Der Klimawandel findet statt, dafür gibt es Beweise. Dennoch hält sich das Gerücht, die vom Menschen verursachte globale Erwärmung sei bloß ausgedacht. Seine Wurzel hat das auch darin, wie Mythen entstehen: Sie verfestigen sich durch Argumentationsstrategien, die unsere Denkstruktur geschickt nutzen und dadurch den Deutungsrahmen (in der Fachsprache "frames" genannt) verändern. Dabei geht der Blick für Fakten verloren. Antonia Schuster und Michael Lindner, die am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geforscht haben, wollen über die globale Erwärmung aufklären. Unter anderem mit diesem Gastbeitrag.

Warum die Rosinenpickerei, bei der sich jemand nur passende Argumente auswählt, sie dem Zusammenhang entzieht und alle Gegenbeweise ausblendet, so gut funktioniert? Weil der Mensch kognitiven Verzerrungen unterliegt, also unbewussten Fehlern beim Wahrnehmen, Denken und Bewerten. Was wir für Tatsachen halten, ist immer subjektiv. Zum Beispiel halten Menschen oft Informationen für wahr, die ihre vorher gefestigte Meinung bestätigen (der sogenannte confirmation bias). Ein anderes Beispiel ist der Bumerangeffekt: Wird eine Falschmeldung ungeschickt widerlegt, erinnern sich Leser oder Zuhörerinnen später nicht an die Korrektur, sondern nur an die schon eingeprägte Falschinformation.

Anstatt Irrglauben hier zu wiederholen und damit womöglich zu verfestigen, wollen wir betonen, was die Forschung heute sicher weiß. Diese zehn Erkenntnisse widerlegen einige der gängigsten Falschbehauptungen:

97 % der Fachleute sind sicher: Der Klimawandel ist auch menschengemacht.

Oft wird behauptet, es gäbe große Uneinigkeit darüber, ob der Klimawandel stattfindet und ob er auch menschengemacht ist. Das ist falsch. Das Team des Kognitionspsychologen John Cook wertete knapp 12.000 Studien zum Thema globale Erwärmung aus: 97 Prozent derjenigen, die sich zum Klimawandel positionierten, waren sich einig, dass der Klimawandel auch menschengemacht ist (Environmental Research Letters: Cook et al., 2013). Es sind Lobbygruppen der fossilen Industrie, die seit Jahrzehnten bewusst Zweifel an diesem wissenschaftlichen Konsens streuen. Wenn Menschen, die daran zweifeln, diese hören, fühlen sie sich durch den confirmation bias bestätigt.

Die globalen jährlichen CO2-Emissionen steigen nach wie vor.

Gerade Politikerinnen und Politiker erwecken gerne den Eindruck, es werde doch schon viel gegen den Klimawandel getan – meist verbunden mit dem Hinweis, dass der CO2-Ausstoß seit 1990 zurückgegangen sei. Das ist eine falsche Darstellung. Bis heute nimmt die Menge an Kohlendioxid zu, das Jahr für Jahr weltweit ausgestoßen wird. Insbesondere in China sind die Emissionen seit dem Jahr 2000 stark gestiegen. In der EU und in den USA sind sie zwar zuletzt leicht zurückgegangen, aber nicht genug (Global Carbon Atlas). Laut Internationaler Energieagentur (IEA) lag der durch Energieerzeugung verursachte CO2-Ausstoß 2017 auf einem Rekordhoch von 32,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid.

Mehr CO2 in der Atmosphäre führt zu höheren Temperaturen – und umgekehrt.

Kohlendioxid und steigende Temperaturen sind wie die Henne und das Ei: Das eine bedingt das andere. Die Untersuchung von Rückständen aus der Luft, die in Eisbohrkernen über Jahrtausende konserviert sind, zeigen allerdings, dass es in der Erdgeschichte zuweilen erst steigende Temperaturen und danach einen Anstieg an CO2 in der Atmosphäre gab. Deswegen behaupten manche, der menschengemachte Kohlenstoffausstoß führe nicht zu einer Erwärmung. Ein typischer Fall von Rosinenpickerei: Für frühe Jahrtausende stimmt es, dass erst die Temperatur stieg und dann das CO2 zunahm – in der Folge führte das freigesetzte CO2 aber zu einem weiteren Temperaturanstieg (Nature: Shakun et al., 2012). Der Kohlenstoffausstoß der Menschen beschleunigt nun diesen Anstieg. Mit 405,5 ppm (Teilchen pro Million Teilchen) ist die durchschnittliche globale CO2-Konzentration heute so hoch wie noch nie in der Geschichte der Menschheit.

Die Erde darf sich nicht mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmen.

