Das erste große Gipfeltreffen der EU mit lateinamerikanischen und karibischen Staaten seit acht Jahren ist von Streit über eine Erklärung zum Ukraine-Krieg überschattet worden. Mit Russland verbündete Länder wie Nicaragua, Venezuela und Kuba setzten bei der zweitägigen Zusammenkunft in Brüssel durch, dass der Text keine explizite Verurteilung des Krieges enthält und Russland nicht einmal erwähnt wird.

Nicaragua wollte am Ende auch keinen Minimalkompromiss mittragen. Grund war nach Angaben von Diplomaten, dass in diesem von einem Krieg gegen die Ukraine und der Notwendigkeit eines gerechten und nachhaltigen Friedens die Rede war.

Ziel der EU war es, mit der Gipfelerklärung eine klare Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu senden. Diesem sollte deutlich gemacht werden, dass er in der Weltgemeinschaft zunehmend isoliert ist und bei einer Fortsetzung des Angriffskriegs weitere wirtschaftliche Nachteile fürchten muss. Die Hoffnung war, dass mächtige lateinamerikanische Länder wie Brasilien bei dem Spitzentreffen auf kleinere Staaten einwirken, um diese zu einer Verurteilung des russischen Angriffskriegs zu bewegen.

Am Ende konnte nun lediglich gemeinsam festgestellt werden, dass der anhaltende Krieg gegen die Ukraine immenses menschliches Leid verursacht und zum Beispiel bestehende Verwundbarkeiten der Weltwirtschaft verstärkt.

Dass ein Großteil der Gipfelteilnehmer Russland für den Angriffskrieg verurteilt, wurde nur indirekt mit einem Verweis auf entsprechende Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen deutlich gemacht. In ihnen war Russland zuletzt im Februar zu einem Rückzug aus der Ukraine aufgefordert worden. 141 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen stimmten im Februar dafür.

Das mittelamerikanische Nicaragua hatte damals als eines von nur sieben Ländern gegen die Annahme der Resolution gestimmt. Kuba enthielt sich und Venezuela nahm nicht an der Abstimmung teil.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach unter Verweis auf die Resolutionen von einem "großen Fortschritt". "Und mein Eindruck ist, das verschiebt sich gerade weltweit", sagte Scholz. Russland zeige immer mehr, dass es imperiale Motive habe für seinen Krieg und "dass alles andere Erzählungen sind, die nicht stimmen".

EU-Ratspräsident spricht von einem "neuen, optimistischen und positiven Kapitel"

In den Hintergrund rückte durch den Streit um die Ukraine-Erklärung, dass die EU und die lateinamerikanischen und karibischen Staaten grundsätzlich vereinbarten, ihre Zusammenarbeit weiter auszubauen. So soll zum Beispiel gemeinsam der Kampf gegen den Klimawandel und dessen negative Folgen vorangetrieben werden.

EU-Ratspräsident Charles Michel sprach bei der Abschlusspressekonferenz von einem "neuen, optimistischen und positiven Kapitel" in den Beziehungen und kündigte an, dass es nun alle zwei Jahre Spitzentreffen geben solle.

An dem Gipfel in Brüssel nahmen politische Spitzenvertreter aus 60 Ländern teil – aus Südamerika unter anderem Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Argentiniens Präsident Alberto Fernández.