Freelancer sind die neuen Lieblinge der Wirtschaft. Diese Entwicklung überrascht angesichts des gravierenden Fachkräftemangels nicht: Immer mehr Unternehmen setzen für IT-Arbeiten auf die Hilfe von Freelancern. Über 50% der deutschen Firmen messen Freiberuflern im Sourcing-Mix eine „große bis sehr große Bedeutung“ zu. Dies ist das Ergebnis der Studie „IT-Freiberufler 2017“, die das Fachmagazin Computerwoche in Zusammenarbeit mit IDG Business Research durchgeführt hat. 2016 lag dieser Wert noch bei 44%. Die Nachfrage nach Fachkräften ist ungebrochen (Quelle: https://t3n.de/news/freelancer-jobs-610810/).

Von den 44,7 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland (Stand: Juni 2018) sind ca. 5,0 Millionen Selbständige und Freiberufler – das entspricht einer Quote von ca. 11,2%. Diese Zahl beinhaltet allerdings auch viele so genannte „Katalogberufe“ wie Steuerberater und Anwälte.

Leider gibt es keine einheitliche Quelle, aus der hervorgeht, wie viele Experten es in den Bereichen Interim Management, Beratung und Freelancing gibt. Der Projektmarkt i-Fellow.de hat aus verschiedenen Quellen die Daten auf der linken Seite der nachfolgenden Grafik zusammengestellt (Quelle: https://www.i-fellow.de/marktgroessen-im-freelancing/), laut denen es in Deutschland ca. 100.000 Freelancer in der IT gibt (ich finde diese Zahl erstaunlich niedrig).

Auf der rechten Seite der Grafik ist die Entwicklung der Anzahl der Selbständigen in freien Berufen dargestellt, die sich in den vergangenen 26 Jahren von 514.000 in 1992 auf 1.407.000 in 2018 mit 274% fast verdreifacht hat (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158665/umfrage/freie-berufe—selbststaendige-seit-1992/).

Anzahl der Selbständigen und Freiberufler zwischen 1992 und 2018

Im Februar 2013 beschloss ich, mich als freiberuflicher IT-Berater und Interim Manager selbständig zu machen. Dies war für mich als Vater von drei Kindern, die sich seinerzeit noch im Teenageralter befanden, eine bedeutende Entscheidung von großer Tragweite, zumal ich zuvor rund 25 Jahre als Angestellter in großen, internationalen Konzernen tätig war – davon rund 20 Jahre in leitender Funktion im Vertrieb, in der Informationstechnik und in der IT-Konzernrevision.

Wie kam es dazu, dass ich den Sprung in die Selbständigkeit wagte und was habe ich dabei gelernt?

Als ich 1989 meine Tätigkeit als Berufseinsteiger im Vertrieb der Siemens AG in Kassel aufnahm, ging ich noch davon aus, dass ich mein gesamtes Berufsleben bei Siemens bleiben würde. Ende der 1980er-Jahre begannen sich die Folgen der Globalisierung und Liberalisierung erst ganz allmählich auf die Unternehmen in Deutschland auszuwirken. Der Bereich Private Kommunikationssysteme (PN) der Siemens AG tat viel dafür, junge Nachwuchsmitarbeiter zu fördern, für das Unternehmen zu begeistern und langfristig an das Unternehmen zu binden. Siemens bot mir mehr als 20 Jahre lang die Möglichkeit, mich persönlich und beruflich zu entwickeln und im Rahmen von Reisen ins Ausland neue Städte, Länder und Kulturen auf allen Kontinenten (mit Ausnahme der Antarktis) kennenzulernen und ich ergriff diese Möglichkeit dankbar beim Schopf.

Karrieren in Großunternehmen werden nach meinen Beobachtungen häufig durch die alte bayerische Lebensweisheit „Luck is, when opportunity meets preparation“ beeinflusst. Diese Lebensweisheit führte auch in meinem Fall dazu, dass sich mein Berufsweg bei Siemens recht ansehnlich entwickelte. Ich investierte viel und bekam viel zurück – deutlich mehr sogar, als ich zu Beginn meiner Berufslaufbahn erwartet hatte, denn es war mir als Sohn eines Metzgermeisters und einer Hausfrau aus einem kleinen Ort in Nordhessen nicht unbedingt in die Wiege gelegt, Karriere in einem großen, internationalen Konzern zu machen.

