Wer glaubt, dass Datenschutz nur eine lästige Innovationsbremse sei und der Schutz der Privatsphäre ein überflüssiger Luxus, sollte sich mal mit Opfern von Stalking, Cybermobbing oder Gewalt gegen Frauen unterhalten oder mit Prominenten, Politikern und anderen Personen des öffentlichen Lebens, die von ihren „Fans“ oder „Hassern“ verfolgt werden. Auch Regimegegner in autoritären Staaten, wo fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, oder Whistleblower bzw. Kronzeugen gegen organisierte Kriminalität sind sicher interessante Gesprächspartner, von denen man viel darüber lernen kann, welche Bedeutung Datenschutz und Privatsphäre haben. Und wenn Sie es etwas bodenständiger mögen, sprechen Sie doch mal mit säumigen Steuerschuldnern oder Kritikern öffentlich-rechtlicher Medien, die sich weigern, ihre Rundfunkgebühren zu bezahlen über die Verhältnismäßigkeit staatlicher Zwangsmaßnahmen. Diese Damen und Herren werden sicher gerne berichten, mit welcher Akribie und Härte Finanzämter und andere Behörden, z. B. durch Pfändungen und anderen Zwangsmaßnahmen bis hin zu Beugehaft, ihre Bürger unter Druck setzen können – und zwar unabhängig davon, wie positiv diese Bürger in der Vergangenheit zum Wohl der Gesellschaft gewirkt haben.

Wichtig: Um Macht- und Mehrheitsverhältnisse in einer Demokratie zu verändern, reicht es, einige wenige Personen einzuschüchtern oder zu beeinflussen. Bei knappen Mehrheitsverhältnissen kann das politische Richtungsentscheidungen verändern, wie der Brexit und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten jeweils in 2016 gezeigt haben.

Und wenn Sie das Risiko, Opfer von Stalking und Cybermobbing zu werden, für klein und unbedeutend halten, dann würde ich Ihnen zum einen empfehlen, einen Blick in die offiziellen Statistiken werfen und sich ggf. mal mit ihren Kindern unterhalten. Zum anderen sollten Sie sich bewusst machen, dass ein einziger solcher Vorfall reicht um Ihr Leben und das Ihrer Familie zu verändern. Wenn Sie 100 Bewerbungen schreiben, dann kann eine davon Sie in Ihren Traumjob führen. Wenn Sie als Unternehmer 100 Angebote abgeben, dann kann eines davon den Lebensunterhalt für die kommenden Monate oder gar Jahre sichern. Wenn Sie 100 kontroverse Diskussionen auf Social Media-Plattformen führen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dabei einem psychopathischen Narzissten begegnen, der gerne andere Menschen quält, ziemlich hoch. Im realen Leben wecken unter anderem Scheidungen, Ehebruch, Kündigungen, Degradierungen, Erbstreitigkeiten, Geldangelegenheiten, Vereinshubereien oder andere Situationen, in denen sich Menschen unfair behandelt oder benachteiligt fühlen, niedere Instinkte und Triebkräfte, in denen es nicht selten nur noch darum geht, dem Gegner zu größtmöglichen Schaden zuzufügen oder ihn sogar zu zerstören („Ich mach‘ Dich fertig, Du Sau!“). Internet und Social Media-Plattformen liefern dabei die Munition zum Fertigmachen frei Haus auf dem Silbertablett. Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein …

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den wir in diesem Zusammenhang zu beachten haben.

Kennen Sie den Unterschied zwischen einem großen Stück von einer kleinen Torte und einem kleinen Stück von einer großen Torte? Nein? Das sollten Sie aber, denn dieser Unterschied ist wichtig und spielt u. a. beim Verständnis von Statistiken zur Corona-Pandemie eine wesentliche Rolle.

