskys wieder auferstanden. Diese Spar-Agnes hat vor einigen Jahrzehnten ein „reiner" Demokrat, der
Bourgeois Eugen Richter, erfunden und in der deutschen Literatur in Umlauf gesetzt. Er prophezeite unsagbares Unheil von der Diktatur des Proletariats, von der Konfiskation des Kapitals der Ausbeuter, er fragte mit unschuldiger Miene, wer denn Kapitalist im juristischen Sinne sei. Er führte das Beispiel einer armen, sparsamen Näherin (der „Spar-Agnes") an, der die bösen „Diktatoren des Proletariats" die letzten Groschen wegnehmen. Es gab eine Zeit, da sich die gesamte deutsche Sozialdemokratie über diese „Spar-Agnes" des reinen Demokraten Eugen Richter lustig machte. Aber das ist lange, lange her, damals lebte Bebel noch, der offen und ohne Umschweife die wahren Worte sagte, daß es in unserer Partei viele Nationalliberale gebe; das liegt lange zurück, damals war Kautsky noch kein Renegat.

Lenin: Die proletarisdie Revolution und der Renegat Kautsky

Lenin, Band 28, Seite 277

Und Kautsky setzt dann des langen und breiten auseinander, daß sich Marx, Engels und Bebel mehr als einmal in bezug auf den Ausbruch der von ihnen erwarteten Revolution geirrt hätten, sie hätten aber niemals ihre Taktik auf die Erwartung der Revolution „für einen bestimmten Termin" (S. 29) aufgebaut, während die Bolschewiki „alles auf die eine Karte der allgemeinen europäischen Revolution gesetzt" hätten.
Wir haben absichtlich dieses so lange Zitat angeführt, um dem Leser anschaulich zu zeigen, wie „geschickt" Kautsky den Marxismus fälscht und ihn durch einen banalen und reaktionären Spießerstandpunkt ersetzt.
Erstens ist es die Methode nicht gerade kluger Leute, dem Gegner eine
offensichtliche Dummheit zu unterstellen und sie dann zu widerlegen.
Hätten die Bolschewiki ihre Taktik auf der Erwartung aufgebaut, daß die Revolution in anderen Ländern zu einem bestimmten Termin ausbrechen
würde, so wäre das unbestreitbar eine Dummheit gewesen. Die
bolschewistische Partei hat aber diese Dummheit nicht begangen: In meinem
Brief an die amerikanischen Arbeiter (20. VIII. 1918) grenze ich mich von dieser Dummheit ausdrücklich ab und erkläre, daß wir zwar auf die amerikanische Revolution redinen,' aber nicht zu einem bestimmten Termin. In meiner Polemik gegen die linken Sozialrevolutionäre und die „linken Kommunisten" (Januar bis März 1918) habe ich wiederholt den gleichen Gedanken entwickelt. Kautsky hat sich eine kleine... winzig kleine Unterstellung erlaubt, auf der er dann seine Kritik am Bolschewismus aufbaute. Kautsky hat die Taktik, die mit der europäischen Revolution in einem mehr oder minder nahen Zeitraum, aber nicht zu einem bestimmten Termin rechnet, mit der Taktik in einen Topf geworfen, die den Ausbruch der europäischen Revolution zu einem bestimmten Termin
erwartet. Eine kleine, winzig kleine Fälschung!
Die zweite Taktik ist eine Dummheit. Die erste aber ist verbindlich für einen Marxisten, für jeden revolutionären Proletarier und Internationalisten; sie ist verbindlich, denn nur sie beruht auf einer marxistisch richtigen Bewertung der durch den Krieg in allen europäischen Ländern geschaffenen objektiven Lage, nur sie entspricht den internationalen Aufgaben des Proletariats.
Dadurch, daß Kautsky die wichtige Frage nach den Grundlagen der revolutionären Taktik überhaupt durch die belanglose Frage nach dem Fehler ersetzt, den die revolutionären Bolschewiki hätten machen können, aber nicht gemacht haben, hat er sich glücklich von der revolutionären Taktik überhaupt losgesagt!
Ein Renegat in der Politik, ist er nicht einmal imstande, die Frage nach den objektiven Voraussetzungen einer revolutionären Taktik theoretisch zu stellen.
Und damit sind wir beim zweiten Punkt angelangt.
Zweitens. Ein Marxist ist verpflichtet, auf die europäische Revolution zu rechnen, wenn eine revolutionäre Situation gegeben ist. Es ist eine Abc-Wahrheit des Marxismus, daß die Taktik des sozialistischen Proletariats nicht die gleiche sein kann, wenn eine revolutionäre Situation gegeben ist und wenn sie nicht vorhanden ist.
Hätte Kautsky diese für einen Marxisten obligatorische Frage aufgerollt, so hätte er erkannt, daß die Antwort unbedingt gegen ihn ausfallen muß. Lange vor dem Krieg waren sich alle Marxisten, alle Sozialisten darin einig, daß ein europäischer Krieg eine revolutionäre Situation schaffen würde. Als Kautsky noch nicht Renegat war, hat er das klar und eindeutig anerkannt, sowohl 1902 („Die soziale Revolution") als auch 1909 („Der Weg zur Macht").

