Freundschaft mit dem Gartenzwerg

Zeichnend die Natur erobern: Szene aus „Weites Land“ von Catherine Meurisse. Foto: Catherine Meurisse / Carlsen Verlag, Hamburg 2019
© Catherine Meurisse / Carlsen Verlag, Hamburg 2019

Die Zeichnerin Catherine Meurisse stimmt ihr Publikum auf ein naturnahes Leben ein: „Weites Land“ und andere neue Comics.

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. Pierre Goldman wird 1944 in Paris als Sohn jüdischer Eltern geboren, die als Kommunisten in der Résistance kämpften. Um nach dem Krieg nicht zum Wehrdienst zu müssen, setzt Goldman sich nach Kuba und Venezuela ab, wo er sich der Guerilla anschließt. Wieder in Frankreich, arbeitet er für die Zeitung Libération, finanziert sich aber auch durch Raubüberfälle. Als 1969 bei einem Überfall zwei Menschen getötet werden, wird er zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl er die Tat bestreitet. Durch Unterstützung von Simone de Beauvoir, Yves Montand und Jean-Paul Sartre wird er in einem neuen Verfahren freigesprochen, nach seiner Entlassung aber 1979 auf offener Straße erschossen. Emmanuel Moynot erzählt Goldmans Geschichte in gewohnt starken Schwarzweiß-Bildern. Dazwischen streut er seitenlange, sehr informative, gelegentlich auch weitschweifige Gespräche mit Wegbegleitern Goldmans ein („Pierre Goldman“, Bahoe-Books, 166 Seiten, 22 Euro).

Wesentlich ruhiger geht es im neuen Album der französischen Illustratorin Catherine Meurisse zu. In „Weites Land“ erzählt sie von ihrer Kindheit in der Provinz. Ein alter, verfallener Hof, ein paar Mauern und jede Menge Wiese drumrum: für die kleine Catherine ein großes Abenteuer. Sie sammelt Schneckenhäuser, Vasen, Scherben – kurz: alles, was sie aus der Erde buddelt und einigermaßen historisch aussieht. Sie begeistert sich für Bäume und Blumen, freundet sich mit einem Gartenzwerg an, fühlt sich pudelwohl, und dieses Gefühl von Sorglosigkeit überträgt sich nach und nach auch auf den Leser. Ein Album wie ein Spaziergang an einem hellen Frühlingstag – mit einem Schuss Selbstironie in Szene gesetzt und klasse gezeichnet (Carlsen-Verlag, 96 Seiten, 18 Euro).

Joachim Brandenberg führt in seinem neuen Album „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“ die Selbstverliebtheit eingebildeter Wissenschaftler ad absurdum. Wir schreiben das Jahr 1325 und befinden uns in Venedig, wo Marco Polo gerade der Prozess gemacht wird. Alles Unfug, was er über seine Reise berichte, lautet die Anklage. Das Gericht hat drei hochkarätige Wissenschaftler geladen. Die glauben Polo zwar, bezweifeln aber den Sinn seiner Reise. Viel wichtiger sei es, den Mond zu erforschen. Was sehr einfach sei: Man müsse nur so weit nach Osten gehen, bis man sehe, von wo er aufsteigt. Während er schläft, wollen sie ihn besteigen, um ihn während seiner Reise über den Himmel direkt vor Ort zu erkunden. Eine schräge Idee, viel Fantasie und eine Geschichte, von der man sich fragt, wie sie wohl ausgehen wird, sorgen für Spannung und Abwechslung (Jaja-Verlag, 120 Seiten, 18 Euro).

Auch das Album „Vampir-Cousinen“ von Cathon und Alexandre Fontaine Rousseau beinhaltet eine schräge Geschichte. Camilla erhält eine Einladung von ihrer Cousine Friederike: Sie soll in das Schloss ihrer gemeinsamen Kindheit zurückkehren. Doch die unbeschwerte Kindheit ist lange vorbei, und im Dorf erzählen sich die Leute seltsame Geschichten über das Schloss. Sie nennen es „Haus des Teufels“. Komisch auch, dass Friederike sich konsequent weigert, Speisen mit Knoblauch zu essen. Camilla weiß nicht, was sie davon halten soll, und Friederike wundert sich, weshalb Camilla sie nicht versteht. Diese Unsicherheit wird durch weiche, gefühlvolle Schwarzweiß-Zeichnungen unterstrichen. Und zwischendurch springt ein selbsternannter Vampirjäger über die Seiten (Verlag Schwarzer Turm, 132 Seiten, 12 Euro).