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Beantragung des Bürgergeldes im Kundenbereich des Jobcenters Berlin Mitte.

© dpa/Carsten Koall

Wie viele verweigern die Arbeit?: Was stimmt und was nicht in der Bürgergeld-Debatte – ein Faktencheck

Im Streit über Sozialleistungen steht vor allem das Bürgergeld im Fokus. Oft werden jedoch Behauptungen und Fakten gemischt. Klarheit bieten Zahlen der zuständigen Institutionen.

Seit Wochen läuft eine aufgeheizte Debatte über das Bürgergeld. Ende Juli gewann sie weiter an Brisanz, als CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sich dafür aussprach, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen – schließlich sei eine sechsstellige Zahl von Personen „grundsätzlich nicht bereit, eine Arbeit anzunehmen“.

Für seine Aussagen erntete der Christdemokrat – auch aus den eigenen Reihen – breite Kritik. Insbesondere Grüne, Linke und Sozialverbände warfen ihm unter anderem Populismus und Volksverhetzung vor und stellten die genannte Größenordnung infrage.

Der Fall offenbart einmal mehr: Behauptungen und Fakten sind nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden. Im Folgenden einige immer wiederkehrende Aussagen und dazu die Zahlen zum Streitthema Bürgergeld.

„Es gibt immer mehr Bürgergeldempfänger“

Im April 2024 erhielten insgesamt 5.550.060 Menschen Bürgergeld, 40.430 mehr als im April 2023. Nach dem aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen im Juli 5.549.000 Menschen Bürgergeld. 1.528.000 Millionen zählen als nicht erwerbsfähig, 97 Prozent davon sind Kinder unter 15 Jahren.

Die Zahl der erwerbsfähigen Bürgergeldberechtigten lag im Juli bei 4.021.000. Gegenüber Juli 2023 war dies ein Anstieg um 75.000 Personen, gegenüber dem Juni 2024 um 3000.

„Alle erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher können arbeiten gehen“

Von den rund vier Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldbezieherinnen und -beziehern sind 25 Prozent in einer Weiterbildung, einer Ausbildung oder gehen zur Schule. Weitere 14 Prozent sind krank oder betreuen Angehörige. 20 Prozent sind Aufstocker: Sie gehen arbeiten und erhalten zusätzlich Bürgergeld.

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Es bleiben der BA zufolge 1,7 Millionen oder 44 Prozent der Erwerbsfähigen, die aktuell arbeiten könnten. Von diesen Menschen hat eine Mehrzahl sogenannte Vermittlungshemmnisse, die statistisch erfasst werden: keinen Berufsabschluss, älter als 55 Jahre, langjährige Arbeitslosigkeit, Schwerbehinderung. Rund 235.000 Personen haben keine dieser statistisch erfassten Einschränkungen, möglicherweise aber andere.

„Eine sechsstellige Zahl von Bürgergeld-Empfängern verweigert die Arbeit“

Die Arbeitsagentur erklärt auf Nachfrage, aus ihren Zahlen ließen sich solche Aussagen nicht ableiten. Der BA-Statistik zufolge wurden 2023 rund 16.000 Bürgergeld-Empfänger sanktioniert, weil sie sich weigerten, eine Arbeit oder Weiterbildung aufzunehmen. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es etwa 5400.

„Die Hälfte aller Bürgergeldbezieher sind Ausländer“

Nach dem aktuellen Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) erhielten im März dieses Jahres 2.670.429 Ausländerinnen und Ausländer sowie 2.933.530 Deutsche Bürgergeld. Unter den Ausländern waren rund 725.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge, 946.000 Geflüchtete und 408.000 EU-Bürgerinnen und Bürger.

Die Ukraine-Flüchtlinge bekommen Bürgergeld – Asylbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Erst wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind, haben auch sie – bei Bedürftigkeit – Anspruch auf Bürgergeld.

„Die Hälfte aller erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher sind Ausländer“

Von den rund 2,7 Millionen ausländischen Bürgergeldempfängern sind knapp 1,9 Millionen (1.898.730 Personen) erwerbsfähig. Ihnen stehen rund 2,1 Millionen erwerbsfähige deutsche Leistungsbezieher gegenüber (2.113.409 Personen).

„Die Arbeitslosigkeit unter Ausländern nimmt zu“

Laut IAB lag die Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung im April 2024 bei 15,1 Prozent – und damit 0,3 Prozentpunkte höher als im April 2023.

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Bei den Geflüchteten sank die Quote um 0,3 Prozentpunkte gegenüber 2023 auf 30,4 Prozent. Unter den ukrainischen Kriegsflüchtlingen betrug sie im April 46,6 Prozent, knapp sieben Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr.

„Ausländer sind häufiger arbeitslos als Deutsche“

Die Arbeitslosenquote unter ausländischen Staatsangehörigen betrug im April 2024 laut IAB mit 15,1 Prozent. Damit war sie gut doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote insgesamt von sechs Prozent.

Die Arbeitslosenquote für alle ausländischen Staatsbürger sage aber wenig aus über die Arbeitsmarktintegration unterschiedlicher Gruppen von Zuwanderern, wenn nicht gleichzeitig der Migrationsstatus und die Aufenthaltsdauer erfasst würden, sagt der IAB-Experte und Mitautor des Zuwanderungsmonitors, Andreas Hauptmann.

„Ausländer sorgen für Beschäftigungszuwachs“

Die Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger ist von April 2023 bis April 2024 um 5,4 Prozent oder 319.000 Personen gestiegen. Die Beschäftigung in Deutschland insgesamt wuchs im selben Zeitraum um 187.000 Personen.

Laut IAB-Zuwanderungsmonitor wäre sie ohne ausländische Beschäftigung rechnerisch um 132.000 Personen gesunken. (epd, dpa, Tsp)

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