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Die vertragliche Zeitschuld

Individuelle wochendurchschnittliche Zeitschuld
Stunden die ivrAZ
die individuell vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit.

In einer Woche: Stunden
In zwei Wochen:Stunden
In vier Wochen:Stunden
In acht Wochen:Stunden
In Wochen:Stunden

... um Feiertage vermindert?

In manche Turnusse fallen gesetzliche Feiertage.
§ 9 ArbZG regelt den Schutz vor Arbeit am Feiertag,
§ 11 ArbZG regelt den Ersatztag für Arbeit am Feiertag,
§ 2 EntgFG regelt den Anspruch auf Vergütung,
falls Arbeitszeit in der Folge eines Feiertags ausfällt.
Verträge, Tarife oder AVR gehen darüber hinaus. Sie bestimmen, ob wegen Feiertagen weniger gearbeitet werden muss und in welcher der drei Arten:

❍ Frei trotz betriebsüblich oder planmäßig festgelegter Arbeitspflicht,

❍ Freizeitausgleich wegen Arbeit trotz Feiertag oder

❍ pauschale Verminderung der Zeitschuld in diesem Turnus (Plan) aus Anlass eines Feiertags.

Verwirrend ist dabei die Vielfalt der Unterschiede in den Verträgen und zwischen ihnen.

TVöD, TV-L
TVöD-V, -S, -F, -E, TV-L (nicht Uniklinik)
TVöD-K (Krankenhäuser)
TVöD-B (Betreuung)
TV-L § 43 (Uniklinika)
TV AWO, TV-Ärzte, AVR Caritas Anl. 30-33 
BAT-KF
AVR DD, AVR-J

§ 6 Abs. 3
Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.
Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 3: Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Beschäftigten, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.
TVöD, TV-L und deren Nachfolger vermindern die Zeitschuld

§ 6 Abs.7
Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Mitarbeitende am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts nach § 12 von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren. Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag sowie für den 24. Dezember und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.
Protokollerklärung zu Absatz 7 Satz 3: Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Mitarbeitenden, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten.
Der BAT-KF (eine AVR, eingesetzt von Lippe bis zum Saarland) berechnet die Zeitschuld für das Kalenderjahr (52 Wochen und ein Tag). Diese vermindert sich
für die, welche an Feiertagen (Montag bis Samstag) dienstplanmäßig ohnehin / auch ansonsten frei haben, um eine typische (!) ganze Schichtlänge. Also vermindert der Vertrag –

in Wochen
um Stunden Schichtlänge für jeden der
ohnehin freien Feiertage, auf nur noch
Stunden Zeitschuld.

Spezial: Der »Vorwegabzug«

§ 6.1 Abs. 2
§ 12 (6) TV AWO
§ 3 Abs. 2 AVR Caritas Anl. 30-33

Für Beschäftigte, die regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt werden, der Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht, vermindert sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, wenn sie an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt,
a) Arbeitsleistung zu erbringen haben oder
b) nicht wegen des Feiertags, sondern dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sind und deswegen an anderen Tagen der Woche ihre regelmäßige Arbeitszeit erbringen müssen.
TVöD-K, TVöD-B und TV-L § 43 und deren Nachfolger weichen ab. Unverändert bleibt der Normalfall, die (allerdings in der Schichtarbeit seltene) Freistellung von geplanter Arbeitszeit wegen des Feiertags mit Entgeltfortzahlung (§ 2 EntgFG).
Unter den besonderen Voraussetzungen –

❍ es wird über die sieben Wochentage geplant

❍ im Schichtdienst gearbeitet

vermindert der Tarif die Zeitschuld jeweils um ein Fünftel der individuellen Vertragsarbeitszeit. Dies greift dann in den übrigen zwei der drei denkbaren Fällen:

❍ Arbeit an diesen Tagen trotz Feiertag oder

❍ ohnehin / auch ansonsten dienstplanmäßig Frei am Feiertag.

In Wochen
gesamt vermindernde Feiertage
Stunden Zeitschuld

§ 9 AVR DD,
§ 11 AVR-J

Die monatliche Soll-Arbeitszeit einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters ergibt sich aus der Multiplikation der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters (§ 9 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Unterabs. 3) mit der Anzahl der Wochentage von Montag bis Freitag in dem jeweiligen Kalendermonat.
Die Anzahl der Wochentage von Montag bis Freitag in einem Kalendermonat reduziert sich um einen Tag für jeden Feiertag sowie jeweils den 24. und den 31. Dezember eines Kalenderjahres, wenn diese Tage auf einen Wochentag zwischen Montag und Freitag fallen.
Nur die AVR DD und ihre Nachfolger rücken den Kalendermonat in den Mittelpunkt. Diese Regeln übertragen das ideale Arbeitsleben der Kirchenbeamten als generalisierende Norm:

❍ Arbeit von Montag bis Freitag, jeweils mit  Stunden;

❍ arbeitsfrei, falls ein Feiertag, Heilgabend oder Silvester auf Montag bis Freitag fällt.