Lenin: Die proletarisdie Revolution und der Renegat Kautsky

Lenin, Band 28, Seite 288

Die proletarische Revolution in Rußland bestätigt von neuem diese Erfahrung von 1789-1794 und 1848-1849, sie bestätigt die Worte F. Engels', der in einem Brief an Bebel vom 11. XII. 1884 schrieb:
Die „reine Demokratie" kann „im Moment der Revolution... als letzter Rettungsanker der ganzen bürgerlichen und selbst feudaler Wirtschaft momentan Bedeutung bekommen... So verstärkte die gesamte feudal-bürokratische Masse 1848 März bis September die Liberalen, um die revolutionären Massen niederzuhalten... Jedenfalls ist unser einziger Gegner am Tag der Krise und am Tag nachher - die um die reine Demokratie sich gruppierende Gesamtreaktion, und das, glaub'.ich, darf nicht aus den Augen verloren werden." (Veröffenflicht russisch in der Zeitung „Kommonistitscheski Trud"96 Nr. 360 vom- 9. VI. 1921, im Artikel des Gen. W. Adoratski, „Marx und Engels über Demokratie". Deutsch in dem Buch: Friedrich Engels, „Politisches Vermächtnis", Nr. 12 der „Internationalen Jugend-Bibliothek", Berlin 1920, S. 18/19.)
N. Lenin
Moskau, Kreml, 13. VI. 1921

Wir können unsere Fragen nicht so stellen, wie es die Theoretiker tun.
Die gesamte Reaktion, nicht nur die bürgerliche, sondern auch die feudale,
gruppiert sich um die „reine Demokratie". Die deutschen Genossen wissen
am besten, was die „reine Demokratie" bedeutet, weil Kautsky und die anderen Führer der II. und der zweieinhalbten Internationale diese „reine Demokratie" gegen die bösen Bolschewiki verteidigen.

Lenin, Band 32, Seite 483 und 517

 

Neu ist für unsere Revolution gegenwärtig die Notwendigkeit, zu einer
„reformistischen", schrittweisen, vorsichtig umgehenden Methode des Handelns in den Grundfragen des wirtschaftlichen Aufbaus zu greifen.
Diese „Neuheit" ruft zahlreiche Fragen, Bedenken und Zweifel hervor, die sowohl theoretischer als auch praktischer Natur sind.
Die theoretische Frage lautet: Wie erklärt sich nach einer Reihe revolutionärster
Handlungen der Übergang zu außerordentlich „reformistischen" Handlungen auf demselben Kampf feld und angesichts des allgemeinen siegreichen Verlaufs der Revolution im ganzen? Handelt es sich hier nicht um eine „Preisgabe der Positionen", um ein „Eingeständnis des Zusammenbruchs" oder etwas Ähnliches? Die Feinde, von den Reaktionären halbfeudaler Prägung bis zu den Menschewiki oder anderen Rittern der zweieinhalbten Internationale, behaupten natürlich, das sei der Fall. Dafür sind sie ja Feinde, daß sie bei jedem Anlaß und ohne jeden Anlaß Erklärungen solcher Art in die Welt hinausschreien. Die rührende Einheit aller Parteien — von den Feudalen bis zu den Menschewiki — in dieser Frage beweist nur ein übriges Mal, daß alle diese Parteien gegenüber der proletarischen Revolution wirklich „eine reaktionäre Masse" darstellen (wie es, in Parenthese bemerkt, Engels in seinen Briefen an Bebel 1875 und 1884
vorausgesehen hat).