Auf der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 wurde beschlossen, die globale Durchschnittstemperatur bis zum Ende des laufenden Jahrhunderts nicht mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau steigen zu lassen. Das wäre aber schon zu viel. Eine durchschnittliche Erwärmung um zwei Grad hätte dramatische Folgen für das Erdsystem: Sogenannte Kippelemente könnten ausgelöst werden, die zu einem noch viel stärkeren Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur führen würden. Dann wären die Folgen der schon eingetretenen Klimakrise nicht mehr zu beherrschen. Deshalb plädieren viele Fachleute für eine Begrenzung auf 1,5 Grad. Noch wäre es möglich, dieses Ziel zu erreichen, besagt der aktuelle Bericht des Weltklimarates IPCC. Einfach wird das aber nicht: Der Globus ist nämlich bereits ein Grad wärmer als vor der Industrialisierung.

Die realen Auswirkungen sind oft gravierender als die Vorhersagen.

Geht es um den Klimawandel, reden wir auch von Überflutungen, Waldbränden und anderen Naturkatastrophen. Das erscheint manchen Menschen alarmistisch, sie sagen, Fachleute würden bei der Einschätzung der Klimafolgen übertreiben. Das Gegenteil ist aber der Fall: Die Modelle des Weltklimarates IPCC gelten sogar als recht konservativ. So stieg etwa der Meeresspiegel schneller, als es der IPCC vorhergesagt hatte (IPCC: Climate Change, 2007): momentan im Durchschnitt mit einer Geschwindigkeit von 3,2 Millimetern pro Jahr. Viele Länder haben heute schon mit starken Überflutungen zu kämpfen.

Das Klima verändert sich so schnell, dass dies das sechste Massenaussterben mit auslösen könnte.

Eine weitere direkte Auswirkung der Klimakrise betrifft alles Leben auf der Erde: Wenn drei Viertel der Arten aussterben und das in einer geologisch relativ kurzen Zeit von einigen Tausend Jahren passiert, sprechen Forscherinnen und Forscher von einem Massenaussterben. So etwas ist in den letzten 540 Millionen Jahren erst fünfmal vorgekommen. Nun gibt es Studien, die darauf hindeuten, dass das sechste massenhafte Artensterben bereits begonnen hat. Schon in einigen Jahrhunderten könnte demnach ein Großteil der Arten auf der Erde ausgestorben sein (Nature: Banosky et al., 2011).

Bereits jetzt sind drastische Populationsrückgänge bei Wildtieren zu beobachten. Für das Artensterben ist die Menschheit verantwortlich – nicht nur indirekt durch den von ihr verursachten Klimawandel, sondern auch unmittelbar durch die Zerstörung der Lebensgrundlage vieler Arten, beispielsweise durch Waldrodungen oder Trockenlegung von Mooren.

Der Hitzesommer 2018 ist auch durch den Klimawandel entstanden.

Der Sommer 2018 war außergewöhnlich trocken und warm, auch wenn er die Hitzerekorde von 2003 nicht gebrochen hat. Von Januar bis Oktober 2018 lag die Durchschnittstemperatur in Deutschland 2,2 Grad über dem Durchschnitt seit Beginn der Aufzeichnungen vor 137 Jahren. Landwirte, Försterinnen, Naturschützer, Binnenschiffer – sie alle haben weiterhin mit der Trockenheit zu kämpfen. Das liegt auch am Klimawandel: So haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler errechnet, dass der heiße Sommer in Deutschland nicht bloß eine Wetterschwankung war, sondern Teil der globalen Erwärmung (World Weather Attribution: Otto et al., 2018). Der Klimawandel sorgt zwar nicht automatisch für wärmere Tage oder solche ohne Regen, aber er macht diese deutlich wahrscheinlicher. 

In Deutschland arbeiten fast 340.000 Menschen im Sektor erneuerbare Energien

Inzwischen sind erneuerbare Energien zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden: 338.600 Menschen arbeiteten 2016 in diesem Bereich, fasst das Wirtschaftsministerium zusammen (BMWi 2018). Zum Vergleich: Die Kohleindustrie gibt an, dass im Steinkohlebergbau gut 5.700 Menschen arbeiten, im Braunkohlebergbau knapp 21.000. Insgesamt seien rund 70.000 Arbeitsplätze von der Braunkohle abhängig (Statistik der Kohlewirtschaft, 2018). Die Beschäftigtenzahlen liegen also deutlich hinter denen der erneuerbaren Energien. Es ist somit eine verkürzte Darstellung, zu behaupten, die Energiewende koste in Deutschland Arbeitsplätze. Was allerdings stimmt: Die Jobs haben ganz andere Anforderungen, sowohl an die Menschen als auch an ganze Regionen. In den betroffenen Regionen kann die Energiewende also auch Menschen arbeitslos machen.