Arbeitstage  Feiertage  Stunden 
Zeitschuld
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember

... tariffremd umgerechnet

- und nur rechnerisch richtig

Woche und Monat haben als größten gemeinsamen Teiler den Kalendertag.
Dieser Kalendertag entspricht einer Siebtel-Woche:  Stunden Zeitschuld.
Die Anzahl der Kalendertage im Kalendermonat (DIN 1355-1, anders § 191 BGB) schwankt.

Monat Tage Stunden
 Zeitschuld
Januar31
Februar28
   im Schaltjahr (2020, 2024)29
März31
April30
Mai31
Juni30
Juli31
August31
September30
Oktober31
November30
Dezember31

... den Tarif verbiegend

Kalendermonate sind unterschiedlich lang.

Über vier Jahre hinweg sind Kalendermonate
durchschnittlich 4,348-Wochen lang (TVöD § 24 Abs. 3).
4,348 Wochen * Stunden/Woche = Stunden.
Doch es gibt keinen Monat mit 4,348 Wochen!

Über vier Jahre hinweg sind Kalendermonate
durchschnittlich 30,67 Tage lang (PE zu TVöD § 20 Abs. 2).
30,67 Tage * Stunden/Tag = Stunden.
Doch es gibt keinen Monat mit 30,67 Tagen!

Erläuterungen

Der Arbeitgeber rechnet zweimal. Er rechnet uns auf dem monatlichen Entgeltzettel seine Vergütungsschuld ab. Nicht immer ganz genau.
Und der Arbeitgeber rechnet unsere vertragliche Zeitschuld mit. Auch das rechnen wir besser selbst nach.
Wir stellen ihm über unseren Arbeitsvertrag eine Anzahl Stunden zur Verfügung. Wir haben ihm erlaubt, diese wochendurchschnittlich abzurufen. Würde er unsere monatliche Vergütung ebenfalls nur »durchschnittlich« zahlen - ein Kuddelmuddel!
Nun möchte er oft gar nicht mehr auf die Wochen schauen, sondern auf die Kalendermonate. Schließlich taktet er seine Personalabteilung auch durch monatsweise Zahlungen. Uns aber lässt er meist im Wochentakt arbeiten. Davon unbekümmert wechselt er beim Saldieren von »Stunden/Woche« zu »Irgendwie-Umgerechnet/Monat«. Zusätzlich sorgen die Feiertagsregeln für Wirrwarr.

Tipp: Im Zweifel und Streit brauchen wir Klarheit durch Vertragtreue. Soll der Arbeitgeber sich bitte an die Regeln halten!
Einzig bei Einrichtungen der Diakonie bestimmen die AVR DD und ihre Nachfolger in § 9 bzw. § 11, dass und wie auf den Monat umzurechnen ist. Und sie entlassen zugleich Feiertage, die auf einen Samstag fallen, aus ihrem Schutz. Pech für die, die trotzdem am Wochenende arbeiten müssen.
Achtung: Zu den hier gezählten bundeseinheitlichen Feiertagen kommen noch je nach der im Bundesland gepflegten Volksreligion weitere hinzu:
Fronleichnam (Donnerstag 60 Tage nach Ostern), Reformationstag (31. Oktober), Allerheiligen (1. November), Buß-und Bettag (Mittwoch vor dem 23.11.).
Im BAT-KF, einem anderen Werk der Diakonie, wird die Zeitschuld wochendurchschnittlich auf das Kalenderjahr und nur so ungefähr ausgeglichen. Das erschwert den Streit um fehlerhafte Zwischensalden erheblich. Umso mehr, wenn Arbeitgeber dann dort monatsweise Teilpläne führen.
Arbeitgeber haben keine Scheu, die Höhe unserer Zeitschuld vertragsfremd zu manipulieren. Doch: In allen anderen Vertragwerken ist eine Umrechnung über eine angebliche 5-Tage/Woche oder gar 5,5- oder 6-Tage/Woche grob willkürlich. Viele müssen an Wochenenden und Feiertagen arbeiten. Sie arbeiten anders als Kolleginnen in der Verwaltung. Wer durcheinander arbeiten muss, braucht sich nicht bei der Zeitschuld in die fein geordnete Welt der »Normalen« zurückwerfen lassen.

Impressum: linkwww.tobias.michel.schichtplanfibel.de