Zitat: „Das Paradoxon der Falsch-Positiven ist eine Art von Prävalenzfehler („Base Rate Fallacy“), in dem falsch-positive Ergebnisse wahrscheinlicher sind als wahr-positive Ergebnisse. Dies tritt auf, wenn die Bevölkerung insgesamt eine geringe Häufigkeit einer bestimmten Eigenschaft aufweist, so dass die Rate der wahr-positiven niedriger ist als die der falsch-positiven. Betrachten wir zur Veranschaulichung das folgende Beispiel.

Eine Stadt mit 1.000.000 Einwohnern führt Überwachungsmaßnahmen ein, um Terroristen zu erwischen. Dieses hypothetische Überwachungssystem hat eine Fehlerrate von 1 %, was folgende Auswirkungen hat:
1. In der kleinen Zahl der Terroristen kennzeichnet das System 99 % der Fälle korrekt als Terrorist und 1 % der Fälle nicht.
2. In der viel größeren Zahl der Nicht-Terroristen kennzeichnet das System 99 % der Fälle korrekt als Nicht-Terrorist, in 1 % der Fälle jedoch falsch als Terrorist.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine von diesem System gekennzeichnete Person ein Terrorist ist?

Macht man nun den Prävalenzfehler, würde man antworten, dass es eine 99 %ige Chance gibt, dass diese Person ein Terrorist ist. Auf den ersten Blick, scheint diese Vorhersage bei einer Fehlerrate des Systems von 1 % sinnvoll zu sein; dies ist jedoch ein Trugschluss, da die Fehlerrate der Treffererkennung nicht berücksichtigt wird. Die Dekonstruktion des Paradoxons der Falsch-Positiven zeigt, dass die wahre Chance, dass diese Person ein Terrorist ist, näher bei 1 % als bei 99 % liegt.

Das folgende Bild veranschaulicht, wie das Paradoxon der Falsch-Positiven funktioniert: Wir nehmen an, dass es bei einer Million Einwohnern 999.900 gesetzestreue Bürger und 100 Terroristen gibt. Die Anzahl der Wahr-Positiven, die von den Überwachung der Stadt registriert wurde, beträgt 99, die Anzahl der Falsch-Positiven liegt bei 9.999 – eine Zahl, die selbst das beste System überfordern würde. Insgesamt 10.098 Menschen – 9.999 Nicht-Terroristen und 99 tatsächliche Terroristen – lösen Alarm aus.

Aufgrund der hohen Anzahl von Falsch-Positiven liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das System einen echten Terroristen identifiziert, nicht bei 99 %, sondern bei unter 1 %. Die Suche in großen Datensätzen nach wenigen Verdächtigen bedeutet, dass nur eine geringe Anzahl von Treffern jemals korrekt sein wird. Dies ist ein hartnäckiges mathematisches Problem, das sich auch bei verbesserter Genauigkeit nicht vermeiden lässt.“

Basis: https://epicenter.works/content/einfach-erklaert-praevalenzfehler-und-fluggastdaten-pnr

In Kombination mit dem fehlenden Verständnis des exponentiellen Wachstums führt der Prävalenzfehler bei Corona zu gravierenden Trugschlüssen, die das Leben von zu Unrecht verdächtigten von einem Tag auf den anderen schlagartig verändern können. Stellen Sie sich vor, Sie geraten in Ihrem sozialen Umfeld in Verdacht, ein Terrorist zu sein. Wie viele Menschen aus Ihrem sozialen Umfeld würden Sie anschließend genauso behandeln, wie zuvor? Und wie viele würden sich von Ihnen abwenden, selbst wenn der Verdacht sich nachträglich als falsch herausstellen sollte, weil sie der Meinung sind, dass wo Rauch ist, auch Feuer sein muss?

