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Wie entsteht ein Virtual Reality Video-Clip?

Für den neuen Blogpost zum Thema Virtual Reality war ich im Gespräch mit dem VR-Experten Sebastian Preisendörfer von der Preisendörfer & Steimer GmbH (www.preimer.de).

Sebastian ist Dipl. Informatiker, Musikproduzent und Sound Engineer.

Als einer der Geschäftsführer von PREIMER produziert er Video-Content auf höchstem Niveau und das mittlerweile auch in 3D, also als Virtual Reality Experience. PREIMER ist eine Full Service Medienagentur, die Kunden aus unterschiedlichsten Werbe- und Unterhaltungsbranchen auf dem Weg ins digitale Zeitalter begleitet. Dafür produzieren sie mediale Inhalte in höchster Qualität und nach den neuesten Standards.

Sebastian und ich kennen uns bereits seit vielen Jahren. Während meines Projektes „Female Smart House Professionals“ hat er auch den dazugehörenden Imagefilm produziert.

Da ich mich im Zuge meiner Dissertation mit „Smart Learning“ beschäftige, ist das Thema Virtual Reality (VR) natürlich unter dem Gesichtspunkt „Hybrider Lernwelten“ durchaus spannend.

Also sprach ich Sebastian an, ob er mir vielleicht ein paar nähere Informationen zur VR-Produktion geben könnte. Herausgekommen ist nicht nur der folgende Blogpost, sondern ein erstes eigenes VR Experiment. Das freut mich besonders, da es mir SEHR WICHTIG ist, nicht nur über neue Lernwelten und Technologien zu reden, sondern direkt mal auszuprobieren.

Insofern ist das Ergebnis ein erstes kleines (Lern-)Experiment in Form einer, hinsichtlich knapper Zeit und begrenztem Budget, einfach gehaltenen VR-Produktion gewesen.

Der 3D-Clip ist quasi eine Lernreise 4.0 und behandelt das Thema Smart Learning Environments. Wer sich den Clip ansehen möchte, kann dies hier tun:

 

 

Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass der Clip eine sehr gute Internetverbindung voraussetzt, also besser via WLAN!! Das richtige VR-Feeling stellt sich zudem erst durch eine VR-Brille oder ein Cardboard ein.

Darum werde ich den VR-Clip inkl. Cardboard in dieser Woche LIVE auf dem CLC17 BarCamp in Frankfurt vorstellen sowie in der kommenden Woche auf dem Change Congress in Berlin. Man kann also gespannt sein!

Aber jetzt erstmal zu den Fakten:

Bei unserem Treffen am 07.09.2017 habe ich die Gelegenheit genutzt, um Sebastian ein paar Fragen zum Thema Virtual Reality zu stellen. Mir ging es dabei mehr um eine praktische Sichtweise, also wie so ein Film entsteht, worauf man achten muss und wie aufwändig sowas eigentlich ist.

Im Folgenden gibt es die Zusammenfassung unseres Interview:

1.Wie entsteht ein VR-Film?

Der größte Unterschied zwischen einem normalen Video in 2D und einem VR-Video besteht in der Kamera. Eine VR-Kamera nimmt gleichzeitig in alle Richtungen auf, also 360 Grad sowie unten und oben. Auf diese Weise entsteht eine Ansicht in Kugelform, auch Sphäre genannt. Die Qualität der Aufnahmen ist dabei abhängig von der Qualität sowie der Anzahl der Linsen, über die die 360- Grad-Kamera verfügt. Die Anzahl der Linsen bei einer 360° Kamera reicht von zwei, wie bei dem Consumer Modell Samsung Gear 360

 

bis zu 16 oder mehr bei der GoPro: 

Da VR noch relativ neu ist, muss man bei der Konzeption der Filme ganz anders rangehen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass sich auch die Kameraleute aus dem Kamerabild entfernen, da ja grundsätzlich alles aufgezeichnet wird. Ein typisches Filmset, wie man es aus traditionellen Produktionen kennt, mit Kameramann, Regisseur, Tontechniker, Lichttechniker etc. gibt es bei einer 360-Grad Produktion nicht. Insofern muss das Drehbuch ganz anders geplant werden.