Lenin: Über die Bedeutung des Goldes

Lenin, Band 33, Seite 91

Und wenn irgendwelche, man entschuldige den Ausdruck, „Spenglerjünger" daraus schließen sollten (bei den „superklugen" Führern der II. und der zweieinhalbten Internationale muß man auf jede Dummheit gefaßt sein), bei dieser Rechnung sei das Proletariat Europas und Amerikas in die revolutionären Kräfte nicht einbezogen, so geben wir zur Antwort:
Die eben erwähnten „superklugen" Führer argumentieren immer so, als ob sich aus dem Umstand, daß neun Monate nach der Empfängnis die Geburt des Kindes zu erwarten ist, die Möglichkeit ergäbe, sowohl Stunde und Minute der Geburt als auch die Lage des Kindes bei der Geburt sowie den Zustand der Gebärenden während der Geburt und den genauen Grad der Schmerzen und Gefahren, die Kind und Mutter durchzumachen haben, zn bestimmen. „Superkluge" Leute! Sie können durchaus nicht begreifen, daß vom Standpunkt der Entwicklung der internationalen Revolution der Übergang vom Chartismus zn den vor der Bourgeoisie liebedienernden Henderson oder von Varlin zu Renaudel oder von Wilhelm Liebknecht und Bebel zu Südekum, Scheidemann und Noske nichts
anderes ist als der „Übergang" eines Autos von einer glatten und ebenen,
Hunderte Kilometer langen Chaussee in eine kleine schmutzige, stinkende Pfütze auf derselben Chaussee, in eine kleine, wenige Meter lange Pfütze.
Die Menschen machen ihre Geschichte selbst. Die Chartisten, die Varlin und Liebknecht machen sie jedoch mit ihrem Hirn und ihrem Herzen. Die Führer der II. und der zweieinhalbten Internationale dagegen „machen" sie mit ganz andern Körperteilen: sie düngen den Boden für neue Chartisten, für neue Varlins und neue Liebknechts.
In der gegenwärtigen äußerst schwierigen Situation wäre Selbstbetrug für die Revolutionäre von größtem Schaden. Obwohl der Bolschewismus zu einer internationalen Kraft geworden ist, obwohl es in allen zivilisierten und fortgeschrittenen Ländern schon wieder neue Chartisten, neue Varlins, neue Liebknechts gibt, die sich als legale (so legal, wie es vor zehn Jahren unter dem Zarismus unsere „Prawda" war) kommunistische Parteien entwickeln, so bleibt dennoch die internationale Bourgeoisie vorläufig immer noch unvergleichlich stärker als ihr Klassengegner. Diese Bourgeoisie, die ihr möglichstes getan hat, um die Geburt zu erschweren, um die Gefahren und Qualen der Geburt der proletarischen Macht in Rußland zu verzehnfachen, ist noch in der Lage, Millionen und aber Millionen Menschen durch weißgardistische und imperialistische Kriege usw. zu Qualen und Tod zu verdammen. Das dürfen wir nicht vergessen.

Zum zehnjährigen Jubiläum der "Prawda"

Lenin, Band 33, Seite 337-338 - 5. Mai 1922

 

 

BRIEFE VON LENIN

[mit Bezug auf August Bebel ]

 

 

 

Brief an Axelrod vom 20. März 1901

Mit der „Sarja" ist eine unangenehme Sache passiert. Dieser kapriziöse Herr Dietz hat Ihren redaktionellen Artikel entschieden abgelehnt, denn er fürchtet sich vor Hinweisen auf die „Iskra", wittert „Gruppen"geist etc. und beruft sich darauf, daß sowohl Bebel als auch Singer (Teilhaber seiner G. m. b. H.) Befürchtungen haben44 u. dgl. m. Zu unserem größten Bedauern mußten wir Ihren Artikel zurückziehen und ihn durch ein paar Worte „An die Leser" ersetzen. Furchtbar unangenehm diese neue Zensur!
Auch das Umschlagblatt hat gelitten: man hat sogar die Worte „einiger russischer Sozialdemokraten" gestrichen. Wann endlich werden wir uns von der „Bevormundung" durch diese Dreck-Genossen* befreien?!
• „Dreck-Genossen" bei Lenin deutsch. Der Übersetzer.

Lenin, Band 34, Seite 42

 

 

Brief an Plechanow vom 7. Februar 1902

Meine Broschüre befindet sich im Satz.
Der „Vorwärts" will nicht einmal die gekürzte Antwort bringen, und die Sache ging an den Vorstand*. Bebel soll für uns sein. Wir werden ja sehen.

Lenin, Band 34, Seite 81

 

 

AN AUGUST BEBEL

Genf, den 8. Februar 1905


Hochgeehrter Parteigenosse!
Am selben Tage, als Sie Ihr Schreiben an mich richteten, bereiteten wir den Brief an Genossen Herman Greulich, wo wir dargelegt haben, wie und warum die Spaltung in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands jetzt eine vollendete Tatsache geworden ist. Wir werden eine Abschrift dieses Briefes der Parteileitung der deutschen Sozialdemokratischen Partei mitteilen.
Der dritte Parteitag unserer Partei wird von dem russischen Büro der Komitees der Majorität einberufen werden. Die Redaktion des „Wperjod" und das russische Büro der Majorität sind nur provisorische Zentren.
Weder ich noch keiner der mir bekannten Redakteure, Mitarbeiter und Anhänger des „Wperjod" wird jetzt die Verantwortlichkeit auf sich nehmen, irgendwelche neue, wichtige und die ganze Partei bindende Schritte ohne den Beschluß des Parteitages zu tun. Ihr Vorschlag kann also nur diesem Parteitage mitgeteilt werden.
Bitte um Entschuldigung für mein schlechtes Deutsch.


Mit sozialdemokratischem Gruß. !

N. Lenin
Geschickt von Genf nach Berlin.


Zuerst veröftentlicht 1905.

