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Wirtschaft Warnung der Speditionen

GAU Grenzschließung – „Wir würden in Versorgungsengpässe hineinlaufen“

Korrespondent
EU-Staaten suchen nach gemeinsamer Impf-Strategie

Die Impfungen gehen in Deutschland weiter nur schleppend voran. Die EU-Staaten arbeiten an einer gemeinsamen Strategie für die nächsten Monate, jedoch wächst die Kritik an der Einkaufspolitik der EU-Kommission.

Quelle: WELT/David Schafbuch

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Das Speditionsgewerbe warnt vor den Folgen möglicher Schließungen der EU-Binnengrenzen. Es drohten nicht allein Versorgungsengpässe und steigende Preise – auch Lkw-Fahrer würden plötzlich Mangelware. Das hat vor allem einen Grund.

Bis zu 60 Kilometer lange Staus an der deutsch-polnischen Grenze, Tausende Lkw-Fahrer für Tage in ihren Fahrerkabinen und am Ende Versorgungsengpässe in den Supermärkten bei bestimmten Produkten: Die Folgen der Grenzschließungen zu einigen Nachbarländern aus dem vergangenen Frühjahr sind als Bilder überall abrufbar.

Nun befürchten Logistikverbände wie auch Transportunternehmen ähnliche Zustände, sollte die Bundesregierung im Alleingang aus Sorge vor einer noch stärkeren Verbreitung des Covid-19-Virus wichtige Grenzübergänge für den Warenverkehr erneut schließen und aufwendige Kontrollen einführen. Betroffen sind besonders die Grenzen zu Tschechien und der Slowakei, in den Ländern liegen die Corona-Infektionszahlen extrem hoch.

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„Die EU-Binnengrenzen zu schließen wäre ein GAU. Wir würden dann sehenden Auges in Versorgungsengpässe hineinlaufen“, sagte Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, im WELT-Gespräch. Zum Beispiel in der Automobilindustrie wäre die Teileversorgung gefährdet, wenn die Grenzüberfahrt zum wichtigen Zulieferland Tschechien für den Lkw-Transport erschwert würde, sagte der Verbandschef.

Keine Alleingänge, „Lebensadern offen halten“

Nach Plänen der Bundesregierung soll in den nächsten Tagen eine Corona-Testnachweispflicht für Lkw-Fahrer bei der Einfahrt aus dem Land eingeführt werden. Deutschland müsse „die Lebensadern offen halten“ und dürfe keine nationalen Alleingänge machen. Vor allem aber müssten die Fahrer wie auch die Unternehmen dringend wissen, was sie in den nächsten Wochen an den Grenzen erwarte. Verkehrslobbyist Eck beklagte ein Missmanagement bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Bundesministerien etwa bei den Auflagen für das Transportgewerbe.

Unter den Verhältnissen der Corona-Pandemie hatte die Europäische Union im vergangenen Sommer Regeln für eine sogenannte Green Lane, eine Extraspur an den Grenzen für den Lkw-Transport, beschlossen. Unter Einhaltung bestimmter Corona-Vorschriften werden Lkw seither ohne Kontrolle an den Ländergrenzen durchgewunken. „Diese Einigung bröckelt gerade, weil einzelne Länder Auflagen beschließen“, sagte Eck. Einige Speditionen würden dann nicht mehr in bestimmte Länder fahren, um ihr Fahrerpersonal im regelmäßigen Einsatz behalten zu können.

Sollten Corona-Tests vorgeschrieben werden, müsse die Politik sie in einer gemeinsamen Organisation und Strategie mit dem jeweiligen Nachbarland organisieren. Dies fordert der Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). „Wenn keine gemeinsamen Testzentren aufgebaut werden, wird es wieder zu chaotischen Verhältnissen an den Grenzen kommen“, sagte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL.

Nicht nur der Warenverkehr zwischen den EU-Ländern ist ein Thema für die Transportunternehmen. Vielmehr fürchten sie auch einen Engpass beim Lkw-Personal. Schließlich sind in Deutschland etwa 100.000 Fahrer aus osteuropäischen EU-Ländern beschäftigt, die einmal im Monat für eine Woche in ihre Heimatländer fahren. Das betrifft jeden fünften festangestellten Fahrer bei einem deutschen Fuhrunternehmer.

Bei verschärften Einreisebedingungen könnten diese Fahrer am Ende den Speditionen fehlen. „Die Unternehmen haben Angst, dass ihnen das Fahrerpersonal wegbricht“, sagte BGL-Chef Engelhardt. Zum Beispiel sei eine mehrtägige Quarantäne für die Fahrer im Grenzverkehr nicht praktikabel. „Sie würden diese Touren dann schlichtweg nicht mehr machen“, sagte Engelhardt.

Eines der größten Branchenunternehmen in Deutschland im europäischen Warentransport und mit einem hohen Anteil im Lebensmitteltransport ist Dachser. Dort sind zum Beispiel an jedem Tag etwa 200 Lkw nach Frankreich sowie aus dem Nachbarland zurück unterwegs. Auch im Warenaustausch mit Ländern Osteuropas ist der Konzern stark vertreten.

Fast alle Corona-Hotspots liegen in der Nähe zu Tschechien

Trotz des Lockdowns ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland anhaltend hoch, die Todesfälle erreichen Rekordwerte. Dabei fällt auf: Fast alle deutschen Corona-Hotspots liegen in der Nähe zu Tschechien.

Quelle: WELT

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„Wenn Lkw-Fahrer bei ihren Touren an den Grenzen wie normale Reiserückkehrer behandelt werden sollten, werden wir große Probleme mit dem Fahrerpersonal und auch mit der Versorgung bekommen“, sagte Andreas Froschmayer, der Chef der Unternehmensentwicklung bei Dachser. Am Ende werde sich eine derartige Entwicklung auf die Kosten auswirken und zu Preiserhöhungen im Transportgewerbe führen.

Die Versorgungsketten dürften nicht ausgehebelt werden, heißt es bei Dachser. Ansonsten drohe in der Industrie eine Kettenreaktion und zum Beispiel bei Maschinenbauern oder Automobilherstellern ein Produktionsstillstand. Üblich ist, dass diese Unternehmen keine eigenen und umfangreichen Lager vor Ort betreiben. Bereits nach wenigen Tagen können daher Engpässe bei Zulieferteilen entstehen.

Ähnliche Stimmen kommen von den Industrieverbänden. „Trotz der Lockdown-Maßnahmen müssen der grenzüberschreitende Warenverkehr funktionieren und die Wertschöpfungsketten intakt bleiben, sonst droht Europa ein noch stärkerer wirtschaftlicher Einbruch als im Frühjahr 2020“, sagte Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Dringend nötig sei eine einheitliche Corona-Teststrategie der EU-Länder.

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