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Das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 16. Juni 2020 wird geändert.
Der Beschluss der Schiedsstelle C. vom 25. Juni 2018, Aktenzeichen 00, wird aufgehoben, soweit in Ziffer 1. seines Tenors die Anträge der Klägerin aus ihrem Schreiben vom 2. März 2018 auf Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung für einen Zeitraum bis zum 30. Juni 2018 abgelehnt werden und soweit in Ziffer 2. seines Tenors die Klägerin verpflichtet wird, eine Verfahrensgebühr in Höhe von 500 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine auf der Grundlage von § 78g SGB VIII getroffene Entscheidung der Schiedsstelle C. (im Folgenden: Schiedsstelle) vom 25. Juni 2018. Die Klägerin ist ein anerkannter gemeinnütziger Träger der freien Jugendhilfe und bietet im J. Leistungen der stationären Jugendhilfe an. Sie betreibt unter anderem die Kinder- und Jugendwohngruppe Q. (im Folgenden: Wohngruppe), eine vollstationäre, eingruppige Einrichtung für Mädchen und Jungen im Aufnahmealter von etwa 6 bis 14 Jahren. Der Beklagte ist der örtliche Träger der Jugendhilfe.
3Am 4. Januar 2012 erteilte das Landesjugendamt beim O. (im Folgenden: Landesjugendamt) auf Antrag der Klägerin eine Betriebserlaubnis für die Wohngruppe. In dieser war die Zahl der vorhandenen Plätze mit "8", die der Vollzeitstellen mit "4,5" und die Betreuungsdichte mit "1:1,77" angeben. Weiter heißt es dort wörtlich:
4"Entsprechend seiner Meldepflichten nach § 47 Abs. 1 SGB VIII hat der Träger der Einrichtung dem Landesjugendamt unverzüglich zu melden:
5[…] Änderungen […] von verfügbaren Plätzen der Einrichtung."
6Mit Schreiben vom 9. Januar 2018 begehrte die Klägerin vom Beklagten, die "Entgeltvereinbarung nach § 78a ff. SGB VIII" für die Wohngruppe zu verlängern und inhaltlich abzuändern. Insbesondere sei die Verringerung der belegbaren Plätze von 8 auf 7 bei gleichbleibender Personalstärke beabsichtigt.
7Daraufhin wandte sich eine Mitarbeiterin des Beklagten per E-Mail vom 22. Februar 2018 an einen Mitarbeiter des Landesjugendamts mit der Frage, ob sie auf eine Änderung der Betriebserlaubnis bestehen könne bzw. müsse. Ergänzend führte sie aus:
8"Grundsätzlich habe ich mit der Höhe der veranschlagten Tagessätze kein Problem. Mir geht es nur um diese Formalie."
9In einem am nächsten Tag geführten Telefonat kamen die Mitarbeiter des Beklagten und des Landesjugendamts darin überein, dass die Leistungsbeschreibung der Betriebserlaubnis entsprechen müsse. Der Beklagte teilte dies der Klägerin durch E-Mail vom 26. Februar 2018 mit und wies darauf hin, dass die Kalkulation auf einer fehlerhaften Grundlage erfolgen würde, sollte die Betriebserlaubnis nicht auf 7 Plätze abgeändert werden; insoweit werde um Abänderung der Erlaubnis gebeten.
10Mit Schreiben vom 2. März 2018, eingegangen beim O. am 5. März 2018, bat die Klägerin um Eröffnung eines Schiedsverfahrens nach § 78g SGB VIII und stellte folgende Anträge:
11"1. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ist für die Kinder- und Jugendwohngruppe Q. eine Leistungsvereinbarung für sieben Plätze auf der Grundlage des eingereichten Entwurfs zustande gekommen.
122. Für die vereinbarte Leistung wird auf der Grundlage der eingereichten Kalkulation ein Entgelt in Höhe von 146,16 € pro Kalendertag festgesetzt.
133. Leistungsvereinbarung und -entgelt treten mit dem Tag des Eingangs dieses Antrages bei der Schiedsstelle in Kraft und gelten bis 28.02.2019."
14Unter dem 27. März 2018 nahm der Beklagte hierzu wie folgt Stellung:
15"Wie vom Antragsteller dargelegt ist die abweichende Platzzahl der einzige strittige Punkt. […] Ansonsten erachte ich das neu kalkulierte Entgelt als wirtschaftlich."
16Die Schiedsstelle fasste nach mündlicher Verhandlung vom 25. Juni 2018 unter Ziffer 1. folgenden Beschluss:
17"1. Der Antrag der Antragstellerin ist abzulehnen.
18Die Antragstellerin kann keine Kalkulationsgrundlage wählen, bei der von einer gegenüber der erteilten Betriebserlaubnis reduzierten Platzzahl ausgegangen wird.
192. Die Verfahrensgebühr beträgt 500 Euro. Sie ist von der Antragstellerin zu zahlen.“
20Zwei Tage nach der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle beantragte die Klägerin beim Landesjugendamt die Abänderung der erteilten Betriebserlaubnis durch Reduzierung der Anzahl der vorhandenen Plätze von 8 auf 7. Aufgrund der zudem begehrten Beibehaltung von 4,5 Vollzeitstellen bezifferte sie die Betreuungsdichte mit "1:1,56". Hierüber informierte die Klägerin den Beklagten noch am selben Tag per E-Mail mit dem Wunsch, eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung auf der Grundlage der Betriebserlaubnis mit reduzierter Platzzahl abzuschließen. Zur Begründung legte sie dar, dass die Freihaltung des 8. Platzes bis zu einer Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte über den Schiedsspruch wegen der damit verbundenen Zeitverzögerung nicht länger aufrechterhalten werden könne.
21Am 29. Juni 2018 unterzeichneten die Klägerin und der Beklagte eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung über die Wohngruppe, die neben den vorbezeichneten Konditionen ein tägliches Entgelt von 146,16 Euro und eine Laufzeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. März 2019 vorsah. Unter dem 4. Juli 2018 erteilte das Landesjugendamt der Klägerin eine auf eine Platzzahl von "7" reduzierte Betriebserlaubnis.
22Am 24. September 2018 wurde der Beschluss der Schiedsstelle vom 25. Juni 2018 an die Beteiligten versandt. Zur Begründung führte die Schiedsstelle im Wesentlichen aus: Es sei nicht möglich, dass bei unveränderter Betriebserlaubnis die Entgeltkalkulation auf einer davon abweichenden, geringeren Platzzahl erfolge. Eine geringere Platzzahl bei gleicher Personalausstattung bedeute faktisch eine Veränderung der Platzzahl, weil dann die Einrichtung nur bis zu der in der Kalkulation genannten Platzzahl Kinder oder Jugendliche aufnehmen wolle. Dadurch entstehe eine Diskrepanz zur Betriebserlaubnis, die eine höhere Platzzahl vorsehe. Durch die Verringerung der zur Verfügung stehenden Plätze ändere sich ein wesentliches Merkmal in der Struktur der Einrichtung, was in der Betriebserlaubnis abgebildet werden müsse. Denn die in der Betriebserlaubnis vorgesehene Platzzahl diene nicht nur der Transparenz gegenüber anderen Jugendämtern, sondern stelle auch eine wichtige Planungsgröße für das örtliche Jugendamt dar.
23Gegen diesen Schiedsspruch hat die Klägerin am 23. Oktober 2018 beim Verwaltungsgericht Klage gegen erhoben.
24Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Durch die Änderung der Platzzahl in der Betriebserlaubnis sei ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Denn sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die ursprüngliche Weigerung des Beklagten, eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung über 7 Plätze abzuschließen, rechtswidrig gewesen sei. Der Schiedsspruch verletze sie in ihren Rechten, weil die Schiedsstelle den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum nicht zur Anwendung gebracht habe. Die Schiedsstelle habe das Verhältnis zwischen der allein ordnungsrechtlichen Materie der §§ 45 ff. SGB VIII einerseits und der allein leistungsrechtlichen Regelungsmaterie der §§ 78a ff. SGB VIII andererseits verkannt. Die Regelungsbereiche hätten nichts miteinander zu tun. Deswegen beinhalte die Bestimmung der höchstzulässigen Platzzahl in einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII weder eine Entscheidung noch eine Vorentscheidung hinsichtlich der Fragen, ob in einer Einrichtung überhaupt Leistungen der Jugendhilfe erbracht werden und/oder in welcher Art und in welchem Maß diese Einrichtung der Erbringung von Leistungen der Jugendhilfe zur Verfügung stehe. Nichts anderes folge aus § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, der den Träger einer Einrichtung verpflichte, Änderungen hinsichtlich der Zahl der verfügbaren Plätze gegenüber der Ordnungsbehörde zu melden. Zum einen beziehe sich die Meldepflicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII allein auf die Ordnungsbehörde, nicht aber auf den Beklagten. Zum anderen erschließe sich aus der Systematik des § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, dass ein Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung nicht verpflichtet sei, von der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII stets vollumfänglich Gebrauch zu machen. Anderenfalls erübrigte sich die Meldepflicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, da der Ordnungsbehörde die Anzahl der verfügbaren Plätze aus der von ihr selbst erteilten Betriebserlaubnis bekannt sei. Überdies dienten die Meldepflichten des § 47 SGB VIII der Sicherung des Wohls von Kindern und Jugendlichen (im Folgenden: Kindeswohl). Hierfür sei es unerheblich, ob ein bestehender Betreuungsplatz genutzt werde. Durch die Reduzierung der Belegung der Einrichtung von 8 auf 7 Plätze unter Beibehaltung der Personalausstattung verbessere die Klägerin letztlich das Fachkraft-Kind-Verhältnis. Die in der Betriebserlaubnis aufgeführte Platzzahl diene auch nicht der Transparenz gegenüber anderen Jugendämtern. Allein Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII könnten geeignet sein, Transparenz herzustellen, da diese Vereinbarungen klärten, ob, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen bzw. zu welchen Konditionen ein Träger einer Einrichtung zur Verfügung stehe und geeignet sei.
25Die Klägerin hat beantragt,
26den Beschluss der Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII beim S. vom 25. Juni 2018, ausgefertigt am 24. September 2018, zum Az. 00 aufzuheben,
27hilfsweise,
28festzustellen, dass die Regelung einer Platzzahl einer erlaubnispflichtigen Einrichtung in einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII nicht hindert und nicht entgegensteht,
29a) Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII zu dieser Einrichtung bezogen auf eine geringere als die in der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII für diese Einrichtung erlaubte Platzzahl abzuschließen, und
30b) die betriebswirtschaftliche Kalkulation des nach § 78b Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII zu vereinbarenden Leistungsentgelts auf Grundlage einer gegenüber der nach § 45 SGB VIII erlaubten geringeren Platzzahl vorzunehmen.
31Der Beklagte hat beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei wegen des Abschlusses einer neuen Leistungs- und Entgeltvereinbarung vom 29. Juni 2018 unzulässig geworden. Bezüglich des Hauptantrags fehle das Rechtsschutzbedürfnis zudem deshalb, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben ohnehin nur 7 Plätze belegen wolle. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil die Schiedsstelle nach erfolgreicher Anfechtungsklage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheiden müsse. Für eine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit bleibe somit kein Raum. Die Klage sei darüber hinaus unbegründet. Die Betriebserlaubnis spiele auch beim Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII eine Rolle, da geprüft werde, ob und inwieweit die Einrichtung in der Lage sei, mit der Bewilligung der Vergütung die beschriebene Leistung zu erbringen. Damit bestehe ein Zusammenhang mit der Betriebserlaubnis. Änderungen an der Konzeption hätten zudem Auswirkungen auf die Betriebserlaubnis, weil nach § 45 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII die vorzulegende Konzeption der Einrichtung zu den Grundlagen für die Erteilung der Betriebserlaubnis zähle. Ändere sich der ursprünglich erlaubte Betrieb, ohne dass zugleich der Regelungsgehalt der Betriebserlaubnis angepasst werde, stelle sich die Frage, ob die ursprüngliche Erlaubnis gegenstandslos werde. Eine gültige Betriebserlaubnis sei aber eine notwendige Voraussetzung für eine Vereinbarung nach § 78b SGB VIII.
34Mit dem angefochtenen Urteil vom 16. Juni 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei die Klage zulässig, insbesondere habe sich das Klagebegehren nicht durch den Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung vom 29. Juni 2018 erledigt, da die Schiedsstelle nicht lediglich über die Ablehnung des Abschlusses einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung, sondern darüber hinausgehend im Tenor über die zwischen den Beteiligten streitige Frage entschieden habe, ob die Leistungsvereinbarung hinsichtlich der Platzzahl nach unten von der gültigen Betriebserlaubnis abweichen dürfe. Die Klage sei mit ihrem Hauptantrag jedoch unbegründet. Aus der Funktion einer Vereinbarung nach § 78b SGB VIII, den Umfang und die Qualität der vorgehaltenen Leistungsangebote zu beschreiben, die differenzierten Entgelte für die einzelnen vorgehaltenen Leistungsangebote zu benennen, die Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote zu bestimmen und die erforderliche sachliche und personelle Ausstattung und die Qualifikation des Personal festzulegen, folge, dass sich dieser Vereinbarung entnehmen lassen müsse, wie viele Betreuungsplätze zur Verfügung ständen und von welcher Betreuungsdichte auszugesehen sei. Wenn ein Betreiber eine Vereinbarung unter Zugrundelegung einer im Vergleich zur bestehenden Betriebserlaubnis reduzierten Platzzahl abschließen könnte, würde dieses Vertragsverhältnis gestört. Denn der Einrichtungsbetreiber könnte seine Betriebserlaubnis weiterhin in vollem Umfang ausnutzen und mehr Plätze belegen, als in der Leistungs- und Entgeltvereinbarung vorgesehen. Hierdurch würde sich die Betreuungsdichte zwangsläufig zulasten der untergebrachten Kinder und Jugendlichen verschlechtern, wohingegen der Einrichtungsbetreiber den Anspruch auf den in der Vereinbarung festgelegte Pflegesatz behielte. Im umgekehrten Fall, in dem sich ein Einrichtungsbetreiber entschließe, nicht alle in seiner Einrichtung nach der Betriebserlaubnis verfügbaren Plätze der öffentlichen Jugendhilfe zur Verfügung zu stellen, wäre zu befürchten, dass die verbleibenden Betreuungsplätze an Selbstzahler vergeben werden könnten, was ebenfalls zu einer Reduzierung der Betreuungsdichte führen würde. Die Anzahl der in einer Jugendhilfeeinrichtung tatsächlich zur Verfügung stehenden Plätze berühre gleichermaßen die Betriebserlaubnis wie auch die Vereinbarung nach § 78b SGB VIII. Schließe der Einrichtungsbetreiber eine in Bezug auf die Platzzahl von der Betriebserlaubnis abweichende Leistungs- und Entgeltvereinbarung ab, so habe dies auch für die Betriebserlaubnis eine wesentliche Veränderung zur Folge. Insoweit stelle § 47 SGB VIII ausdrücklich klar, dass eine Änderung der Anzahl der in der Einrichtung vorhandenen Plätze unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen sei. Diese Pflicht diene gerade dem Zweck, dem Jugendamt die für die Jugendhilfeplanung notwendigen Informationen zugänglich zu machen. Aus denselben Gründen erweise sich die mit dem Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage als unbegründet.
35Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen zur Begründung ihrer mit Beschluss vom 6. März 2023 zugelassenen Berufung ihren erstinstanzlichen Vortrag. Vertiefend führt sie aus: Eine Bindung der Leistungs- und Entgeltvereinbarung an die Regelungen der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII lasse sich nicht aus der Vereinbarung nach § 78b SGB VIII ableiten, da sie keine synallagmatische Verpflichtung begründe und demzufolge auch nicht "erheblich gestört" werden könne. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, es könne zu einer Absenkung der vereinbarten Betreuungsdichte kommen, verfange nicht, weil dies einerseits einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Vereinbarung voraussetze und weil ein Verstoß gegen die Vereinbarung andererseits unabhängig davon möglich sei, ob der Klägerin der Betrieb der Wohngruppe ordnungsrechtlich mit maximal 7 oder 8 Plätzen erlaubt wäre. Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII müssten hinsichtlich der Platzzahl nicht der ordnungsrechtlichen Erlaubnis entsprechen, weil das Heimaufsichtsrecht aus §§ 45 ff. SGB VIII allein die Gewährleistung des Kindeswohls zum Gegenstand habe und nicht die Herbeiführung guter oder gar bestmöglicher Bedingungen. Durch die Pflicht eines Einrichtungsträgers, Veränderungen der Platzzahl unverzüglich anzuzeigen, erkenne der Gesetzgeber an, dass sich die Zahl der verfügbaren Plätze ändern könne. Die Verpflichtung wiederum, die Zahl der belegten Plätze jährlich einmal zu melden, entspringe keiner jugendhilfeplanerischen Motivation, sondern sei Teil des Gefahrenabwehrrechts.
36Die Klägerin beantragt,
37das angefochtene Urteil zu ändern und den Beschluss der Schiedsstelle C. vom 25. Juni 2018, Aktenzeichen 00, aufzuheben.
38Der Beklagte beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Er trägt vor, dass die Anzahl von 8 Plätzen nicht bloß eine ordnungsrechtlich erlaubte Zahl von Aufnahmeplätzen darstelle, sondern darüber hinaus auch Grundlage der Leistungs- und Entgeltvereinbarung zwischen den Beteiligten geworden sei. Aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Betriebserlaubnis und dem Inhalt der Vereinbarung sei eine Anpassung der Betriebserlaubnis vorzunehmen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe
43Nachdem die Klägerin das Berufungsverfahren auf ihren Hauptantrag beschränkt hat, das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Abweisung des Hilfsantrags somit rechtskräftig geworden ist, braucht der Senat nur noch über die begehrte Aufhebung des Schiedsspruchs zu entscheiden.
44Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
45Die Klage ist teilweise zulässig (I.) und - soweit sie zulässig ist - begründet (II.).
46I. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die Klägerin begehrt ausweislich ihres Antrags die Aufhebung des Beschlusses der Schiedsstelle vom 25. Juni 2018. Diese Entscheidung erfüllt die an einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X zu stellenden Anforderungen.
47Vgl. zu §§ 93 ff. BSHG in der Fassung vom 23. Juli 1996, in Kraft getreten am 1. Januar 1999: BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 5 C 17.97 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 28. Februar 2002 - 5 C 25.01 -, juris Rn. 10 ff., sowie OVG NRW, Urteil vom 26. April 2004 - 12 A 858/03 -, juris Rn. 30 ff.; vgl. zu § 78g SGB VIII: OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 22. September 2020 - 4 L 260/19 -, juris Rn. 31; Hess. VGH, Beschluss vom 22. September 2020 - 10 B 1978/20 -, juris Rn. 5; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78g Rn. 41; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78g Rn. 13 ff.; a. A. Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78g Rn. 17a; Gottlieb/Kepert/Dexheimer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Auflage 2022, § 78g Rn. 18; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, Sozialrecht, 69. Edition, Stand: 1. Juni 2023, § 78 SGB VIII, Rn. 30; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 78g Rn. 19; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 78g Rn. 10 ff.
48Die vorbezeichnete Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur der Schiedsstellenentscheidung kann ohne weiteres auf § 78g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII übertragen werden, da dieser nach dem Vorbild von §§ 93b Abs. 1 Satz 2, 94 BSHG in der Fassung vom 23. Juli 1996, in Kraft getreten am 1. Januar 1999 (im Folgenden: BSHG a. F.) eingeführt worden ist, zu dem die Rechtsprechung ergangen ist.
49Vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 18.
50Insbesondere weist der ablehnende Teil des Tenors zu 1. im Schiedsspruch die für einen Verwaltungsakt erforderliche Regelungswirkung auf. Denn mit dieser Entscheidung hat die Schiedsstelle die Änderung der Leistungs- und Entgeltvereinbarung unmittelbar verbindlich unterbunden.
51Anders verhält es sich demgegenüber mit dem weiteren Ausspruch in Ziffer 1. des Beschlusstenors, wonach die Klägerin keine Kalkulationsgrundlage wählen dürfe, bei der von einer gegenüber der erteilten Betriebserlaubnis reduzierten Platzzahl ausgegangen werde. Diesem Teil des Tenors kommt nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16.12 -, juris Rn. 10,
53keine eigenständige Regelungswirkung zu. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Schiedsstelle ihre Rechtsauffassung in den Tenor aufgenommen hat. Dies bedeutet jedoch nicht per se, dass es sich um eine Feststellung mit Regelungswirkung handelt. Vielmehr beinhaltet der Ausspruch ersichtlich nur die Kernbegründung für die Antragsablehnung und stellt somit lediglich einen unselbständigen Annex dar. Hierfür spricht insbesondere, dass die Schiedsstelle in ihrer Begründung den Streitgegenstand klar eingrenzt, wenn sie ausführt, "[d]ie Parteien streiten darüber, ob die Antragstellerin bei ihrer Kalkulation von sieben Plätzen ausgehen darf, obwohl die Betriebserlaubnis für die Einrichtung der Antragstellerin acht Plätze bei 4,5 Planstellen aufführt." Soweit die Schiedsstelle in ihrer Begründung auch abstrahierende Formulierungen verwendet, vermögen diese den zuvor ausdrücklich konkretisierten Fallbezug des "Gegenstands" nicht in Frage zu stellen. Darüber hinaus darf bei der Auslegung die der Schiedsstelle von Gesetzes wegen in § 78g Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 SGB VIII zugewiesene Aufgabe, "über die Gegenstände" zu entscheiden, "über die keine Einigung erreicht werden konnte", nicht aus den Augen verloren werden. Da vorliegend die Klägerin drei ganz konkrete Fragestellungen, die zwischen ihr und dem Beklagten umstritten waren, an die Schiedsstelle herangetragen hat (Möglichkeit des Abschlusses einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit geringerer Platzzahl als die Betriebserlaubnis, Höhe des Entgelts, Tag des Inkrafttretens der Vereinbarung), erscheint es bei objektiver Betrachtung fernliegend, dass die Schiedsstelle von sich aus darüber hinausgehend eine allgemeingültige Feststellung mit Dauerwirkung für das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten treffen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Schiedsstelle ausschließlich innerhalb ihrer Befugnisse zu handeln beabsichtigt. Hiervon sind offenbar auch die Beteiligten zunächst ausgegangen, da sie ursprünglich nicht angenommen haben, der zusätzliche Ausspruch in Ziffer 1. des Beschlusstenors entfalte eine eigenständige Regelungswirkung. Dies zeigt sich daran, dass sie diese Problematik bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils selbst im Zusammenhang mit der Frage einer möglichen Erledigung nicht thematisiert haben.