Ergänzende Lektüre zu den Auswirkungen von Datenschutz und Plattformökonomie auf die Privatsphäre der Nutzer und Bürger:
▶︎ „Why our laws can’t protect me from my digital stalker“ vom 09.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/09/why-our-laws-cant-protect-me-from-my-digital-stalker/
▶︎ „Social Media-Plattformen – wenn der Bock den Gärtner spielt“ vom 12.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/12/social-media-plattformen-wenn-der-bock-den-gartner-spielt/
▶︎ „Zensur durch Social Media-Plattformen – der richtige Weg?“ vom 10.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/10/zensur-durch-social-media-plattformen-der-richtige-weg/
▶︎ „Wehret den Anfängen, aber wie?“ vom 11.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/11/wehret-den-anfangen-aber-wie/
▶︎ „Algorithmen, digitale Plattformen und andere unbekannte Wesen“ vom 11.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/11/algorithmen-digitale-plattformen-und-andere-unbekannte-wesen/
▶︎ „Wie die US-Regierung die US-amerikanische IT-Industrie diskreditiert“ vom 08.03.2017: https://kubraconsult.blog/2017/03/08/wie-die-us-regierung-das-internet-diskreditiert/
▶︎ „George Orwell war eine Warnung und keine Bedienungsanleitung“ vom 14.03.2017: https://kubraconsult.blog/2020/01/13/george-orwells-1984-war-eine-warnung-und-keine-bedienungsanleitung/
▶︎ „Reframing Information Security and Data Privacy as Business Enabler“ vom 26.09.2018: https://kubraconsult.blog/2018/09/26/reframing-information-security-and-data-privacy-as-business-enabler/ (only in English)
▶︎ „Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verständlich: Was die neuen EU-Regeln für die Bürger bedeuten“ vom 04.05.2018: https://kubraconsult.blog/2018/05/04/datenschutz-grundverordnung-dsgvo-verstaendlich-was-die-neuen-eu-regeln-fuer-die-buerger-bedeuten/

„Datenschutz“, „Privatsphäre“, „soziale Verhaltenskontrolle“ oder „Überwachungskapitalismus“ sind abstrakte Begriffe, deren Auswirkungen die meisten Anwender von Social Media-Netzwerken nicht verstehen. Viele wissen, dass sie die Suchmaschine von Google oder das Social Media-Netzwerk von Facebook kostenlos nutzen können im Tausch gegen ihre personenbezogenen Daten, wobei „Daten“ dabei eher als Name, E-Mail-Adresse und Anschrift interpretiert werden und nicht als Überwachung von jeder kleinsten Bewegung, die der Nutzer auf der Social Media-Plattform vollzieht.

Durch das Netflix Doku-Drama „The Social Dilemma“ (https://t1p.de/e7jp ) haben viele Social Media-Nutzer ab September 2020 erstmalig eine Ahnung davon bekommen, welche Dimension der Überwachungskapitalismus durch Social Media-Plattformen inzwischen erreicht hat. Aber es fehlt diesen Nutzern immer noch der konkrete Bezug zur eigenen Person bzw. zum eigenen Unternehmen. Diesen Bezug finden Sie in meinen oben genannten Leseempfehlungen.

Die Sperrung von Donald Trump durch Twitter und Facebook nach den „Capitol Riots“ am 06.01.2021 ist nun ein interessanter Showcase, der zeigt, dass selbst der mächtigste Mann der Welt durch die digitalen Plattformen (in diesem Fall Twitter und Facebook) von einem Tag auf den anderen kaltgestellt werden kann. Selbst die deutsche Bundeskanzlerin wachte plötzlich auf und sah sich zu einer Äußerung bemüßigt, dass solche Maßnahmen durch staatliche Organe veranlasst werden müssten und nicht durch private Unternehmen. Sie bewegte sich damit nicht im Rahmen des Rechtsverständnisses, auf dem in Deutschland das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)“ in Kraft gesetzt wurde, aber das ist ein anderes Thema. Die Sperrung von Donald Trump durch Twitter und Facebook als Showcase könnte sich nunmehr zur Bewusstseinsbildung für die Bedeutung von Kontrolle über Daten – und damit auch über Menschen – als überaus nützlich erweisen.

