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Zwei neue Weltuntergangsfilme Ja, es gibt Leben nach dem Tod

Zwei neue Kinofilme, ein Stoff: Was bleibt, wenn die Menschheit (fast) ausgelöscht wird - und wie geht es weiter? "I Am Mother" und "Endzeit" erzählen das sehr unterschiedlich - welchen Film gucken Sie?
Zwei neue Weltuntergangsfilme: Ja, es gibt Leben nach dem Tod

Zwei neue Weltuntergangsfilme: Ja, es gibt Leben nach dem Tod

Foto: Concorde

Gleich zweimal geht diese Woche im Kino die Welt unter: Dumpfe Bombeneinschläge künden am Anfang von Grant Sputores "I Am Mother" davon, dass soeben irgendwo in weiter Ferne die Menschheit ausgelöscht wird.

"Endzeit" von Carolina Hellsgård hingegen befindet sich bereits vom ersten Moment an jenseits der Zeitenwende: Nüchtern reiht sie Eindrücke aus jenen zwei Städten aneinander, die als einzige eine globale Zombie-Epidemie überstanden haben: Weimar und Jena.

Beide Filme machen also Tabula rasa, reduzieren die Menschheit auf eine letzte Keimzelle, und zeichnen dann die Entstehung einer neuen, posthumanen Weltordnung nach. Denn hier wie dort kann die Menschheit nur überleben, wenn sie ein Stück ihres Menschseins aufgibt - der grundlegende Unterschied zwischen diesen parallelen Zukunftsentwürfen besteht vor allem darin, wie sehr die erzwungene Wesensveränderung unserer Spezies Anlass zur Trauer ist.

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"I Am Mother": Zwischen menschlicher und mechanischer Mutterfigur

Foto: Concorde

"I Am Mother" erscheint dabei im Gewand einer klassischen Dystopie: Die unterirdische Station, in der eine junge Frau (Clara Rugaard) von dem humanoiden Roboter "Mother" aufgezogen wird, ist ganz auf schnörkellose Zweckmäßigkeit ausgerichtet - alles Spontane und Irrationale scheint hier von vornherein ausgeschlossen zu sein. Als eine blutende, verschwitzte, fremde Frau (Hilary Swank) aus der Außenwelt in diese antiseptische Umgebung eindringt, ist die namenlose Heranwachsende bald schmerzhaft hin- und hergerissen zwischen einer menschlichen und einer mechanischen Mutterfigur.

Im Video: Der Trailer zu "I Am Mother"

Concorde Filmverleih

Faszinierend ist an Sputores Film vor allem, wie er das Phänomen der Mutterschaft systematisch von jeder biologischen Basis entkoppelt, von dem strikten Dreischritt aus Schwangerschaft, Gebären, Ernähren. Mutterschaft ist hier in erster Linie ein konventionalisiertes Schauspiel - weshalb etwa auch "Mother", bei all ihren technischen Fähigkeiten, die Gutenachtgeschichte immer noch aus einem altmodischen Buch vorlesen muss.

Aber dieses Konstrukt deutet der Film nicht weiter aus: Nie wird wirklich greifbar, zu welchem Zweck es eingesetzt wird und welche inneren Bedürfnisse es anspricht (oder heraufbeschwört). Das Motiv, um das der Film kreist, entwickelt keine eigene Intensität, es dient vor allem als Aufhänger für ein Hin und Her verschiedener Verdachtsmomente, mal gegen diese, mal gegen jene Figur. Dabei greifen die einzelnen Wendungen der Thriller-Handlung zwar durchaus elegant ineinander - aber gerade dadurch vermittelt "I Am Mother" eben auch den Eindruck, es gehe dem Film ausschließlich um sein eigenes reibungsloses Funktionieren.


"I Am Mother"
Australien 2019
Regie: Grant Sputore
Buch: Michael Lloyd Green, Grant Sputore
Darsteller: Clara Rugaard, Hilary Swank, Rose Byrne, Luke Hawker, Tahlia Sturzaker
Produktion: Southern Light Films
Verleih: Concorde Filmverleih
FSK: ab 12 Jahren
Länge: 114 Minuten
Start: 22. August 2019


"Endzeit" ist im Vergleich dazu der weit weniger penibel konstruierte Film - aber genau diese Unbekümmertheit macht seinen Reiz aus. Zwei junge Frauen (Maja Lehrer, Gro Swantje Kohlhof) müssen zu Fuß die gefährliche Reise von Weimar nach Jena antreten, mitten durch die nun von Untoten beherrschte Landschaft Mitteldeutschlands. Wie jedes gute Roadmovie verliert "Endzeit" dabei das vorgebliche Ziel seiner Handlung immer wieder aus den Augen und begibt sich auf allerlei Abschweifungen und Umwege.

Seine Energie bezieht der Film vor allem aus der tiefen Schrägheit einzelner Momente und Szenen: Giraffen staksen da über die beschaulichen Hügel Thüringens, Menschen wachsen blättrige Ranken aus der Haut.

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"Endzeit": Die Apokalypse als Roadtrip

Foto: Farbfilm

Seiner eigenen wildwüchsigen Struktur entsprechend, entwirft "Endzeit" schließlich eine utopische Vision, die ganz auf dem organischen Prinzip der Mutation beruht - des genetischen Unfalls, der nicht zweckgerichtet ist und der eben dadurch etwas vollkommen Neues entstehen lässt. Bewusstes und unbewusstes Leben gehen hier eine geheimnisvolle Symbiose ein, die nicht so sehr den Eintritt in einen harmonischen Naturzustand darstellt als vielmehr ein Bejahen der Offenheit und Ungewissheit. "I Am Mother" hingegen arbeitet sich so verbissen an der Schreckensvision einer mechanisch rationalisierten Moral ab, dass er am Schluss für den Wert des menschlichen Individuums nur mehr ein etwas abgegriffenes Bild zur Verfügung hat: das der irrationalen Liebe einer Mutter für ihr Junges.

Im Video: Der Trailer zu "Endzeit"


"Endzeit"
Deutschland 2018
Regie: Carolina Hellsgård
Buch: Olivia Vieweg
Darsteller: Trine Dyrholm, Yûho Yamashita, Barbara Philipp, Gro Swantje Kohlhof, Marco Albrecht, Maja Lehrer
Produktion: Arte (Deutschland), ZDF
Verleih: Farbfilm
FSK: ab 16 Jahren
Länge: 90 Minuten
Start: 22. August 2019