54Die Regelung in Ziffer 2. des Beschlusstenors wiederum greift unmittelbar in die Rechte der Klägerin ein, indem sie ihr die Kostentragung auferlegt, und hat daher Regelungscharakter.
55Mit Rücksicht darauf, dass dem Beklagten die Kompetenz fehlt, den Verwaltungsakt der Schiedsstelle zu ändern, scheidet eine Verpflichtungsklage auf Abänderung des Schiedsspruchs aus.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2002 - 5 C 25.01 -, juris Rn. 17.
57Der Klägerin ist jedoch aufgrund des Abschlusses der Leistungs- und Entgeltvereinbarung vom 29. Juni 2018 das Rechtsschutzbedürfnis für den Zeitraum ab Geltung dieser Vereinbarung, also ab dem 1. Juli 2018 abzusprechen. Ein solches ist zu verneinen, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zu einer Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers führen würde.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 5 B 1956/99 -, juris Rn. 2.
59Hinsichtlich des Beschlusstenors zu 1. zielt die Klage der Klägerin darauf ab, ihren bei der Schiedsstelle mit Schriftsatz vom 2. März 2018 gestellten Anträgen (Abschluss einer Leistungsvereinbarung, Vereinbarung eines Entgelts in Höhe von 146,16 Euro, Geltung ab Eingang des Schreibens bei der Schiedsstelle) zum Erfolg zu verhelfen. Insoweit hat die Schiedsstelle bei erfolgreicher Anfechtung ihrer Entscheidung erneut über die streitigen Gegenstände unter Beachtung der vom Gericht gerügten Aspekte und dessen Rechtsauffassung zu entscheiden.
60Vgl. Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78g Rn. 41.
61Dieses Begehren kann die Klägerin nur noch für den Zeitraum vom 5. März 2018 bis zum 30. Juni 2018 erreichen. Da § 78d Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 SGB VIII die Rückwirkung einer Vereinbarung vor der Schiedsstelle für die Zeit ab Eingang des Antrags bei der Schiedsstelle vorsieht, ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin bei erfolgreichem Abschluss des Verfahrens ihre gegenüber der alten Vereinbarung erhöhten Entgelte bereits ab dem 5. März 2018, an dem ihr Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist, verlangen kann. Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2018 handelt es sich jedoch um einen Fall des nutzlosen Rechtsschutzes,
62vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 4. Oktober 2017 - 12 ZB 17.1508 -, juris Rn. 24,
63weil die Klägerin am 29. Juni 2018 eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen hat, die exakt ihre mit Schreiben vom 2. März 2018 gestellten Anträge erfüllt und eine Laufzeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. März 2019 hat. Es brächte der Klägerin vor diesem Hintergrund keinen Mehrwert, wenn die Schiedsstelle über den gesamten ursprünglich beantragten Zeitraum ab Eingang des Antrags am 5. März 2018 bis zum 28. Februar 2019 entschiede.
64Schließlich erstreckt sich das Rechtsschutzbedürfnis auch auf die begehrte Aufhebung der im Tenor zu 2. des Beschlusses vom 25. Juni 2018 enthaltenen Kostenregelung.
65Mit seinen weiteren gegen das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses erhobenen Einwänden dringt der Beklagte nicht durch. Seine Argumentation, die von ihm verlangte Änderung der Betriebserlaubnis verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie der eigenen Konzeption entspreche, ist zirkulär, weil Kern der Auseinandersetzung gerade die Frage ist, ob der Beklagte den Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung gegen den Willen der Klägerin von einer Anpassung der Betriebserlaubnis abhängig machen durfte. Aus demselben Grund verfängt auch der weitere Vortrag des Beklagten nicht, die Klage habe aufschiebende Wirkung gehabt, weswegen die Klägerin nicht gehalten gewesen sei, die Betriebserlaubnis zu ändern.
66II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet. Der Schiedsspruch vom 25. Juni 2018 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Schiedsstellenentscheidung im tenorierten Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
671. Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Schiedsspruchs ist § 78g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Hiernach entscheidet die Schiedsstelle auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte, wenn eine Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII innerhalb von sechs Wochen nicht zustande kommt. Gemäß § 78b Abs. 1 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern eine Leistung ganz oder teilweise in einer Einrichtung erbracht wird, zur Übernahme des Entgelts gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Vereinbarungen über "1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote (Leistungsvereinbarung), 2. differenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebsnotwendigen Investitionen (Entgeltvereinbarung) und 3. Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwicklungsvereinbarung) abgeschlossen worden sind".
682. Die Entscheidung der Schiedsstelle begegnet keinen formellen Bedenken. Die Klägerin hat die Schiedsstelle erst nach Ablauf der in § 78g Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geregelten Sperrfrist von 6 Wochen angerufen. Die Schiedsstelle hat aufgrund mündlicher, nicht öffentlicher Verhandlung entschieden (vgl. § 78g Abs. 4 SGB VIII i. V. m. § 9 Abs. 1 SchV-SGB VIII) und ihre Entscheidung durch den Vorsitzenden schriftlich begründet (vgl. § 78g Abs. 4 SGB VIII i. V. m. § 11 Abs. 1 SchV-SGB VIII).
693. Der Schiedsspruch ist aber materiell-rechtlich zu beanstanden. Entgegen der Auffassung von Schiedsstelle und Verwaltungsgericht kommt der in der Betriebserlaubnis vom 4. Januar 2012 nach § 45 SGB VIII festgelegten Platzzahl in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt keine Bindungswirkung für den Inhalt der von der Klägerin vorgeschlagenen Leistungs- und Entgeltvereinbarung zu.
70Zwar unterliegt ein auf der Grundlage von § 78g Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ergangener Schiedsspruch nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Dies folgt aus dem Wesen und den Aufgaben der Schiedsstelle sowie aus der Eigenart ihrer Entscheidung. Die Aufgabe der Schiedsstelle besteht nach der Gesetzesbegründung zu § 94 BSHG a. F., dem § 78g SGB VIII - wie dargelegt - nachgebildet ist, darin, dass sie im Konfliktfall unter anderem über Leistungsinhalte, Leistungsstandards und Personalausstattung entscheidet. Ihre zentrale Funktion liegt in der Definition und Ausfüllung der Rechtsgrundsätze Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Beurteilung der Höhe und des Umfangs von strittigen Positionen.
71Vgl. BT-Drucks. 12/5510, S. 12; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 5 C 17.97 -, juris Rn. 14; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 22. September 2020 - 4 L 260/19 -, juris Rn. 38; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78g Rn. 34.
72Nicht nur diese Aufgabenstellung, sondern auch die Eigenart ihrer Entscheidungen als Schlichtungsmaßnahme eines weisungsfreien, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen besetzten Gremiums, gebieten es, der Schiedsstelle für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe eine Einschätzungsprärogative zu belassen.