Wenn Sie das Thema vertiefen möchten, finden Sie hier zwei sehr gute Artikel:

▶︎ t3n-Kommentar von Jan Vollmer vom 12.01.2021 unter dem Titel „Wenn zwei Tech-Milliardäre Trump den Stecker ziehen“: https://t1p.de/bv4d

▶︎ Verfassungsblog-Artikel von Prof. Dr. Jörn Reinhardt vom 12.01.2021 unter dem Titel „Letzter Vorhang für @realdonaldtrump“: https://t1p.de/gssp 

In den USA räumt die Section 230 des Communications Decency Act, einer Norm mit verwickelter Entstehungsgeschichte, die von den US-Gerichten allmählich zu einem umfassenden Plattform- bzw. Providerprivileg ausgebaut wurde, den sozialen Netzwerken weitreichende gestalterische Freiheiten bei der Content Moderation ein. Sie werden vom US-Gesetzgeber nicht als Content-Provider betrachtet, sondern lediglich als Plattform zu Content-Verteilung.

Aufgrund der Gesetzeslage sind genau diese US-Provider besonders in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre, denn sie sammeln und hosten nicht nur die Verhaltensdaten ihrer Nutzer, sondern sie verwerten sie auch selbst, um jede Menge Geld damit zu verdienen. Und dann gibt es noch die US-Geheimdienste, die auf die Daten der Plattformen zugreifen, offiziell um Terroristen zu bekämpfen. Im Hinblick auf diesen Zugriff US-amerikanischer Behörden auf die Daten von US-Unternehmen sind folgende vier US-Gesetze von besonderer Relevanz:

▶︎ der Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978 (FISA),

▶︎ der USA Patriot Act of 2001,

▶︎ der USA Freedom Act of 2015,

▶︎ sowie der Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act von 2018 (CLOUD Act).

FISA, Patriot Act und Freedom Act sind miteinander verknüpft. Die eigentliche Grundlage für nachrichtendienstliche Datenerhebungen durch US-Behörden im Ausland bildet FISA. Section 702 FISA dient der Überwachung von Nicht-US- Bürgern, die sich außerhalb des US-Territoriums aufhalten. Danach darf alle elektronische Kommunikation von und zu der Zielperson sowie über die Zielperson abgefangen werden. Auch die Kommunikation zwischen unbeteiligten Dritten, die sich auf die Zielperson bezieht bzw. deren Namen nennt, kann erhoben werden. Voraussetzung ist die Relevanz für Ermittlungen zur Terrorismusabwehr. Da keine materielle Einschränkung der Art der Daten erfolgt, sind auch Finanzdaten grundsätzlich erfasst.

Quelle: https://www.bundestag.de/resource/blob/796102/ea53ffe8e08a9ab11e270719263d8c53/WD-3-181-20-pdf-data.pdf

Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden wie das FBI und die NSA können in den USA unter dem Deckmäntelchen des „War against Terror“ von US-Unternehmen „materielle Dinge“ wie Dokumente in der Regel ohne richterliche Anordnung anfordern. Der Begriff ist sehr weit gefasst und schließt Daten aller Art mit ein.

Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Freedom-Act-NSA-und-FBI-duerfen-weiter-Internetdaten-auch-von-US-Buergern-sammeln-4722646.html

Es gibt bekannte Fälle von bewusst eingebauten Backdoors in Software von US-Unternehmen. Bei verschlüsselten Apps inkl. Messenger-Apps, wie z. B. WhatsApp, Facebook Messenger, Signal oder Telegram, hat das Geheimdienstnetzwerk „Five Eyes“ bestehend aus den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland mehrfach den unverschlüsselten Zugriff auf die Daten der Nutzer gefordert. Für verschlüsselte Daten gibt es üblicherweise einen sogenannten „Private Key“, mit dem der Nutzer seine eigenen Daten entschlüsseln und lesen kann. Warum sollten die US-Geheimdienste Unternehmen, die dem US-Recht unterliegen, weil sie ihren Hauptsitz in den USA haben, nicht zwingen können, vom Private Key eine „Sicherheitskopie“ anzufertigen und diese den US-Geheimdiensten zugänglich machen?

