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Truppe wäre nicht vorbereitet Ex-Oberst Thiele: Wehrpflicht könnte Bundeswehr schwächen

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Seit Russlands groß angelegter Invasion in der Ukraine wird wieder vermehrt über die Wehrpflicht debattiert.

Seit Russlands groß angelegter Invasion in der Ukraine wird wieder vermehrt über die Wehrpflicht debattiert.

(Foto: dpa)

Bedrohungen durch Russland oder schlichtweg Personalmangel. Es gibt genügend Gründe, die Bundeswehr zu stärken. Das alte Modell der Wehrpflicht ist allerdings aus der Zeit gefallen, meint Ex-Oberst Thiele. Er glaubt, dass ein anderer Ansatz die bessere Lösung wäre.

Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Bedrohung durch Russland ist die Verteidigung Deutschlands in den letzten Jahren wieder stärker in den Fokus gerückt - ebenso wie eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Militärexperte und Oberst a. D. Ralph Thiele hält das für keine gute Idee. Die Wiedereinführung könnte sich sogar negativ auswirken, schreibt er in einem Gastbeitrag im "Focus". "Aus der gegenwärtigen Substanz der Bundeswehr heraus würde eine kurzfristige Wiedereinführung der Wehrpflicht die deutschen Streitkräfte in ihrem Einsatzwert erheblich schwächen", so Thiele.

Hier und heute fehlten der Truppe "für etwaige Wehrpflichtige eine Aufnahme- und Ausbildungsorganisation, Material und Ausrüstung, ebenso Unterkünfte". Thiele spricht sich in seinem Beitrag für eine "gesellschaftlich breit verankerte allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer" aus und nennt als Beispiel neben der Bundeswehr auch Feuerwehr und Hilfsorganisationen. Sicherheit und Verteidigung seien längst mehr als Bundeswehr. "Ohne eine Grundgesetzänderung geht das nicht."

Zudem fordert Thiele Anreize, um junge Menschen von der allgemeinen Dienstpflicht zu überzeugen. "Alle, die freiwillig ein Jahr dienen, sollten einen Bonus erhalten: zum Beispiel die Reduzierung des Numerus clausus fürs Studium, den Erlass von Praxissemestern oder eine Verkürzung der Ausbildungszeit."

Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, spricht sich im Grundsatz für ein allgemeines gesellschaftliches Dienstjahr aus. "Das finde ich auch eine ganz gute Idee", verwies Högl in der ARD auf entsprechende Vorschläge von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eine Absage erteilte die SPD-Politikerin Forderungen nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht in der traditionellen Form.

"Die alte Wehrpflicht, die möchte, glaube ich, niemand zurück", sagte Högl. Offen sei sie hingegen für "neue Konzepte", wonach sich "alle jungen Menschen eine Zeit lang für unseren Staat engagieren", sagte die Wehrbeauftragte weiter. "Ich werbe dafür, über gute Alternativen zu diskutieren" und dafür "Vorschläge auf den Tisch zu packen".

Taskforce Personalgewinnung

Dabei müsse man "größer denken" als früher bei der Wehrpflicht, forderte sie. So sollten auch die bestehenden Freiwilligendienste einbezogen werden, einschließlich von Bereichen wie Umwelt- oder Denkmalschutz. Positiv äußerte sich Högl auch zu dem schwedischen Modell, wo alle jungen Menschen erfasst und gemustert werden, allerdings nur wenige davon, "die fit genug sind und die das wollen", dann auch tatsächlich eingezogen würden.

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Högl räumte ein, dass die Bundeswehr aktuell erhebliche Probleme bei der Personalgewinnung hat. "Viele Dienstposten sind unbesetzt", sagte die Wehrbeauftragte. Daher habe ja auch Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Taskforce Personalgewinnung eingesetzt. Deren Ergebnisse sollten, sobald sie vorliegen, ausgewertet und "zügig umgesetzt" werden.

Die entsetzlichen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zeigten, "dass das Verteidigen von Frieden, Freiheit und Demokratie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist", sagte Högl weiter. Dies könnten nicht allein "die Soldaten erledigen". Vielmehr seien "alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, unsere Demokratie zu verteidigen", warb sie für mehr gesamtgesellschaftliches Engagement.

Quelle: ntv.de, mba/dpa

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