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Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte – ein Versuch zur bronzezeitlichen Astronomie Rahlf Hansen, Christine Rink Zusammenfassung: In der vorliegenden Arbeit wird versucht, aufgrund von prinzipiellen Überlegungen eine Entwicklung der bronzezeitlichen Astronomie in Mittel- und Nordeuropa nachzuzeichnen. Schon für die neolithischen Kreisgrabenanlagen von Goseck und in Niederösterreich des 5. Jahrt. v. Chr. sind astronomische Ausrichtungen zur Sonne und zu Sternen nachzuweisen, der Mond hingegen Þndet kaum Beachtung. Ab der Zeit der Himmelsscheibe von Nebra scheint der Mond eine größere Rolle in der Kalendergestaltung zu spielen. Eine Schaltregel, die die Mondsichel bei den Plejaden im Frühlingsmonat beachtet, führt zu einem lunisolaren Kalender, der sich durch die Beobachtungen selbst reguliert. Zusätzlich kann eine Erwartungshaltung der erforderlichen Schaltungen mit den getätigten abgeglichen werden und so die Grundlage für eine bessere Erwartungshaltung und somit einen besseren Kalender legen. In der Folge scheint die Entwicklung eigenständig und teilweise anders, aber auch erfolgreicher als in Mesopotamien verlaufen zu sein. Mit dem Versuch, auch einen Finsterniszyklus mit Hilfe einer Erwartungshaltung zu erarbeiten, taucht auf dem Sonnenwagen von Trundholm eine neue Theorie der Himmelszyklen auf, die schließlich zu dem Saroszyklus geführt haben könnte. Diesen Saroszyklus Þndet man dann tatsächlich auf den Goldhüten. Mit Hilfe der Goldhüte und von MondÞnsternissen kann der Kalender weiter verbessert werden. So ließe sich verstehen, dass die Entwicklung in dem sehr genauen Kalender von Coligny mündet, der mit seinem 30jährigen Rhythmus an den 32jährigen Zyklus der Himmelsscheibe erinnert. Abstract: Based upon principle considerations, the following article attempts to trace the development of Bronze Age astronomy in Central and Northern Europe. Astronomical orientations to the sun and the stars are attested as early as the Þfth millennium BC in Neolithic circular ditch enclosures in Goseck and Lower Austria, whereas the moon received little notice there. Starting with the time of the Nebra sky disk, the moon seems to have played a greater role in the creation of a calendar. A leap year rule that observes the moon’s crescent near the Pleiades in a spring month leads to a luni-solar calendar, which is regulated through observation. In addition, the common expectation of the necessary intercalated month can be coordinated with those made and thereby form the basis for a better prediction and, thus, a better calendar. In consequence, the development seems to have run independently and in part differently, even more successfully, than that in Mesopotamia. In the attempt to work out an eclipse cycle with the help of common expectation, a new theory about the celestial cycles appears on the sun chariot of Trundholm, which Þnally leads to the recognition of the Saros cycle. This cycle appears also on the gold hats. With their help and those of eclipses of the moon the calendar can further be improved. This could have led to the very detailed calendar of Coligny, which with its thirty-year periodicity is reminiscent of the thirty-two-year cycle of the Nebra sky disk. 93 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Vom Nutzen des Himmels1 Nein – hier soll nicht über die Ausnutzung des Unwissens der Menschen durch Priester geschrieben werden, obwohl dies sicher ein spannendes Kapitel der Kulturgeschichte wäre. Wo anders, als im scheinbar unveränderlichen Sternenhimmel mit dem rhythmischen Lauf von Sonne, Mond und Planeten kann man die Götter verorten? Der Himmel als Sitz der Götter oder als Anzeiger ihres Willens – oder Unwillens – lässt sich prächtig religiös interpretieren. Wo sonst tritt uns das scheinbar Ewige so entgegen wie in der Konstanz des Sternenlichtes und ihrer für ein Menschenleben unverrückbaren Positionen? Hier ein Spiegelbild des Göttlichen zu sehen liegt nahe. Aber der Himmel bestimmt auch ganz praktisch unser Leben und bietet durch die harmonischen Abläufe einen Einblick in die Gesetzmäßigkeit der Natur. Verlässlichkeit und Berechenbarkeit prägen die Bewegungen dort oben. Je schärfer der Blick zum Sternengeschehen wird, desto mehr enthüllen sich mathematisch fassbare Regeln. Der Wissensdrang des Menschen kann sich am Sternenlauf abarbeiten; der Glaube – nicht an einen Gott, sondern an Gesetzmäßigkeiten – kann sich entfalten und zur Urzelle der Wissenschaft werden. Unterstützend wirkt dabei der praktische Nutzen, den dieses Wissen gewährt: Das Verrinnen der Zeit kann strukturiert werden, ein Kalender entsteht. Dies kann, muss nicht, die Geburt der Astronomie fördern. Als erstes bestimmt die Sonne unser Leben. Ihr Zug von Ost über Süd nach West ordnet den Tag, ihr Untergang läutet die Nacht ein. Sie schenkt uns Licht und Wärme, ihr Verschwinden erlaubt den Blick in eine scheinbar andere Welt da oben. Die Sonne verursacht offensichtlich Tag und Nacht. Eine genaue Betrachtung führt zu der Erkenntnis, dass sie auch für die Jahreszeiten verantwortlich zeichnet und mit diesen sich die Ansicht des Sternenhimmels gleichmäßig ändert. Sowohl der Sonnenlauf als auch die veränderliche Sichtbarkeit der Sterne können als Anzeiger der Jahreszeiten dienen. Die unterschiedliche Höhe der Sonne zur Mittagszeit lässt sich nur schwer für die Bestimmung des Jahreslaufs nutzen2. Leichter lässt sich der Ort der Auf- und Untergänge der Sonne dazu verwenden, den Jahreslauf zu bestimmen3. Alternativ kann die Beobachtung der variablen Sichtbarkeit der Sterne das Jahr strukturieren4. Die Sonne bestimmt Tag und Jahr; sie gibt so wichtige Pfeiler in der Ordnung der Zeit. Um zwischen diesen Extremen eine feinere Einteilung vorzunehmen, bietet sich der Mond an. Hell und auffällig zieht er durch die Sterne. Seine Wiederkehr zu demselben Stern dauert ca. 271/3 Tage – ein siderischer Monat5. Dies lässt sich dritteln, woraus eine 9-TageWoche folgt. Zusätzlich ändert der Mond auffällig seine Gestalt. In Sonnennähe erscheint er als ihr zugewandte Sichel, im 90-Grad-Abstand als ihr zugewandter Halbmond und ihr gegenüber als Vollmond. Ein Bezug zur Beleuchtung durch die Sonne liegt nahe. Der Mond spendet uns nachts Licht, insbesondere um Vollmond. Deshalb wird der Phasenmonat, z.B. von Voll- zu Vollmond oder Neulicht6 zu Neulicht, schon früh eine praktische Bedeutung gehabt haben. Etwa 29,5 Tage dauert dieser so genannte synodische Monat. Da – im Mittel – der Zyklus der Frau ähnlich lang dauert, wurden hier schon früh Zusammenhänge vermutet. Genauso dürfte die Abhängigkeit der Gezeiten von dem Mondlauf schon lange bekannt sein. Diese vermeintlichen oder echten Beziehungen des Mondes zu dem irdischen Geschehen dürften zu seiner Beachtung beigetragen haben. Die Viertelung des synodischen Monats führt zu der 7-Tage-Woche (mit einem kleinen Rest um Neumond). Mond und Woche strukturieren die Zeit zwischen Tag und Jahr. 1 materiellen Hinterlassenschaften diesbezüglich achten könnten. 2 Wenn auch die „Sonnenuhr“ des Augustus genau dazu diente – dies freilich in einem schon fortgeschrittenen Stadium der Astronomie (Schütz 1990). 3 Wie dies um 4800 v. Chr. für Goseck vermutet wird (Bertemes, Schlosser 2004). 4 Hierzu können z.B. die Kreisgräben, die Zotti (2005) untersucht hat, dienen. 5 Zu den verschiedenen Monatslängen siehe auch die Anhänge 2, 3 und 11. 6 Die erste sichtbare schmale Mondsichel am abendlichen Westhimmel nach Neumond nennt man Neulicht. In vielen Kulturen beginnt mit Neulicht der neue Monat, so auch heute noch im Islam. Da diese Arbeit von einem astronomischen Standpunkt aus konzipiert wurde, sich aber an Archäologen und Astronomen wendet, wurden verschiedene – hoffentlich hilfreiche – Anhänge verfasst. Für astronomische Laien könnten besonders die Anhänge 1 bis 5, der Anfang von Anhang 10 und Anhang 11 interessant sein. Nützliche Erläuterungen liefern die Anhänge 9 und 10, während sich die Anhänge 6 bis 8 und 10 (was ε betrifft) an diejenigen wenden, die die zugrunde liegenden Zahlen genauer betrachten möchten. Eine ausführliche Arbeit zum Thema „Modell der Astronomie“ ist in Vorbereitung. Dort soll erörtert werden, mit welchen Beobachtungen die Menschen der Vorzeit einen Nutzen verbinden konnten und wie man dies heute noch nachweisen könnte. Damit sollen Hinweise gegeben werden, worauf Archäologen bei der Ausgrabung und Bearbeitung von 94 Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Die Zeiteinheiten Monat und Jahr in eine Ordnung zu bringen, erfordert einige Kenntnisse ihrer Rhythmen. Als einfachste Lösung des Problems der Harmonisierung von Monat und Jahr erscheint der Verzicht auf eines von beiden, den Mondmonat oder das Sonnenjahr. Im ersten Fall wird das Sonnenjahr schematisch, z.B. wie bei uns, in zwölf Abschnitte geteilt, die mit dem Mondlauf nichts zu tun haben. Im zweiten Fall richtet man sich, wie noch heute im Islam, nur nach dem Mond und verliert den Bezug zu den Jahreszeiten. Möchte man Sonnenjahr und Mondmonat, wie heute noch im Judentum, zusammen nutzen, erfordert dies die genauere Bestimmung ihrer Dauer. Dieses so genannte Lunisolarjahr optimiert den Nutzen des Sternenhimmels für den Kalender. Der Mond zeigt in seiner Gestalt jeweils den Stand des Monats, die Gestirne den Stand des Jahres. Das Wissen, dass ein Sonnenjahr 365 Tage umfasst und ein Mondmonat (also der synodische Monat) 29,5 Tage dauert, kann man schon für einfache Kulturen unterstellen7. Damit ergibt sich ein Sonnenjahr zu zwölf Mondmonaten (12 x 29,5 = 354 Tagen) mit einem Rest von elf Tagen. Um den Bezug zum Mond nicht zu verlieren, kann als kleinste Einheit nur in Mondmonaten geschaltet werden. Bevor dies in mathematisch festgelegten Schemata erfolgte, wurde nach „Sicht“ geschaltet. Eine solche Anleitung liegt in der Plejadenregel (siehe unten) vor. Kombiniert man diese Regel mit einer Erwartungshaltung der Rhythmik, wie dies hier für die Himmelsscheibe von Nebra unterstellt wird, kann ein Abgleich von erwarteten und tatsächlich erfolgten Schaltungen zeigen, ob die unterstellten Harmonien stimmen. Falls sich eine, im optimalen Fall wiederholte, Abweichung einstellt, kann man diese nutzen, um eine verbesserte Erwartungshaltung zu erlangen. Dies kann, bei genügend erscheinender Genauigkeit, zu einer mathematischen Regel der Schaltung führen, die unabhängig von Beobachtungen ist. Das Problem bei der Bestimmung des synodischen Monats8 liegt in der Ungenauigkeit der DeÞnierung der Mondphasen. Wann genau Vollmond ist, lässt sich schwierig bestimmen; der Neumond entzieht sich gar ganz unserer Beobachtung. Hier bieten die Finsternisse eine Hilfe9. Bei einer SonnenÞnsternis steht der Neumond vor der Sonne, eine MondÞnsternis erfolgt nur bei Vollmond. Die Zeitpunkte solcher Finsternisse lassen sich viel genauer bestimmen, als von „normalen“ Voll- und Neumonden. Um eine Verbesserung der Erwartungshaltung der Schaltrhythmik zu erzielen, benötigt man eine genauere Länge des synodischen Monats. Hierfür bieten sich die Beobachtungen von Finsternissen an. Sollte sich bei diesen Beobachtungen sogar die Möglichkeit der Vorhersage einer Finsternis ergeben, so wird dies dem Image des Astronomen (wohl meist ein Priester) sicherlich sehr genutzt haben. Im doppelten Sinne lohnt sich somit die Beschäftigung mit den Finsternissen: Zur Steigerung des Ansehens des Astronomen und zur Verbesserung der Kenntnis der Länge des synodischen Monats und somit der Möglichkeit, den Kalender genauer zu gestalten. Wie dies im Einzelnen erfolgt, hängt von den Umständen ab. In einer Schriftkultur, wie in Babylon mit der Möglichkeit der Archivierung einer Vielzahl von Beobachtungen über lange Zeiträume, kann man leichter eine Verbesserung der Genauigkeit erzielen als in einer schriftlosen Kultur wie in Mitteleuropa. In einer solchen schriftlosen Kultur kann das Ausprobieren von Erwartungen einen Fortschritt bringen, wie das Folgende zeigen soll. 7 13 Ginzel 1906. Zu der variierenden Länge dieses Monats siehe den Anhang 6. 9 Mehr zu den Bedingungen des Zustandekommens einer Finsternis im Anhang 11. 10 Siehe auch Hansen 2007. 11 Schlosser 2002; Schlosser 2004; Schlosser 2005a. 12 Die Autoren unterstellen hier einen Wissenstransfer aus Mesopotamien (Hansen 2008). 8 Die Kalenderregel auf der Himmelsscheibe von Nebra10 Hier wird die astronomische Deutung der Sternscheibe von Schlosser11 erweitert in Richtung einer Schaltregelung. Zugrunde gelegt wird eine Schaltregel aus Mesopotamien und untersucht, wie diese Regel in einer schriftlosen Kultur in Form eines Memogramms dargestellt werden könnte12. Das Abbild auf der ersten Fassung der Sternscheibe (Abb. 1) entspricht dieser Regel13. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass hier ein gedanklicher Import vorliegen muss. Die mesopotamische Regel wird zunächst als Anregung verstanden, wie möglichst einfach ein Ausgleich von Mondund Sonnenkalender aufgrund von Beobachtungen vorgenommen werden kann. Die verschiedenen Phasen der Himmelsscheibe bei Meller 2004. Viele Deutungen der Himmelsscheibe ignorieren diese verschiedenen Phasen und geben eine Interpretation für eine spätere Phase an, obwohl die Abfolge der Phasen dafür spricht, dass hier verschiedene Motivationen vorlagen und es bei der Herstellung der Himmelsscheibe noch keine Idee von den späteren Phasen gab. 95 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 1: Die Urscheibe von Nebra nach der Rekonstruktion von Meller. Nach Meller 2004, 29 mit Abb. In Babylon wurde ein Kalender benutzt, der sich, wie der heutige moslemische, nach den Mondphasen für die Monatseinteilung richtete. Die erste sichtbare Mondsichel am abendlichen Westhimmel (das Neulicht) zeigt den Beginn eines neuen Monats an. Ein solcher Monat von Neulicht zu Neulicht (der synodische Monat) dauert 29,5 Tage. Zwölf solcher Monate ergeben ein Mondjahr von (gerundet) 354 Tagen. Zu der Länge des Sonnenjahres, (gerundet) 365 Tage, ergibt sich eine Differenz von elf Tagen (Abb. 2). Um diese Differenz auszugleichen, werden Schaltmonate eingefügt. In spätbabylonischer Zeit gab es hierfür feste Schaltregeln, zuvor wurde „nach Sicht“ Abb. 3: Stand 1600 v. Chr. der Neulichtmond (eine etwa zwei Tage alte Mondsichel) bei den Plejaden, dann erfolgte in diesem Monat der Frühlingsanfang. Dieses Jahr war ein Gemeinjahr, d. h. es wurde nicht geschaltet. Der Abstand Sonne/Frühlingspunkt und Plejaden ist hier aus Gründen der Deutlichkeit zu groß dargestellt. Die Zeichnungen sollen den prinzipiellen Sachverhalt verdeutlichen und sind nicht winkelecht. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. geschaltet. Hierfür gab es verschiedene Vorschriften. Eine besagt, dass man im ersten Monat des Jahres (des Frühlingsmonats Nissanu) auf die Mondsichel und die Plejaden achten soll: Wenn am 1. Nissanu Mond und Plejaden in Konjunktion stehen, so ist dies Jahr normal, wenn erst am 3. Nissanu, so ist dieses Jahr ein Schaltjahr14. Die erste Bedingung besagt, dass eine schmale Neulichtsichel15 neben den Plejaden steht. Eine schmale Mondsichel steht noch nahe an der Sonne. Diese Beobachtung Þndet in der frühen Abenddämmerung statt. Die Plejaden werden in den folgenden Tagen in der Dämmerung verschwinden, was um 1600 v. Cr. knapp zwei Wochen vor dem Frühlingsanfang ge- Abb. 2: Ein Mondjahr zu zwölf Monaten a 29,5 Tagen hat eine Länge von 354 Tagen. Ein Sonnenjahr ist 365 Tage lang. Die Differenz von elf Tagen wird durch das Schalten von Monaten ausgeglichen. Die Regulierung der Schaltung ergibt sich aus astronomischen Beobachtungen oder Schaltregeln. Entwurf: Stadelbacher, GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. 14 Van der Waerden 1980, 79 aus dem Mul-Apin. Der erste Nissanu wird über die Beobachtung dieser schmalen Sichel nach Neumond bestimmt, genauso wie heute noch z.B. 15 96 der Fastenmonat Ramadan mit einer solchen schmalen Mondsichel beginnt. Die Namen der Monate variieren in Mesopotamien. Eine Übersicht geben Hunger 1976–1980 und Cohen 1993. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Abb. 4: Steht der Mond erst am 3. Tag des Frühlingsmonats (Nissanu) bei den Plejaden, dann ist der Mond etwa vier Tage alt (maximal ca. 4,5 Tage alt) und somit zu „dick“. Sein Abstand zur Sonne ist größer als in Abb. 3. Die Sonne steht somit auch weiter vom Frühlingspunkt entfernt, und der Frühling beginnt erst im nächsten Monat. Deshalb wird jetzt ein Schaltmonat eingefügt. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Abb. 5: Nach dem Schaltmonat in Abb. 4 ergibt sich folgendes Bild: Der Mond wird erst als Neulicht sichtbar, wenn die Plejaden schon in der Dämmerung versunken sind. Erst ein Jahr später wird das Neulicht wieder am 1. Tag des Frühlingsmonats (Nissanu) bei den Plejaden stehen, wie es in Abb. 3 zu sehen ist. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. schah (Abb. 3). Diese Konstellation von schmalem Sichelmond und Plejaden läutet den Frühlingsmonat Nissanu ein. Die zweite Bedingung der Schaltregel besagt, dass zwei Tage nach dem Beginn des Monats Nissanu der Mond neben den Plejaden steht (Abb. 4). Der Mond ist jetzt entsprechend „dicker“ und steht weiter von der Sonne entfernt. Die Beobachtung erfolgt in der späten Abenddämmerung und zeigt an, dass die Plejaden noch etwa einen Monat von ihrem Verschwinden in der Abenddämmerung entfernt sind. Der Frühlingsanfang erfolgt noch nicht in diesem laufenden Monat, sondern erst einen Monat später. Deshalb soll jetzt ein Monat eingefügt werden, damit Mond- und Sonnenlauf wieder harmonisiert werden (Abb. 5)16. Genau diese Bedingung für eine Schaltung ist auf der Sternscheibe in Form eines Bildes dargestellt. Wie die Ringanlage in Goseck nahe legt, war eine Regelung des Kalenders durch die Sonne schon lange bekannt17. Eine genauere Einteilung der Zeit zwischen dem Tag und dem Jahr, beides von der Sonne vorgegeben, bietet die Beobachtung des Mondes. Sein Lauf von Neulicht zu Neulicht in 29,5 Tagen gestattet die Einteilung in Monate, die genauere Betrachtung der Mondphasen in Wochen. In einem Sonnenjahr gibt es 12 1/3 mal Vollmond.18 Erst nach drei Jahren entspricht der Sonnenlauf annähernd einer ganzen Anzahl Mondmonaten. Möchte man den Mondlauf mit dem Sonnenlauf harmonisieren, so ist die einfachste Möglichkeit, alle drei Jahre einen „Schaltmonat“ einzufügen. Eine genauere Betrachtung führt zu einer Schaltung von sieben Monaten in 19 Jahren, der sogenannte Metonzyklus, benannt nach dem griechischem Astronomen Meton (5. Jh. v. Chr.). Diese Regel war in Mesopotamien frühestens ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. bekannt19 und wird für die Zeit der Herstellung der Scheibe hier nicht in Betracht gezogen. Ein Sonnenjahr beträgt (gerundet) 365 Tage, ein Mondjahr (gleich 12 synodische Monate zu je 29,5 Tagen) 354 Tage20. Nach 32 Sonnenjahren (32 x 365 = 11680 Tage) ergibt sich zu 33 Mondjahren (33 x 354 = 11682 Tage) eine Differenz von nur zwei Tagen. In 32 Sonnenjahren erleben wir also nach den 16 200 Jahre) und zeigen in ihrer Verbreitung überregionale Kontakte an (ebd.). Auffällig ist, dass aus der Zeit der Scheibe keine solchen Anlagen vorliegen. Die astronomischen Beobachtungen können aber auch mit erheblich geringerem Aufwand gewonnen werden. Wenige Pfosten reichen dafür aus; diese wären archäologisch leicht zu übersehen. 18 Gerundet; Genaueres im Anhang 8. 19 Hunger 1976–1980, 298. 20 Zur Unterstellung dieser Rhythmen schon bei einfachen Kulturen vgl. Ginzel 1906. Eine weitere Erklärung des Ablaufs gibt Anhang 9. Es bleibt aber noch zu klären, ob der Aufwand, der mit dem Bau solcher Anlagen verbunden war, sich nur astronomisch rechtfertigen lässt, oder ob eine Mehrfachnutzung vorlag. So könnten die Ringanlagen auch der nächtlichen Bestallung gedient haben (frdl. Mitteilung H. Ziegert). Unserer Meinung nach könnten die Eingänge zusätzlich astronomisch orientiert sein, was baulich keinen Mehraufwand bedeutete. Die Ringanlagen befanden sich in Bayern nahe der Siedlungsstrukturen (Riedhammer 2005, 76). Sie waren ein kurzfristiges Phänomen (etwa 17 97 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 6: Zählt man auf der Nebra-Scheibe nur die Punkte (also die Sterne) zusammen, dann ergeben sich 32: 25 einzelne Punkte und die 7 Rosettenpunkte. Dies ist die Anzahl der SONNENjahre. Zählt man zu den 32 Punkten noch die große Scheibe dazu, dann bleibt auf der Urscheibe nur noch die Mondsichel übrig, es ergeben sich 33 MONDjahre. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. unterstellten Rhythmen sehr genau 33 Mondjahre (Abb. 6). Schaltet man also etwa alle drei Jahre einen Monat ein, so ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit den Jahreszeiten, also dem Sonnenlauf. Der Mond bietet so einen Zeiger; die Tierkreissternbilder, vor denen er jeweils steht, sind die Ziffern einer kosmischen Uhr. Die Besonderheit dieses Zeigers ist aber, dass er seine Gestalt wandelt. Je nachdem in welcher Phase er vor bestimmten Sternbildern steht, ist diese Beobachtung anders kalendarisch zu interpretieren (Abb. 7)21. Beherrscht man das Ablesen dieser kosmischen Uhr, so gewinnt man den Mond als zusätzlichen Zeitgeber. Das zyklische Zählen der Tage in einem Jahr, z. B. von Frühlingsbeginn an, endet nach 365 Tagen bei dem nächsten Frühlingsanfang. Nutzt man zusätzlich den Mond, so reicht es, die Monate (also bis maximal zwölf) plus die Tage in den Monaten (maximal 30) zu zählen. Nimmt man die Mondphasen22 als Wochenanzeiger, so reduziert sich das Zählen auf den Monat, die Woche in dem Monat (maximal bis vier: welche Woche, ergibt sich aber aus der Gestalt des Mondes, muss also nicht gezählt werden), und den Tag in der Woche (maximal 7)23. Die Vereinfachung ist offensichtlich. Die Schaltregel aus Mesopotamien und ihre bildliche Umsetzung auf der Sternscheibe Wenn am 1. Nissanu Mond und Plejaden in Konjunktion stehen, so ist dies Jahr normal, wenn erst am 3. Nissanu, so ist dieses Jahr ein Schaltjahr.24 21 Dazu mehr in Anhang 4. Siehe Anhang 2. 23 Gurshtein 1995, 360 datiert die Einführung der 7-Tage-Woche bis in die Steinzeit zurück. 24 Van der Waerden 1980. 25 Eine Ausgabe des Mul-Apin liegt mit Hunger/Pingree 1989 vor. 22 98 Abb. 7: Steht im Frühlingsmonat am 1. Tag die Neulichtsichel bei den Plejaden, so ist dies ein Gemeinjahr (links). Ein Jahr später wird der Mond erst am 2. Tag des Frühlingsmonats bei den Plejaden stehen (Mitte). Der Mond ist etwas dicker als im ersten Fall. Auch dieses Jahr ist ein Gemeinjahr. Im dritten Jahr wird der Mond erst am 3.Tag des Frühlingsmonats die Plejaden erreichen. Er ist „dicker“ als in den beiden Vorjahren (rechts). Jetzt muss geschaltet werden. Die Sichel auf der Scheibe ist das Signal zum Schalten! GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Diese Schaltregel ist im mul-Apin überliefert25. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung von astronomischen Texten. Sie stammen aus der Zeit zwischen dem 7. und 3. vorchristlichen Jahrhundert. Die Inhalte selbst können teilweise viel älteren Datums sein, ohne das man das Alter in jedem Fall genau abschätzen könnte. Heute wissen wir, das die Erde sich täglich um die eigene Achse dreht, sich jährlich um die Sonne bewegt und der Mond die Erde in einem Monat umkreist. Dies Wissen können wir in der Bronzezeit nicht unterstellen26. Erst Aristarch von Samos (3. Jh. v. Chr.) hat unseres Wissens die heliozentrische These aufgestellt27. Der Anblick des Himmels ändert sich im Laufe einer Nacht. Die Sterne gehen im Osten auf, stehen im Süden am höchsten und versinken im Westen. Zusätzlich verschiebt sich der Anblick der Sterne im Laufe eines Jahres. Ein Streifen am Himmel wird die Beobachter besonders fesseln: unser Tierkreis, denn hier bewegen sich der Mond und die Planeten. Bei einer (seltenen) totalen SonnenÞnsternis sieht man die Sterne auch am Tage und erkennt, dass die Sonne ebenfalls in dem Streifen des Tierkreises steht. Die Erkenntnis, dass die Sterne tagsüber nicht wirklich verschwinden, sondern nur 26 Den weitreichenden Thesen von Papke 1989, dass im alten Mesopotamien um 2400 v. Chr. die Astronomie schon weit entwickelt war, stimmen die Autoren nicht zu. 27 Über die dann eventuell weitere Verbreitung der Heliozentrik siehe: van der Waerden 1988 und Russo 2005. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte von der viel helleren Sonne überstahlt werden28, ist naheliegend, genauso die Folgerung, dass die Sonne, wie Mond und Planeten, durch den Tierkreis läuft. Die Festlegung der Jahreszeiten kann auf zwei unterschiedlichen Wegen astronomisch erfolgen. Erstens beobachtet man die Wendemarken der Sonnenauf- und -untergänge in südlicher Richtung (Winteranfang) und im Norden (Sommeranfang), wie dies zumindest für die Wintersonnenwende in Goseck geschah29. Der Bau einer solchen Anlage ist aufwendig30 und die Festlegung der Jahreszeiten auf diese Anlagen angewiesen, da dort die Peilungen vorgenommen werden. Zweitens kann man aber auch über die Beobachtung der Sterne den Beginn der Jahreszeiten festlegen31. Hierfür muss man sich merken, welche Sterne in den verschiedenen Jahreszeiten zu sehen sind. Aus praktischen Gründen beobachtet man in der Abend- oder Morgendämmerung, wobei die Abenddämmerung aus offensichtlichen Gründen vorzuziehen ist. Morgens verschwinden die Sterne im Westen in der Dämmerung, abends tauchen sie im Osten wieder auf32. Die interessantesten Sterne sind die, die den Tierkreis bilden, da wir hier die Planeten und den Mond Þnden. Besonders herausragende Markierungen im Tierkreis bilden helle Sterne (z.B. Aldebaran im Stier, Regulus im Löwen, Spika in der Jungfrau und Antares im Skorpion) oder Gruppen von Sternen (Plejaden im Stier und, viel unscheinbarer, Praesepe im Krebs). In vielen Kulturen wurden besonders die Plejaden als Markierung genutzt33. Die Stellung der Sonne (und des Mondes) zum Tierkreis ist unabhängig von dem Beobachtungsort auf der Erde, aber abhängig von der Jahreszeit. Die Beobachtungsbedingungen für den Tierkreis sind aber von der geograÞschen Breite abhängig34. Im Laufe der Jahrtausende ändert sich die Lage der Tierkreissternbilder zu den Jahreszeiten aufgrund der Präzession35. Wir betrachten die Situation für das Jahr 1600 v. Chr.36. Um den 25. März (julianisch, Frühlingsanfang war damals der 5. April) herum waren die Plejaden das letzte Mal in der Abenddämmerung zu beobachten. Dies wird in vielen Jahreskalendern als wichtige Marke genutzt37. Sieht man kurz zuvor in der Abenddämmerung mit den Plejaden eine schmale Mondsichel38, so zeigt dies an, dass der Mond im Monatslauf noch dicht bei der Sonne weilt oder, im Umkehrschluss, dass die Sonne schon nahe bei den Plejaden steht und diese demnächst in der Abenddämmerung verschluckt (Abb. 3 und Abb. 7 links). Diese Position wurde in Babylon im ersten Monat des Jahres, genannt Nissanu, erreicht. Der Nissanu war der Frühlingsmonat. In diesem Monat erreicht die Sonne den Frühlingspunkt am 5. 4. (um 1600 v. Chr.), knapp zwei Wochen nachdem die Plejaden am Abendhimmel verschwanden (Abb. 11). Die schmale Mondsichel (= Neulicht) steht bei den Plejaden. Da wir Neulicht haben, ist dies der erste Tag des Monats, also der 1. Nissanu39. Steht in diesem Monat eine dickere Mondsichel bei den Plejaden, so hat der Mond sich schon weiter von der Sonne entfernt oder, im Umkehrschluss, die Sonne steht noch weit von den Plejaden und somit von dem Frühlingspunkt entfernt. Eine dickere Mondsichel bedeutet aber, dass wir nicht mehr Neulicht sehen (das wäre der 1. Nissanu), sondern dass schon einige 28 Plejaden Þndet. Es wurden also schon zur Zeit der Kreisgrabenanlagen Sonne und Sterne genutzt. Der Mond spielte offensichtlich kaum eine Rolle (Zotti 2005). Nach der Zeit der Himmelsscheibe scheint der Mond eine größere Rolle in der Kalendergestaltung zu bekommen (Sommerfeld 2008). 32 Siehe Anhang 1 Sonnenlauf. 33 Z.B. bei den Azteken (Krupp 1994, 206–208), in Machu Picchu (ebd. 50 f.), im Amazonasgebiet (ebd. 85–88), in einer litauischen Bauernregel (Schlosser 2005a), bei den Ureinwohnern Australiens (Schlosser/Cierny 1996), in Griechenland (Hesiod, Erga 382–390 und 615–620) und in China (Hartner 1965, 8). 34 Dazu mehr in Anhang 8. 35 Siehe Anhänge 10 und 11. 36 Folgendes nach Schlosser 2005a. 37 Siehe Schlosser 2005a, 62–64. 38 Genaueres dazu in Anhang 5. 39 Es sei nochmals daran erinnert, dass in einem Mondkalender der sichtbare Mondlauf den Monat bestimmt. Jeder Monat beginnt also mit einer schmalen Sichel des Mondes am Abendhimmel. Am Tage können der Mond und die Venus ebenfalls leicht gesichtet werden. Jupiter, Saturn, Sirius und Aldebaran haben die Autoren selbst schon am Tageshimmel gesehen. Der Astronom Roger GrifÞn erzählte einem Autoren anlässlich gemeinsamer Beobachtungen auf Calar Alto, dass er Jupiter und Mars schon des häuÞgeren am Tage gesehen hätte, der Astronom Einhardt Beer sagte den Autoren, dass auf der Sternwarte in La Palma Sirius häuÞg am Tage gesehen wird. Wir können davon ausgehen, dass solche Beobachtungen auch damals gemacht wurden und man wusste, dass die Sterne und Planeten am Tage nicht aufhören zu existieren. Gurshtein 1995 vermutet, dass der Lauf der Sonnenbahn ab 6000 v. Chr. im mittleren und nahen Osten bekannt war. 29 Schlosser, zitiert in Bertemes u.a. 2004, 144 f.; Bertemes/ Schlosser 2004, 50–51. 