2. Welches Equipment (Soft-/ Hardware) wird benötigt?

a) Kameratechnik:

Es gibt viele Möglichkeiten, wie man einen VR-Clip produzieren kann. Zunächst einmal braucht man eine 360° Kamera. Theoretisch kann man sich sogar eine 360° Kamera selber herstellen, indem man mindestens 2 – 4 produktionsgleiche Kameras, mit extrem weitwinkligen Linsen, in einer Halterung verbaut. Eine entsprechende Halterung für z.B. die GoPro Hero 4 Kamera (vgl. Foto), kann man sich als 3D-Drucker Datei runterladen und ausdrucken.

„Das ist aber natürlich nur was für Freaks, da vor allem die Nachbearbeitung des aufgenommen Materials knifflig ist….“

„Einsteiger“ 360° Kameras:

Mittlerweile gibt es aber auch eine Vielzahl an professionellen 360° Kameras zu kaufen. Die Spannweite reicht von „Fun-Modellen“ mit zwei Linsen für den Privatgebrauch (um die 250 Euro) bis zu professionelleren Consumer Kameras mit vier Linsen (ca. 1.000 Euro). Dazu gehören z.B. folgende Modelle:

Ricoh THETA S oder auch  Nikon KeyMission 360:

Oder auch die Samsung Gear 360 (siehe oben).

360° Kameras mit 3D:

Einen richtigen 3D-Effekt lässt sich aber nur erzielen, wenn die Kameras über 2 Linsen pro Richtung verfügen. Erst so wird ein Stereo-Effekt (Stereoskopie) erzielt, der einen räumlichen Eindruck vermittelt. Insofern benötigt man 360° Kameras mit 3D Effekt (ab ca. 1.000Euro).

Z.B Insta360 Pro:

 

„Hightech“ 360° Kameras mit 3D:

Profi 360° 3D Kameras wie z.B. Kandao Obsidian S verfügen zudem über professionellere Software und sind ab ca. 5.000 Euro zu haben. Natürlich gibt es auch noch hochwertigere Kameras, die preislich schon mal einen Lottogewinn voraussetzen und über weitere Zusatzfunktionen und Features verfügen z.B. die Jaunt One J1-24G VR Kamera (ab 95.000 USD):

b) Tontechnik:

Zusätzlich zur Kamera braucht man Audiotechnik. Eingebaute Minimikrofone reichen für Outdoor-Aufnahmen, in denen nichts gesprochen wird. Für kommerzielle Zwecke sind Ansteckmikrofone (Lavalier-Mikrofone) die beste Lösung und bieten die höchste Qualität.

c) Stativ:

Ein Stativ ist für eine VR-Produktion unumgänglich. Auch hier gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten. Von kleinen bis zu großen, sehr flexiblen Stativen. Zum Tragen der Kamera ist ein 360-Grad-Gimbal-Stativkopf (ca. 250 Euro) die beste Lösung. Das Stativ verfügt über Sensoren und Motoren, die die Armbewegungen erkennen und ausgleichen kann, so dass das Bild nicht wackelt, obwohl sich die Kamera bewegt.

d) Software zur Postproduktion:

Für die Nachbearbeitung benötigt man ein Video Schnittprogramm das VR unterstütz wie z.B. Adobe Premiere CC 2017 sowie Stitching-Software, die die Aufnahmen der einzelnen Linsen (aus jeder Richtung) als „Sphäre“ zusammenbaut. Die entsprechende Software ist in der Regel im Kamera-Paket enthalten. In der Nachbearbeitung müssen nämlich insbesondere die überlappenden Bereiche korrigiert werden, was im Vergleich zu 2D Aufnahmen den größten Aufwand darstellt. Um solche „Kanten-Effekte“ in der Produktion & Nachbearbeitung gering zu halten, können feste Bereiche der Filmaufnahmen definiert werden, so dass sich die Darsteller nur darin bewegen können. Ansonsten entstehen eben diese Halo- bzw. Ghosting-Effekte dadurch, dass die Darsteller durch die „Schnittkanten“ der jeweiligen Linse laufen, die im Rahmen der Nachbearbeitung aufwändig korrigiert werden müssen. In der Postproduktion können dann natürlich auch noch andere Feinheiten überarbeitet werden, wie z.B. Belichtung, Farbsättigung etc.