73Vgl. zu §§ 93 ff. BSHG a. F.: BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 5 C 17.97 -, juris Rn. 14 ff.; zu § 78g SGB VIII: OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 22. September 2020 - 4 L 260/19 -, juris Rn. 38.
74Einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt daher nur, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt, alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen und die Abwägung frei von Einseitigkeit in einem den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden fairen und willkürfreien Verfahren, inhaltlich orientiert an den materiell-rechtlichen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts, vorgenommen hat.
75Vgl. zu §§ 93 ff. BSHG a. F.: BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 5 C 17.97 -, juris Rn. 20; zu § 78g SGB VIII: OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 22. September 2020 - 4 L 260/19 -, juris Rn. 39.
76Diesen Beurteilungsspielraum hat die Schiedsstelle in dem hier zu beurteilenden Einzelfall jedoch überschritten. Sie ist von den materiell-rechtlichen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts der §§ 78a ff. SGB VIII abgewichen, indem sie den Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin davon abhängig gemacht hat, dass diese zuvor die in der Betriebserlaubnis geregelte Platzzahl von "8" an die in der beabsichtigten Leistungs- und Entgeltvereinbarung vorgesehene Anzahl von 7 Betreuungsplätze angleicht.
77Zwar ist eine Betriebserlaubnis grundsätzliche Voraussetzung für den Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung (a). Auch entfaltet sie hinsichtlich der in ihr enthaltenen Mindeststandards eine Bindungswirkung für Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII (b). In Bezug auf über diese Standards hinausgehende Leistungs- und Entgeltvereinbarungen ist sie jedenfalls in der vorliegenden Konstellation jedoch ohne Bedeutung (c).
78a) Die Existenz einer Betriebserlaubnis ist zwingende Prämisse für Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII. Nur wer über eine Betriebserlaubnis verfügt, ist überhaupt "zur Erbringung der Leistung geeignet" im Sinne von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII.
79Vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 18; Banafsche, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 78b Rn. 39; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78b Rn. 46; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, Sozialrecht, 69. Edition, Stand: 1. Juni 2023, § 78b SGB VIII, Rn. 7; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 78b Rn. 15; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78b Rn. 21.
80Der örtliche Träger der Jugendhilfe darf den Abschluss einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung daher ablehnen, wenn dem Einrichtungsbetreiber eine Betriebserlaubnis bislang nicht erteilt worden ist.
81Dasselbe gilt, wenn die Abweichungen des tatsächlichen Betriebs von dem rechtlich erlaubten Betrieb unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Erlaubnispflicht nach § 45 SGB VIII (Gewährleistung des Kindeswohls) so gravierend sind, dass der geänderte Betrieb gegenüber dem erlaubten Betrieb als "Aliud" anzusehen ist, so dass sich die Frage der Erlaubnispflicht von neuem stellt.
82Vgl. zur Neubeantragung einer Betriebserlaubnis nach gravierenden Änderungen: OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 -, juris Rn. 69 f.; Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 45 Rn. 120; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 45 Rn. 61.
83Denn in diesem Fall deckt sich die Betriebserlaubnis ersichtlich nicht mit dem, wofür der Einrichtungsbetreiber eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung abschließen möchte.
84Gemessen hieran unterschied sich der von der Klägerin mit Leistungsangebot vom 9. Januar 2018 unterbreitete Betrieb nicht so wesentlich von der der Klägerin am 4. Januar 2012 erteilten Erlaubnis, dass diese gegenstandslos geworden wäre. Die Klägerin begehrte lediglich eine Reduzierung der Platzzahl von 8 auf 7 bei gleichbleibender Personalstärke. Diese geringfügige Verringerung der Betreuungsplätze unter Beibehaltung der Vollzeitstellen beinhaltete ersichtlich keine Änderung im erlaubnisrelevanten Prüfbereich,
85vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 -, juris Rn. 70,
86und stellte mithin kein "Aliud" dar, zumal sich die Betreuungsdichte hierdurch verbesserte. Über die Erlaubnispflicht war mithin nicht erneut zu entscheiden, so dass der Beklagte die Klägerin nicht auf die Erlaubnisbehörde verweisen durfte.
87b) Die Betriebserlaubnis entfaltet hinsichtlich der in ihr enthaltenen Mindeststandards eine Bindungswirkung für Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII.
88§ 45 SGB VIII unterwirft den Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche betreut werden oder Unterkunft erhalten, einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.
89Der Erlaubnisvorbehalt dient in erster Linie der vorbeugenden Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl.
90Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 -, juris Rn. 66 f.; Möller, in: Praxiskommentar SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2017, § 45 Rn. 1; Gerstein, in: Wabnitz/Fieseler/Schleicher/Busch, Kinder- und Jugendhilferecht, 87. Ergänzungslieferung, Stand: 22. Dezember 2021, § 45 Rn. 1.
91Im Hinblick auf die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit berücksichtigt § 45 SGB VIII aber auch die Wahrung der Rechte der Einrichtungsträger. Der Gesetzgeber hat daher die Versagung der Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf den Fall beschränkt, dass das Kindeswohl in der Einrichtung nicht gewährleistet ist.
92Vgl. BT-Drucks. 11/5948, S. 84 zum Entwurf des KJGH; BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1.16 -, juris Rn. 17; Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 33, vom 2. Februar 2017 - 12 CE 17.71 -, juris Rn. 33 ff., und vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 33, 41; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 45 Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 45 Rn. 32.
93Angesichts dieses Spannungsverhältnisses zwischen dem Kindeswohl auf der einen Seite und der geschützten - und durch die gemäß § 45 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII vorzulegende Konzeption konkretisierten - Organisationshoheit des Einrichtungsträgers auf der anderen Seite stellen die inhaltlichen Festlegungen in der Betriebserlaubnis lediglich Mindeststandards dar.
94Vgl. BT-Drucks. 17/6256, S. 23; BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1/16 -, juris Rn. 17; Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 33, und vom 2. Februar 2017 - 12 CE 17.71 -, juris Rn. 33 ff.; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 45 Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 45 Rn. 32 f.
95Hieraus folgt zum einen, dass § 45 SGB VIII der Erlaubnisbehörde keine Handhabe gibt, ein über die Mindestanforderungen hinausreichendes Betreuungsniveau verbindlich vorzugeben, da eine Kindeswohlgefährdung in diesem Fall nicht zu besorgen ist. Es ist nicht Aufgabe des Staates, optimale Bedingungen der Betreuung zu gewährleisten. Vielmehr würden derartige Festlegungen die Berufsfreiheit des Einrichtungsträgers verletzen.
96Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1.16 -, juris Rn. 17; Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 34, vom 2. Februar 2017 - 12 CE 17.71 -, juris Rn. 33 ff., und vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 33, 41; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 45 Rn. 20; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78c Rn. 30.
97Zum anderen bedeutet dies jedoch auch, dass die in der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII festgelegten Mindeststandards nicht im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII unterschritten werden dürfen. Denn dies würde eine Verletzung des Kindeswohls nach sich ziehen.
98Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 34; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78b Rn. 27 f.