2011 wurde die Siemens IT Solutions and Services, deren Chief Information Officer (CIO) ich seinerzeit war, von der französischen Atos übernommen. Aus beruflichen und privaten Gründen entschied ich mich im Juli 2011, freiwillig aus dem Unternehmen auszuscheiden, das 23 Jahre meine Heimat gewesen war (man spricht ja nicht umsonst von der „Siemens-Familie“). Ich suchte nach neuen Herausforderungen und spielte damals bereits mit dem Gedanken, mich selbständig zu machen.

Diese Pläne stellte ich zunächst zurück, nachdem sich über einen Headhunter die Möglichkeit ergab, als Account General Manager für Hewlett Packard tätig zu werden. Nach zwei überaus interessanten Jahren bei HP, in denen ich mein internationales Netzwerk nochmal deutlich ausbauen und einige wertvolle Erfahrungen mit dem US-amerikanischen „way of doing business“ sammeln konnte, wagte ich im Februar 2013 endlich den Sprung in die Selbständigkeit.

Aus naheliegenden Gründen unterscheidet sich die Tätigkeit eines selbständigen Einzelunternehmers wesentlich von der Tätigkeit eines Angestellten in einem großen Konzern. Nicht nur im Hinblick darauf, dass am Monatsende nicht mehr kontinuierlich und zuverlässig ein festes, kalkulierbares Einkommen auf das Bankkonto überwiesen wird, sondern vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeit, sich als Einzelunternehmer selbst um alles kümmern zu müssen. In großen Konzernen gibt es für alle möglichen Aufgabenstellungen Fachleute und Dienstleister (z. B. Personalabteilung, Rechtsabteilung, Steuerabteilung, IT, Einkauf, Vertrieb, Standortverwaltung), die man häufig erst so richtig zu schätzen lernt, wenn man ihre Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann. In meinem Fall gab es von einem auf den anderen Tag auch kein Vorzimmer mehr, das sich um organisatorische Themen kümmerte und nur wichtige Anrufe durchstellte, oder Mitarbeiter, an die ich etwas delegieren konnte.

Eine recht interessante Unterscheidung zwischen den Rollen „Experte“, „Manager“ und „Unternehmer“ finden man auf der Internetseite Vitality4Happiness.de von Klaus Forster (siehe: https://vitality4happiness.de/der-unterschied-zwischen-einem-selbstaendigen-und-einem-unternehmer/):

  • Ein Experte tauscht im Unternehmen in der Regel Zeit gegen Geld. Er ist darauf konzentriert, korrekt und zuverlässig zu arbeiten. Dabei möchte er effizient sein und kümmert sich eher um sein nahes Umfeld. Ergebnisse werden an den nächsten Vorgesetzten geliefert.
  • Der Manager ist dafür verantwortlich, dass die Prozesse reibungslos laufen. Zentral ist dafür die Koordination der Fachkräfte, damit diese ihre Aufgaben effizient erledigen. Dabei stehen Optimierungen im Prozess vor der Betrachtung von übergeordneten Zielen. Der Manager verantwortet die Unternehmensleistungen gegenüber dem Auftraggeber.
  • Im Gegensatz zu Experte und Manager arbeitet der Unternehmer nicht im, sondern am Unternehmen. Er ist die kreativ zerstörerische Kraft, die das gesamte System immer wieder in Frage stellt, umbaut und neu erfindet. Er ist eher der Designer, der das Unternehmen immer neu gestaltet. Sein Kunde ist sein potentieller Nachfolger, dem er ein profitables Unternehmen hinterlassen möchte. Seine persönliche Weiterentwicklung ist als kreativer Impulsgeber maßgeblich für den Unternehmenserfolg und sein größter Erfolg ist es, sich selbst überflüssig zu machen.

Obwohl aus Sicht von Klaus Forster die drei Rollen bei einer Selbständigkeit kaum in einer Person zu vereinen sind, da jede Rolle eine komplett unterschiedliche Denkweise, erfordert, wird man als Freiberufler und „One-man-show-Band“ nicht umhin kommen, die Quadratur des Kreises zumindest zu versuchen.