Empfehlenswert für ein professionelles Ergebnis ist die Verwendung von Spezial-Software wie z.B. Kolor Autopano (Video: http://www.kolor.com/tag/vr/), die über die Standardsoftware der Kameras hinausgeht. Da 360° Videomaterial in 4-8K Auflösung verarbeitet wird, ist zudem ein sehr leistungsfähiger Computer (mit einer guten Grafikkarte ab ca. 500 Euro, viel Speicher, RAM etc.) notwendig.

e) Abspiel-Software:

Zum Abspielen der VR-Clips wird dann noch ein VR-Movie-Player benötigt:

 

3. Könnte man ein Smart Learning Environment standardmäßig mit VR-Technik ausstatten?

Na eigentlich würde so eine Grundausstattung in einen „intelligenten Lernraum“ ja schon dazu gehören. Zum Beispiel um Personen an Schulungen und Trainings teilnehmen zu lassen, die nicht anwesend sein können. Dabei würde die 360° 3D Kamera die Geschehnisse im Raum abfilmen, die dann zu einem beliebigen Empfänger gestreamt werden könnten. Das Beispiel funktioniert aber auch andersherum, so dass die Lernenden sich eine VR-Brille aufsetzen und einem Live-Vortrag eines Experten/ einer Expertin im Ausland mitverfolgen können oder bei einer Führung durch eine Produktionsstraße teilhaben können.

Vor allem in der beruflichen Aus- und Fortbildung (Ingenieur/innen, Techniker/innen) sowie handwerklichen Bereichen sind praxisnahe Anwendungen möglich, z.B. bei der Verkabelung von Motoren etc.

Für solche Anwendungen müsste es dann natürlich eine entsprechende Ausstattung in den Räumen mit VR-Brillen (z.B. Oculus Rift/ HTC Vive etc.) geben. Dazu würde man dann noch eine VR-Ready Grafikkarte und einen entsprechenden PC benötigen, der den VR-Clip auf alle VR-Brillen bringt. Da diese bisher überwiegend noch kabelgebunden funktionieren, ist eine gleichzeitige Anwendung für mehrere Brillen eher unhandlich und unpraktisch. Ein kabelloses Streamen auf mehrere Devices ist allerdings in Zukunft zu erwarten. Mit 20 VR-Brillen würde dies derzeit in etwa 6.000-10.000 Euro kosten.

Eine preiswertere Variante wäre mit den Google-Cardboards (ca. 8 Euro) auch denkbar, wenngleich nicht so professionell. Dabei würde das Smartphone der Lernenden den VR-Clip abspielen und zusammen mit einem Cardboard (für den 3D-Effekt) verwendet werden. Allerdings müsste die entsprechende Konfiguration Teil der Schulung sein, da diese von den jeweiligen Smartphones abhängig ist, die die Lernenden dafür nutzen würden. Das bedeutet, dass sich die „lästige“ Konfiguration nicht im Vorfeld erledigen lässt.

Mehr Infos zu VR-Brillen gibt es hier: http://vrbrillen-test.de/

 

4. Können VR-Aufnahmen gestreamt werden, um z.B. Vorträge Live mitverfolgen zu können?

Streaming ist insbesondere für Hightech 3D-Kameras kein Problem mehr heutzutage, vor allem auch daher, da YouTube und andere Plattformen Streaming Dienste anbieten. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich eine gute Internet Verbindung, so dass die VR-Daten gestreamt werden können. Ein 360-Grad Clip mit einer 4K Auflösung entspricht in etwa 3840×2160 Pixeln, das wiederum ist doppeltes Full HD (1920×1080 Pixel). Eine 30 Mbit Leitung sollte dafür vorhanden sein.