 

 

An das Zentralkomitee der SDAPR vom 12. Juli 1905

Das Büro schrieb, daß wieder irgendein „Vorschlag Bebels" (er ist noch nicht zu uns gelangt) vorliege,- der Alte will wohl wieder einmal „Frieden stiften" (Kautsky hat einen hundsgemeinen Artikel anläßlich der deutschen Ausgabe des „Berichts" geschrieben230). Stellt Euch vor, in welche Lage wir geraten, wenn Plechanow unser Vertreter sein wird und Plechanow mit Bebel über die Frage des „Friedens" zu verhandeln hat!?? Ich verstehe sehr gut, welche gewichtigen Gründe uns alle und insbesondere Euch veranlassen, den „Frieden", die Ernennung Plechanows, zu wünschen, aber ich habe mich davon überzeugt, daß solche Schritte ohne eine reale Sicherung des Friedens nur verfehlt sein werden, daß sie die Sache noch mehr verwirren, neue Spaltungen, Vertragsbrüche, gegenseitige Vorwürfe, neue Erbitterung hervorrufen und eine Vereinigung nur hinausschieben werden. Meines Erachtens wird alles Gerede
über die Vereinigung eine hohle Phrase bleiben, solange nicht auf Grund der Praxis ein durchführbarer Plan der Vereinigung ausgearbeitet wird:
die Dinge entwickeln sich in dieser Richtung, es gilt, einige Monate abzuwarten.
Mögen sich alle über die Unsinnigkeit der Konferenzbeschlüsse klarwerden, möge die Praxis ihr idiotisches „Organisationsstatut" zunichte machen, möge die Praxis ihre Ansprüche ein wenig stutzen (denn im allgemeinen stehen die Dinge bei uns besser, und wir schreiten ganz offensichtlich dem Siege entgegen) - dann werden zwischen den Zentralstellen direkte Verhandlungen, ohne Vermittler, beginnen, dann werden wir zu einem modus vivendi* kommen (ob sofort oder nach einem zweiten oder dritten Versuch, kann ich natürlich nicht sagen). Aber jetzt heißt es kämpfen.

Das ISB schlägt vor, zur Aussöhnung eine Konferenz mit uns und der Minderheit unter dem Vorsitz von Mitgliedern des ISB durchzuführen.
Die ausländischen Sozialdemokraten (Bebel u. a.) agitieren verstärkt dafür, daß das ISB auf uns Druck ausüben soll. Solche Briefe sind sogar von den Engländern gekommen („Sozialdemokratische Föderation", ich besitze eine Abschrift des Briefes - im üblichen versöhnlerischen Geist, daß es doch ein Verbrechen sei, in einer solchen Zeit miteinander zu streiten usw.).

Lenin Band 34, Seite 304 und 308

 

 

An A. W. Lunatscharski vom 11. November 1907

Was den Inhalt Ihrer Broschüre betrifft, so hat sie mir wie auch unserem
gesamten Publikum außerordentlich gefallen. Eine höchst interessante und
ausgezeichnet geschriebene Sache. Nur eins: sie enthält viele Unvorsichtigkeiten
sozusagen äußerlicher Art, d. h. solche, bei denen alle möglichen
Sozialrevolutionäre, Menschewiki, Syndikalisten etc. einhaken werden.
Wir haben kollektiv beraten, ob man sie abändern oder in einem Vorwort
erläutern soll. Wir haben das letztere beschlossen, denn sie abzuändern
wäre schade; das würde bedeuten, daß die Geschlossenheit der Darlegung
allzusehr durchbrochen würde.
Selbstverständlich wird der gewissenhafte und aufmerksame Leser imstande
sein, Sie richtig zu verstehen, aber dennoch hätten Sie sich speziell gegen die falschen Interpreten sdhützen sollen, denn ihre Zahl ist Legion.
Wir müssen beispielsweise Bebel selbstverständlich kritisieren, und ich bin nicht einverstanden mit Trotzki, der uns unlängst eine einzige Lobeshymne auf Essen und die deutsche Sozialdemokratie im allgemeinen sandte. Sie haben recht, wenn Sie feststellen, daß Bebel in Essen sowohl in der Frage des Militarismus als auch in der Frage der Kolonialpolitik (richtiger in der Frage nach dem Charakter des Kampfes, den die Radikalen in Stuttgart zu diesem Punkt führten) im Unrecht war. Aber man muß dabei zugleich betonen, daß dies Fehler eines Menschen sind, mit dem wir denselben Weg gehen, Fehler, die nur auf diesem marxistischen, sozialdemokratischen Weg zu korrigieren sind. Denn bei uns gibt es viele Leute (Sie bekommen ihre Literatur wahrscheinlich nicht zu Gesicht), die über Bebel boshaft kichern, um den Sozialrevolutionarismus, Syndikalismus
(à la Jeserski, Koslowski, Kritschewski - siehe „Obrasowanije" usw.) und Anarchismus verherrlichen zu können.
Meiner Meinung nach können und müssen Sie alle Ihre Gedanken stets so darlegen, daß die Kritik nicht gegen die Orthodoxie, nicht gegen die Deutschen schlechthin, sondern gegen den Opportunismus gerichtet ist.
Dann wird es unmöglich sein, Sie schief auszulegen. Dann wird die Schlußfolgerung klar sein:

Der Bolschewismus, der nicht nur bei den Deutschen, sondern auch aus den Tehlern der Deutschen lernt (diese Ihre Forderung ist tausendmal richtig!), wird es verstehen, alles Lebendige vom S y n d i k a l i s m u s z u n e h m e n , u n d

d e m r u s s i s c h e n S y n d i k a l i s m u s u n d O p p o r t u n i s m u s d e n

G a r a u s z u m a c h e n .
Gerade für uns Bolschewiki ist es am leichtesten und am natürlichsten, dies zu tun, denn wir haben in der Revolution am meisten gegen den parlamentarischen Kretinismus und den Plechanowschen Opportunismus gekämpft. Und nur wir können vom revolutionären und nicht vom pedantisch-kadettischen Standpunkt Plechanows und Co. her den Syndikalismus widerlegen, der eine heillose (für Rußland besonders gefährliche) Verwirrung stiftet.