Nicht umsonst setzt sich der Begriff „selbständig“ aus „selbst“ und „ständig“ zusammen und im Begriff „Unternehmer“ steckt das Verb „unternehmen“. Insbesondere in der Gründungsphase steht man als Jungunternehmer vor einer Fülle von Herausforderungen – auch dann, wenn man bereits über langjährige berufliche Erfahrungen und ein großes Netzwerk verfügt.

Es stellt sich ein bunter Blumenstrauß von ganz praktischen Fragen, wie z. B.:

  • Wie positioniere ich mich im Markt (inhaltlich und preislich, aber auch im Hinblick auf Kunden- und Marktsegmente)?
  • Wie schaffe ich es, von potenziellen Kunden im Markt wahrgenommen zu werden?
  • Wie finde ich heraus, bei welchen Kunden es konkreten Bedarf nach den Leistungen in meinem Portfolio gibt?
  • Wie gewinne ich am besten Aufträge?
  • Wie kann ich mein Unternehmen zu einer Marke entwickeln (mit Vision, Mission, Logo, Webseite mit Domain, Visitenkarten, Beraterprofil bzw. Lebenslauf, Unternehmenspräsentation bzw. Unternehmensblog, Profile in LinkedIn und XING …)?
  • Wie gestalte ich meine Angebote und wie schreibe ich Rechnungen?
  • Wie decke ich den Finanzierungsbedarf für die unabdingbaren Betriebsmittel (Notebook, Smartphone, …)?
  • Wie manage ich am besten die notwendigen administrativen Aufgaben (Beantragung einer Umsatzsteuer-ID, Umsatzsteuer-Vorauszahlungen an das Finanzamt, Monats- und Jahresabschlüsse, Steuererklärungen etc. pp.)?

Wenn man im Internet nach den Begriffen „Existenzgründung“, „Selbständigkeit“, „Startup“ und „Freelancer“ recherchiert, findet man eine breite Auswahl von Informationsquellen und Anbietern mit zum Teil wirklich guten Informationen, wie z. B. das Existenzgründerportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: https://www.existenzgruender.de/. Ich möchte mich im Folgenden daher auf die Frage konzentrieren, wie man als freiberuflicher IT-Berater und Interim Manager am besten Aufträge gewinnt. Bevor ich dazu komme, gestatten Sie mir noch ein paar kurze Anmerkungen zu Themen, die ich auf Basis meiner eigenen Erfahrungen für wichtig halte.

Auch wenn man für die Gründung seines Unternehmens kein Fremdkapital von Banken oder anderen Kapitalgebern benötigt, kann ich jedem Jungunternehmer nur empfehlen, im Vorfeld der Unternehmensgründung einen Businessplan zu erstellen, da man sich bei dieser Übung automatisch die richtigen Fragen stellen und diese auch überzeugend beantworten muss (sinnvolle Gliederung siehe Grafik).

Inhaltsverzeichnis Business Plan

Kostenlose Vorlagen für Businesspläne findet man entweder in dem bereits erwähnten Existenzgründerportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (https://www.existenzgruender.de/) oder z. B. unter https://businessplan4u.de/. Man kann sich für die Entwicklung eines Businessplans auch kostenpflichtige professionelle Unterstützung holen, z. B. bei https://www.businessplan.org/. Aufgrund meiner Erfahrung habe ich seinerzeit bei der Erstellung meines Businessplans auf die Inanspruchnahme professioneller Unterstützung verzichtet.

Ebenso habe ich mich beim Sprung in die Selbstständigkeit in 2013 entschieden, die Gestaltung von Logo, Webseite (http://www.kubra.de), Visitenkarten, Beraterprofil, Unternehmenspräsentation und Unternehmensblog (http://kubraconsult.blog) sowie von Angeboten und Rechnungen selbst zu übernehmen. Meine Kinder finden die Ergebnisse nicht „peppig“ genug und eine professionelle Agentur bzw. ein professioneller Webdesigner hätte diese Aufgaben bestimmt besser erledigen können, aber mir war es wichtig, meine entsprechenden Kenntnisse aufzufrischen und man findet im Internet ganz brauchbare Vorlagen, die man mit überschaubarem Aufwand für seine Zwecke adaptieren kann.