Eine gute Übersicht hinsichtlich Leitung und Qualität des Streams (inkl. Mindestvorraussetzungen) gibt es hier bei Vimeo.

Oder auch hier: https://help.vimeo.com/hc/de/articles/115001877167-360-Grad-Videos-hochladen

 

5. Für welche Aufnahmen ist VR am ehesten geeignet und wann sind klassische 2D Aufnahmen besser?

Grundsätzlich ist sowas natürlich Ansichtssache. Das von uns nun durchgeführte Experiment, in dem es sich eigentlich um eine Art Vortrag handelt, das auch in 2D hätte gefilmt werden können, bietet den Nutzern dennoch neue und bisher eher unbekannte immersive Erlebnisse, die zusammen mit den Inhalten eventuell zu einem erweiterten Lernerlebnis führen.

Wofür 360-Grad-3D-Filme auf jeden Fall eher ungeeignet sind, sind die typischen Spielfilme. Dokumentarische Aufnahmen dagegen eignen sich besonders gut, wenn es beispielsweise darum geht, andere Länder und Kulturen zu entdecken oder auch geschichtliche oder politische Zusammenhänge darzustellen. Um einen Eindruck zu bekommen, kann man sich die Apps ZDF VR, Inception VR oder auch Arte360 installieren, die für eben genannte Inhalte VR-Filme anbieten, die man sich auf dem Smartphone ansehen kann.

Bildungsformate allgemein sind sehr gut geeignet für 360-Grad Filme, indem Lehrvideos zu unterschiedlichen Inhalte aufgenommen werden können. Natürlich ist hierbei auch nicht jeder Inhalt geeignet, aber z.B. Videos im medizinischen Bereich, um darzustellen, wie es im Inneren eines Körpers aussieht, wären sicherlich eine Bereicherung zu den klassischen 2D-Formaten.

Darüber hinaus eignen sich 360-Grad Videos auch für Events, wie z.B. ein Konzert, eine Messe oder ähnliches, bei welchem sich der Nutzer „auf dem Event“ live umsehen kann. Oder auch künstlerische Ausstellungen oder sogar Musikvideos.

Im Moment sind 360-Grad 3D-Videos verstärkt im Consumer Bereich als Trailer verbreitet und reichen von einer Achterbahnfahrt bis zu Taucherlebnissen mit Haien. National Geographic und andere dokumentarische Anbieter setzen aber auch immer mehr auf 360-Grad Aufnahmen, auch um beispielsweise aktuelle politische Ereignisse (z.B. Flüchtlingskrise) darzustellen. Auch im journalistischen Bereich gibt es z.B. Kriegsberichterstattungen aus Aleppo in 360-Grad Aufnahmen, in welchen der Journalist direkt vom Ort des Geschehens berichtet und sich derjenige, der das Video betrachtet sich so fühlt, wie wenn er selbst in Aleppo stünde.

Grundsätzlich kann man sagen, dass sich 360-Grad 3D Clips besonders für kürzere Filme eignen, bei welchen die Kamera überwiegend an einer festen Stelle positioniert ist und es wenige Schnitte & Effekte gibt. Man muss ja letztlich genug Zeit zum Umschauen und zum Betrachten der Umgebung haben. Dafür sind eher ruhigere Filmsequenzen notwendig.

Wow, wieder richtig viel gelernt. Herzlichen Dank an dieser Stelle an Sebastian für das interessante Interview.

Wer sich nun noch gründlicher über den Einsatz von VR im Bildungsbereich informieren möchte, kann einen Vortrag über „VR in the classroom“ vom Vision Summit 2016 ansehen.

Viel Spaß!

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