Lenin, Band 34, Seite 358 - 359

An M. Gorki - Ende Februar 1913

Hinsichtlich des Nationalismus stimme ich völlig mit Ihnen überein, daß man sich damit ernsthafter befassen muß. Hier hat sich ein prächtiger Georgier an die Arbeit gemacht und schreibt für das „Prosweschtschenije" einen großen Artikel, für den eisämtlidbe österreichische und andere Materialien zusammengetragen hat!55 Wir werden das forcieren. Aber daß Sie unsere Resolutionen (ich schicke sie Ihnen gedruckt) „leeres Gewäsch, Kanzleiwust" zu schimpfen belieben, geschieht zu Unrecht. Nein. Das ist kein leeres Gewäsch. Bei uns haben auch im Kaukasus die sozialdemokratischen Georgier + Armenier + Tataren + Russen mehr als zehn Jahre zusammen in einer sozialdemokratischen Organisation gearbeitet. Das ist keine Phrase, sondern die proletarische Lösung der nationalen Frage.
Die einzige Lösung. So war es auch in Riga: Russen + Letten + Litauer,- nur die Separatisten - der „Bund" - sonderten sich ab. Desgleichen in Wilna.
Es gibt zwei gute sozialdemokratische Broschüren zur nationalen Frage:
von Strasser und von Pannekoek. Soll ich sie schicken? Falls sie bei Ihnen
aufzutreiben sind, wer übersetzt sie Ihnen aus dem Deutschen?
Nein, so etwas Scheußliches wie in Österreich wird es bei uns nicht geben. Das lassen wir nicht zu! überdies sind wir, die Großrussen, bei uns stärker vertreten. Zusammen mit den Arbeitern werden wir den „österreichischen Geist" nicht hereinlassen.
Was Pjatnizki angeht, bin ich für gerichtliche Klage. Nur keine Umstände machen. Sentimentalität wäre unverzeihlich. Die Sozialisten sind
durchaus nicht gegen die Ausnutzung des staatlichen Gerichts. Wir sind f ü r die Ausnutzung der Legalität. Marx und Bebel haben sich sogar gegen ihre sozialistischen Gegner an das staatliche Gericht gewandt. Man muß wissen, w i e man das macht, aber gemacht werden muß es.
Pjatnizki muß bestraft werden, und damit Schluß. Sollte man Ihnen daraus einen Vorwurf machen, so spucken Sie allen, die das tun, in die Visage. Nur Heuchler werden Ihnen daraus einen Vorwurf machen.
Pjatnizki nachgeben, ihm das hingehenlassen aus Angst vor dem Gericht, wäre unverzeihlich.

Lenin, Band 35, Seite 67

 

AN W. A. KARPINSKI vom 8. Oktober 1912

Lieber K.!

Die letzten Friedenskongresse habe ich nicht verfolgt. Von der Beteiligung der Sozialisten und ihrem opportunistischen Verhalten habe ich gehört, aber eben nur gehört?
Ich maße mir nicht an, etwas Endgültiges zu dieser Frage zu sagen, ohne die Berichte wenigstens eines Kongresses gelesen zu haben. Die Frage ist kompliziert. Zweifellos muß das allgemeine Anwachsen des Opportunismus
und das „Gleichgewicht" seiner Kräfte gegenüber der revolutionären Sozialdemokratie in den Ländern, wo die Arbeiterbewegung stark ist (Deutschland), auch hier zum Ausdruck kommen. Mag sich Bebel den Opportunisten gegenüber diplomatisch verhalten - wenn das nötig ist (???) -, aber wir dürfen das nicht. Und das ist alles, was ich vorläufig sagen kann.

Lenin, Band 36, Seite 167

 

DIE ENTWICKLUNG DER ARBEITERCHÖRE IN DEUTSCHLAND

16. Januar 1913


Die Arbeitergesangvereine Deutschlands feierten vor kurzem ein eigenartiges Jubiläum:

Bei insgesamt 165 000 Mitgliedern der Arbeitergesangvereine hat die Zahl der Arbeitersänger 100 000 erreicht. Die Zahl der Arbeiterinnen, die diesen Vereinen angehören, beträgt 11 000.
Die Arbeiterchöre haben ein eigenes Presseorgan, die „Arbeiter-Sänger-Zeitung", die erst seit 1907 regelmäßig erscheint.
Die ersten Anfänge der Arbeitergesangvereine reichen bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Im Leipziger „Gewerblichen Bildungsverein" wurde eine Gesangsabteilung gegründet, zu deren Mitgliedern übrigens auch August Bebel gehörte.
Ferdinand Lassalle maß der Bildung von Arbeiterchören große Bedeutung bei. Auf sein Drängen gründeten im Jahre 1863 Mitglieder des „Allgemeinen
Deutschen Arbeitervereins"250 in Frankfurt am Main eine Arbeitervereinigung
mit dem Namen „Sängerbund". Dieser Bund versammelte sich in der finsteren, dumpfigen Nebenstube eines Frankfurter Gasthauses. Das Zimmer wurde mit Talglichtern erleuchtet.
Der Bund zählte zwölf Mitglieder. Als Lassalle auf einer seiner Agitationsreisen in Frankfurt übernachtete, sangen ihm diese zwölf Arbeitersänger im Chor das Lied des bekannten Dichters Herwegh, den Lassalle lange gebeten hatte, ein Arbeiterlied für Chorgesang zu dichten.
Im Jahre 1892, also bereits nach Aufhebung des Sozialistengesetzes, waren die Arbeiterchöre in Deutschland in 180 Gesangvereinen mit 4300 Mitgliedern zusammengeschlossen. Im Jahre 1901 war die Zahl der Mitglieder auf 39 717, 1907 auf 93 000 und 1912 auf 165 000 gestiegen.
In Berlin zählen die Arbeitergesangvereine 5352, in Hamburg 1628, in Leipzig 4051, in Dresden 4700 Mitglieder usw.
Vor kurzem berichteten wir, daß die Arbeiter Frankreichs und anderer
romanischer Länder den fünfundzwanzigsten Todestag Eugene Pottiers (1816-1887), des Verfassers der berühmten „Internationale", begingen.*
In Deutschland ist die Propagierung des Sozialismus durch das Arbeiterlied
bedeutend jünger, und die deutsche Regierung der „Junker" (Gutsbesitzer,
Schwarzhunderter) legt dieser Propaganda weit mehr gemeine Polizeihindernisse in den Weg.
Doch keine Polizeischikanen können verhindern, daß in allen großen Städten der Welt, in allen Arbeitersiedlungen und immer häufiger auch in den Katen der Landarbeiter einhellig das proletarische Lied von der nahen Befreiung der Menschheit aus der Lohnsklaverei erklingt.


geschrieben rieben nach dem 16. Januar 1913.
Zuerst veröffentlicht 1954 in der Zeitschrift „Kommunist" Nr. 6.

Lenin, Band 6, Seite 199 - 200

 

 

ÜBER DAS AMENDEMENT ZUR RESOLUTION BEBELS AUF DEM STUTTGARTER KONGRESS

geschrieben Oktober 1916


Ich erinnere mich sehr gut, daß der endgültigen Fassung dieses Amendements
lange unmittelbare Verhandlungen zwischen uns und Bebel vorausgingen.
Die erste Fassung sprach viel direkter von revolutionärer Agitation und revolutionären Taten. Wir zeigten sie Bebel. Er antwortete: Darauf gehe ich nicht ein, da die Staatsanwaltschaft dann unsere Parteiorganisationen sofort auflösen wird. Und wir wollen dies nicht, solange kein ernsthafter Grund dazu vorliegt. Nach Besprechungen mit Juristen und vielfältigen Umarbeitungen des Textes, die den Zweck verfolgten, denselben Gedanken auf legale Art auszudrücken, wurde die endgültige Formulierung gefunden, zu deren Annahme Bebel seine Zustimmung gab.


W. Lenin
geschrieben im Oktober 1916.
Veröffentlicht 1916 in der
Zeitschrift „ Sbornik Sozial-Demokrata" Nr. 2.

Lenin, Band 36, Seite 402

NOTA BENE

Der Krieg = „Ergebnis der imperialistischen Politik" (5).
Bebel sagte (1911) in Jena, an die Stelle der Abrüstung sei die
Aufrüstung getreten und es gehe „einer großen Katastrophe"
(5) entgegen . . .