30 Wie in Anm. 17 ausgeführt wurde, kann man die astronomisch notwendigen Peilhilfen sehr reduzieren. Eine Ringanlage, erst recht eine mit Graben, wäre für die Beobachtung nicht notwendig. 31 Die Arbeit von Zotti 2005 und in diesem Band zeigt, das man in den niederösterreichischen Kreisgrabenanlagen neben Sonnenausrichtungen auch solche zu den Sternen, insbesondere den 99 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 8: Ein vier Tage alter Mond und damit noch nicht ganz der Schaltsichel auf der Himmelsscheibe entsprechend. Foto: K. P. Schröder. Zeit verstrichen ist (in der Schaltregel zwei weitere Tage), wir haben also den 3. Nissanu (Abb. 4). Die Aussage, dass der Mond am 3. Nissanu bei den Plejaden steht, ist in einem Mondmonat gleichbedeutend mit der Angabe wie „dick“ die Mondsichel ist40. In dem Fall, dass der Mond um den 3. Nissanu als dicke Sichel bei den Plejaden steht, soll ein Schaltmonat eingefügt werden. Während dieses Monats 40 Genaueres dazu in den Anhängen 5, 6 und 7. Da die Sonne dichter steht, ist der Abstand Mond-Sonne auch kleiner und somit die Sichel dünner. Sie wird nach dem Schaltmonat in der Regel so „dünn“ sein, dass man sie in der Dämmerung bei den Plejaden – wie die Plejaden selbst auch – nicht sehen kann, sondern erst einen Tag später, wenn der Mond schon an den Plejaden vorbeigezogen ist (Abb. 5). Im nächsten Jahr steht dann das Neulicht im Nissanu wieder bei den Plejaden. 42 Hunger/Reiner 1975 zeigen, dass in Babylon eine Regel bekannt war, die das Schalten in jedem Monat gestattete. In der Praxis geschah dies aber meist zu Ende des Jahres (Februar/ März). Es wurde der letzte Monat verdoppelt (Cohen 1993, 5). Für einen in der Himmelsbeobachtung nicht so gewandten Laien ist die Schaltung zu Frühlingsanfang am leichtesten, da der Unterschied zwischen einem zwei und vier Tage alten Mond beson41 100 bewegt sich die Sonne weiter auf die Plejaden (und den Frühlingspunkt) zu. Im nächsten Monat steht jetzt eine schmalere Sichel bei den Plejaden41. Diese Schaltregel erfordert genaue Beobachtungen der Plejadenstellung in den Jahreszeiten und des Mondes zur Sonne, aber NICHT eine genaue numerische Schaltregel wie den Metonzyklus. Die BEOBACHTUNG entscheidet über die Schaltung. Sollte einmal fünf Jahre lang um den 1. Nissanu herum schlechtes Wetter sein, dann wird in diesen fünf Jahren nicht geschaltet42. Der Mond wird dann im sechsten Jahr z.B. erst am 6. Nissanu bei den Plejaden stehen. Es wird geschaltet. Nach dem Schaltmonat steht der Mond am 3. bei den Plejaden. Es wird erneut geschaltet (alternativ schaltet man nur einmal in diesem Jahr und im folgenden erneut). Es kann also mehr als zwei Normaljahre nacheinander geben, gefolgt von z.B. einem doppelten Schaltjahr oder zwei Schaltjahren nacheinander. Genau dies ist uns aber aus der Zeit Hammurapis überliefert43, was nahe legt, dass hier schon diese oder eine ähnliche beobachtungsorientierte Regel benutzt worden sein könnte. Auf die Idee zu kommen, die Dicke der Mondsichel als Abstandsindikator zur Sonne zu nutzen, setzt genaue Beobachtungen und ein gewisses Maß an Abstraktionsfähigkeit voraus. Die Babylonier konnten dies leisten, wie sie mit dieser Schaltregel bewiesen. Sie könnte auch lauten: Ist der Mond im ersten Monat des Jahres bei den Plejaden zu „dick“ (statt etwa zwei Tage alt vier Tage oder älter), dann muss man schalten (Abb. 8 als Beispiel). Man kann diese Regel auch alternativ formulieren: Zählen wir die Tage des Mondmonats durch, so kommen wir auf 29 oder 30. Zählen wir aber in dem letzten Monat des Jahres (vor dem Nissanu), dann vergehen im Fall eines Schaltjahres zwei Tage mehr, bis der Mond (jetzt der zu dicke vier Tage alte Mond) ders auffällig ist und ebenso die Plejaden eine besonders auffällige Sternkonstellation sind. 43 van der Waerden 1980, 79. Er meint, das man nach dieser Regel so sorgsam schalten könnte, dass zwei Schaltjahre nacheinander nicht eintreten dürften. Aber bei schlechtem Wetter oder mangelnder Sorgfalt wäre genau eine solche Konsequenz zu erwarten. Erst eine von der Beobachtung unabhängige mathematische Schaltregel wie der Metonzyklus gewährleistet eine sichere Schaltung. Andererseits hält van der Waerden eine Volkstradition von Kalendersternen in Babylon für die Zeit vor 1700 v. Chr. für wahrscheinlich (van der Waerden 1980, 70). Die Plejaden dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir vermuten, dass die Plejaden-Schaltregel schon damals in Babylon bekannt war. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte bei der geforderten Position bei den Plejaden steht, es vergehen also 31 oder 32 Tage (Abb. 9)44. Man kann die Regel auch so formulieren: Vergehen vom Neulicht des Vormonats (vor dem Frühlingsanfang) bis zu der Stellung Mond-Plejaden 32 Tage, dann muss geschaltet werden (Abb. 10). Das Verschwinden der Plejaden erfolgte um den 25. März (s.o.). Wenn wir um diese Tage ein Treffen der schmalen Mondsichel (um Neulicht) mit den Plejaden haben, dann erleben wir etwa zwölf Tage später Vollmond (Abb. 11). Die Babylonier feierten den Frühlingsanfang richtig zum Vollmond des Nissanu45, also um den 6. April (damals war der 5. April Frühlingsanfang) herum46. Der Fehler addiert sich jedes Jahr um elf Tage, wird aber im dritten Jahr durch die Schaltung korrigiert47. Der Frühlingsanfang wurde durch den Mond also maximal ca. 22 Tage falsch angezeigt (bei richtiger Schaltung). Gleichzeitig begann mit diesem Vollmond das neue (Sonnen-)Jahr. Diese Regel schließt selbstverständlich die genauere Festlegung des Früh- Abb. 9: Man kann die Schaltregel auch unabhängig von der „Dicke“ der Mondsichel durch die Anzahl der verstrichenen Tage seit dem letzten Neulicht formulieren. Wir beginnen mit dem Zählen am Neulicht des 12. Monats (also des Monats VOR dem Frühlingsanfang). 30 Tage später haben wir erneut Neulicht. Steht jetzt der Mond erst am 3. Tag bei den Plejaden, sind weitere zwei Tage vergangen, also insgesamt 32. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Abb. 10: Vergehen von dem Neulicht des 12. Monats im Jahr (das ist der Monat vor dem Frühlingsanfang) 32 Tage, bis der Mond bei den Plejaden steht, dann muss geschaltet werden. Diese Fassung der Regel kommt ohne eine Angabe der „Dicke“ der Mondsichel aus und ist in den 32 Punkten der Scheibe angegeben. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. 44 46 Im Folgenden gehen wir von 32 Tagen aus. Dies wäre dann eine obere Grenze, ab der geschaltet werden müsste. Auch die Sichel auf der Himmelsscheibe ist mit ca. 4,5 Tagen an dem oberen Bereich für den 3. Nissanu. Mit der Sichel wurde also die obere Grenze und nicht z.B. der Mittelwert gewählt. 45 Der Beginn des Jahres in Mesopotamien wird unterschiedlich angegeben; Jeremias 1929, 276 nennt mit Quellenangaben den Vollmond des Nissanu, ebenso Landsberger 1949, 250. Wie wir sehen werden, fällt der Frühlingsanfang (meist) in diesen Monat, der Monat beginnt aber nicht mit ihm. Idealer Weise liegt der Frühlingsanfang in der Mitte des Monats. Es ist sozusagen ein HALB-Frühlingsmonat. Diesen – passenden – Begriff nannte uns freundlicherweise Herr Schlosser. 47 Genau genommen überkorrigiert, denn erst im darauf folgenden Jahr steht der Mond am 1. Nissanu wieder bei den Plejaden. 101 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 11: Wenn wir von Abb. 3 ausgehen, dann haben wir dort am 1. Tag des Frühlingsmonats das Neulicht, eine etwa zwei Tage alte Mondsichel. Zwölf Tage später erleben wir Vollmond. Gleichzeitig ist die Sonne bis zum Frühlingspunkt weitergewandert. Der Vollmond zeigt in diesem Fall fast tagesgenau (mit einer Abweichung von nur etwa einem Tag) den Frühlingsanfang an. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. lingsanfangs durch die Beobachtung des Abenduntergangs der Plejaden48 nicht aus. Wenden wir jetzt diese Regel unter den Gegebenheiten zur Zeit der Himmelsscheibe in Mitteleuropa (Schriftlosigkeit) an. Was benötigen wir: 1. Eine Mondsichel, die uns anzeigt, dass wir schalten müssen, also einen etwas mehr als vier Tage alten Mond. Genau diese Mondsichel ist auf der Scheibe abgebildet. Sie ist etwa 4,6 Tage49 alt und keine Darstellung des Neulichts (Abb. 12 rechts). Hiermit würde die Frage geklärt, warum die Mondsichel so dick ist, wie sie ist. 2. Einen Repräsentanten für die Plejaden. Hier wurde auf der Scheibe von Nebra die Rosette gewählt, wie in Babylon50. 3. Wenn wir die Regel zusätzlich über die Anzahl der Tage vom vorhergehenden Neulicht bis zur Konjunktion Mond-Plejaden absichern wollen, benötigen wir einen Repräsentanten für die Zahl 32. Dies sind die Sterne (inkl. der sieben Rosettensterne, sie nicht mitzuzählen wäre komplizierter und aufwen48 Nach Schlosser 2005a, 44–49. Nach Korrekturen, siehe Anhang 7. Da die „dickste“ zu erwartende Neulichtsichel etwas über 2,5 Tage alt ist, ist hier eine obere Grenze für die Mondsichel am 3. Nissanu abgebildet. 50 Siehe Hansen 2008, der Autor unterstellt in diesem Artikel einen Wissenstransfer aus Mesopotamien. T. Richter vom Landesamt für Denkmalpßege und Archäologie Sachsen Anhalt hat als erster die Vermutung geäußert, dass mit der Rosette die Plejaden dargestellt werden sollten. Außerdem erkannte er die Möglichkeit, die Plejaden als Zeigersterne für die Jahreszeiten 49 102 diger geworden). Sterne zu wählen macht Sinn, da die Plejaden Sterne sind und die restlichen Punkte den Sternenhimmel an sich zeigen51. Dies verweist auf den nächtlichen Himmel, an dem sich das Gezeigte abspielt. 4. Einen Vollmond als Repräsentant des Vollmondes zum Zeitpunkt, an dem der Frühling beginnt. 5. Eine Sonne als Zeichen der Kombination: MondSonnenjahr und die Verbindung Vollmond und Frühlingsanfang. 6. Eine Hervorhebung des Objektes, auf das es besonders ankommt. Dies ist der „zu dicke“ Mond, also die Mondsichel. Die Punkte 1 bis 3 sind offensichtlich. Die Punkte 4 und 5 sind (erneut aus Vereinfachung) in einem Objekt repräsentiert. Die große Scheibe stellt sowohl den Vollmond52, als auch zusätzlich die Sonne dar. Die Frage nach der Bedeutung der großen goldenen Scheibe ist also nicht Sonne ODER Mond, die Ant- Abb. 12: Vergleich eines vier Tage alten Mondes (links) mit der Sichel auf der Scheibe (Mitte), die etwas älter (etwa 4,6 Tage ist). Der Vergleich mit der 2,5 Tage alten Sichel (rechts) zeigt, dass kein Neulichtmond gemeint sein kann, die Sichel ist dafür zu „dick“. Foto Sichel rechts: R. Hansen und links: K. P. Schröder. wort ist Sonne UND Mond53. In Babylon sind solche Doppeldarstellungen von Sonne und Mond bekannt54. Für die letzte Deutung spricht auch folgender Gedanke: Zählen wir die Sterne, also 32, dann haben zu nutzen (frdl. Mitteilung T. Richter). 51 Siehe Schlosser 2005a, 37–42. 52 Wie auch bei der Deutung von Schlosser (2005b). 53 Auf die Möglichkeit, dass die Sonne dargestellt wird, wies schon Schlosser 2005b, 65 f. hin. Er bezieht dies allerdings auf eine spätere Phase der Nutzung der Scheibe. 54 Collon 1993–1997b, 372. Über die Unklarheit, ob die Darstellung Sichel mit eingelegter Scheibe als Sichelmond mit Vollmond oder als Sichelmond mit Sonne zu deuten ist, vgl. ebd. 357. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Abb. 13: Der „Vollmond“ mit „Korona“ auf der Himmelsscheibe von Nebra. Wir unterstellen einen Doppelcharakter: Mond UND Sonne. Daher ist die Korona nur angedeutet. Foto: J. Lipták. Abb. 14: Eine echte Sonnenkorona bei einer totalen SonnenÞnsternis. Foto: R. Hansen. wir 32 Sonnenjahre. Die große Goldscheibe symbolisiert dann die Sonne. Zählen wir die 32 Sterne UND die Sonne, dann haben wir 33 Objekte, es bleibt der Mond alleine nach: also 33 Mondjahre. Wir sahen oben, dass 32 Sonnenjahre 33 Mondjahren im lunisolaren Kalender entsprechen. Auch dies wurde, zusätzlich, auf der Scheibe verewigt. Deshalb hat der „Vollmond“ eine Korona (Abb. 13), weil er eben auch die Sonne darstellt. Die Korona ist auf der Nebra-Scheibe aber nicht so auffällig wie die echte Sonnenkorona (Abb. 14), weil die Sonne ja auch den Vollmond repräsentiert55. Die Korona ist ein Hinweis auf den Doppelcharakter der goldenen Scheibe. Um die Bedeutung der Mondsichel hervor zu heben, wurde sie auf der Nebra-Scheibe als größtes Objekt (größer als der Vollmond/die Sonne) aufgetragen. Von den Erscheinungen her müssten Vollmond und Sichelmond selbstverständlich gleich groß sein56. Fassen wir zusammen: Wir haben die viereinhalb Tage alte Mondsichel bei der Rosette (= den Plejaden) (Abb. 4), haben 32 Sterne für die 32 Tage bis zu dieser Mondsichel (vom letzten Neulicht) (Abb. 10) und den Vollmond für den Frühlingsanfang (Abb. 11). Außerdem bilden die 32 Sterne den Sonnenlauf (jetzt dient die große Goldscheibe als Sonnensymbol) und die 32 Sterne MIT Sonne gezählt (=33) den Mondlauf ab, weil 32 Sonnenjahre gleich 33 Mondjahre sind (Abb. 6). Einfacher kann man diese Regel in einem Memogramm wohl kaum umsetzen. Diese Deutung bietet somit eine Erklärung für57: 1. die Dicke der Mondsichel, 2. die Anzahl der 32 Sterne, 3. die vergrößerte Darstellung des Sichelmondes im Vergleich zum Vollmond sowie 4. die „Korona“ um den Vollmond, da dieses Objekt Mond UND Sonne repräsentiert. Damit werden alle Objekte auf der „Urscheibe“ von Nebra in die Erklärung einbezogen, es bleibt kein „Rest“. Die Deutungen von Schlosser behalten im vollen Umfang ihre Gültigkeit. Die Scheibe beinhaltet also noch weitere Kalenderinformationen (dann ist die 55 Horizont betrachtet und zwar beim Aufgang im Osten. Dieser Effekt müsste also bei beiden Objekten auftreten und fällt als Erklärung aus. 57 Dies gilt für die Urscheibe nach Meller 2004, 28 f. und Pernikka/Wunderlich 2002; Wunderlich 2004, 40 f. Nach Schlosser 2004, 46–47 symbolisiert der Vollmond mit den Plejaden das Ende des bäuerlichen Jahres. 