Die größte extremistische Bedrohung in Deutschland geht weiter von Rechtsextremisten aus. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für 2021 (PDF) hervor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, vorgestellt hat. "Die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie ist weiterhin der Rechtsextremismus", sagte die SPD-Politikerin in Berlin.

Faeser zufolge sei die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten im Jahr 2021 um 9,6 Prozent zurückgegangen, auf rund 20.200 Straftaten. Das seien aber immer noch "sehr, sehr viele", sagte die Ministerin. Das Potenzial gewaltbereiter Rechtsextremisten befände sich mit 13.500 auch 2021 auf unverändert hohem Niveau. Ihre Zahl stieg laut Verfassungsschutzbericht um 200 binnen Jahresfrist. Insgesamt registrierte der Verfassungsschutz für 2021 rund 33.900 Sympathisanten, 2020 waren es noch 33.300.

Das Potenzial der sogenannten Reichsbürger nahm ebenso zu – und zwar auf 21.000 Personen, etwa 1.000 mehr als im Vorjahr. "Dieser Anstieg ist vor allem auf die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen, die eine erhöhte Dynamik und Aktivität in Teilen dieser Szene zur Folge hatten", heißt es in dem Bericht.

Auch im gewaltorientierten Linksextremismus bestehe "ein hohes Radikalisierungsniveau", sagte Faeser. "Gegen linksextremistische Gewalt brauchen wir weiterhin ein sehr konsequentes und frühzeitiges Einschreiten."

Dem Bericht zufolge ging die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten mit rund 6.100 Delikten zwar um 7,4 Prozent zurück. 2021 sei die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten aber erneut angestiegen und liege nun bei 10.300. Die Internetplattform de.Indymedia stuft der Verfassungsschutz demnach mittlerweile als gesichert linksextremistische Bestrebung ein.

"Bedrohungslage hat neue Dimension gewonnen"

Die Anhängerschaft islamistischer Gruppen ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes erstmals seit vielen Jahren leicht geschrumpft: um rund 1,5 Prozent auf 28.290 Menschen. Neben der unverminderten Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus seien auch die "zunehmend komplexen geheimdienstlichen Aktivitäten anderer Staaten" eine ernsthafte Bedrohung, sagte Ministerin Faeser. Genannt wird hier insbesondere Russland. Allerdings waren dem Bericht zufolge "konkrete Beeinträchtigungen der Bundestagswahl sowie der fünf Landtagswahlen" im Jahr 2021 nicht festzustellen gewesen.

"Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Bedrohungslage eine neue Dimension gewonnen", warnte die Bundesinnenministerin. "Wir verteidigen die innere Sicherheit und den inneren Frieden in Deutschland gegen russische Spionage, gegen Einflussnahmeversuche, gegen Lügen und Kriegspropaganda." Deutschland müsse sich "speziell auch gegenüber Cyberangriffen verstärkt wappnen", schrieb sie im Vorwort des Berichts.

Sorge bereitet dem Verfassungsschutz auch, dass die in den USA entstandene rechte Siege-Ideologie in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt – gerade unter Minderjährigen, die sich im Internet radikalisieren. Die Anhänger dieser Ideologie wollten "durch gezielte terroristische Akte gegen Infrastruktur, Angehörige von Minderheiten und demokratische politische Führungspersönlichkeiten" einen Zusammenbruch des "verhassten demokratischen Systems" herbeiführen.

Noch keine Zahlen zu sogenannten Delegitimierern

In dem Bericht wird erstmals ein im April vergangenen Jahres neu eingerichtetes Beobachtungsobjekt aufgeführt. Es trägt den Titel "Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates". In dieser Kategorie fasst der Inlandsgeheimdienst Gruppen und einzelne Akteure zusammen, die weder dem Links- noch dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind, bei denen es aber Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie Verfassungsgrundsätze außer Kraft setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates beeinträchtigen wollen.

Zu dem neuen Phänomenbereich liegen noch keine Zahlen vor. Er sei aber zuversichtlich, dass man im kommenden Jahr Zahlen ausweisen könne, sagte Haldenwang. Faeser sagte auf die Frage, wieso man die Kategorie nicht dem rechtsextremen Spektrum zuordne, dass es sich um eine sehr heterogene Szene handele – so habe man dort in Bayern und Baden-Württemberg Menschen aus dem "eher linken gesellschaftspolitischen Spektrum", die sich über Corona-Spaziergänge radikalisiert hätten.