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Nach dem Brexit: Deutsche Gerichte wittern Milliardengeschäft - und wollen bald auf Englisch verhandeln
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Urteil
dpa/Volker Hartmann Eine Schülerin aus Waltrop hatte das Foto eines Berufsfotografen ohne Angaben zum Urheber ins Netz gestellt. Das ist verboten, urteilte der Europäische Gerichtshof.

Wenn Richter im Gerichtssaal sitzen, sprechen sie oft in unverständlichem Juristendeutsch, hin und wieder werfen sie lateinische Formeln ein. Dass ein deutscher Richter einen Prozess auf Englisch führt, ist äußerst selten. Bald könnte das aber öfter passieren, zumindest in Frankfurt am Main. Grund ist der Brexit.

Bislang ist London sehr beliebt bei internationalen Firmen, die dort ihre Rechtsstreitigkeiten austragen. Ein Milliardengeschäft, an dem tausende Anwälte gut mitverdienen. Doch das alles ist in Gefahr, wenn Großbritannien die EU nächstes Jahr verlässt und Urteile der dortigen Justiz nicht mehr automatisch im Rest des Kontinents gelten.

Kontinentaleuropäische Gerichte wittern ihre Chance, den britischen Kollegen millionenschwere Verfahren abzuluchsen. Amsterdam, Paris, Brüssel und Dublin – sie alle rüsten auf, der globalen Streitindustrie ein neues Zuhause zu bieten. Auch Deutschland will sein Kuchenstück, und welcher Standort würde sich da besser anbieten als Frankfurt mit seinen Banken, Kanzleien und effizienten Prozessen?

Verhandlungen auf Englisch statt Deutsch

Zumindest finden das renommierte Anwälte, Richter und Rechtsforscher, die das hessische Justizministerium zu einem Diskussionsabend eingeladen hat. Ulrike Willoughby, Vorsitzende der neu gegründeten Kammer für internationales Handelsrecht, präsentiert, was sich das hiesige Landgericht ausgedacht hat. Die simple Grundidee: Mündliche Verhandlungen werden statt auf Deutsch auf Englisch geführt, der führenden Vertragssprache. Es gelten aber weiterhin deutsche Gesetze.

Das Landgericht könnte so auch Fälle anziehen, die mit Frankfurt nichts zu tun haben. Vielleicht könnte dadurch sogar der Trend gestoppt werden, dass immer weniger Wirtschaftsstreitigkeiten vor Gericht landen, ist eine Hoffnung in der Justiz. Die Kammer habe bereits ihren ersten Fall an Land gezogen, berichtet Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU).

Zweifel bleiben noch

Die versammelten Anwälte sind noch skeptisch. „Was ist mit den Schriftsätzen?", fragt einer. „Was ist, wenn ich in Berufung gehe?" Beides gehe nach wie vor nur auf Deutsch, antwortet Willoughby. Die Verhandlung auf Englisch sei nur ein erster Schritt, die deutsche Zivilprozessordnung an die Bedürfnisse internationaler Kläger anzupassen. Aber sie sei kreativ und mit den Prozessparteien ließen sich Lösungen für alle Probleme finden.

Einigen Anwälten reicht das Versprechen nicht. Sie wollen, dass die Politik die deutschen Gesetze und Gerichte generell nach internationalen Standards ausrichtet. „Wir müssen unser Recht besser verkaufen", fordert einer. Sonst landeten große lukrative Fälle woanders. „Es geht hier um das Überleben des deutschen Wirtschaftsrechts."

Andere Länder sind deutlich weiter

Tatsächlich gehen andere Länder in ihren Bemühungen deutlich weiter. In Amsterdam soll noch dieses Jahr ein spezieller Handelsgerichtshof seine Arbeit aufnehmen, an dem die Parteien papierlos und komplett auf Englisch prozessieren können. In Brüssel soll 2019 ein Hybrid aus Handels- und Schiedsgericht starten, das flexibler und schneller entscheiden soll als reguläre Gerichte – ebenfalls auf Englisch.

Das weckt Ängste vor einer Zwei-Klassen-Justiz, in der sich Großunternehmen ihr Recht im Schnellverfahren holen, während kleine Handwerker und Verbraucher teils über ein Jahr auf eine Entscheidung warten. Manche Anwälte fordern gar, das System auf alle Wirtschaftsstreitigkeiten auszuweiten, nicht nur solche mit internationalem Bezug.

Gesetzesentwurf liegt vor

Der Berliner Rechtsforscher Gerhard Wagner würde das begrüßen: „Von der besseren Ausstattung der Internationalen Handelskammer kann auch der Rest des Gerichts profitieren." Er ruft zur Eile, damit Deutschland nicht den Anschluss verliert im internationalen Rechtsgeschäft.

Tatsächlich liegt dem Bundestag seit April ein Gesetzentwurf der Bundesländer vor, durch den auch Urteile in englischer Sprache möglich werden sollen. Vor einer Bevorzugung solcher Verfahren warnen aber die Justizminister mit Verweis auf Empfindlichkeiten in der Bevölkerung: „Wenn wir anfangen, über eine Zwei-Klassen-Justiz zu diskutieren, können wir das Vorhaben gleich begraben", sagt Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

So wird das Frankfurter Experiment wohl erstmal eine Ausnahme bleiben. Ihren ersten Fall hat die Kammer übrigens gleich wieder verloren. Die Beklagten wollen lieber auf Deutsch verhandeln.

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til/afp
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