56 Dass die Sichel größer dargestellt wurde, weil sie am Horizont beobachtet wird, kann dies nicht erklären. Der Effekt (als optische Täuschung) tritt zwar auf. Aber auch der Vollmond wird am 103 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 große Scheibe der Vollmond). Die Kompaktheit der Darstellung korrespondiert hervorragend mit ihrer Nüchternheit. Die Idee, die Dicke der Mondsichel als Abstandsindikator zur Sonne zu nutzen, ist verblüffend. Dass man dies aus eigenen Beobachtungen in Nebra tat, erscheint möglich, schließlich leben wir unter demselben Himmel. Ein Unterschied der Himmelserscheinungen ergibt sich jedoch aus der unterschiedlichen Breite58: Die Scheibe wurde für eine Breite von 52 Grad Nord gefertigt59, Babylon liegt auf 32,5 Grad. Dieser Unterschied von 20 Grad führt zu einer anderen Lage des Äquators (und damit auch der Ekliptik) zum Horizont. In Babylon steht der Äquator steiler als in unseren Breiten60. Der Mond erreicht bei demselben Abstand zur Sonne in Babylon eine größere Höhe über dem Horizont. So lässt sich dort schon eine schmalere Sichel beobachten als bei uns. In der Praxis fallen die Unterschiede zum Frühlingsanfang aber nicht so gravierend aus, da in diesem Fall die Ekliptik steiler als der Äquator verläuft. Selbst für Nebra liegt die Ekliptik dann sehr günstig (d.h. steil aufsteigend), mit einem Winkel von 62 Grad, während sie in Babylon fast senkrecht aufsteigt (81,5 Grad). In diesen Fällen fallen die Unterschiede in den Sichtbarkeiten kaum auf61. Dass man diese Regel in einer schriftlosen Kultur fand, erscheint uns unwahrscheinlicher als die These, dass eine Verbindung nach Mesopotamien dieses Wissen brachte62. Auf solche weitgehenden Ferntransporte könnten Funde in Troja hinweisen63. Anderseits könnte das Gedankengut der Schaltregel über Zwischenstationen, z.B. Troja und Mykene64, sein Ziel erreicht haben. Über mögliche Fernkontakte wird vielfältig diskutiert65. Die Vorteile des neuen Kalendertyps ließen diese Übernahme leicht geschehen, und im Folgenden änderte sich der Sonnencharakter des Kultes zu einem lunisolaren66, genauso wie der Kalender lunisolar wurde67. Das Ende der Gültigkeit der Schaltregel Durch eine Taumelbewegung der Erdachse in ca. 26.000 Jahren ändert sich die Lage der Drehachse des Himmels und des Himmelsäquators (siehe Anhänge 10 und 11). So wandert der Frühlingspunkt in diesen 26.000 Jahren einmal durch den Tierkreis. Vor 3600 Jahren lag er an der Grenze Stier/Widder68. Das führt dazu, dass die Plejaden letztmals am 25.3. (julianisch) sichtbar waren, bevor sie in der Abenddämmerung verschwanden69. Eine Mondsichel, die am 25.3. bei den Plejaden stand, hatte ein Mondalter von etwas über zwei Tagen (siehe Anhang 8). Nach der Einschaltung eines Monats konnte es passieren, dass die Plejaden bei dem nächsten Neulicht schon verschwunden waren – es wurde sozusagen überschaltet. Der Vorteil ist, dass man nicht den Betrag von 30 Tagen abwartet70, bis man diese ausgleicht, sondern schon nach etwa 20 Tagen Differenz schaltet und damit quasi zehn Tage überschaltet. Diese zehn Tage werden im 1. Jahr (direkt nach der Schaltung) „aufgebraucht“, so dass nach einem Jahr wieder eine Neulichtsichel bei den Plejaden steht. Man wartet also nicht den vollen Betrag von 30 Fehltagen ab, sondern schaltet schon nach 20 Tagen. Der Fehler pendelt so (bei optimaler Schaltung) zwischen +20 und -10 Tagen. Durch die Präzession bewegt sich der Frühlingspunkt weiter in die Fische hinein. Das Verschwinden der Plejaden erfolgt damit später im Jahr. Die Distanz der Plejaden von der Sonne am Frühlingspunkt wuchs so immer weiter an, so dass eine dickere Mondsichel bei ihnen stand. Es passierte somit nicht mehr, dass eine Neulichtsichel im Frühlingsmonat bei den Plejaden stand. Erst am 2. Tag des Mondmonats stand der Mond als dickere Sichel bei den Plejaden (Abb. 32 unten). Die Schaltregel hatte somit ihre strenge Gültigkeit verloren. Man könnte sie anpassen, in dem man sie entweder einen Monat nach Frühlingsanfang verlegt, oder auf die dickere Mondsichel, also auf den 4. statt des 3. Nissanu anpasst und somit den Frühlingsanfang im Nissanu belässt. 58 65 Genaueres in Anhang 8. Schlosser 2005a, 52–56. 60 Die Sonne versinkt schneller, weshalb die Dämmerung kürzer ist. 61 Siehe Anhänge 10 und 11. 62 Zur Herkunft des Wissens aus Mesopotamien vgl. Hansen 2008. 63 Mansfeld 2001, 226–230. 59 64 Über Hinweise, die auf mögliche Zwischenstationen für den Wissenstransfer hinweisen: Hansen i.Vorber. 104 Maraszek 2004, 18; Kaul 2004a, 57; Kaul 2004b, 60–62; Sommerfeld 2004b, 82–84; Schlosser 2005b, 67 f. sowie die Beiträge von Gerloff, Spindler und Hänsel im geplanten Band zur Tagung in Halle. 66 Sommerfeld 2004a und ders. im geplanten Band zur Tagung in Halle. 67 Menghin in diesem Band und das Folgende. 68 Siehe Anhang 10, Abb. 32 Mitte. 69 Schlosser 2005a. 70 Zahlen zur Vereinfachung gerundet. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Eine stilisierte Sichel mit etwa der entsprechenden Dicke eines Mondalters vom 4. Mondtag kann man im Kultbild des Mithras in dem verkrümmten Stier erkennen (siehe folgender Abschnitt). Bleibt man bei der Schaltregel mit dem 1./3. Nissanu, so fällt der Frühlingsanfang nicht mehr in diesen Monat, sondern in den vorhergehenden. Nur in dem Fall, dass man zu spät schaltet, also bei einer dickeren als der Schaltsichel (daher erst am 4. Nissanu), kann der Frühlingsanfang in den Nissanu fallen. Denselben Fall hat man, wenn man eine extrem dicke Neulichtsichel hatte. In diesen, immer seltener werdenden Fällen, fällt der Frühlingsanfang noch in den Nissanu. Lässt man diese „Aufweichung“ der Regel, dass nur noch in seltenen Fällen der Frühlingsanfang in den Nissanu fällt, zu, dann verlängert sich ihre Gültigkeit etwas. Die Schaltregel verlor also im Laufe der Zeit ihre Gültigkeit, weil der Frühlingsanfang aus dem Nissanu in den vorhergehenden Monat heraus wanderte. Wann begann die Gültigkeit der Schaltregel? Betrachten wir die Situation um 3200 v. Chr. (Abb. 32): Mond, Sonne und Plejaden stehen wie 1600 v. Chr. identisch zueinander. Es ist der 1. Nissanu (Neulichtsichel bei den Plejaden). Der Frühlingspunkt liegt schon im Stier, aber noch nahe der Zwillinge. Bis die Sonne den Frühlingspunkt erreicht, vergeht mehr als ein Monat, so dass der Frühlingsanfang in den nachfolgenden Monat fällt (Abb. 33). Erst in den folgenden Jahrhunderten, wenn der Frühlingspunkt weiter (nach rechts) in den Stier hineinwandert, kann es passieren, dass der Frühlingsanfang gerade noch in den Nissanu fällt, und zwar am Monatsende. Wegen der Differenz der Länge von Mondjahr zum Sonnenjahr passiert es zunächst sehr selten, wird im Laufe der Jahrhunderte aber langsam die Regel. Wann man diesen Zusammenhang vom 1. Nissanumond bei den Plejaden und dem Frühlingsanfang im Nissanu erkannte, hängt davon ab, ob schon die seltene Koinzidenz oder erst die Regelhaftigkeit als ausschlaggebend angesehen wird. Ab der Mitte des 3. Jahrtausends kann man die Regel als sinnvoll anwendbar betrachten71. Sie verlor ihre strenge Gültigkeit um 500 v. Chr.72, danach galt sie noch für einige Zeit in der oben erwähnten „schwachen“ Form (Frühlingsanfang im Schaltmonat). Den ersten greifbaren Nachweis einer propagandistischen Nutzung des Mithras in Rom Þnden wir im Jahre 66. Nach einer diplomatischen Einigung wird der Bruder des Großkönigs von Parthien, Tiridates, König des strategisch wichtigen Armenien. Im Zuge dieser Einigung zieht Tiridates mit großem Gefolge monatelang durch das römische Reich, kniet im goldgeschmückten Rom vor Nero nieder, preist ihn als seinen Gott Mithras und erhält von Nero, wie von dem Sonnengott selbst, seine Königswürde. Ein Propagandaerfolg für Nero. Der Bezug zur Sonne war auch schon früher von Kaisern genutzt worden. Caesar führte den Sonnenkalender75 – den julianischen Kalender – ein. Sein Geburtsmonat wurde in Juli umbenannt. Die Schal- 71 74 72 75 Pingree 1984. Ebd. 73 Hansen 2005 zu weiterer Literatur zu Mithras und den Sonnenkulten im antiken Rom. Das Mithrasrätsel Im römischen Kaiserreich fand ab Ende des 1. Jhs. ein neuer Mysterienkult großen Zulauf – der Mithraskult. Mit seinen henotheistischen Tendenzen konkurrierte er mit dem aufstrebenden Christentum, das einiges aus diesem Kult, z.B. den Termin des Weihnachtsfestes, übernahm73. Ein Rätsel bleibt aber das Kultbild des Mithraskultes, der stiertötende Gott. Hinweise auf eine astrale Interpretation gibt das Kultbild reichlich: HäuÞg ist der Tierkreis abgebildet, mehrere NebenÞguren bilden den damaligen Himmelsäquator (Abb. 15)74. Abb. 15: Mithrasrelief, gefunden in London, heute im British Museum, hier: Gipsabguss der Abgusssammlung Warburg im Hamburger Planetarium. Foto: R. Hansen. Weiteres dazu in Merkelbach 1984 und Speidel 1980. Ursprünglich gab es auch in Rom einen lunisolaren Kalender (Rüpke 2006). 105 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 tung erfolgte aber zunächst nicht im 4-, sondern 3Jahrestakt. Augustus korrigierte diesen Fehler. Der Monat, in dem er Kleopatra besiegte und Ägypten eroberte, erhielt den Monatsnamen August76. Augustus war ebenfalls dem Sonnengott zugetan: Nach dem Sieg bei Aktium opferte er dem Sonnengott Apoll. Außerdem ließ er die „Sonnenuhr des Augustus“ aufrichten. Ein Obelisk als Siegeszeichen über Ägypten, mit einem praktischen Nutzen: Die Schattenlänge zur Mittagszeit zeigte den Jahreslauf an77. Der neue Kalender hatte als Hüter nur noch die Sonne. Zusätzlich haben Augustus und Nero die Sonne für ihre Propaganda genutzt. Genau dieses Ziel verfolgt auch der Mithraskult – eine Zentralstellung des Sonnengottes Mithras. Dies lässt dem Kaiser die Möglichkeit, als sein irdischer Stellvertreter aufzutreten78. Im Kultbild tötet Mithras den Stier, der dabei als dicke (für die Schaltregel zu dicke) Mondsichel erscheint79. Dies kann man folgendermaßen interpretieren: Der Sonnengott tötet die zu dicke Mondsichel im Stier – eigentlich bei den Plejaden – eben weil sie für den Frühlingsmonat zu dick ist und ihre langjährige Funktion im Sinne der babylonischen Schaltregel nicht mehr erfüllen kann. Stattdessen setzt sich der Sonnengott Mithras als alleiniger Herrscher über die Zeit durch. Das Kultbild des Mithras könnte man folglich als Darstellung des Überganges von dem „polytheistischen“ Lunisolarkalender (in dem Sonne, Mond und Sterne in Form der Plejaden die Zeit regeln) hin zu einem „monotheistischen“ Kalender, der alleine von der Sonne geregelt wird, interpretieren. Die astronomische Beobachtung konnte den Kalender nicht mehr in der traditionellen Form regeln. Aus dieser Krise tritt als Lösung ein neuer Kalendertyp, der Sonnenkalender, hervor80. Mit der Auswahl eines reinen Sonnenkalenders könnte der Übergang zum Monotheismus erleichtert worden sein. Der Sonnenwagen von Trundholm – ein Finsterniszyklus? Als Arbeitshypothese gehen wir davon aus, dass das Wissen um die Kalenderschaltung in der Bronzezeit zumindest einigen wenigen bekannt blieb. Dies ist für das Folgende keine zwingende Voraussetzung, macht aber den weiteren Ideenwerdegang schlüssiger. Es reicht aus, dass ein lunisolarer Kalender in Gebrauch war. Wie und nach welcher Regel er geschaltet wurde, als auch eine irgendwie aussehende Erwartungshaltung der HäuÞgkeit der Schaltung spielen für die folgende Überlegung keine Rolle. Die Methode, eine Erwartung zu deÞnieren und diese mit der Beobachtung abzugleichen, ist aber ähnlich. Nachdem man den Kalender mit Sonne und Mond via Schaltregel (welcher auch immer) einigermaßen in den Griff bekommen hatte, war das nächste Ziel, mit dem ein „Wissender“ Eindruck machen konnte, die Vorhersage von Finsternissen. Diese Vorhersage von Finsternissen kann als ein Abfallprodukt in dem Bemühen, die Erwartungshaltung für die Schaltrhythmik zu verbessern, betrachtet werden. Für eine bessere Schaltrhythmik benötigt man genauere Kenntnis der Länge des synodischen Monats. Am besten kann man diese zwischen zwei Finsternissen bestimmen, da die Beobachtung einer Finsternis den exakten Zeitpunkt von Neu- oder Vollmond (bei einer Sonnen- oder MondÞnsternis) liefert. Der Abstand zweier gleicher Finsternistypen (also Sonnenoder MondÞnsternis) voneinander ist eine ganze Anzahl des gesuchten synodischen Monats. Neben der Anzahl der verstrichenen Monate muss man nur die in dieser Zeit vergangenen Tage zählen81. Wiederholt man dieses Vorgehen, kann man über Mittelwertbildung eine immer bessere Genauigkeit des mittleren synodischen Monats ermitteln. Um nicht bei jedem Vollmond nach einer MondÞnsternis82 Ausschau halten zu müssen, erleichtert es dem Astronomen die Arbeit, dass mögliche Eintreten der Finsternis voraussagen zu können. Metho- 76 Kalender, der die Gestirne als Anzeiger der Zeit optimal nutzt. Für diese Übergänge muss man also nach auslösenden Motiven suchen. Das Ende der Schaltregel könnte ein solcher Grund sein. 81 Zu beachten ist dabei auch, wann die Finsternis in der Nacht genau stattfand. Es erhöht die Genauigkeit, wenn man auch die Differenz der Nachtzeit als Bruchteil eines Tages mit berücksichtigt. 82 Auf diesen Finsternistyp wollen wir uns hier konzentrieren, da eine MondÞnsternis von einem größeren Bereich auf der Erde zu beobachten ist als eine SonnenÞnsternis. Zu den Monatsnamen freundlicher Hinweis von Clauss (priv. Mitteilung) 77 Schütz 1990. 78 Weitere Literatur dazu in Hansen 2005. 79 Dazu, dass der Stier in vielen Kultbildern der dicken Mondsichel ähnlich ist, vgl. Merkelbach 1984, 202 f. Zur möglichen Herkunft der Identität von Stier und Mond ebd., 11 f. 80 Im arabischen Kulturraum passierte später ähnliches: Nachdem auch hier zunächst ein lunisolarer Kalender im Gebrauch war, wurde mit dem Islam ein reiner Mondkalender eingeführt, vgl. Sprenger 1859. Aber sowohl der reine Sonnen- wie auch der Mondkalender sind eigentlich unpraktischer als der lunisolare 106 Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte disch bedeutet dies, dass man die Vorhersage einer Finsternis eigentlich als Mittel zu dem Zweck, die Monatslänge genauer bestimmen zu können, betrachten kann. In der Praxis wird die Prognosemöglichkeit einer Finsternis wegen des Imagegewinns ein Eigenleben entwickeln. Für die Vorhersage einer Finsternis gab es in Mitteleuropa eine andere Entwicklung als in Mesopotamien. Mit einer Schrift kann man über lange Zeiträume Finsternisse genau protokollieren und aus den Archiven z.B. den Knotenmonat83, wichtig für die Finsternisse, ableiten. Mit einer häuÞgen Beobachtung und Protokollierung der Position des Mondes, insbesondere bei einer Finsternis, Þndet man heraus, dass nur eine Finsternis eintritt, falls der Mond auf einer bestimmten Linie im Tierkreis steht. Diese Linie heißt Finsternislinie (Ekliptik) und bildet die scheinbare Bahn der Sonne durch den Tierkreis ab. Man kann also die scheinbare Sonnenbahn im Tierkreis durch MondÞnsternisse bestimmen. Durch weitere Beobachtungen bemerkt man, dass die Mondbahn nicht mit der Ekliptik übereinstimmt, sondern sie an zwei Punkten, den Knoten, schneidet. Nur wenn der Mond in einem solchen Knoten steht, kann es eine Finsternis geben. In Mesopotamien stellte man fest, dass sich die Knoten bewegen. Ein Durchgang des Mondes durch denselben Knoten erfolgt somit nicht in derselben Zeit, die verstreicht, bis er wieder vor demselben Stern steht84. Für das Zustandekommen (als Beispiel) einer MondÞnsternis gibt es somit zwei Bedingungen: 1. Es muss Vollmond sein. 2. Der Mond muss in einem Knoten stehen. Um dies zu beschreiben, nutzte man in Mesopotamien richtiger Weise den synodischen und Knotenmonat. Man erkannte85, dass nach 223 synodischen Monaten recht genau 242 Knotenmonate verstrichen waren und sich somit eine Finsternis ähnlich wiederholt. Dieser Zyklus von ca. 18 Jahren und 11 Tagen wird Saroszyklus genannt. Dies bedeutet nicht, dass sich erst nach 18 Jahren überhaupt wieder eine Finsternis ereignet, sondern, dass sich jede Finsternis nach dem Saroszyklus ähnlich wiederholt86. Die Kenntnis des Knotenmonats und des Saroszyklus sind herausragende Leistungen der babylonischen Astronomie und beruhen auf der Möglichkeit, viele Beobachtungen zu archivieren. Dieser Weg ging so in Mitteleuropa nicht. Dafür bot sich eine andere Lösung an: Ausgehend von dem bekannten synodischen oder Phasenmonat (29,5 Tage) und der Beobachtung, dass nicht bei jedem Neu- und Vollmond eine Finsternis stattÞndet, muss es eine zweite Bedingung für das Eintreten einer Finsternis geben. In Mesopotamien war diese Bedingung, der Knotenmonat, bekannt. In Mitteleuropa, ohne die Möglichkeit, ausführliche Beobachtungsarchive anzulegen, dürfte der Knotenmonat unbekannt gewesen sein. Die alternative zweite Bedingung könnte stattdessen, als erste Arbeitshypothese, der Ort unter den Sternen gewesen sein. Dieser Sternenmonat ist aber aus Beobachtungen auch für einen Mitteleuropäer leicht mit 271/3Tagen zu bestimmen. Ausgehend von diesen beiden Zyklen konstruiert man einen hypothetischen Finsterniszyklus (wir nennen ihn bronzezeitlichen Pseudosaros)87. Der echte Saros umfasst 223 Phasenmonate und 242 Drachenmonate, der Pseudosaros 225 Phasenmonate und 243 Sternmonate88. Mit den unterstellten Genauigkeiten von 29,5 Tagen für den Sonnenmonat und 271/3 Tagen für den Sternmonat erhält man diesen Pseudosaros mit einer Differenz von 4,5 Tagen89. Er stellt einen Zyklus mit nur kleiner Abweichung dar. Nach z.B. 13¼ Jahre passen beide Zyklen (bei den unterstellten Längen) perfekt90. Dass dies nicht stimmen konnte, muss man schon damals erkannt haben. Den „Gelehrten“ war bewusst, dass ihre Daten (in diesem Fall die Länge der Monate) nicht genau waren, sie versuchten aber, aus ihrem Halbwissen das beste zu machen91. 