Auch Elektroautos können eine schlechte CO2-Bilanz haben.

Spätestens seit es Tesla gibt, gelten Elektroautos nicht nur als innovativ und cool, sondern auch noch als Klimaretter. Kalifornien hat einen verpflichtenden Anteil an Elektroautos bei Neuzulassungen durchgesetzt, sogar China setzt auf zehn Prozent Elektro. Die Sicht darauf ist allerdings stark vereinfacht: Nicht jedes mit Strom betriebene Fahrzeug ist besser fürs Klima als sein Benzin- oder Dieseläquivalent – denn irgendwo muss der Strom ja herkommen. Entscheidend sind die Bauweise des Autos, also die ganze Produktionskette, und wie der genutzte Strom zusammengesetzt ist. So fährt ein Wagen der Kompaktklasse, etwa ein VW Golf, schon nach 21.000 Kilometern klimafreundlicher als ein Benziner, wenn er mit vollständig regenerativ erzeugter Energie getankt wird. Ein Wagen der oberen Mittelklasse, etwa eine Mercedes E-Klasse, der mit dem in Deutschland üblichen Strommix getankt wird, muss aber 580.000 Kilometer fahren bis er klimafreundlicher als ein Diesel ist (ADAC 2018). Im Fall der Elektroautos kann also keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Dazu muss man genaue Lebenszyklusanalysen machen. Elektrofahrzeuge haben jedoch grundsätzlich das Potenzial, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen zu reduzieren.

Jeder einzelne kann etwas ändern bis zu 49 % könnte die Welt an durch Ernährung verursachten CO2-Emissionen einsparen, wenn alle vegan essen würden.

Klimaschutz ist ein gutes Beispiel für die Tragik der Allmende: Ein Allgemeingut, in diesem Fall die Natur, ist kostenlos und für alle verfügbar. Weil aber Menschen häufig lieber an sich als an die Gemeinschaft denken, nimmt sich der oder die Einzelne oft mehr heraus als notwendig. Denn das eine Auto mehr auf der Straße, das eine Steak mehr auf dem Teller macht doch keinen Unterschied. Oder? Forscherteams der Universität Oxford und des Schweizer Kompetenzzentrums für landwirtschaftliche Forschung haben ausgerechnet: Ein kompletter Verzicht auf tierische Produkte – auf der ganzen Welt –, könnte die durch Ernährung entstandenen CO2-Emissionen um 49 Prozent reduzieren (Science: Poore/Nemecek, 2018). Auch wenn das in der Praxis kaum umsetzbar wäre, zeigt die Zahl, dass auch individuelle Verhaltensänderungen sich positiv auf das Klima auswirken können.*

Zugegeben, das Klima ist kein leichtes Thema. Die Erkenntnisse aus der Klimaforschung sind oft sehr komplex und verlangen Wissen in vielen Fachbereichen. Das nutzen Interessengruppen für ihre Ziele: Sie versuchen, mit verschiedenen Taktiken Menschen zu manipulieren und in ihrer Meinungsbildung zu beeinflussen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen wir uns fragen: Warum dringen wir nicht durch, obwohl wir gute Argumente und alle Fakten auf der Hand haben? Wir, die wir in diesem Artikel die aus unserer Fachsicht wichtigsten Fakten für ZEIT ONLINE zusammengestellt haben, sind deswegen überzeugt: Jeder und jede Forschende muss die Tricks derjenigen, die den Klimawandel leugnen, nicht nur kennen, sondern sie offenlegen, um ein kritisches, individuelles Hinterfragen zu fördern. Nur so kann das falsche Framing korrigiert, können Falschinformationen nachhaltig widerlegt werden (Skeptical Science, PDF) – mit verständlicher Sprache und klaren Belegen. Denn es reicht nicht, auf die Argumente der Skeptiker immer nur zu reagieren. Diejenigen, die wissen, wie es ums Klima steht, müssen dieses Wissen aktiv verbreiten.

 Mitarbeit Henrik Oerding (Redaktion) und Paul Blickle (Grafik)

Lesen Sie hier mehr über wissenschaftliche Hintergründe zu den Ursachen und Folgen des Klimawandels in einem Schwerpunkt.

*Korrekturhinweis: Die Zwischenüberschrift zu diesem Punkt war zunächst so formuliert, als könne jeder Einzelne 49% seiner selbst verursachten CO2-Emissionen durch eine vegane Ernährung einsparen. Das ist nicht richtig. In der zitierten Studie geht es, wie im Text korrekt erklärt, um eine theoretische Berechnung, die besagt, wie groß der Beitrag tierischer Lebensmittel an den weltweiten Emissionen aus der Lebensmittelproduktion ist. Die Stelle wurde korrigiert.