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/five-eyes-fordert-zugang-zu-verschluesselten-apps-16997581.html

Edward Snowden wies in seiner im September 2019 erschienenen Biografie „Permanent Record“ explizit darauf hin, dass das Internet von US-Technologie beherrscht wird. Das betrifft nicht nur die Infrastruktur mit Routern von Cisco, Servern von HP, Dell, Sun oder IBM, Datenbanken von Oracle, Microsoft oder IBM, Speichersystemen von EMC und NetApps, Virtualisierungssoftware von VM Ware, Microsoft oder Citrix oder Verschlüsselungssoftware basierend auf Forschungen für das US-Militär, sondern es geht auch und vor allem, um digitale Plattformen und Social Media-Netzwerke, die personenbezogene Daten von der Hälfte der Erdbevölkerung aufzeichnen, kontrollieren, analysieren und zur Manipulation der Nutzer verwenden. Namentlich sind das die sogenannten FANGMAN: Facebook, Amazon inklusive Amazon Web Services, Netflix, Google inklusive YouTube, Microsoft inklusive LinkedIn, Apple und Nvidia.

Die folgende Grafik illustriert, mit Hilfe welcher Daten und Datenverknüpfungen diese Unternehmen oder sogenannte Data Broker Menschen identifizieren können. Quelle der Grafik ist die Studie „Corporate Surveillance in Everyday Life„, die im Juni 2017 vom „Cracked Labs – Institute for Critical Digital Culture“ veröffentlicht wurde.

Im Januar 2018 wurde ein 6-minütiges Video unter dem Titel „Monolog des Facebook-Algorithmus: wie Facebook die Daten der Nutzer zu seinem Profit macht“ veröffentlicht. Ich würde dieses Video als eine der prägnantesten und verständlichsten Beschreibungen betrachten zum Thema „Wie funktionieren Social Media Plattformen?“, die ich je gesehen habe: https://vimeo.com/249633335. Das Video enthält folgendes Diagramm mit der „Facebook Algorithmic Factory“, welche den gewaltigen Umfang der Facebook-Algorithmen veranschaulicht:

Eine hochauflösende Version der „Facebook Algorithmic Factory“ kann auf Archive.org im pdf-Format heruntergeladen werden: https://web.archive.org/web/20180510121337/https://theglassroom.org/files/2016/11/FAF-Glassroom.pdf.

Die folgende ergänzende Grafik wurde am 25.01.2019 unter der Überschrift „Your digital identity has three layers, and you can only protect one of them“ von Katarzyna Szymielewicz, Mitbegründerin der Panoptykon Foundation, veröffentlicht: https://qz.com/1525661/your-digital-identity-has-three-layers-and-you-can-only-protect-one-of-them/.

Zitat aus dem Artikel von Katarzyna Szymielewicz: „Ihr Online-Profil ist weniger ein Abbild von Ihnen als vielmehr eine Karikatur bzw. ein Zerrbild. Ob Sie es wollen oder nicht, kommerzielle und öffentliche Akteure neigen dazu, der Aneinanderreihung von Einsen und Nullen, die Sie repräsentieren, mehr zu vertrauen als der Geschichte, die Sie ihnen erzählen. Wenn Sie einen Kreditantrag bei einer Bank stellen oder für einen Job rekrutiert werden, können Ihre Postings in sozialen Netzwerken, Ihre Kreditkartenhistorie und Ihre Postadresse als unveränderliche Fakten angesehen werden, die glaubwürdiger sind als Ihre Meinung.“

Das Geschäftsmodell von Social Media-Plattformen ist die Profitmaximierung durch personifizierte (also speziell auf die Schwachstellen einer Person ausgerichtete) Werbung, die durch sogenanntes „Microtargeting“ an den Mann bzw. an die Frau gebracht wird. Dieses Geschäftsmodell funktioniert mit Hilfe sozialer Verhaltenskontrolle, also der kontinuierlichen Erfassung, Aufzeichnung, Analyse und Verfolgung jeder noch so kleinen Interaktion oder Nicht-Interaktion der Nutzer auf der Plattform (Klicks, Likes, Kommentare, Postings, Shares, Verweildauer) in Echtzeit.