83 89 Zum Knoten- oder Drachenmonat siehe Anhang 11. Siehe auch siderischer Monat: Anhang 3, Abb. 22 und Knotenmonat: Anhang 11, Abb. 34. 85 Dies geschah aber erst im 1. Jahrtausend v. Chr., vermutlich nach 700 v.Chr. (van der Waerden 1980). 86 Außerdem kann es passieren, dass z.B. eine MondÞnsternis sich nach dem Saroszyklus zur Tageszeit ereignet. Sie Þndet dann zwar statt, kann aber nicht beobachtet werden, da der Mond zu diesem Zeitpunkt unter dem Horizont steht. 87 Ein Zahlensystem, als Grundlage für jegliche Berechnungen, zeigt Sommerfeld (2004a) auf. 88 Zu den verschiedenen Monatslängen siehe die Anhänge 1,2 und 11. 84 225 synodische Monate mit 29,5 Tagen = 6637,5 Tage, 243 siderische Monate zu 271/3Tagen = 6642 Tage. 90 164 synodische Monate zu 29,5 Tagen = 4838 Tage, 177 siderische Monate zu 271/3Tagen = 4838 Tage. 91 Dass der Zyklus im Bereich 18 Jahren liegen muss, kann man aus Beobachtungen der extremen Monduntergänge recht leicht erraten. Mit dem Saroszyklus verschieben sich auch diese extremen Monduntergänge in 18 Jahren. Ohne allzu große Schwierigkeiten können die Beobachtungen einen so auf die Größenordnung von 18 Jahren führen, ohne allerdings einen genauen Wert ableiten zu können. Dafür hat man dann den Pseudosaros konzipiert. 107 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 16: Vorderseite der Trundholmscheibe. Foto: J. Lipták. Abb. 17: Rückseite der Trundholmscheibe. Foto: J. Lipták. Diese Zahlen (225 und 243) Þndet man nun auf dem Sonnenwagen von Trundholm92: Zählt man die Punktmuster, so kommt man auf der Goldseite (Abb. 16) zu 1 / 8 / 16 / 27 und auf der Rückseite (Abb. 17) zu 1 / 8 / 20 / 25. Nimmt man die 1 und 8 in der Mitte zusammen (was bei den Elementen, die nicht getrennt sind, nahe liegt), dann kann man die resultierende 9 jeweils mit 27 und 25 multiplizieren und erhält die Werte 243 und 225, wie gerade konstruiert. Um mit diesem vermuteten Zyklus arbeiten zu können, muss man die Monate abzählen, und zwar in einer zyklischen Weise. Man merkt sich dann das Eintreten einer Finsternis im Bezug zum Zyklus, und vermutet, dass 225 (Phasen)Monate später erneut eine Finsternis eintritt. Diese Zählung erfolgt folgendermaßen: Aus den Punktmustern haben wir bisher den jeweils dritten Kreis auf Vorder- und Rückseite, der durch das umschlingende Band eine fortlaufende Zählung auch nahe legt, nicht genutzt. Zählt man die einzelnen Kreismuster und Spiralen, kommt man auf sechs konzentrische Kreise oder Spiralumläufe (was wegen des fortlaufenden Bandes nicht überall exakt stimmt). Zählt man jetzt die 16 bzw. 20 von innen nach außen durch, für jeden Kreis einmal, so erhält man 6 x 16 + 6 x 20 = 216 Monate. Hierzu muss man noch einmal die inneren neun Punkte als Monate ergänzen, um auf 225 zu kommen. Man könnte den Wagen dann wie folgt nutzen: Man beginnt bei einem beliebigen Startpunkt (am besten bei einer Finsternis) und zählt mit dieser beginnend im Zentrum 1 und dann die 8 umliegenden Punkte einmalig als Monate. Dann springt man auf die 16 oder 20 und zählt zyklisch sechsmal durch, danach wiederholt man dies auf der anderen Seite. Nach 225 Monaten wäre ein Zyklus durch. Bei jeder Finsternis merkt man sich die Position, z.B. goldene Seite, 5. Kreis beim dritten Umlauf. Das Ergebnis wird sein, dass die Finsternis tatsächlich wieder eintritt, aber IMMER zwei Monate früher. Dies wird man nach wenigen Finsternissen bemerken. Nach einigen Durchläufen (also einige mal 18 Jahre) wird man aber empirisch die Richtigkeit dieses 223 Monate langen Zyklus sehr überzeugend Þnden. So könnte man aus einfachen Annahmen eine Hypothese über das Eintreten von Finsternissen aufstellen und diese mit Hilfe des Sonnenwagens (die Rückseite würde dann eher den Mond darstellen, wie dies Sommerfeld sagt93) dann testen. Diese Methode würde zu dem richtigen Saroszylus führen, ohne dass man den Knotenmonat kennt. Für den Sonnenwagen würde diese Deutung aber eine Erklärung für Art und Anzahl der Kreise auf ihm geben. Es wäre eine in Bronze gegossene Theorie über die Himmelsmechanik, ähnlich wie die 32/33 Jahre auf der Himmelsscheibe, nur in einer komplexeren Form und für einen weiterführenden Zweck. 92 93 Zur klassischen Deutung siehe Kaul 2003 und 2004a. 108 Sommerfeld 2008. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Die Goldhüte – geeignet für den Kalender und die Finsternisprognosen Wir vertreten hier die These, dass mit dem Sonnenwagen eine Theorie über die Zyklen der Himmelsrhythmen aufgestellt wurde. Ziel war die Vorhersage von Finsternissen. Man testete mit dem Sonnenwagen eine Theorie aus und konnte diese nach etwa 50 Jahren (das wären immerhin schon fast drei Zyklen) überzeugend berichtigen. Eine MondÞnsternis (wir betrachten wieder nur diese Form der Finsternis) trat nicht nach den erwarteten 225 synodischen Monaten wieder ein, sondern schon nach 223 Monaten. In diesem Zyklus beobachtet man nicht nur eine MondÞnsternis, sondern, je nach Wetter, ca. 12 bis 15. Nach jeweils 223 Monaten wiederholt sich jede dieser Finsternisse wieder94. Diese 223 Monate entsprechen dem Saroszyklus. Man kann den Saroszyklus auf diese Weise leicht in etwa 50 Jahren aus der Erfahrung ableiten. Das Mittel dazu ist der Sonnenwagen. Sollte diese Theorie für den Sonnenwagen stimmen, dann ist zu erwarten, dass wir Hinweise auf diesen nützlichen Saroszyklus auch in der Zeit nach dem Sonnenwagen Þnden. Falls man nun in der folgenden Zeit in diesem Kulturkreis Hinweise auf den echten Saroszyklus Þnden sollte, dann stellt sich umgekehrt die Frage, wie man dieses Wissen erhalten hat. In Mesopotamien war der Saros erst viel später bekannt. Dies Wissen müsste also in Mitteleuropa vor Ort selbst entwickelt worden sein. Der Sonnenwagen wäre dafür ein geeignetes Objekt gewesen. Auf den Goldhüten Þndet man aber tatsächlich einen solchen Hinweis95: Betrachten wir zunächst den Berliner Hut. Was ist das Ziel? Nachdem mit dem Sonnenwagen der Saroszyklus (18 Sonnenjahre und elf Tage, oder 223 synodische = Phasenmonate oder 18 Mondjahre zu 35496 Tagen plus sieben Phasenmonaten) bekannt war, wollte man diesen nutzen, um 1. Finsternisse vorherzusagen, was dem Prestige dient, und 2. für den Kalender den Mondzyklus, also die Länge des Phasenmonats, besser zu bestimmen. Dies ist mit Hilfe von Finsternissen besonders günstig, da (wir betrachten wieder die MondÞnsternisse) der Vollmond leicht mit der Mitte der Finsternis zu bestimmen ist97. Ziel ist dabei, sich von einer beobachtungsabhängigen Schaltregel, wie der auf der Himmelsscheibe, zu lösen und einen mathematischen Schaltrhythmus zu entwerfen. Dafür ist es notwendig, die Länge von Sonnenjahr und Mondmonat möglichst genau zu kennen. Da der Phasenmonat in seiner Länge aber schwankt, muss man hier einen möglichst genauen Mittelwert für ihn Þnden. Dazu sind die Abstände zwischen zwei Finsternissen, meist im Bereich eines oder mehrer Jahre, sehr geeignet, da sie schon etwas über die Schwankung der Monatslänge mitteln. Listet man zusätzlich möglichst viele Finsternisse auf, kann man über verschiedene Paare von Finsternissen erneut mitteln. Je mehr Finsternisse man in diese Rechnungen einbezieht, und je genauer man ihren Zeitpunkt in der Nacht Þxiert, desto besser wird das Ergebnis. Besitzt man nun möglichst genaue Mittelwerte für das Sonnenjahr und den Mondmonat, so kann man mathematisch eine passende SchalthäuÞgkeit ermitteln. Bekannt aus der Antike ist der Metonzyklus, in dem man in 19 Sonnenjahren sieben Schaltmonate einfügen muss. Hier entfällt die Notwendigkeit einer beobachtungsorientierten Schaltung, da der Rhythmus über mehrere Zyklen eine ausreichende Genauigkeit garantiert. 94 naten) sind es immerhin schon fast sieben Tage (18 x 0,36708 + 7 x 0,03059 = 6,82157). Wie aus Anmerkung 109 hervorgeht, funktioniert unser Modell aber trotz dieser Abweichung und hilft diesen Unterschied auch sehr schnell aufzudecken. 97 LandläuÞg scheint dies Problem sich nicht zu stellen – man sieht doch, wann Vollmond ist. Laien vertun sich in dem Zeitpunkt des Vollmondes aber leicht um zwei Tage. Und selbst für den kundigen Beobachter ist der Zeitpunkt des Vollmondes in EINER Nacht schwierig zu bestimmen. Bei dem nächsten Vollmond wiederholt sich diese Unbestimmtheit, so dass man die Länge des Monats als Differenz zweier Vollmonde so nur sehr ungenau erhält. Dasselbe gilt in ähnlicher Form für die anderen Mondphasen. Die Finsternisse weisen aus dieser Schwierigkeit einen eleganten Ausweg. Diese erwartete Finsternis wird aber nicht immer zu beobachten sein. Fällt der Vollmond in die Tageszeit, dann steht der Mond unter dem Horizont und die Finsternis ist nicht zu sehen. Die Vorhersage bezieht sich auf die Möglichkeit einer Finsternis, ob sie auch zu beobachten ist, hängt vom der Tageszeit des jeweiligen Vollmondes ab. 95 Einen Überblick über die Hüte mit Ausnahme des in Berlin aufbewahrten, gibt Schauer 1986; zur Kalenderdeutung Menghin 2003. 96 Die 354 ergeben sich aus unserer Näherung für die Monatslänge zu 29,5 Tagen (12 x 29,5=354). Der exakte Mittelwert für den Phasenmonat beträgt 29,53059 (Haupt 1989). Es ergibt sich damit das Mondjahr zu 354,36708, gerundet immer noch 354. Der Fehler von 0,36708 Tagen macht sich erst nach mehreren Mondjahren bemerkbar. Nach 18 Mondjahren (und sieben Mondmo- Wie eben schon angeführt kann man den Saros folgendermaßen angeben: I. 18 (Sonnen-)Jahre und elf Tage, II. 223 Phasenmonate, 109 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 III. 18 Mondjahre zu 354 Tage98 + sieben Phasenmonate. Jede Darstellung hebt etwas anderes hervor: I. Die 18 Sonnenjahre plus elf Tage zeigen an, dass zu 19 Sonnenjahren genau ein Mondjahr zu 354 Tagen fehlt (da diese elf Tage genau den Unterschied zwischen Sonnenjahr 365 Tage und Mondjahr 354 Tage ausmachen). Das bedeutet, dass man auch sagen kann: 1 Saros + 1 Mondjahr = 1 Meton99. Dieser Zusammenhang ist sehr interessant100. Kennt man den Saros, dann ist der Weg zu Meton als Schaltzyklus, um Sonnenjahre und Mondjahre möglichst glatt durch Schaltmonate auszugleichen (sieben Schaltmonate in 19 Sonnenjahren) sehr leicht – man könnte sagen, bei bekanntem Saros wird einem Meton geschenkt. Am Himmel bedeutet dies: Nach einem Saros wiederholt sich eine Finsternis (auch wenn man sie vielleicht nicht sehen kann, da der Mond gerade unter dem Horizont steht). Aber wegen der elf Tage (Saros 18 Sonnenjahre plus elf Tage) steht der Mond nicht am selben Ort am Himmel101. Wartet man jetzt noch ein Mondjahr ab102 (dann sind es genau 19 Sonnenjahre), stimmt die Mondphase wieder, und der Mond steht am selben Ort vor den Sternen wie vor 19 Jahren103 – also sind Sonnenlauf (genau 19 Sonnenjahre) und Mondlauf (wieder dieselbe Phase) synchronisiert. Dieser Zusammenhang wird bei bekanntem Saros recht leicht zu entdecken sein104. II. Nach 223 Phasenmonaten wiederholt sich eine Finsternis. Denkt man primär in Mondmonaten, wie bei einem Mond-Sonnenkalender, dann ist diese die entscheidende Zählung. Um die Finsternis alleine vorherzusagen, reicht es aus zu wissen, nach wie viel 98 Siehe Anmerkung 96. Der Schaltzyklus von sieben Monaten in 19 Jahren, Meton genannt, verbirgt sich nach Menghin (dieser Band) ebenfalls verschlüsselt auf dem Berliner Hut. 100 Uns ist unklar, ob dies schon einmal ausführlich gewürdigt wurde. 101 Bei einer MondÞnsternis steht der Mond der Sonne genau gegenüber, sonst könnte er nicht in den Schatten der Erde hineinlaufen. Da der Saros 18 Jahre und elf Tage beträgt, steht die Sonne aber an einem anderen Ort, und zwar elf Tage versetzt in ihrem Lauf. Der Mond steht somit ebenfalls an einem anderen Ort vor den Sternen. 102 Da man bei einem Mond-Sonnenkalender primär in Mondphasen denkt und das Mondjahr mit zwölf Monaten zugrunde legt, ergänzt bisweilen um den 13. Schaltmonat, ist das Mondjahr eine gängige Einheit. 103 Dies gilt für die Länge des Mondes, die Breite hingegen kann leicht variieren. 