99Die Betriebserlaubnis entfaltet mithin beim Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII hinsichtlich der in ihr geregelten Mindeststandards eine Bindungswirkung. Sie sind zwingende Vorgaben für die Verhandlungspartner und stehen nicht zu ihrer Disposition.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1.16 -, juris Rn. 23; Bay. VGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2012 - 12 B 12.1048 -, juris Rn. 32, und vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 35; Hamb. OVG, Beschluss vom 8. August 2013 - 2 Bf 108/11 -, juris Rn. 38; Schl.-H. OVG, Urteil vom 19. Mai 2022 - 3 KN 5/17 -, juris Rn. 157; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78b Rn. 27; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 78b Rn. 14; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78c Rn. 29; vgl. zur Bindung ordnungsrechtlicher Vorgaben für den darauf bezogenen Kostenansatz nach § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG a. F.: BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1998 - 5 B 26.98 -, juris Rn. 5.
101In der der Klägerin erteilten Betriebserlaubnis vom 4. Januar 2012 gehörten zu diesen Mindeststandards die dort mit "8" festgelegte Anzahl der Betreuungsplätze, die mit "4,5" angegebenen Vollzeitstellen sowie die mit "1:1,77" geregelte Betreuungsdichte, da die Behörde aufgrund des in § 45 Abs. 2 SGB VIII enthaltenen Prüfungsprogramms, zu dem insbesondere die räumlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb der Wohngruppe gehören, offenbar zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine darüber hinausgehende Platzzahl bzw. eine Unterschreitung der dort geregelten Vollzeitstellen das Kindeswohl gefährden würde.
102Vgl. zur Festlegung von Platzzahl und Personal in einer Betriebserlaubnis als Mindeststandard: Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 46; vgl. allgemein zur Festlegung der Platzzahl in einer Betriebserlaubnis: Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 45 Rn. 98; Smessaert/Struck, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 45 Rn. 28.
103Für den Abschluss der Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII zwischen den Beteiligten bedeutete dies, dass sie keinesfalls diese Mindeststandards unterschreiten durften, beispielsweise durch Vereinbarungen, wonach es der Klägerin gestattet wäre, in ihrer Einrichtung entweder mehr als 8 Kinder aufzunehmen oder weniger als 4,5 Vollzeitkräfte zu beschäftigen oder die Betreuungsdichte von 1:1,77 zu unterschreiten.
104c) Eine über diese Mindeststandards hinausgehende Bindungswirkung kommt der streitgegenständlichen Betriebserlaubnis vom 4. Januar 2012 für den Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem Beklagten nicht zu.
105aa) Dies lässt sich weder dem Wortlaut von § 45 SGB VIII noch demjenigen der §§ 78b, 78c SGB VIII entnehmen.
106Dabei verkennt der Senat nicht, dass - wie der Beklagte vorträgt - im Rahmen des Abschlusses einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung Kriterien eine Rolle spielen, die auch bei der Erteilung der Betriebserlaubnis von Bedeutung sind. Sind im Rahmen von § 45 Abs. 2 SGB VIII die "Zuverlässigkeit" des Trägers, die "räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen" relevant, muss die Leistungsvereinbarung nach § 78c Abs. 1 SGB VIII die "sächliche und personelle Ausstattung" festlegen, die Leistungsangebote müssen "geeignet sowie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" sein. Überdies kommt der Platzzahl sowohl im Heimaufsichtsrecht, wo sie ein Kriterium für die Frage der räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Ausstattung der Einrichtung ist (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII),
107vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 45 Rn. 28,
108als auch - entgegen der Annahme der Klägerin - im Entgeltvereinbarungsrecht bei der Festlegung der erforderlichen sächlichen und personellen Ausstattung (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII),
109vgl. Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, Sozialrecht, 69. Edition, Stand: 1. Juni 2023, § 78c SGB VIII, Rn. 7; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78c Rn. 13; Gottlieb/Kepert/Dexheimer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Auflage 2022, § 78c Rn. 5,
110eine Bedeutung zu. Allein diese Zusammenhänge lassen jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass die Betriebserlaubnis vorliegend eine über die Mindeststandards hinausgehende Ausstrahlungswirkung auf die Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII hätte. Vielmehr zeigen gerade die übrigen, sich unterscheidenden Tatbestandsmerkmale der §§ 45 Abs. 2, 78c Abs. 1 SGB VIII, dass die Leistungs- und Entgeltvereinbarung anderen bzw. weitergehenden Kriterien als die Betriebserlaubnis unterliegt.
111Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 43.
112Die grundsätzliche Trennung zwischen beiden Regelungsbereichen verdeutlichen zudem die Rechtsstellung der handelnden Parteien zueinander und der unterschiedliche Prüfungsmaßstab. Während der Erteilung der Betriebserlaubnis ein Subordinationsverhältnis zugrunde liegt und Maßstab für die Erteilung der Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die Gewährleistung des Kindeswohls in der Einrichtung bildet,
113vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1.16 -, juris Rn. 23; Bay. VGH, Beschluss vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 33,
114begegnen sich Einrichtungsträger und Behörde beim Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII als gleichberechtigte Partner, um über pädagogische und ggf. therapeutische Standards unter Beachtung der Grundsätze der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - abgesehen von den Mindeststandards - ergebnisoffen zu verhandeln.
115Vgl. OLG München, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 32 U 2067/19 -, juris Rn. 94; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78a Rn. 5; Wiesner, ZKJ 2017, S. 481.
116bb) Dass die Betriebserlaubnis vorliegend eine über die Mindeststandards hinausgehende Ausstrahlungswirkung auf die Leistungs- und Entgeltvereinbarung hätte, folgt auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber führt zur Begründung von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII lediglich aus, dass "wesentliches Kriterium für die Eignung" des Einrichtungsträgers "die Erteilung der Betriebserlaubnis" sei.
117Vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 18.
118Da die Betriebserlaubnis - wie dargelegt - nach seiner eigenen Vorstellung neben der Sicherstellung des Kindeswohls auch der Wahrung der Rechte der Einrichtungsträger dienen soll,
119vgl. BT-Drucks. 11/5948, S. 84,
120ging er ersichtlich selbst davon aus, dass die Betriebserlaubnis lediglich die Mindestvoraussetzungen von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII vorgibt und dass sie daher Grundvoraussetzung für den Abschluss dieser Vereinbarungen ist.
121Vgl. Banafsche, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 78b Rn. 39; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78b Rn. 46; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, Sozialrecht, 69. Edition, Stand: 1. Juni 2023, § 78b SGB VIII, Rn. 7.
122cc) Der Gesetzessystematik lässt sich ebenfalls keine über die Mindeststandards hinausgehende Bindungswirkung der Betriebserlaubnis vom 4. Januar 2012 für die von der Klägerin konkret vorgeschlagene Leistungs- und Entgeltvereinbarung entnehmen.
123Dies zeigt sich schon daran, dass Heimaufsichts- und Entgeltvereinbarungsrecht in zwei unterschiedlichen Kapiteln des Sozialgesetzbuchs - Achtes Buch geregelt sind.
124Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt auch § 47 SGB VIII hier kein gesetzessystematisches Bindeglied zwischen Betriebserlaubnis sowie Leistungs- und Entgeltvereinbarung dar. Nach dieser Vorschrift hat ein Einrichtungsträger der zuständigen Behörde bei Betriebsaufnahme die Zahl der verfügbaren Plätze anzuzeigen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII) und zudem einmal jährlich die Zahl der belegten Plätze zu melden (§ 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Hieraus folgt jedoch nicht, dass die begehrte Änderung der Platzzahl in der Leistungs- und Entgeltvereinbarung von 8 auf 7 über die Regelung des § 47 SGB VIII in der Weise auf die der Klägerin erteilten Betriebserlaubnis durchschlägt, dass sie hinsichtlich der Anzahl der Betreuungsplätze an die Leistungs- und Entgeltvereinbarung angepasst werden müsste.
