Zum Inhalt springen

Forschungsarbeit zum 100. Geburtstag Zweifel an möglicher US-Agententätigkeit von Franz Josef Strauß

Hat Franz Josef Strauß dem US-Militärgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg geheime Unterlagen überreicht? An einem entsprechenden Bericht gibt es nach SPIEGEL-Erkenntnissen erhebliche Zweifel.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß überreicht am 22.07.1960 dem Inspekteur der Bundesluftwaffe ein Geschenk

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß überreicht am 22.07.1960 dem Inspekteur der Bundesluftwaffe ein Geschenk

Foto: Kurt Rohwedder/ dpa

Die Veröffentlichung zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß hat es in sich, doch ist an den darin enthaltenen Vorwürfen über eine mögliche US-Spionagetätigkeit der CSU-Ikone überhaupt etwas dran?

Worum es geht

Aus einer von der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) veröffentlichten Forschungsarbeit  geht hervor, dass der ehemalige bayerische Ministerpräsident und langjährige CSU-Chef im Zweiten Weltkrieg möglicherweise als Agent für den US-Militärgeheimdienst OSS gearbeitet haben soll, einem Vorläufer der heutigen CIA. Neu entdeckte Akten des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR sowie des Bundesnachrichtendienstes (BND) enthalten demnach "bislang unbekannte Hinweise auf eine mögliche nachrichtendienstliche Verbindung von Strauß zu den USA".

Im Archiv des BND und beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen stieß der Autor und Jurist Enrico Brissa nach eigenen Angaben auf Dokumente, in denen behauptet wird, Strauß habe im Oktober 1944 geheime Unterlagen zur Luftverteidigung süddeutscher Städte, darunter Würzburg, an US-Agenten übergeben. Das Treffen von Strauß mit den Kontaktmännern des Office of Strategic Services (OSS) soll demnach im Schweizer Grenzort St. Margarethen stattgefunden haben. "Wäre dies zutreffend, müssten wichtige Kapitel der deutschen Zeitgeschichte überdacht werden", heißt es auf der Seite der BPB.

Was dran ist

Nach SPIEGEL-Erkenntnissen gibt es erhebliche Zweifel an den Erkenntnissen, weil die Originalakten des OSS keinen einzigen Hinweis auf eine Spionagetätigkeit Franz Josef Strauß' geben:

  • Die Historiker Jürgen Heideking und Christoph Mauch haben die OSS-Akten auf deutsche Zusammenhänge untersucht und sind dabei nicht auf Franz Josef Strauß gestoßen.

  • In der Aktenedition von Neal H. Petersen, der die Berner Akten des OSS-Entsandten Allen Dulles gründlich gesichtet hat, kommt Strauß ebenfalls nicht vor.

  • 2002 hat der heutige US-Geheimdienst CIA den Restbestand der bis dahin zurückgehaltenen OSS-Akten freigegeben, nämlich rund eine Million "Sources and Methods Files, 1941-1947". Auch darin gibt es nach SPIEGEL-Informationen keinen Hinweis auf Strauß.

  • Freigegeben wurden damals auch noch knapp 24.000 OSS-Personalakten - ohne jeden Hinweis auf Strauß.

Es verstehe sich von selbst, dass die Stasi-Akten mit größter Vorsicht zu behandeln seien, heißt es auch bei der BPB. "Diese Hinweise sind deshalb anhand einer historisch-kritischen Methode zu überprüfen. Hierfür wurde in zahlreichen Archiven nach weiteren Dokumenten gesucht. Im Archiv des Bundesnachrichtendienstes fanden sich konkrete Hinweise auf den behaupteten Sachverhalt."

Der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, sagte der "Welt am Sonntag", die zuerst über die Untersuchung berichtet hatte : "Wir haben uns nach genauer Prüfung zur Veröffentlichung entschlossen, weil dem Bild einer zeitgeschichtlich wichtigen Person hier ein völlig neuer, bisher unbekannter Aspekt hinzugefügt wird."

Autor Brissa zufolge, der Referatsleiter im Bundespräsidialamt ist, lassen sich die Hinweise auf eine Spionagetätigkeit von Strauß nicht beweisen, allerdings auch nicht widerlegen.

yes/dpa/AFP