104 Damit könnte man sich eigentlich zufrieden geben und den 99 110 Vollmonden sich die Finsternis wiederholt – man denkt ja in diesem Mondzyklus. Die Anzahl der genauen Tage ist nicht so wichtig, man sieht augenscheinlich, wann in etwa wieder Vollmond sein wird. Entscheidend ist zu wissen, dass dieser Vollmond ein „Sarosvollmond“ ist, also einer mit der Möglichkeit, dass eine Finsternis eintritt. III. Die Anzahl der 18 Mondjahre a 354 Tage105 und sieben Monate a 207 Tage ist interessant, falls man die Tage zwischen zwei Finsternissen abzählen möchte. Dies geht über die Vorhersage der Finsternisse hinaus. Bei dieser Betrachtung interessieren die Finsternisse vor allem, wie oben unter II. gezeigt, um den genauen Zeitpunkt des Vollmondes zu bestimmen und damit aus den Differenzen jeweils zweier MondÞnsternisse in Monaten UND Tagen die Phasenmonatslänge genauer zu bestimmen, um somit den Kalender zu verbessern. Was braucht man in der Praxis, um die Hüte zu nutzen? a) Eine Zählung in Monaten, die anzeigt, dass nach 223 Monaten der Saroszyklus abgelaufen ist. b) Eine Zählung nach Tagen, die zählt, wie viele Tage seit Beginn des Saroszyklus (bis zu einer Finsternis) vergangen sind. c) Eine Zählung nach Mondjahren, da man die Tage immer nur für ein Mondjahr zählt (354) – in dieser „Einheit“ wird man primär denken. Man muss daher bis 19 zählen: 18 Mondjahre plus ein anteiliges 19. Mondjahr für die sieben Extramonate. d) Eine Möglichkeit, den Bruchteil der Nacht anzugeben, in dem die jeweilige Finsternis eintritt106. Dies Þnden wir alles auf dem Berliner Goldhut (Abb. 18, Zonen nach Menghin): Meton als Schaltzylus einführen, wie es Menghin für den Berliner Hut unterstellt. Der Kalender von Coligny zeigt aber, dass man sich mit der Genauigkeit von Meton offensichtlich nicht begnügte. Man entwickelte den Kalender weiter. Ohne die hier postulierte Entwicklung der Astronomie über den Sonnenwagen und die Hüte ist die Exaktheit des Kalenders von Coligny nicht zu verstehen. Die folgende Betrachtung für die Anwendung der Hüte in Bezug auf eine genauere Bestimmung der Monatslänge Þndet in dem Kalender von Coligny ihre Berechtigung. 105 Siehe Anmerkung 96. 106 Da auch der Zeitpunkt der Finsternis während der Nacht eine Rolle spielt, würde es die Genauigkeit weiter erhöhen, falls man auch diese dokumentiert. Genau hierzu könnte man die Spitzen der Hüte nutzen. Bei dreien (Avanton, Ezelsdorf und Berlin) gibt es ein sternförmiges Muster. Dies könnte man zur Gliederung der Nacht verwenden. Jede Zacke bildet einen Bruchteil der Nacht ab. Für die Bestimmung der Monatslänge aus jeweils zwei Finsternissen muss man nur zwei Markierungen an der Spitze für die Nachtzeit anbringen oder dort ablesen. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte a) Die 223 Monate werden abgezählt (immer pro Symbol, also ein Symbol, egal wie es aussieht = eine Einheit), durchgehend von der Zone 3 bis Zone 13. b) Die Tage des Mondjahres werden abgezählt durch die 354 Symbole von Zone 2 bis Zone 18. c) Die Zählung der Mondjahre wird realisiert durch die jeweils 19 besonderen Zeichen in Zone 5. d) Der Anteil der Nacht wird abgelesen an der Spitze des Hutes in Bruchteilen der Nacht. Man kann das 19. unvollständige Mondjahr (mit nur sieben Phasenmonaten) – wie die vorhergehenden – tageweise abzählen und hört auf, nachdem die Monatszählung mit 223 „durch“ ist. Im Fall des Berliner Goldhutes kann man diese Tageszählung (sieben Phasenmonate gleich 206,5 Tage bei 29,5 Tagen für den Monat) aber auch durchführen durch die Zonen 2 bis 13 OHNE die Zone 5 mit ihren 2 x 19 = 38 besonderen Zeichen, die ja auch für die Jahreszählung benutzt werden (man erhält so 207 Zeichen für die 207 Tage). Nimmt man für die Tages-, Monats- und Jahreszählung jeweils einen Zeiger an (so ein Zeiger soll bei dem Ezelsdorfer Hut gefunden worden sein107), so rückt man den Zeiger nach dem jeweiligen Rhythmus (ein Tag, Monat, Jahr) einfach einen vor. Die Finsternisse werden entweder in der Monatszählung markiert108, oder ein extra Objekt angefertigt, zum Beispiel eine Goldschale oder ähnliches, in deren Ornament die Daten (welcher Sarosumlauf, welcher Monat, welcher Tag, welcher Bruchteil der Nacht) verschlüsselt sind. Wir würden den Goldhut folgendermaßen nutzen: Wir beginnen den Zyklus mit einer Finsternis. Damit deÞnieren wir einen praktischen Startpunkt und markieren den ersten Monat in Zone 3, möglichst haltbar. Diese Markierung bildet den Startpunkt unserer Monatszählung. Für die Tageszählung wählen wir ein Symbol in Zone 2 und markieren dieses eben107 Schauer 1986,79. Diese Deutung als Zeiger könnte angezweifelt werden (mündliche Mitteilung Menghin). 108 Plus eine Markierung an der Spitze für den Bruchteil der Nacht – für die Vielzahl der Finsternisse könnten die vielen Punkte dort dienen. Um diese mit der jeweiligen Finsternis eindeutig im Zusammenhang zu bringen, müsste man aber unterschiedliche Markierungen anbringen oder die Beobachtung anders protokolieren. 109 Dabei wird die Rückstellung des Tageszählers nach 354 Tagen nicht immer synchron mit dem Weiterzählen des Jahreszählers sein. Wie Anmerkung 96 zeigt, beträgt die Monatslänge nicht genau 29,5 Tage, sondern 29,53059Tage, das Mondjahr zu zwölf Mondmonaten somit nicht 354, sondern 354,36708. Nach drei Mondjahren ergibt sich ein Überschuss von etwa einem Tag. Das bedeutet, dass nach drei Mondjahren der Tageszähler schon ein Tag im neuen Jahr voraus ist. Ausschlaggebend ist Abb. 18: Die Sarosperioden auf den Goldhüten. falls. Entsprechend wird in Zone 5 eine Markierung für den Startpunkt der 19 (Mond-)Jahresumläufe gesetzt. Bewegliche Zeiger rücken entsprechend des Rhythmus jeweils um eins vor – einer für die Tage, beginnend in Zone 2, einer für die Monate in Zone 3 und einer für die (Mond-)Jahresumläufe in Zone 5. Sind die jeweiligen Zyklen am Ende angekommen, wird der Zeiger an den Startpunkt zurückgesetzt109. Jede Finsternis wird mit einer (dauerhaften) Markierung in dem Monatslauf protokolliert. Nach einem Saroszyklus, wenn die Monatszählung mit 223 am Ende angekommen ist, wird man etwa (Wetter grob berücksichtigt) zwölf bis 15 MondÞnsternisse gesehen und markiert haben. Dann beginnt der zweite Umlauf des ganzen Zyklus mit der ersten Monatsmarkierung in Zone 3. Diese Markierung zeigt an, dass sich in diesem Monat die erste Finsternis wiederholen kann110. Dies gilt jetzt für jede Markierung im 223er Monatslauf. Markierungen müssen nicht entfernt werden, da sich die Finsternisse immer nach aber immer der Mondmonat, da dieser nach Sicht, vermutlich der Neulichtsichel, praktisch bestimmt wird. Die Tageszählung läuft einfach weiter. Ihre Funktion erhält sie erst bei der Bildung des Abstandes von Tagen bei verschiedenen Finsternissen. Betrachten wir die StartÞnsternis: Nach 223 Monaten soll sie sich wiederholen. Mittlerweile hat sich der Tageszähler aber schon um sieben Tage (223 x 0,03059 = 6,82) von der Startstellung entfernt. Allein aus dieser Beobachtung eines Finsternispaares ergibt sich eine Differenz von sieben Tagen in 223 Monaten – und zwar in diesem Fall ohne jede Rechnung – nur durch die Stellung der Zeiger. Teilt man diese sieben Tage durch die 223 Monate, kann man allein aus diesem Paar von Finsternissen die Monatslänge auf 29,53 verbessern! 110 Ob sie beobachtbar ist, hängt wieder vom Zeitpunkt ab – zur Tageszeit kann sie nicht gesehen werden. 111 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 einem Saros wiederholen111. In den ersten Umläufen werden aber neue Einträge erfolgen, da ja nicht alle Finsternisse immer zu sehen sind. Im ersten Umlauf fehlen die Finsternisse, die am Tag stattfanden oder schlechtem Wetter zum Opfer Þelen. Diese Lücken werden nach drei bis fünf Umläufen weitestgehend geschlossen werden. Alle Finsternisse kann man paarig kombinieren, um den Abstand in Monaten und Tagen zu erhalten. Hierfür erschiene uns eine externe Protokollierung der Daten für Monat, Tag, Bruchteil der Nacht und Sarosumlauf am sinnvollsten. Man könnte aber auch jede Finsternis mit einer zuordbaren Markierung für Monat, Tag, Bruchteil der Nacht und Sarosumlauf auf dem Hut protokollieren, was aber bald recht unübersichtlich würde. Somit erhielte man schon in wenigen Jahrzehnten eine enorme Datenbasis, um die Monatslänge genau bestimmen zu können. Wenden wir diese Annahme auf den einzigen Hut an, der ansonsten komplett erhalten ist – den Schifferstädter Hut112 (Abb. 18): a) Die 223 Monate werden abgezählt von Zone 6 bis 11. b) Die 354 Tage werden abgezählt von Zone 2 bis 11 plus doppelt gezählt die einzigen Zonen, die durch ihre Symbolik herausfallen, nämlich Zone 3 und 4. c) Die Zählung der Mondjahre erfolgt durch Zone 2. Es fehlt eine ausgearbeitete Spitze für die Einteilung der Nacht wie auf den anderen Hüten. Da er als ältester Hut angesehen wird, war diese Idee mit der Spitze vielleicht noch nicht vorhanden. Die anderen Hüte sind auf diese Art schwer deutbar. Zwar taucht bei Avanton der Saros auch auf (Zone 3 bis 13), die Tageszählung kann aber „abgeschnitten“ sein. Ezelsdorf wurde rekonstruiert, die Anzahl der Symbole ist daher uneindeutig. Für eine alleinige Nutzung einer Abzählung von 223 synodischen Monaten und den 354 Tagen sind die Hüte aber eindeutig zu komplex. Diese Deutung erklärt die Anzahl der Symbole auf den Hüten, aber nicht ihre genaue Verteilung auf die Zonen. Sie lässt aber die besonderen Zeichen beim Berliner (Zone 5) 111 Einzelne Einträge fallen in langen Zeiträumen weg, da der Saros nicht exakt gilt, was aber in der Praxis den Wert des Zyklus nicht mindert. 112 Die Fundstelle des Schifferstädter Hutes legt einen astronomischen Zusammenhang nahe. Die Fundstelle konnte durch die Nachgrabung von F. Falkenstein bestätigt werden (priv. Mitteilung Falkenstein). W. Schlosser sieht von dieser Fundstelle aus 112 und Schifferstädter Hut (Zone 3 und 4) verständlich erscheinen. Die anderen Unterschiede der Symbole kann dieser Ansatz nicht erklären. Menghin113 postuliert, dass die Hüte eine Verschränkung von Sonnenund Mondkalender bieten114. Man kann – grob – im Voraus bestimmen, welche Mondphasen zu bestimmten Sonnenkalenderterminen, z.B. den Kardinalpunkten, eintreten werden. Der aufgetragene Saroszyklus erlaubt zusätzlich zu erkennen, ob an diesem Termin eine Finsternis eintreten könnte. So könnte man z.B. über Jahre im Voraus bestimmen, ob zu einer bestimmten Wintersonnenwende eine MondÞnsternis eintreten kann. Mit dieser Deutung des Berliner und Schifferstädter Hutes kann man ihnen einen bedeutenden praktischen Nutzen zuweisen. Für eine vollständige Erklärung der unterschiedlichen Symbole und ihrer jeweiligen Anzahl pro Zone reicht diese Deutung allein nicht aus. Entweder haben diese Symbole und ihre Anzahl pro Zone keine weitere Bedeutung, oder sie dienen der Verschränkung von Sonnen- und Mondkalender nach Menghin, was wir für am wahrscheinlichsten halten. Die lange Nutzungsdauer der Hüte erfordert ein haltbares Material, die enorme Bedeutung des Wissens erklärt die wertvollen Materialien, wie auch bei der Himmelsscheibe und dem Sonnenwagen. Die Tatsache, dass man auf den Hüten den Saroszyklus Þndet, unterstützt die obige Deutung des Sonnenwagens. Wie anders hätte man dies Wissen um den Saros in einer schriftlosen Kultur gewinnen können? Außerdem erklärt es den Aufwand an Material, die Kunstfertigkeit der Herstellung und die Anzahl der Symbole auf den Hüten und dem Sonnenwagen. Eine Unterstützung für diese Thesen geben die Ergebnisse bezüglich des keltischen Bohlenwegs von Fiskerton durch Pearson115. Er fand hier ab ca. 450 v. Chr. einen Hinweis auf die Kenntnis des Saroszyklus. Die Verschränkung beider Anwendungen (Finsternisse und Kalender) könnte das „Lesen“ der Hüte schwierig machen, so dass bei nur einer Bedeutung der Anschein der Beliebigkeit aufkommen könnte. Erst beide Bedeutungen zusammen lassen die Hüte in einem anderen Licht erscheinen. einen Zusammenhang zu dem Donnersberg, der die Lage des Sonnenunterganges zur Sommersonnenwende markiere (priv. Mitteilung Schlosser). 113 Menghin 2003. 114 Zu einer gewissen Vorsicht in der Interpretation von bronzezeitlichen Mondkalendern rät Schlosser 2003. 115 Pearson/Field 2003. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Abb. 19: Der Kalender von Coligny. Nach Gschaid 2003, 266 Abb. 1. Der Kalender von Coligny – das Ende einer Entwicklung? Der Kalender von Coligny116 (2. Jh. n. Chr. [Abb. 19]) wird als keltischer Kalender gedeutet. Erstaunlicher Weise Þnden wir diesen lunisolaren Kalender im römischen Reich in einer sehr aufwendigen Form präsentiert, als schon seit 200 Jahren der Sonnenkalender galt. Dies scheint auf eine tiefgehende Tradition hinzuweisen. Olmsted vermutet, dass dieser Kalender bis in das 8. Jahrhundert v. Chr. zurück reicht – und damit fast bis in die Zeit der Hüte! Der Kalender von Coligny beinhaltet eine komplexe Schaltvorschrift und zeichnet sich nach Olmsted durch seine große Genauigkeit aus – er ist in seiner überlieferten Form genauer als der Metonzyklus und sogar genauer als unser gregorianischer Kalender – eine erstaunliche Leistung! Sein Zyklus umfasst 30 Jahre. In fünf Jahren wird zweimal geschaltet, wobei einmal in dem 30-jährigen Zyklus eine Schaltung ausfällt und auch Schalttage eingelegt werden. Man kann den Kalender von Coligny als Ersatz für die Schaltregel auf der Himmelsscheibe betrachten. Der Kalender von Coligny gibt, wie schon der Meton- zyklus, einen mathematischen Schaltrhythmus vor, der ohne Bezug zur Beobachtung auskommt. Außerdem kann man seine Genauigkeit als Verbesserung der 32/33 Jahreserwartung auf der Himmelsscheibe und sogar auch als Verbesserung des Metonzyklus auffassen. Wie könnte der Weg dahin ausgesehen haben? Mit der Himmelsscheibe kam zu dem bekannten Sonnenkalender117 eine Neuerung ins Spiel – der Mond. Um den Lunisolarkalender einführen zu können, benötigte man eine Anweisung, wie man Sonne- und Mondlauf harmonisieren könnte – die Schaltregel. Mindestens genauso wichtig war aber die Erwartung der Zykluslänge von 32 Sonnen- zu 33 Mondjahren. Um diese Erwartung zu verbessern, musste man sie mit den getätigten Schaltungen abgleichen – ein langjähriger Prozess, daher auch das haltbare Material. Eine andere Möglichkeit, den Kalender zu verbessern, geben, wie oben beschrieben, Finsternisse. Mit einfachen Annahmen wurde ein „Pseudosaros“ konstruiert und auf dem Trundholmer Sonnenwagen abgebildet. Durch seine Nutzung lernte man den 116 reichischen Kreisgrabenanlagen zwar Sonnen- und Sternbezüge, mitunter auch zu den Plejaden vorkommen, aber fast nie Bezüge zum Mond. Zum Kalender von Coligny: Olmsted 1992; Gschaid 2003 sowie Gropp in diesem Band. 117 Zotti 2005 und in diesem Band zeigt, dass in den niederöster- 113 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 echten Saros kennen, der dann auf den Goldhüten verewigt wurde und den Pearson118 auch archäologisch für das 5. Jhd. v. Chr. nachgewiesen hat. Der Saros wies den Weg zu einer ersten mathematischen Schaltregel – dem Metonzyklus. Durch die genauere Bestimmung der Monatslängen mit Hilfe der Goldhüte war schließlich ein noch präziserer Kalender zu gewinnen – der von Coligny. Danksagung Helmut Ziegert gilt unser herzlicher Dank für seine Motivation, uns in unbekannte GeÞlde zu begeben, und für die vielen lehrreichen Diskussionen. Bernhard Hänsel begleitete die Entwicklung der Arbeit mit wertvoller Kritik und Aufmunterung. Harald Meller, stellvertretend für das ganze Team im Hallenser Museum, gilt unser Dank für die stets freundliche Aufnahme. Die Ermunterungen und freundlichen Hilfestellungen von Wolfhard Schlosser waren für dieses Unternehmen unerlässlich. Ein spezieller Dank gilt Johann Jonetzki. Den Anregungen und Hinweisen von Günter Mansfeld verdanken wir viel. Für wertvolle Korrekturen danken wir Harald Gropp und Rainer-Maria Weiss. Die Gespräche mit Felix Blocher und Christoph Sommerfeld waren sehr hilfreich. Die Diskussionen mit Othmar Keel brachten wertvolle Anregungen, und wir danken Hildi Keel-Leu für ihre Ergänzungen. Genauso gilt Thomas W. Kraupe unser Dank für die Unterstützung seitens des Hamburger Planetariums. Klaus-Peter Schröder danken wir für die Überlassung des schönen Mondfotos und wertvolle Anregungen, Juraj Lipták für die Erlaubnis, seine Fotos vom Sonnenwagen zu verwenden, wie auch Hartwig Lüthen, Oliver Rensch, Roland Crüsemann und Olaf Döring für ihre konstruktive Kritik. Die Hilfe von Anja Zeidler war wie immer wertvoll. Andreas Fuls und Georg Zotti danken wir für wertvolle Hinweise und Diskussionen. Die Gespräche mit Wilfried Menghin waren sehr hilfreich. Für den Kult des Mithras war Manfred Clauss ein skeptischer Wegweiser. Theodor Schmidt-Kaler danken wir für wertvolle Hinweise und Rolf Krauss und Alix Hänsel für die gute Betreuung bei der Anfertigung der Arbeit. Mario Wiegmann vom Landesmuseum in Halle und Mario Kacner vom Museum für Vor- und Frühgeschichte in 118 Pearson/Field 2003. Diese Darstellung ist sehr schematisch und soll nur dem Verständnis dienen. 