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DER SPIEGEL

Geheimakten Kanzler Adenauer ließ Willy Brandt bespitzeln

Muss das Geschichtsbild über Konrad Adenauer korrigiert werden? Aus Geheimakten, die der SPIEGEL ausgewertet hat, geht hervor, dass der Altkanzler und langjährige CDU-Chef politische Gegner ausspionieren ließ.

Konrad Adenauer, erster Kanzler der Bundesrepublik und langjähriger CDU-Chef, hat den SPD-Parteivorstand sowie einzelne führende Sozialdemokraten bespitzeln lassen. Das zeigen Geheimakten der Bundesregierung und des Bundesnachrichtendienstes (BND), die dem SPIEGEL vorliegen. Adenauer verstieß damit gegen Recht und Gesetz. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)

Besonders interessierte er sich für Willy Brandt, damals SPD-Kanzlerkandidat und Regierender Bürgermeister Berlins, später selbst Regierungschef. Den Dokumenten zufolge notierte BND-Präsident Reinhard Gehlen als Arbeitsauftrag nach einer Besprechung im Kanzleramt am 5. September 1960: "Wer war die erste Ehefrau von Brandt?"

Der Sozialdemokrat war 1933 vor Hitler ins Ausland geflohen. Gehlen sollte herausfinden, ob Brandt für Hinrichtungen im Spanischen Bürgerkrieg verantwortlich war oder etwa für eine fremde Macht spioniert habe. Nach einem Gespräch mit Adenauer notierte der BND-Chef: "Frage nach dem Werde- und Entwicklungsgang von Bürgermeister Brandt. Ist er nachrichtendienstlich tätig geworden?"

Brandt schlug damals eine emigrantenfeindliche Stimmung entgegen, die Adenauer mithilfe der BND-Informationen nutzen wollte.

Unter führenden Christdemokraten war es den Papieren zufolge kein Geheimnis, dass Adenauer die SPD ausspionierte. Bei einer Besprechung mit ausgewählten Parteifreunden zum Thema Rundfunk im Sommer 1960 erklärte der Kanzler, er sei "im Besitz einer Niederschrift der Verhandlungen im Vorstand der SPD". Es gebe nämlich einen "Parteigeheimdienst" der CDU, der ihn über die SPD-Spitze informiere: "Wir haben jemanden, der uns von ihrem Parteivorstand berichtet, das ist ja ganz klar."

Am 19. April jährt sich der Todestag Adenauers zum 50. Mal. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel will den Altkanzler zu diesem Anlass mit einer Rede würdigen.

klw