125Hierfür sprechen schon die verschiedenen Kompetenzbereiche von Erlaubnisbehörde und dem örtlichen Träger der Jugendhilfe. Sachlich zuständig für die Erteilung und Überwachung der Betriebserlaubnis ist gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII der überörtliche Träger der Jugendhilfe, in Nordrhein-Westfalen gemäß §§ 8, 15 AG-KJHG die Landesjugendämter der Landschaftsverbände. Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII sind demgegenüber nach § 78e Abs. 1 SGB VIII, der neben der örtlichen auch die sachliche Zuständigkeit regelt,
126vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 43; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78e Rn. 2,
127vom örtlichen Träger der Jugendhilfe abzuschließen, bei denen es sich in Nordrhein-Westfalen gemäß § 1a Abs. 1, Abs. 2 AG-KJHG um die Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte handelt. Weder ist die Erteilung der Betriebserlaubnis von einer Zustimmung des Jugendamts abhängig,
128vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 42 f.,
129noch verlangt der Abschluss einer Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII eine vorherige Abstimmung mit dem Landesjugendamt, auch wenn es in der Praxis im Vorfeld von Erlaubnisverfahren oder Vertragsabschlüssen zu derartigen Dialogen kommt und diese auch sinnvoll erscheinen mögen.
130Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 41.
131Die dargelegte Kompetenzverteilung zeigt, dass es sich bei Heimaufsichts- und Entgeltvereinbarungsrecht um zwei grundsätzlich getrennte Regelungsbereiche handelt.
132Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 35, und vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 43.
133Ferner gilt es zu bedenken, dass die Anzahl der Betreuungsplätze in der Betriebserlaubnis - wie dargelegt - nur eine Mindestvorgabe ist. Die Meldepflichten nach § 47 SGB VIII dienen dazu, der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit zu verschaffen, auch nach Erteilung der Betriebserlaubnis die Einhaltung der in der Betriebserlaubnis festgelegten Mindeststandards zu überwachen.
134Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 -, juris Rn. 73; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 47 Rn. 1; Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 47 Rn. 1.
135Werden diese unterschritten, z. B. weil der Einrichtungsbetreiber mehr Kinder bzw. Jugendliche aufnimmt als er nach der Betriebserlaubnis darf oder weil er weniger Personal als in der Betriebserlaubnis vorgesehen beschäftigt, kann die Erlaubnisbehörde ordnungsrechtliche Maßnahmen nach §§ 45 Abs. 6, Abs. 7, 48 SGB VIII oder § 21 Abs. 4 AG-KJHG ergreifen, weil in diesem Fall eine Gefährdung des Kindeswohls zur Debatte steht. Einigen sich Einrichtungsbetreiber und örtlicher Träger der Jugendhilfe aber - wie hier - auf Standards, die über die in der Betriebserlaubnis vorgesehenen Mindeststandards hinausgehen, indem die Anzahl der Betreuungsplätze von 8 auf 7 reduziert wird, tangiert dies die allein am Kindeswohl ausgerichtete Eingriffsbefugnis der Erlaubnisbehörde nicht. Denn höhere Standards führen in diesem Fall zu einer Verbesserung der Situation für Kinder und Jugendliche.
136Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 35.
137Steht es der Erlaubnisbehörde nach alledem nicht zu, jenseits kindeswohlwahrender Mindeststandards auf den Einrichtungsträger einzuwirken, kann erst recht nicht der örtliche Träger der Jugendhilfe vom Einrichtungsbetreiber verlangen, bei der Erlaubnisbehörde eine neue Betriebserlaubnis für über das Kindeswohl hinausgehende Mindeststandards zu beantragen.
138Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 38.
139Anderenfalls könnte das Entgeltvereinbarungsrecht der §§ 78a ff. SGB VIII vom Beklagten als Mittel zur Durchsetzung eigener Vorstellungen von Kindeswohlbelangen in der Betriebserlaubnis eingesetzt werden.
140Die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichts, die in § 47 SGB VIII statuierten Meldepflichten dienten dem Zweck, dem zuständigen Jugendamt die für die Jugendhilfeplanung notwendigen Informationen zugänglich zu machen, und der Erfüllung dieses Zwecks würde es nicht entsprechen, wenn eine Betriebserlaubnis mehr Plätze ausweise als der Einrichtungsbetreiber nach der Leistungs- und Entgeltvereinbarung tatsächlich belegen dürfe, verfängt ebenfalls nicht.
141Dies gilt schon deshalb, weil die zu meldenden Umstände nicht etwa den nach §§ 79, 80, 85 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 1a Abs. 1, Abs. 2 AG-KJHG für die Jugendhilfeplanung zuständigen Jugendämtern, sondern gemäß §§ 47 Abs. 1, 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII i. V. m. §§ 8, 15 AG-KJHG den Landesjugendämtern mitzuteilen sind, die Informationen mithin die für die Jugendhilfeplanung zuständige Behörde jedenfalls nicht unmittelbar erreichen. Vielmehr liegen den für die Jugendhilfeplanung zuständigen Jugendämtern die Informationen über die Anzahl verfügbarer Betreuungsplätze schon deshalb vor, weil sie selbst gemäß § 78e SGB VIII i. V. m. § 1a Abs. 1, Abs. 2 AG-KJHG die Leistungs- und Entgeltvereinbarungen mit den Einrichtungsbetreibern abschließen, in denen die Platzzahl festgehalten ist. Sie haben daher ohnehin Kenntnis von der Anzahl der Betreuungsplätze der in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich liegenden Einrichtungen.
142Sollte die Pflicht zur jährlichen Meldung der Platzzahl - wie Schiedsstelle und Verwaltungsgericht annehmen - demgegenüber tatsächlich neben dem Zweck, eine nachträgliche Kontrolltätigkeit der Erlaubnisbehörde zu ermöglichen,
143vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 - 12 A 4697/06 -, juris Rn. 73,
144(auch) der Jugendhilfeplanung dienen,
145vgl. Wiesner, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 47 Rn. 10,
146wäre dem Zweck bereits durch die Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII Genüge getan. Hiernach sind die Einrichtungsbetreiber ohnehin verpflichtet, Änderungen bei der Zahl der verfügbaren Plätze der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Nennung der Platzzahl in der Betriebserlaubnis eine - wie von der Schiedsstelle angenommen - "zentrale Planungsgröße" sein sollte, deren Aussagekraft im Fall etwaiger (und wohl überhaupt nur ausnahmsweise relevant werdender) Abweichungen von der Zahl der tatsächlich vorgehaltenen Plätze beeinträchtigt wäre.
147dd) Eine über die in der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII festgelegten Mindeststandards hinausgehende Bindungswirkung für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII ergibt sich in dem hier zu beurteilenden Einzelfall schließlich nicht aus dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften.
148Während § 45 SGB VIII auf die Abwehr von Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen abzielt,
149vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1/16 -, juris Rn. 23; Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 41; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. Juli 2017 - 12 S 102/15 -, juris Rn. 40; Schl.-H. OVG, Urteil vom 19. Mai 2022 - 3 KN 5/17 -, juris Rn. 157; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78c Rn. 29,
150und damit einen allein am Kindeswohl ausgerichteten ordnungsbehördlichen Charakter hat,
151vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 2017 - 5 C 1/16 -, juris Rn. 23; Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 45 Rn. 3,
152soll durch das Entgeltvereinbarungsrecht der §§ 78a ff. SGB VIII eine transparente und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel sichergestellt werden, indem anstelle einseitiger Festlegungen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe einzelne Inhalte auf Augenhöhe verhandelt und im Rahmen einer vertraglichen Einigung besiegelt werden.