120 Aufgrund der komplizierten Bahn des Mondes schwankt die Länge des synodischen Monats um diesen gerundeten Mittel119 114 Berlin danken wir für die Umsetzung der Zeichnungen. Anhänge 1. Sonnenlauf Die Sonne wandert jährlich scheinbar durch den Tierkreis. Betrachten wir Abb. 20a119: Die Sonne steht im Widder. Wenn sie abends im Westen gerade versunken ist, kann man dort am Horizont in der Dämmerung den Stier sehen. In der Morgendämmerung (die Sonne steht immer noch im Widder, jetzt dicht unter dem Osthorizont) stehen die Fische. Einen Monat später (Abb. 20b) ist die Sonne in den Stier gewandert. Er ist also mittlerweile in der Abenddämmerung nicht mehr zu erkennen. Abends sehen wir die Zwillinge im Westen, während morgens im Osten der Widder auftaucht. Noch einen Monat weiter (Abb. 20c) steht die Sonne in den Zwillingen, wir sehen dafür dicht am Westhorizont abends den Krebs. Morgens ist im Osten der Stier wieder aufgetaucht. Der Widder steht schon höher und ist morgens länger zu beobachten. Der jährliche Lauf der Sonne durch den Tierkreis von West nach Ost spiegelt sich wieder im Lauf der Sternbilder, wie sie morgens im Osten erscheinen und abends im Westen in der Dämmerung wegtauchen. Dieses scheinbare Verschieben des Sternenhimmels spiegelt also den Sonnenlauf wieder. Hier wurde vereinfacht angenommen, dass die Sternbilder einen Monat im gleißenden Sonnenlicht verschwinden. 2. Synodischer Monat Betrachten wir schematisch folgende Situation (dies gilt für 1600 v. Chr.): In Abb. 21 (oben) steht die Sonne weit rechts auf der Ekliptik (in den Fischen, hier nicht eingetragen). Die schmale Mondsichel, die gerade noch zu beobachten ist, das Neulicht, steht bei dem Widder. Rund 29,5 Tage120 später erleben wir wieder ein Neulicht (Abb. 21 unten). Die Sonne ist in dieser Zeit aber fast um ein Sternbild weitergewandert, steht jetzt also im Widder121. Die Neulichtsichel verrückt sich damit ebenfalls um knapp ein Sternbild weiter in den Stier. Sie muss wert. Der genaue mittlere Wert lautet 29,53059 Tage (nach Roth 1989, 134). 121 Mond und Sonne bewegen sich unter den Sternen scheinbar von West nach Ost, auf der Zeichnung also von rechts nach links. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Abb. 20: Sonnenlauf. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. dabei nicht genau auf der Höhe der Plejaden stehen. Sie wandert manchmal auch auf der Höhe des Stierkopfes durch dieses Sternbild, da die Mondbahn gegen die Ekliptik um 5 Grad geneigt ist122. Zusätz- lich bewegt sich der Mond von Nacht zu Nacht unter den Sternen weiter. Er kann also an einem Abend zwischen Stier und Widder stehen, d.h. rechts von den Plejaden, und am nächsten Abend schon links 122 Die Astronomen sagen, dass die „Breite“ des Mondes (der Abstand zur Ekliptik nach oben oder unten), schwankt. 115 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 21: Synodischer Monat. GraÞk: M. Kacner, MVF. Abb. 22: Siderischer Monat. GraÞk: M. Kacner, MVF. vom Stier sein. Die engste Begegnung von Plejaden und Mond kann man dann nicht beobachten, da diese am Tag stattÞndet, oder nachts, wenn beide schon untergegangen sind. Außerdem dauert ein solcher so genannter synodischer (oder Phasenmonat) 29,5 Tage, so dass das nächste Neulicht schon nach 29 Tagen oder erst nach 30 Tagen sichtbar wird. Es ändert sich also nicht nur die Lage der Neulichtsichel zu den Plejaden, sondern auch die Dicke der Neulichtsichel. Auf dem synodischen Monat beruht der Mondkalender. Meist beginnt der Monat, wie im Islam, mit dem Neulicht, kann aber auch, wie im alten Ägypten mit der letzten sichtbaren Sichel am Morgenhimmel, dem Altlicht, anfangen123. Man kann die Sichtbarkeit praktisch vierteln: Von der Neulichtsichel bis zum zunehmenden Halbmond, von Halbmond zu Vollmond, von diesem zum abnehmenden Halbmond, und schließlich bis zum Verschwinden der schmalen Sichel am Morgenhimmel, dem Altlicht. Jeder Abschnitt dauert sieben Tage, eine Woche. Am Ende des Monats vergehen dann ein bis zwei Tage ohne Wochenzuteilung, bis mit dem Neulicht der Zyklus von vorne beginnt. Durchmesser. Wenn der Mond nach einem siderischen Monat von rund 271/3 Tagen wieder bei denselben Sternen steht (hier in Abb. 22 als Beispiel bei den Plejaden)124, ist die Sonne fast ein Sternbild weitergewandert. Der Winkelabstand von Sonne und Mond ist nach einem siderischen Monat also kleiner, die Mondsichel daher dünner. Die leicht zu beobachtende Bewegung des Mondes unter den Sternen kann man dritteln und kommt zu Wochen a 9 Tagen. 3. Siderischer Monat Der Mond nutzt am Himmel dieselbe Straße wie die Planeten und die Sonne. Die scheinbare jährliche Bewegung der Sonne unter den Sternen können wir aber wegen ihrer Helligkeit nicht sehen, die Planeten sind deutlich langsamer als der Mond. Schon von Nacht zu Nacht bewegt sich der Mond ein deutliches Stück weiter, in einer Stunde um seinen eigenen 4. Beobachtbarkeit des Mondes Betrachten wir den Mondlauf nur im Bezug zur Sonne, also seinen Gestaltwandel (hier unabhängig davon, vor welchen Tierkreissternbildern sich dies gerade abspielt): Ist die Sonne im Westen gerade so weit versunken, dass es dunkel wird (Abb. 23 oben), dann taucht der Mond etwa zwei Tage nach Neumond im Westen dicht am Horizont auf. In den nächsten Tagen vergrößert sich der Winkelabstand zur Sonne (die wir hier dicht unter dem Horizont festhalten). Er läuft von Westen nach Osten und wird dabei „dicker“ („nimmt zu“). Nach knapp sieben Tagen, oder einer Woche, steht er hoch im Süden als („zunehmender“) Halbmond. In den nächsten Tagen rundet er sich, bis er als Vollmond im Osten gerade aufgeht, wenn er der Sonne genau gegenüber steht. Der Vollmond ist die ganze Nacht zu sehen. Den abnehmenden Mond können wir in der Abenddämmerung nicht sehen, da sein Winkelabstand zu Sonne sich weiter vergrößert und er später in der Nacht aufgeht. Wir wechseln deshalb zur Morgenansicht (Abb. 23 unten): Die Sonne steht kurz vor dem Auf- 123 124 Zum ägyptischen Kalender vgl. Krauss 1985. 116 Es sind genau 27,32166 Tage (nach Roth 1989,134). Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Abb. 23: Beobachtbarkeit des Mondes. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Abb. 24: Mondphasen zu Sonnenposition im Tierkreis. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. gang unter dem Osthorizont. Der Vollmond steht gegenüber im Westen kurz vor dem Untergang. In den folgenden Tagen nimmt der Mond ab, bis wir („abnehmenden“) Halbmond haben, der morgens hoch im Süden steht. Dann wird er immer „dünner“ bis nur noch eine schmale Sichel über dem Osthorizont steht. Dann folgen einige Tage der Unsichtbarkeit um Neumond, bis der Zyklus sich wiederholt. Die Mondphasen zunehmende Sichel – zunehmender Halbmond – Vollmond – abnehmender Halbmond – abnehmende Sichel eignen sich als Zeitmarken für die Wocheneinteilung, womit ein Monat sich in vier Wochen gliedert. Doch betrachten wir die Situation einen Monat vor der Frühlingssituation (Abb. 25): Steht die Sonne in A (noch weit von dem Frühlingspunkt entfernt), dann steht der Mond in B als dicke Sichel (etwa vier Tage alt) bei den Plejaden. Einen Monat später (jetzt um Frühlingsanfang) ist die Sonne nach A´ weitergewandert, der Mond steht jetzt als schmale Sichel (etwa zwei Tage alt) bei den Plejaden (B´)125. Wenn wir einen vier Tage alten Mond (B) bei den Plejaden haben, signalisiert uns dies, dass die Sonne noch weit entfernt ist (A, [einen großen Winkelabstand zu dem Mond hat]), und damit noch weit ent- 5. Mondphasen zu Sonnenposition im Tierkreis In Anhang 2 haben wir gesehen, dass dieselbe Mondphase einen synodischen Monat später vor einem anderen Sternenhintergrund steht. Vor demselben Sternenhintergrund (siderischer Monat, Anhang 3) hat der Mond also eine andere Phase. Dies hängt von dem Winkelabstand zur Sonne ab. Er ist nicht nur ein einfacher Zeiger vor dem Zifferblatt der Tierkreissternbilder, sondern mit seiner Phase zeigt er seinen Winkelabstand zur Sonne an. In Abb. 24 (oben) steht die Sonne nahe des Frühlingspunkts und ist so weit versunken, dass man die hellsten Sterne und die schmale Mondsichel sehen kann. Die schmale Mondsichel steht jetzt nahe der Plejaden. Etwa zwölf Tage später steht der Mond der Sonne gegenüber als Vollmond im Skorpion und geht abends in der Dämmerung im Osten auf. 125 Dass der Mond einmal links (B) und einmal rechts (B´) von den Plejaden steht, liegt an der Darstellung. Eigentlich sollte auch die schmale Mondsichel links der Plejaden stehen. Da die Mondbahn gegen die Ekliptik um 5 Grad geneigt ist, kann der Abb. 25: Mond und Sonne um Frühlingsanfang 1600 v. Chr. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Abstand zu den Plejaden variieren. Aber diese Verschiebung erfolgt periodisch über Jahre und nicht in einem Monat. Nach einem (siderischen) Monat steht der Mond recht exakt an derselben Position. 117 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 hier um einen neuen Aspekt erweitert, nämlich die Nutzung von Mond und Plejaden zum Schalten. Abb. 26: Sonnen- und Mondjahr. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. fernt zu den Plejaden und damit auch zu dem Frühlingspunkt steht. Wenn man jetzt einen Monat dazu schaltet, hat man die Sonnenposition A´ nahe des Frühlingspunkts und eine schmale Mondsichel (B´) bei den Plejaden. Betrachten wir aber die Herbstsituation (Abb. 24 unten). Die Sonne steht jetzt im Skorpion (sie ist in einem halben Jahr 180 Grad weiter gelaufen, steht jetzt im Tierkreis also dem Stier gegenüber, dort wo im Frühlingsanfang der Vollmond stand). Wenn die Sonne untergegangen ist, erscheint im Osten der Stier mit dem Vollmond. Jetzt steht also der Vollmond bei den Plejaden – und zwar zu Herbstbeginn. Die schmale Mondsichel abends im Westen im Frühling bei den Plejaden markiert also den Frühlingsanfang und der Vollmond bei den Plejaden abends im Osten den Herbstbeginn. Natürlich kann man die Plejaden und den Vollmond die ganze Nacht beobachten, aber ihr gemeinsamer Aufgang reicht für das Erkennen der Herbstsituation. Die Phase des Mondes bei den Plejaden wird hier dreifach genutzt: als Frühlingsindikator, wenn die schmale (zwei Tage alte) Sichel bei den Plejaden steht; als Schaltindikator, wenn im vermeintlichen Frühlingsmonat (durchgezählt vom letzten Frühling) die Sichel zu dick ist (daher vier Tage alt) und als Herbstindikator, wenn der Vollmond bei den Plejaden steht126. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Nutzung des Mondes für den Kalender vor allem die Schaltung betrifft. Die Abweichungen der Mondphasen von den jährlichen Sonnenstopps, wie z.B. Frühlingsanfang, machen ihn für die Nutzung in der Landwirtschaft uninteressant. Hier muss man sich nach wie vor nach dem Sonnenlauf (also z.B. dem Spätuntergang und dem Frühuntergang der Plejaden) richten. Die Deutung von Schlosser ist von dieser Argumentation nicht berührt, sie ist richtig und wird 126 In Babylon konnte potentiell in JEDEM Monat geschaltet werden, wie Hunger/Reiner 1975 zeigen. 127 Daten aus Roth 1989, 310. 118 6. Genaue Daten für Sonnen- und Mondjahr Die Sonne scheint jährlich durch den Tierkreis zu laufen, dabei benötigt sie für den Weg durch die Sterne von: A-> A = 365,256 Tage, das so genannte siderische Sonnenjahr127. Der Mond läuft ebenfalls scheinbar monatlich durch den Tierkreis, hier von den Plejaden (A`) zu den Plejaden (A´): A`-> A` = 27,322 Tage, der so genannte siderische Monat128. Während der Mond durch die Sterne läuft, bewegt sich die Sonne ebenfalls, wenn auch viel langsamer, durch den Tierkreis. Der Monat, der sich auf die Sonne bezieht (synodisch), ist der Phasenmonat, also z.B. von Vollmond zu Vollmond, den wir auch alltäglich nutzen. In früheren Zeiten war das Neulicht, die erste sichtbare Mondsichel nach Neumond am Abendhimmel im Westen, besonders wichtig. Der synodische Monat entspricht also dem Mondlauf von Abb.27: Die Dicke des Mondes auf der Scheibe. 128 Der Mond hätte jetzt eine andere Sichelform, was hier aber nicht dargestellt ist. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte A´-> B´ = 29,53 Tage, der so genannte synodische Monat129. Zu einem bekannten Winkel β zwischen Sonne und Mond (siehe Abb. 28 in Anhang 7) ergibt sich dann das Mondalter z aus130: Z (in Tagen) = β (in Grad) / 360 Grad x 29,53 Tage (A) Zu einem bekannten Mondalter z in Tagen ergibt sich der dann der Phasenwinkel β in Grad aus: β (in Grad) = z (in Tagen) / 29,53 Tage x 360 Grad (B) 7. Die Dicke des Mondes auf der Scheibe und sein Alter Das Mondalter ergibt sich aus dem Winkelabstand zu Sonne. Es spiegelt sich wieder in der Dicke der Sichel. Als erstes muss man diese Dicke bestimmen. Dazu wurde ein Bild der Scheibe von Nebra gescannt und bearbeitet. Es wurde der Radius des äußeren Kreises bestimmt und die Dicke der Sichel vermessen. Dabei muss beachtet werden, dass die Sichel nicht 180 Grad umfasst, wie der echte Mond. Eine Ergänzung des Mondes führt zu einem etwas geringeren Mondalter. Aus der Anpassung eines Kreises und der Konstruktion des Scheitels auf dem Durchmesser ergab sich ein Verhältnis von Dicke zu Radius von a = 0,45 (mehrer verschiedene Messungen ergaben diesen Wert mit einer Abweichung von ca. +/- 0,02). Aus diesem Wert der „Dicke“ der Mondsichel lässt sich (nach Formel 2 in Abb. 28) der Phasenwinkel131 und somit der Winkelabstand SonneMond132 berechnen, er beträgt 56,63 Grad133. Hieraus erhält man das Mondalter, unter Berücksichtigung der Bewegung von Mond UND Sonne. Der Monat bezüglich der Sonne (synodischer Monat) beträgt134 29,53 Tage. Der Mond legt in dieser Zeit relativ zur Sonne 360 Grad zurück. Der Mond legt die Differenz 56,63 Grad zur Sonne in z Tagen zurück (Formel A, Anhang 6): z = 56,63 Grad / 360 Grad x 29,53 Tagen = 4,6 Tagen Die Mondsichel auf der Nebra-Scheibe hat somit ein „Alter“ von ca. 4,6 Tagen 129 Für alle späteren Betrachtungen sei angemerkt, dass der Mond nicht genau auf der Ekliptik läuft, sondern seine Bahn um 5 Grad gegen die Ekliptik geneigt ist. Er kann also extremere Stellungen als die Sonne einnehmen und so näher an oder weiter entfernt von den Plejaden stehen. Da diese Lage der Mondbahn zu der Ekliptik sich auch noch ändert, wird eine genaue Untersuchung noch komplizierter, was wir hier aber außer Acht lassen können, da die Ergebnisse sich nur geringfügig ändern würden. 