Lenin, Band 39, Seite 322

Konspekte über den Imperialismus

BEBEL ÜBER EINEN KRIEG DEUTSCHLANDS GEGEN RUSSLAND


Bebel 1886 für einen Krieg gegen Rußland.
Die „Neue Zeit", 1886 (November 1886) (4. Jahrgang (Nr. 11)), S. 502-515, bringt einen Artikel von Bebel: „Deutschland, Rußland und die orientalische Frage".
Der Artikel propagiert einen (sozusagen) „Präventivkrieg Deutschlands gegen Rußland und Frankreich.
1878, sagt der Verfasser, „hätte man noch weitergehen sollen" (S. 513, 1. Spalte), d.h. man hätte nicht nur Rußland zur Mäßigung seiner Forderungen zwingen, sondern auch die neugegründeten Balkanstaaten der russischen Macht entreißen und „diese Staaten zu einem Bündnis unter sich" bewegen sollen (sie).
„Eine Weigerung Rußlands, auf diese Bedingungen einzugehen, wäre mit einem Krieg zu beantworten gewesen, der die russische Macht auf Jahrzehnte lahmlegte" (513, Spalte 2) . . .
1886 (oder 1885), nach der Rückkehr des Fürsten Alexander nach Bulgarien (wohl nach der Revolution in Bulgarien am 18. IX. 1885), als sowohl Serben wie Rumänen eine Stärkung Rußlands fürchteten, hätte man aus den Balkanstaaten
„unter Anlehnung an Österreich und Deutschland einen unabhängigen Staatenbund" auf dem Balkan begründen müssen.
„Wagte dann Rußland eine Kriegserklärung, so würde Deutschland so einmütig wie nie gegen es gestanden haben, und im Verein mit Österreich und den Balkanstaaten und eventuell der Türkei, hätte Deutschland gegen Rußland und Frankreich einen Krieg mit bester Aussicht auf Erfolg führen können, den es
später sowieso, aber möglicher-, ja wahrscheinlicherweise unter viel ungünstigeren Verhältnissen wird zu führen gezwungen sein"
(513, Sp. 2).

Lenin, Band 39, Seite 765

Konspekte über den Imperialismus

 

WIE DIE „SOZIALREVOLUTIONÄRE" GESCHICHTE SCHREIBEN

20. Oktober 1907.


In Nummer 5 des Zentralorgans der Sozialrevolutionäre „Snamja Truda" finden wir einen Leitartikel über den Stuttgarter Kongreß, der mit einem bei den Sozialrevolutionären üblichen Schwall von Phrasen und maßloser Prahlerei geschrieben ist. Es wird ein Telegramm abgedruckt, in dem das ZK der Partei der Sozialrevolutionäre Europa mitgeteilt hat, daß „der revolutionäre Kampf ihm gebiete, auf seinem Posten zu verharren". Es wird die volle Zufriedenheit eben dieses ZK mit der „gewohnten Energie" des Vertreters der Sozialrevolutionäre im Büro zum Ausdruck gebracht. „Die Sozialistische Internationale hat mit ihrer
Resolution den Standpunkt zur Gewerkschaftsbewegung gebilligt, den wir immer vertreten haben", versichert das „Snamja Truda". In der Frage der gesetzlichen Einführung eines Mindestlohnes hat der Kongreß, ungeachtet des Dogmatikers Kautsky, „auf unserer Seite gestanden". In drei Jahren sind „wir, die russischen Sozialisten", „zu einer großen Massenpartei herangewachsen. Und das hat die Internationale offen und respektvoll (!!!) anerkannt."
Mit einem Wort, dreißigtausend Kuriere aus Europa wurden geschickt, um den Sozialrevolutionären Respekt zu erweisen.
Die bösen Sozialdemokraten aber haben in der russischen Sektion „ein bißchen intrigiert", nämlich: sie haben gegen die Stimmengleichheit für Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre gekämpft, wie sie von den Sozialrevolutionären gefordert wird. Die Sozialdemokraten verlangten 11 Stimmen für sich, 6 für die Sozialrevolutionäre und 3 für die Gewerkschaften.
Das Büro [der II. Internationale] beschloß: 10 für die Sozialdemokraten, 7 für die Sozialrevolutionäre und 3 für die Gewerkschaften. „Adler und Bebel stimmten zwar gegen unsere Forderung, erklärten aber, daß sie keineswegs die Bedeutung der Partei der Sozialrevolutionäre schmälern wollten, in der sie einen wichtigen Faktor des russischen Sozialismus und der Revolution sähen. Sie wollten jedoch gerecht sein und das annähernde Kräfteverhältnis konstatieren" („Snamja Truda").
Unvorsichtig, o wie unvorsichtig sind unsere Chlestakow. Weder von der Bedeutung der Sozialrevolutionäre noch von einem „wichtigen Faktor" war im Büro die Rede, konnte gar nicht die Rede sein. Ist eine Partei einmal zum Kongreß und zum Büro zugelassen, so werden das Büro und seine Mitglieder die Einschätzung ihrer Bedeutung und Wichtigkeit nicht einmal mehr berühren. Das Büro kann nur die Stärke der Parteien zwecks Verteilung der Stimmenzahl einschätzen. Bebel und Adler stimmten den Argumenten unseres, des sozialdemokratischen Vertreters im Büro zu, daß Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre nicht gleich stark sind. Nachdem sie diesen Argumenten zugestimmt hatten, bemerkten sie natürlich, daß sie nicht über Prinzipien, nicht über Richtungen urteilen, nicht die Auseinandersetzung zwischen dem sozialdemokratischen und dem Sozialrevolutionären Programm entscheiden, sondern ausschließlich die Stärke zwecks Verteilung der Stimmenzahl abwägen. Aus einem solchen selbstverständlichen Vorbehalt eine Anerkennung der Sozialrevolutionäre als „wichtigen Faktor" zu machen, heißt sich wie ein Chlestakow aufführen.
Und das ist von den Sozialrevolutionären um so unvorsichtiger, als sie den Sinn des Vorbehalts von Bebel und Adler nach dem Gedächtnis wiedergeben, ihn falsch wiedergeben und dabei die gundsätzlicken Argumente mit Stillschweigen übergehen. Von den Vorbehalten Bebeis berichteten sie mit Ausschmückungen, unseren grundsätzlichen Streit aber verschwiegen sie. Warum wohl?
Dem Wesen nach ging der Streit unserer Vertreter im Büro um folgendes.
Der Sozialdemokrat berief sich auf die Zahl der Abgeordneten in der zweiten Duma als das exakteste Kriterium für die Stärke der Parteien, wobei er den Vorbehalt machte, daß das Wahlgesetz für die Bauern günstiger ist als für die Arbeiter. Der Sozialrevolutionär wandte ein, daß es außer der Fraktion der Sozialrevolutionäre in der Duma „Beinahe-Sozialrevolutionäre" gegeben habe: sowohl Trudowiki als auch Volkssozialisten.
Einen gewissen Teil von ihnen müsse man doch zu den Sozialrevolutionären
hinzurechnen! Unter den Volkssozialisten gebe es zudem, so sagte der Sozialrevolutionär wörtlich, „erstklassige Schriftsteller" („ecrivains de premier ordre", sagte Rubanowitsch).
Der Vertreter der Sozialdemokraten antwortete darauf: ja, unter den
Volkssozialisten gibt es „erstklassige Schriftsteller" - wie es sie auch unter den französischen Radikalsozialisten und Radikalen247 gibt, vom Schlage etwa eines Clemenceau (ebenfalls ein „erstklassiger Schriftsteller"!). Gehört es sich aber für eine selbständige Partei, sich zum Beweis ihrer Stärke auf eine fremde Partei zu berufen? Gehört sich das, wenn die „erstklassigen Schriftsteller" aus den Reihen der Volkssozialisten selbst gar nicht daran denken, um Zulassung zum Kongreß zu ersuchen?
Gehört es sich, fügen wir von uns aus hinzu, sich in Rußland als Ultrarevolutionäre auszugeben, in Europa aber die Volkssozialisten zur
Unterstützung an den Haaren herbeizuziehen?


