Das steht bei der Backnanger Literatour 2022 an

Von Anja La Roche

Backnang. „Wie, ihr habt echte Schriftsteller, die den Kindern vorlesen?“, wurde Karin Moll neulich begeistert von ihrer Enkelin gefragt. Die Schulleiterin der Mörike-Gemeinschaftsschule in Backnang und die Mitorganisatorin der Literatour hat der Drittklässlerin daraufhin versprochen, dass auch sie eine der vielen Lesungen besuchen darf, die kommende Woche veranstaltet werden. So wie ihre Enkelin die Welt der Bücher liebt, tun es viele Kinder. „Das Interesse ist da“, ist sich Moll sicher. Die wohl größte Kinder- und Jugendbuchwoche in Deutschland steht nach fünf Jahren Pause in den Startlöchern. Backnang wird damit nun zum elften Mal „zur Hauptstadt der Kinder- und Jugendbuchliteratur“, wie Heinz Harter es ausdrückt, der mit Karin Moll und Thomas Maier das Event leitet. Neben einem umfangreichen Rahmenprogramm (siehe Infokasten), bei dem auch erwachsene Bücherliebhaber auf ihre Kosten kommen können, werden vom 14. bis zum 18. November insgesamt 100 Lesungen in den Backnanger Schulen geboten. 14 Autoren haben der Einladung zugesagt.

„Jeder Schüler soll mindestens eine Lesung erhalten“, erklärt Thomas Maier, der ehemalige Schulleiter der Schickhardt-Realschule. Von der Maubacher Grundschule über das Max-Born-Gymnasium bis hin zur Pestalozzischule, die Autoren besuchen dafür alle 15 Schulen. Die Werke sind dem Alter der Klassen entsprechend ausgewählt. So dürfen sich etwa die Drittklässler der Mörike-Gemeinschaftsschule über „Geisterschule Blauzahn“ von Barabara Rose freuen, das die Geschichte eines Menschenjungen erzählt, der mit lauter magischen Wesen auf ein Internat geht.

Die Sofatour als Vorbote der Literatour hat die Schüler bereits eingestimmt

Nicht nur bei den Lesungen, sondern auch bei den zusätzlichen Angeboten können die Kinder und Jugendlichen in die Welt der Literatur eintauchen, gemäß dem diesjährigen Motto der Literatour „Lesen verzaubert“. Die sogenannte Sofatour etwa stimmte die Schüler bereits auf die Thematik ein (wir berichteten). Ein grünes Sofa wanderte dafür von Schule zu Schule und diente dem Lesen und Vorlesen. Aber auch Theaterworkshops, ein Gestaltungswettbewerb und ein Workshop zu Poetry-Slam vervollständigen das Programm. An diesen Kursen können die Schüler und Schülerinnen freiwillig teilnehmen, insofern die jeweilige Schule es ermöglicht. Dadurch sollen ihnen auch andere Darstellungsformen nähergebracht werden. „Literatur besteht nicht nur aus Büchern“, sagt Maier. Auch Harter ist begeistert von dem facettenreichen Angebot, das sie auf die Beine gestellt haben. „Eigentlich ist die Literatour ein richtiges Fest“, findet der ehemalige Schulleiter der Max-Eyth-Realschule.

Das Motto dient dabei als roter Faden, der sich durch die verschiedenen Veranstaltungen zieht. Sowohl beim Gestaltungswettbewerb als auch bei Theaterinszenierungen durch die Schüler kommt es zum Tragen. „Lesen verzaubert, das ist nicht nur ein Motto, sondern ein Lebensgefühl“, erklärt Maier die Entscheidung des Leitungsteams für die leitenden Worte. „Wir heben auf die Magie des Lesens ab.“ Denn durch Lesen sei es möglich, sich in der Erlebnisse anderer hineinzuversetzen, aber auch seine Fantasie, Kreativität und das eigene Ausdrucksvermögen anzureichern. „Lesen schützt und erweitert den Horizont.“

Besonders hervorgehoben unter den eingeladenen Autoren wird die diesjährige Patenautorin Antonia Michaelis. Durch ihr literarisches Schaffen, aber auch weil sie die Backnanger Kinder- und Jugendbuchwoche bereits kennt, sei sie dafür prädestiniert, erklärt das Leitungsteam. Insgesamt zwölf Lesungen wird sie in den fünf Schultagen halten. Zusätzlich wird sie bei der Auftaktveranstaltung eine Festrede und im Bürgerhaus eine öffentliche Lesung halten, zu der die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen ist. Dadurch öffnet sich die schulisch geprägte Literatour auch der allgemeinen Öffentlichkeit beziehungsweise dem erwachsenen Publikum. „Das wird sehr spannend, auch weil Antonia Michaelis sehr aktiv in der Entwicklungshilfe ist“, sagt Maier. Neben Michaelis wird auch Barabara Rose eine öffentliche Lesung halten.

Die Literatour musste 2020 und 2021 pandemiebedingt ausfallen

Es sei dabei nicht einfach gewesen, das Event dieses Jahr zu planen, erzählt Harter, der bereits 2017 Teil des Leitungsteams war. Die sonst alle drei Jahre stattfindende Literatour musste 2020 und 2021 pandemiebedingt ausfallen und konnte aus gleichem Grund auch dieses Jahr nur recht spontan vorbereitet werden. Das insgesamt etwa 35-köpfige Organisationsteam habe viel zu tun gehabt. Ein paar Programmpunkte konnten nicht wie gewünscht umgesetzt werden, darunter das Kinderfest. Dafür gibt es andere Elemente, die neu hinzugekommen sind. Nie haben so viele Schulen Theaterworkshops angeboten und nie zuvor gab es bei der Literatour so viele Lesungen wie dieses Mal. Neu ist auch das Küren eines Backnanger Lesekönigs.

Für eine Debatte im Gemeinderat hatte zuletzt der Umstand gesorgt, dass die Schüler für die angebotenen Lesungen zwei Euro Eintritt bezahlen müssen. Dabei ist es nun geblieben. Zum einen, weil die Defizite der Literatour durch die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten laut Harter größer sein werden – unter anderem die Suche nach Sponsoren habe sich als schwieriger gestaltet. Zum anderen empfindet das Leitungsteam den Preis als hinnehmbar. „Ich bin dafür, dass es von den Schülern bezahlt wird“, sagt Karin Moll. Denn das zeige auch, dass die Lesungen einen Wert haben.

Moll, Harter und Maier freuen sich nun schon besonders darauf, die Autoren kennenzulernen. Es sei etwas ganz Besonderes, den Austausch unter den Schriftstellern miterleben zu dürfen, sagt Harter. Aber im Fokus stehen für sie natürlich die Kinder. „Es geht darum, die Schüler mit einem schönen warmen Regen an Literatur zu begießen“, bringt es Moll auf den Punkt.