153Vgl. OLG München, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 32 U 2067/19 -, juris Rn. 94; Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK, SGB VIII, Stand: 1. Juli 2023, § 78a Rn. 5.
154Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielrichtungen ist einer über die Mindeststandards hinausgehenden Ausstrahlungswirkung der streitgegenständlichen Betriebserlaubnis eine Absage zu erteilen. Für den Schutz des Kindeswohls braucht es keine die Mindeststandards der Betriebserlaubnis übersteigenden Vertragsklauseln in der Leistungs- und Entgeltvereinbarung. Umgekehrt liefe es dem Konsensprinzip zuwider, wenn der Beklagte der Klägerin nicht mehr als gleichberechtigter Partner gegenüberträte, sondern eine Anpassung der Betriebserlaubnis hinsichtlich der Platzzahl von 8 auf 7 zu einer konstitutiven Voraussetzung für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII machen und sich dadurch zum Hüter der Betriebserlaubnis aufschwingen könnte, obwohl diese Kompetenz der Erlaubnisbehörde zusteht.
155Zu keinem anderen Ergebnis führt - jedenfalls vorliegend - die Regelung in § 78c Abs. 1 Satz 3 SGB VIII. Hiernach unterliegt das im Rahmen einer Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII zu erbringende Entgelt u. a. dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung. Es kann bei dem hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt dahinstehen, ob nach diesem Grundsatz eine Konzeption, die über Mindeststandards hinausgeht, im Zuge des Abschlusses von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen jedenfalls rechtfertigungsbedürftig ist,
156vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. August 2016 - 12 CE 16.1172 -, juris Rn. 35, und vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 -, juris Rn. 46; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 78c Rn. 31,
157oder ob die Vorgaben der Betriebserlaubnis gerade nicht den Maßstab für die Qualität des Leistungsangebots bilden, definieren oder beeinflussen, weil hierdurch der für eine vertragliche Regelung notwendige Verhandlungsspielraum von vornherein ausgeschlossen und damit die Intention des Gesetzgebers, über ergebnisoffene Verhandlungen eine Einigung zu erzielen, missachtet würde.
158Vgl. Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Auflage 2022, § 78b Rn. 27a.
159Denn selbst nach der strengeren ersten Ansicht war das über die in der Betriebserlaubnis geregelten Mindeststandards hinausgehende Leistungsangebot der Klägerin für den Beklagten nicht etwa begründungsbedürftig, sondern - im Gegenteil - der Beklagte war hiermit ohne Umschweife einverstanden. So hat eine Mitarbeiterin des Beklagten bereits in einer E-Mail vom 22. Februar 2018 festgehalten, dass sie "mit der Höhe der veranschlagten Tagessätze kein Problem" habe. Es gehe ihr "nur um diese Formalie" mit der Betriebserlaubnis. Gegenüber der Schiedsstelle hat der Beklagte bekräftigt, dass "die abweichende Platzzahl der einzige strittige Punkt" sei, im Übrigen werde das "neu kalkulierte Entgelt als wirtschaftlich" erachtet. Damit waren selbst aus der Sicht des Beklagten die aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit folgenden Anforderungen an die Leistungserbringung nach § 78c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII offensichtlich erfüllt. Dass die Erlaubnisbehörde nach dem Schiedsspruch auf Antrag der Klägerin die Betriebserlaubnis geändert und die Platzzahl auf 7 reduziert hat, ist vorliegend wegen des für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkts der letzten behördlichen Entscheidung ohne Bedeutung.
160Dem Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass die Kalkulation auf einer fehlerhaften Grundlage beruhe, nur weil die Betriebserlaubnis eine höhere Anzahl an Betreuungsplätzen ausweise als die Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII. Die Kalkulation basiert nämlich auf der in der Leistungsvereinbarung nach §§ 78b Abs. 1 Nr. 1, 78c Abs. 1 SGB VIII ausgehandelten Platzzahl und entspricht damit den tatsächlichen Verhältnissen. Selbst dann, wenn der Einrichtungsbetreiber die maximal erlaubte Anzahl an Betreuungsplätzen (vorliegend 8) ausschöpfte, obwohl die Leistungs- und Entgeltvereinbarung eine geringere Zahl vorsieht (vorliegend 7), generierte der Einrichtungsbetreiber aus der Leistungs- und Entgeltvereinbarung keine Mehreinnahmen, weil es bei der auf 7 Plätze ausgerichteten Kalkulation verbliebe.
161Wohl aber könnte es bei einer über die in der Leistungs- und Entgeltvereinbarung geregelte Platzzahl hinausgehenden Auslastung zu einer Unterschreitung der ausgehandelten Betreuungsdichte kommen. Derartigen Störungen im Verhältnis zwischen Einrichtungsbetreiber und örtlichem Träger der Jugendhilfe ist jedoch nicht dadurch zu begegnen, dass der Jugendhilfeträger eine Anpassung der Betriebserlaubnis einfordern dürfte. Hierdurch würde der Betriebserlaubnis letztlich eine vertragsschützende Wirkung für das Entgeltvereinbarungsrecht der §§ 78a ff. SGB VIII eingeräumt. Dies überzeugt schon deswegen nicht, weil sich Erlaubnisbehörde und Einrichtungsbetreiber beim Abschluss von Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach dem dargelegten Schutzzweck der Regelungen als gleichrangige Vertragspartner gegenüberstehen. Aus diesem Grund geben die §§ 78a ff. SGB VIII dem örtlichen Träger der Jugendhilfe gerade keine behördlichen Eingriffsbefugnisse an die Hand. Vielmehr könnte in diesen Fällen - der strikten Trennung von Heimaufsichts- und Entgeltvereinbarungsrecht konsequent folgend - eine Lösung nur über das zwischen den Parteien der Leistungs- und Entgeltvereinbarung bestehende Vertragsverhältnis herbeigeführt werden, welches durch eine vereinbarungswidrige Überbelegung gestört würde.
162Vgl. OLG München, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 32 U 2067/19 -, juris Rn. 85, 96; Bay. VGH, Beschluss vom 21. April 2017 - 12 ZB 17.1 -, juris Rn. 2; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 78d Rn. 7.
163Dessen ungeachtet erscheint die vom Verwaltungsgericht angesprochene Befürchtung, es könnten "die verbleibenden Betreuungsplätze an Selbstzahler vergeben werden […], was ebenfalls zu einer Reduzierung der Betreuungsdichte führen würde", von vornherein theoretisch, weil "Selbstzahler" im Bereich der stationären Unterbringung nach § 34 SGB VIII faktisch keine Rolle spielen, wie die Klägerin zutreffend einwendet.
1644. Die fehlerhafte Annahme, dass es nicht möglich sei, eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung abzuschließen, die eine um einen Platz geringere Anzahl an Betreuungsplätzen vorsieht als die Betriebserlaubnis, missachtet die dargelegten materiell-rechtlichen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts und führt zur Rechtswidrigkeit des ablehnenden Teils des Schiedsspruchs im tenorierten Umfang. Infolgedessen ist auch Ziffer 2. des Beschlusstenors aufzuheben.
165III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
166Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.