130 Hier wird die unterschiedliche Geschwindigkeit des Mondes Abb. 28: Die Berechnung der Monddicke abhängig von dem Winkelabstand zur Sonne. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. 8. Welches „Alter“ hat der Mond nahe Neulicht, wenn er bei den Plejaden steht, und wie variiert dies mit der geograÞschen Breite? Entscheidend für die Schaltregel ist die abendliche Mondsichel bei den Plejaden. Aber nur wenn die Plejaden auch zu sehen sind, kann man diese Regel nutzen. Als erstes muss also geprüft werden, wann die Plejaden noch zu beobachten sind, und dann, welches Mondalter eine Mondsichel mindestens haben muss, um gemeinsam mit den Plejaden gesehen zu werden. Berechnen wir hier einmal, unter welcher Phase wir den hellsten Stern der Plejaden, Alcyone, gerade eben noch sehen könnten, und welchem Mondalter es entspräche, wenn er genau daneben stünde. Nach Schlosser ergibt sich die Forderung, dass die Sonne 15 Grad unter dem Horizont stehen muss und die Plejaden eine Höhe von 5 Grad haben135. vernachlässigt. Dies würde für die Abschätzung einen zu großen Aufwand erfordern. 131 Hier gilt als Winkel der Dicke der Sichel β, also 0 Grad für Neumond und 90 Grad für Halbmond. 132 Dies ist ebenfalls β. 133 Wir betrachten nur den ersten Quadranten, wie in der Zeichnung, mit 0 Grad<β<90 Grad 134 Daten aus Roth 1989, 134. 135 Schlosser 2004. 119 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 29: Mondalter und geograÞsche Breite. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Für Babylon136 (32,5 Grad Breite) ergibt sich für den Frühlingsanfang (die Sonnenbahn steht dann besonders steil, was die Beobachtung begünstigt) folgendes Bild137: Wegen des steilen Winkels erhalten wir nur eine geringe Abweichung von 20 Grad138: 20,2 Grad (nach Formel 2 in Abb. 29)139. Geben wir diese 20,2 Grad in unsere Formel (A, Anhang 6) ein, erhalten wir ein Mondalter von 1,65 Tagen. Dies liegt nahe an der unteren Grenze der Sichtbarkeit, was aber für den Frühlingsmonat wegen der günstigen Bedingungen auch zu erwarten ist. Was ändert sich, wenn wir die Daten der NebraScheibe zugrunde legen (Breite 52 Grad, Äquatorwinkel zum Horizont 38 Grad, Steilheit der Sonnenbahn 62 Grad140? Da der sin von 62 Grad auch noch 0,88 beträgt, erhalten wir einen Abstand Mond-Sonne von 22,7 Grad und ein Mondalter von 1,85 Tagen. Wegen der hohen Steilheit der Ekliptik im Frühling unterscheiden sich die Mondalter nur wenig. In der Praxis wird der Mond nicht gerade am letzten Tage der Sichtbarkeit der Plejaden an ihnen vorbeiziehen, sondern z.B. im Mittel einen halben Monat früher, 136 In der Abbildung Anhang 8 ist dies das linke Beispiel. Zur Vereinfachung nehmen wir Frühlingsanfang an. Die Sonne steht somit auf dem Frühlingspunkt und dieser liegt jetzt nach der Konstruktion 15 Grad unter dem Horizont. Diese Annahme ist fast richtig, da wir am 25. März den Spätuntergang von Alcyone und am 5. April Frühlingsanfang haben, hier geht es aber nur um eine Abschätzung. So könnte man auch statt der Formel für das sphärische Dreieck die einfachere für das ebene Dreieck 137 120 d.h. 15 Tage vorher. Der Abstand zu Sonne ist dann entsprechend größer und der Mond „dicker“: Rechnen wir eine Begegnung des Mondes mit den Plejaden 15 Tage vor deren letzter Sichtbarkeit aus: In 15 Tagen steht die Sonne (vereinfacht) 15 Grad zurück auf ihrer Bahn. Der Winkel zwischen Sonne und Mond beträgt dann nicht 23, sondern 38 Grad (Nebra), dies entspricht einem Mondalter von ca. 3,1 Tagen. Da wir Neulicht aber schon nach kürzerer Zeit nach Neumond sehen können (ein 2,1 Tage alter Mond dürfte meistens im Frühling zu sehen sein), haben wir bei einem Mondalter von 3,1 Tagen mit großer Wahrscheinlichkeit schon den 2. Nissanu. Sollten wir am 1. Nissanu den Mond mit den Plejaden beobachten, muss das Mondalter mindesten 1,85 Tage betragen, da sonst die Plejaden gar nicht zu sehen sind. Maximal kann man ein Alter von 2,85 Tage erwarten, im Schnitt also ein Mondalter von 2,35 Tagen. Am 3. Nissanu sollten wir im Schnitt einen 4,35 Tage alten Mond erwarten. Die obere Grenze am 3. Nissanu läge bei 4,85 Tagen. Dass man in der Abbildung eher an die obere Grenze geht (um nicht eventuell schon am 2. Nissanu zu schalten) passt mit dem 4,6 Tage alten Mond auf der NebraScheibe gut zusammen. Dieselbe Betrachtung für Babylon (Neulicht ab 1,65 Tagen) erniedrigt das Mondalter im Vergleich um 0,2 Tage, also auf einen 4,15 Tage alten Mond für den 3. Nissanu. Ob man aus diesem kleinen Unterschied postulieren könnte, dass die Scheibe eher für Mitteleuropa als für das Zweistromland konzipiert wurde, erscheint mir fraglich. Aber dass mit der Sichel auf der Scheibe die Neulichtsituation gemeint ist, scheint mir sehr unwahrscheinlich. Wenn wir für Nebra annehmen, dass der Mond, wenn er bei den Plejaden steht, am 1.Nissanu ein Alter zwischen 1,85 und 2,85 Tagen hat, dann sehen wir, dass die Spanne um 2,35 Tage liegt. Der „richtige“ Mond hat am 1. Nissanu im Schnitt das Alter von 2,35 Tagen. Wenn er erst am 3. Nissanu dort steht, ist er zwei Tage älter, also 4,35 Tage, was der Dicke der Sichel auf der Scheibe mit 4,6 Tagen in guter Näherung entspricht. Auch wenn wir Ungenauigkeiten und Rundungen in Rechnung stellen, sehen wir, dass wählen, dann wäre cos(γ) = c/b und somit b = c/cos(γ). 138 20 Grad ergibt sich aus der Forderung, dass die Sonne 15 Grad unter dem Horizont und der Mond 5 Grad über dem Horizont stehen soll. Dies ist c in Abb. 29 Anhang 8. 139 20,2 Grad entspricht dem Winkelabstand Sonne-Mond, dies ist b in Abb. 29 Anhang 8. 140 In der Abbildung Anhang 8 ist dies das rechte Beispiel. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte diese Abschätzung gut zu der Kalenderthese passt. Außerdem muss man in Rechnung stellen, dass auf der Scheibe die obere Grenze für die Dicke des Mondes am 3. Nissanu abgebildet sein könnte. 9. Ablauf einer schematischen Schaltung Wir betrachten die Situation in der irdischen Perspektive (Abb. 30 unten) und der kosmischen Ansicht (Abb. 30 oben). Wie stellt sich die Situation in 1 aus der kosmischen Sicht dar? Die Erde steht so zur Sonne, dass die Plejaden in der Abenddämmerung gerade noch gesehen werden können. Steht in Richtung der Plejaden der Mond, so zeigt er eine schmale Sichel. Der irdische Betrachter sieht in der frühen Abenddämmerung gerade noch die Plejaden, daneben die schmale Mondsichel. Zwölf Mondmonate und einen Tag später steht die Erde in der kosmischen Sicht noch nicht wieder bei 1, sondern erst bei 2, da das Mondjahr elf Tage kürzer als das Sonnenjahr ist. Die Mondssichel in Richtung Plejaden ist dicker. Der irdische Beobachter sieht in 2 eine dickere Sichel bei den Plejaden in der etwas fortgeschrittenen Dämmerung. Weitere zwölf Mondmonate (und einen Tag) später steht die Erde bei 3. Sie ist weiter zurückgeblieben, die Mondsichel in Richtung der Plejaden ist dicker. Von der irdischen Perspektive aus steht eine dicke Mondsichel bei den Plejaden. Sie hat die Schaltdicke und gibt somit das Signal zur Schaltung. Nach dem Schaltmonat steht die Erde an Position 4, sie ist knapp einen Monat vorgerückt141. Die Plejaden stehen jetzt so nahe bei der Sonne, dass man sie nicht mehr in der Dämmerung sehen kann. Die sehr schmale Mondsichel kann eventuell schon als Neulicht beobachtet werden, aber für die Plejadensichtung wird es häuÞg noch zu hell sein. Eventuell ist in dieser Position sogar die Mondsichel noch unsichtbar. Ein Jahr später, wieder bei 1, kann man wieder eine schmale Mondsichel bei den Plejaden in der Dämmerung beobachten. 10. Die Präzession und ihre Auswirkung Die Erde dreht sich täglich um sich selbst und bewegt sich jährlich um die Sonne. Ihre Achse steht schräg zu der Senkrechten ihrer Umlaufbahn, was jeder Globus zeigt, der schief steht. Deshalb ist die Sonnenbahn (oder Ekliptik) gegen den Himmelsäquator142 geneigt. Diese Großkreise am Sternen141 Da die Schaltung erst am 3. Tag des Monats angezeigt wird, vergeht von hier aus bis zum Neulicht des folgenden Monats weniger als ein Monat. Abb. 30: Ablauf einer Schaltung. GraÞk: M. Kacner, MVF. himmel kreuzen sich an zwei Punkten, dem Frühlingspunkt, wo die Sonne zu Frühlingsanfang, und dem Herbstpunkt, wo sie zu Herbstbeginn steht. 142 Der Himmelsäquator ist der Erdäquator, den man sich an den Himmel projektiert vorstellt. 121 Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008 Abb. 31: Präzession. GraÞk: M. Wiegmann, Landesmus. Halle. Da die Erde aber keine perfekte Kugelgestalt hat, versucht die Anziehungskraft der Sonne, sie zu kippen, was aber nicht funktioniert. Stattdessen führt die Erdachse eine Kreiselbewegung aus, wie ein schräg angedrehter Kinderkreisel. Diese so genannte Präzession der Erde dauert ca. 26.000 Jahre, spielt für unsere kurze Lebenszeit also keine Rolle. Für historische Betrachtungen muss man sie aber berücksichtigen. Die Präzession führt zu einer Verschiebung des Himmelspols (was uns hier nicht interessiert) und einer Wanderung des Himmelsäquators längs der Ekliptik. Heute liegt der Schnittpunkt zum Frühlingszeitpunkt (der „Frühlingspunkt“) in den Fischen (Abb. 31 rechts). Um Christi Geburt lag er im Widder (deshalb auch manchmal Widderpunkt genannt) (Mitte) und um 1600 v. Chr. lag er (noch gerade) im Stier (links)143. Neben der Präzession muss man auch berücksichtigen, dass sich die Schiefe der Ekliptik (also der Winkel der Erdachsen zur Senkrechten auf der Erdbahn um die Sonne herum, oder, was dasselbe ist, der Winkel zwischen Himmelsäquator und Ekliptik) periodisch ändert. Es gibt für diese Änderung eine Näherungsformel144: ε (heute) = 23 Grad 26´21,44´´ oder ca. 23,5 Grad ε = ε (heute) – 46,82´´ x T [in Jahrhunderten], mit T = -36: ε (1600 v.Chr.) = 23 Grad 26´21,44´´ + 1686´´ = 24 Grad (genährt). In dieser Arbeit wird mit diesem Wert von 24 Grad gerechnet. Die Auswirkung der Präzession Zusätzlich zu der Ekliptik ist hier (Abb. 32) der Himmelsäquator eingezeichnet. Er wandert wegen der Präzession durch die Ekliptik. Im oberen Bild ist die Situation für 3200 v. Chr. dargestellt. Der Himmelsäquator läuft durch den Stier. Wenn bei den Plejaden eine Neulichtsichel stehen soll, muss die 143 Die Präzession gestattet es, zumindest grob, Angaben aus alten Quellen zu datieren. So sind die Angaben des griechischen Autoren Aratus (3. Jh. v. Chr.) sicherlich viel älter und müssen 122 Abb. 32: Auswirkungen der Präzession. GraÞk: M. Kacner, MVF. Sonne im Widder stehen. Betrachten wir dies in der folgenden Abb. 33 genauer: Einen Monat später steht die Sonne im Stier, aber noch nicht im Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ekliptik, also dem Frühlingspunkt. Es ist also noch nicht Frühlingsanfang. Man sieht aber schon wieder eine Neulichtsichel. Der Frühlingsanfang liegt also im Monat, der dem Nissanu, an dem die Neulichtsichel bei den Plejaden steht, folgt. Die Schaltregel gilt noch nicht. Abb. 33: Auswirkung der Präzession um 3200 v. Chr. GraÞk: M. Kacner, MVF. letztlich aus Babylon stammen, vgl. Roy 1984. 144 Hier vereinfacht, für unsere Belange ausreichend; genauer in Schmeidler 1989, 298. Hansen, Himmelsscheibe, Sonnenwagen und Kalenderhüte Betrachten wir wieder die Abb. 32, jetzt die Mitte: Der Frühlingspunkt liegt zwischen Stier und Widder. Steht eine Neulichtsichel am letzten Tag der Sichtbarkeit der Plejaden bei diesen (25.3. julianisch, dies nennen wir die Idealsituation145), dann folgen zwölf Tage später Vollmond UND Frühlingsanfang. Jetzt erfolgt der Frühlingsanfang also im Nissanu. Zwischen 3200 und 1600 v. Chr. verlagerte sich der Frühlingsanfang langsam in den Nissanu hinein. Im Abbildung 32 unten sehen wir die Situation um Christi Geburt: Der Frühlingspunkt liegt schon in den Fischen. Steht die Sonne zu Frühlingsanfang also genau hier, dann kann die Neulichtsichel nicht bei den Plejaden stehen, der Winkelabstand zur Sonne wäre zu groß. Die Neulichtsichel steht zwischen Widder und Stier. Erst einen Tag später, also am 2. Tage des Monats, kann die dickere Sichel bei den Plejaden stehen. Die Regel, dass eine Neulichtsichel im Frühlingsmonat bei den Plejaden steht, wird nicht mehr erfüllt. Die Sichel ist dabei, ähnlich wie bei dem siderischen Monat, schmaler, da die Sonne in der vergangenen Zeit ebenfalls weitergewandert ist. Die Mondknoten bewegen sich dem Mondlauf entgegengesetzt. Der drakonitischen Monat dauert daher nur etwa 271/5 Tage (genau: 27,21222 Tage)146, ähnelt in der Länge also dem siderischen. Die Zeitdauer von 242 drakonitischen Monaten, das entspricht 223 synodischen, nennt man Saroszyklus (18 Jahre und rund elf Tage), weil dann wieder eine ähnliche Finsternis eintreten kann. 11. Drakonitischer Monat Der drakonitische Monat entzieht sich der oberßächlichen Beobachtung. Die Mondbahn ist um 5 Grad gegen die Ekliptik geneigt. So steht der Mond meist ober- oder unterhalb der Ekliptik. Nur wenn er auf der Ekliptik steht, kann es eine Finsternis geben, woher die Ekliptik (Finsternislinie) ihren Namen hat. Die beiden Schnittpunkte der scheinbaren Mondbahn mit der Ekliptik nennt man Mondknoten. Die Mondknoten bewegen sich von Ost nach West, also dem Mondlauf entgegen. So passiert der Mond kurz vor einem siderischen Umlauf wieder den Knoten. Bertemes/Schlosser 2004 F. Bertemes/W. Schlosser, Der Kreisgraben von Goseck und seine astronomischen Bezüge. In: H. Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren (Halle 2004) 48–51. Literatur Bertemes u.a. 2004 F. Bertemes/P. F. Biehl/A. Northe/O. Schröder, Die neolithische Kreisgrabenanlage von Goseck, Ldkr. Weißenfels. Archäologie in Sachsen Anhalt 2, 2004, 137–145. Cohen 1993 M. E. 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