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Bericht des Europarats: Soziale Menschenrechte in Deutschland nur unzureichend verwirklicht

Der Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats ist eine wichtige Grundlage für die Politik, soziale Ungleichheit in Deutschland zu vermindern. © iStock.com/libre de droit

· Pressemitteilung

Berlin. Das Deutsche Institut für Menschenrechte erklärt anlässlich des heute veröffentlichten Länderberichts der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović:

„Der Länderbericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, verdeutlicht: Soziale Rechte werden in Deutschland oft nicht als Grund- und Menschenrechte angesehen, die der Staat verwirklichen muss. Das betrifft unter anderem das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Recht auf Bildung oder das Recht auf Wohnen. Hier besteht noch sehr viel Handlungsbedarf. Der Bericht der Menschenrechtskommissarin ist eine wichtige Grundlage für die Politik, soziale Ungleichheit in Deutschland zu vermindern.

Die Menschenrechtskommissarin zeigt sich in ihrem Bericht sehr besorgt über die hohe Zahl der Menschen in Deutschland, die in Armut leben und von sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Diese Zahl stünde in keinem Verhältnis zum Wohlstand des Landes. Sie kritisiert die anhaltenden Narrative im politischen Diskurs sowie in den Medien, die Menschen in Armut eigenes Versagen und Trägheit als Ursache ihrer Situation vorwerfen. Sie macht unmissverständlich deutlich: strukturelle und generationsübergreifende Benachteiligung und Ausgrenzung verhindern den effektiven Zugang zu sozialen Rechten. Konkret fordert sie Deutschland auf, die Höhe der Sozialleistungen an das aktuelle Preisniveau und die tatsächlichen Bedarfe anzupassen; die Antragsverfahren müssten vereinfacht und Antragsberechtigte umfassender informiert werden. Sie zeigt sich insbesondere alarmiert ob der großen Zahl an Kindern in Deutschland, die in Armut leben.

Die Menschenrechtskommissarin zeigt sich zudem besorgt über die hohe Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland, vor allem über die hohe Zahl der Familien und jungen Menschen. Sie fordert die Bundesregierung dazu auf, den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit zügig zu verabschieden. Mijatović ruft Deutschland außerdem nachdrücklich dazu auf, dringend mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, auch mit Eingriffen in den Wohnungsmarkt.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die Menschenrechtskommissarin auch bei der Verwirklichung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Das Kindeswohl stünde bei Behörden und öffentlichen Einrichtungen oftmals nicht im Fokus, eine Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz stehe weiterhin aus, nur wenige Bundesländer hätten das Amt einer*eines Kinderbeauftragten eingerichtet und es fehle weiterhin an einer entsprechenden Stelle auf Bundesebene. Die Menschenrechtskommissarin zeigt sich zudem besorgt über fehlende effektive Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten.

Bezüglich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen sieht die Menschenrechtskommissarin nur sehr begrenzte Fortschritte. Ein unabhängiges Leben in der Gemeinschaft sei für viele Menschen mit Behinderungen weit entfernt. Sie müssten nach wie vor in Sonderstrukturen lernen, arbeiten und leben – sei dies in Sonderschulen, Werkstätten oder Wohnreinrichtungen.“

Dunja Mijatović fasst in ihrem Bericht über Deutschland (country visit report) die Ergebnisse ihres Länderbesuchs Ende 2023 und ihrer Gespräche mit staatlichen Akteuren, Zivilgesellschaft und Betroffenen zusammen. Im Mittelpunkt des knapp 30-seitigen Berichts stehen die Rechte von Kindern und von Menschen mit Behinderungen, der Diskriminierungsschutz sowie die thematischen Schwerpunkte Armut und Wohnen. Mijatović spricht Lob und Kritik aus und formuliert Empfehlungen an die Politik.

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