Durch den Vergleich mit Peer-Groups wird berechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Nutzer positiv reagiert, wenn man bestimmte Knöpfe bei ihm drückt, z. B. ihm bestimmte Inhalte im Newsfeed anzeigt oder ihm Werbeangebote per E-Mail zukommen lässt. Und was mit Werbung für Produkte und Services funktioniert, funktioniert auch mit radikaler politischer Hetze (siehe Cambridge Analytica/Facebook 2016).

Eine weitere Auswirkung des Geschäftsmodells sind Filterblasen und Echokammern, da jeder Nutzer den Content im Newsfeed angezeigt bekommt, der ihn mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auf der Plattform hält und zu möglichst vielen Interaktionen animiert, damit die Algorithmen noch mehr personenbezogene Daten abgreifen können.

Massenüberwachung von Bürgern und Konsumenten ist ein Charakteristikum autoritärer Regime und sollte in einer Demokratie nichts zu suchen haben.

Abgesehen davon darf man in Zeiten, in denen klima- und umwelt- und menschenfreundliches Wirtschaften und schonender Umgang mit Ressourcen (z. B. durch regionale Kreislaufwirtschaft und langlebige, reparierbare Güter) wichtiger denn je sind, die Frage stellen, welche Existenzberechtigung Geschäftsmodelle haben, deren Ziel es ist, den Konsum der halben Erdbevölkerung durch personenbezogene Werbung zu befeuern?

Die sogenannte IPAT-Gleichung lautet: I = P * A * T. In dieser Gleichung bedeutet „I“ = Impact/Wirkung, „P“ = Population/Bevölkerung, „A“ = Ausstattung des Einzelnen mit Wirtschaftsgütern/Affluence und „T“ = technologisch bedingter Schädigung durch Wirtschaftgüter/Technology. Wenn wir den Klimawandel stoppen wollen, müssen wir an allen drei Einflussfaktoren in dieser Gleichung drehen und den Pro-Kopf-Verbrauch von Gütern, Services und Energie reduzieren, statt ihn durch Werbung zu befeuern.

Statt einer „marktkonformen Demokratie“ brauchen wir einen „demokratiekonformen Markt“, der nicht in die Privatsphäre von Konsumenten und Bürgern eindringt, sondern der die Lebensgrundlagen der Menschen auf der Erde respektiert und damit so umgeht, wie es für den Fortbestand der Menschheit notwendig ist.

In diesem Sinne ist z. B. das beste Auto nicht ein Elektroauto, sondern ein Auto, welches gar nicht erst gebaut wird, weil die Konsumenten Shared Mobility-Angebote nutzen oder mit dem Fahrrad fahren.

Ergänzende Lektüre zum letzten Absatz:

▶︎ „The future of mobility goes far beyond electric power train versus combustion engine“ vom 09.06.2019: https://kubraconsult.blog/2019/06/09/the-future-of-mobility-goes-far-beyond-electric-power-train-versus-combustion-engine/ (only in English)

▶︎ „Elektroautos – Pro und Contra“ vom 05.11.2019: https://kubraconsult.blog/2019/11/05/elektroautos-pro-und-contra/

▶︎ „Bitcoin, Tesla und die Bubble Economy“ vom 02.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/02/bitcoin-tesla-und-die-bubble-economy/

▶︎ „Warum Tesla nicht „exponentiell“ wächst“ vom 04.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/04/warum-tesla-nicht-exponentiell-wachst/

▶︎ „Mobilitätstipp für echte Profis“ vom 03.01.2021: https://kubraconsult.blog/2021/01/03/mobilitaetstipp-fuer-echte-profis/

▶︎ „Generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen – Daten und Fakten“ vom 18.10.2019: https://kubraconsult.blog/2019/10/18/generelles-tempolimit-auf-deutschen-autobahnen-daten-und-fakten/

▶︎ „Facts and Figures on climate change and global warming“ vom 12.05.2019: https://kubraconsult.blog/2019/05/12/secrets-and-lies-of-the-climate-change/ (only in English)