Afrofuturism

Jazz-Gigant und Visionär Sun Ra prägte vor vielen Jahrzehnten die Bewegung: Afrofuturism ist der Blick Schwarzer Menschen auf Technologie und Fortschritt – die Utopie einer freien Welt mit unbegrenzten (musikalischen) Möglichkeiten

Chief Xian aTunde Adjuah (Christian Scott)
Chief Xian aTunde Adjuah (Christian Scott)

Space is the Place! Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine allgemeine Begeisterung für Technologie und Fortschritt ein: Wettlauf ins All, Mondlandung, Science-Fiction-Romane. Auch die afrikanische und afrodiasporische Kultur blieb davon nicht unberührt, entwickelte sie beim Blick in die Zukunft doch eine ganz eigenständige Lesart – die Utopie einer freieren Welt mit anderen Hierarchien und grenzenlosen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung. Die Weiten der Galaxis als Fluchtpunkt vor Rassismus, Ausgrenzung und Demütigung.

Schnell prägte diese »Afrofuturism« genannte Strömung ihre eigenen ästhetischen Prinzipien, etabliert maßgeblich vom Jazz-Giganten und prophetenhaften Visionär Sun Ra: Rückgriff auf die Bildsprache alter afrikanischer Zivilisationen und kosmische Spiritualität, später dann das Spiel mit elektronischer Klangerzeugung. 1993 starb der legendäre Sonnenkönig des Jazz; sein Einfluss aber ist bis heute ungebrochen. Im November ist sein Sun Ra Arkestra in der Elbphilharmonie zu hören, geleitet von seinem langjährigen Weggefährten, dem dann 98-jährigen Marshall Allen.

Mit der Black-Lives-Matter-Bewegung hat auch der Afrofuturism eine neue Dynamik gewonnen. Marvels Kino-Blockbuster »Black Panther« ist dafür nur das bekannteste Beispiel. Viele junge Musiker:innen greifen wieder lustvoll in die Ferne und begeistern damit das Publikum. Die Sons of Kemet um den Saxofonisten Shabaka Hutchings bestürmen auf »Black to the Future« mit wütenden, aber tanzbaren Bläsersounds die Zukunft.

Eine absolute Ausnahmeerscheinung ist Angel Bat Dawid: Sie ist Multiinstrumentalistin, Komponistin, arbeitet aber auch als DJ. Ihre Konzerte verbinden Musik, Meditation und Tanz. Chief Xian aTunde Adjuah (Christian Scott) vermisst die Möglichkeiten des Jazz neu. »Stretch Music« nennt er seinen Sound, der sich Richtung Hip-Hop genauso reckt wie zum Alternative Rock.

Frei und ohne Interesse für Genregrenzen spielt auch der Grammy-nominierte Trompeter Theo Croker auf. Ravi Coltrane schließlich erkundet einen intimen Abend lang das Vermächtnis eines weiteren spirituellen Kraftzentrums der Jazz-Geschichte: seiner Eltern John und Alice Coltrane.

Gefördert durch den Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e.V.