„Proletari" Nr. 17, 20. Oktober 1907.

Lenin: Die dritte Reichsduma und die Sozialdemokratie

Lenin, Ergänzungsband 1, Seite 200 - 201

 

VI. (Prager) Gesamtrussische Konferenz der SDAPR
3
BERICHT ÜBER DIE ARBEIT
DES INTERNATIONALEN
SOZIALISTISCHEN BÜROS
7. (20.) JANUAR 1912

Zweifellos geht die deutsche Sozialdemokratie einer neuen Epoche entgegen, der Epoche der sozialistischen Revolution; Wirtschaftskrise, militärische Krise, internationale Komplikationen - all das rückt auch die Symptome dieser Epoche näher. Bisher lief die Vorbereitungsarbeit.
Jetzt aber haben wir die Epoche der Schlachten gegen die Bourgeoisie.
Auch hier offenbart sich der Unterschied zwischen Reformisten und revolutionären Sozialdemokraten. In Zürich wurde eine Sitzung des ISB im
Zusammenhang mit Marokko einberufen. Hier ereignete sich noch ein Zwischenfall. Molkenbuhr schrieb von sich aus einen Brief, daß man nicht zusammenkommen solle. Rosa Luxemburg. veröffentlichte diesen Brief, und daraufhin entbrannte Streit. Auf dem letzten Parteitag haben die revolutionären Sozialdemokraten gesiegt. Bebel sagte, er werde Rosa Luxemburg zur Verantwortung ziehen. Von Seiten der Franzosen gab es den Versuch, den Streik als Mittel des Kampfes gegen den Krieg in die Resolution zu bringen. Dagegen wandten sich alle revolutionären Sozialdemokraten, sie wiesen darauf hin, daß man der Regierung nicht enthüllen darf, welche Waffe wir anwenden werden, welche wo geeigneter ist. Der Antrag wurde abgelehnt. Bebel warf die Frage auf, die Dokumente nicht zu veröffentlichen, wobei er auf Rosa Luxemburg anspielte und eine Resolution forderte. Ich nahm Rosa Luxemburg in Schutz.
Zitierte, zu Bebels großer Entrüstung, Quelch. Bebel trat hier als Versöhnler auf. Der von Rosa Luxemburg veröffentlichte Brief hat mit den [anderen] Dokumenten nichts gemein. Man hätte sie höchstens innerhalb der Partei verurteilen dürfen, und das hat man getan; aber die Angelegenheit vor das ISB zu bringen war nicht gerechtfertigt...
Innerhalb der deutschen Sozialdemokratie haben sich verschiedene Strömungen herausgebildet, die nach außen drängen, in der Partei brodelt es. Dort stehen entscheidende Aktionen auf der Tagesordnung.

Der Konflikt zwischen Reformisten und revolutionären Sozialdemokraten ist
unvermeidlich.

Lenin, Ergänzungsband 1, Seite 246