Trotz Klage gegen Kanzlerin: Merkel lädt Verfassungsrichter ins Kanzleramt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU)

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von: Ralf Schuler

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist Hüter der Verfassung. Die höchsten Richter des Landes sollen unabhängig entscheiden, unter anderem die Grundgesetztreue der Regierung prüfen.

Doch nun gibt es Fragen. Denn: Am 30. Juni empfing Kanzlerin Angela Merkel (66, CDU) die Richter des Ersten und Zweiten Senats des Gerichts zum alljährlichen Abendessen im Kanzleramt. Es sind unter anderem dieselben Richter (2. Senat), die am 21. Juli eine Klage gegen Merkel verhandeln müssen.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth (49)

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth (49)

Foto: Uli Deck/dpa

Dabei geht es um Merkels Verhalten nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich (56) zum Thüringer Regierungschef (Februar 2020) mit Stimmen von CDU und AfD. Die Kanzlerin hatte damals von Südafrika aus erklärt, „dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb auch das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss“.

Dagegen klagte die AfD. In der Verhandlung am 21. Juli geht es darum, ob eine Kanzlerin sich so deutlich in Angelegenheiten eines Bundeslandes einmischen darf („Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern“).

Beklagte und Richter vor dem Prozess in geselliger Runde? Ist das erlaubt?

Gerichtssprecher Pascal Schellenberg sieht kein Problem. Im Rahmen des Abendessens „war die mündliche Verhandlung am 21. Juli 2021 nicht Gegenstand der Gespräche“. BILD-Fragen, wie man unter anderem dem Eindruck der Befangenheit entgegentreten wolle, blieben aber unbeantwortet.

Juristen halten das Treffen dagegen für problematisch! Star-Anwalt Gerhard Strate (71) hält solche Treffen grundsätzlich für in Ordnung, aber: „So kurz vor einer Verhandlung gehört es sich nicht. Der Normalbürger hört da die Flöhe husten!“

Staatsrechtler Ulrich Battis (77): „Es handelt sich bei diesen Treffen zwischen Verfassungsgericht und Kanzlerin nicht um ein ,geselliges Beisammensein‘, sondern um Gespräche oberster Verfassungsorgane. Ob die Zusammenkunft in zeitlicher Nähe zu der Verhandlung klug war, darf allerdings bezweifelt werden.“

Pikant: Die CDU-Wiesloch zeigt auf ihrer Webseite noch immer ein Foto von Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth (49), früher CDU-Abgeordneter, mit Kanzlerin Merkel.

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