Im Gegensatz dazu habe ich die Erledigung der notwendigen administrativen Aufgaben einem Steuerberater überlassen. Ich würde dies in der Rückschau der letzten 5 Jahre auf jeden Fall wieder so handhaben, da das deutsche Steuerrecht selbst für Freiberufler eine Vielzahl potenzieller Fallstricke enthält (z. B. Fristen für Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Einkommensteuererklärungen etc.).

Förderprogramme zur Existenzgründung bzw. zur Unternehmensexpansion sind ein vielschichtiges und umfangreiches Thema. Von der Bundesagentur für Arbeit, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bis hin zur Europäischen Union (EU) gibt es theoretisch eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Existenzgründungszuschüsse oder günstige Existenzgründungsdarlehen in Anspruch nehmen zu können. Praktisch gestaltet sich dies deutlich schwieriger, da häufig Sicherheiten verlangt werden, die man als Jungunternehmer bzw. Freiberufler nicht vorweisen kann. Zudem sind die Zugangspfade, z. B. zu den EU-Förderprogrammen nach meiner Erfahrung intransparent und verschlungen. Es gibt wiederum Spezialisten, die professionelle Hilfe bei der Fördermittelprüfung anbieten, allerdings sollte man deren Seriosität unbedingt überprüfen. Da ich selbst keine Fördermittel in Anspruch genommen habe, kann ich diesbezüglich nicht mit eigenen Erfahrungen aus erster Hand dienen.

Freiberufler sind in der Regel nicht mehr über die gesetzliche Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versichert und müssen demzufolge selbst für diese Fälle vorsorgen. Auch dieses Thema ist leider sehr komplex und vielschichtig, so dass ich an dieser Stelle nur darauf aufmerksam machen und inhaltlich auf einschlägige Quellen verweisen möchte – siehe z. B.:

Prüfen Sie insbesondere, ob und unter welchen Bedingungen Sie ggf. wieder in die gesetzlichen Kranken-, Renten- und Sozialversicherungen zurückkehren können, falls ihre Selbständigkeit nicht von Dauer sein sollte.

Bei der Preisbildung gilt die Grundlogik: Je höher der Verrechnungssatz, desto kleiner wird der potenzielle Kundenkreis. Man sollte nicht gierig werden, sich allerdings auch nicht unter Wert verkaufen. Neben den monatlichen Kosten, die man als freiberuflicher IT-Berater zu decken hat (einschließlich Reise- und Übernachtungskosten sowie Spesen im Rahmen von Aufträgen), sollte man auch die marktüblichen Verrechnungssätze für Beratungsleistungen berücksichtigen, die durch Qualifikation, Erfahrung und Positionierung im Markt beeinflusst werden.

Hilfreich bei der Festlegung der Preise für die eigenen Beratungsleistungen sind Marktanalysen von Unternehmen wie Pierre Audoin Consultants (https://www.pac-online.com/de). Aber auch in Fachzeitschriften, wie der Computerwoche, Heise.de oder dem CIO Magazin werden regelmäßig Fachartikel zur Entwicklung der marktüblichen Verrechnungssätze für Berater und Freelancer veröffentlicht. Die jährlichen Lünendonk-Rankings, wie z. B. die „Führenden 25 IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland“ sind nach meiner Erfahrung ebenfalls hilfreich, um sich zielführend im Markt zu positionieren (https://luenendonk.de/).

Großkonzerne versuchen in der Regel, durch Bedarfsbündelung und Konzentration auf einige wenige Vorzugslieferanten möglichst günstige Verrechnungssätze für Berater zu vereinbaren, die nicht selten auf einer Mischkalkulation des Anbieters basieren.

Die Frage des Kunden nach Preisnachlässen ist natürlich legitim; genauso legitim ist der Verweis auf die eigene Qualifikation und Erfahrung, denn das Wichtigste beim Einsatz von Beratern ist nicht der Verrechnungssatz, sondern die Wertschöpfung, die der Berater im Zuge seines Engagements für den Kunden erbringt (auch wenn Einkäufer häufig anders gesteuert werden). In Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis müssen erfahrene, hochqualifizierte Freelancer den Vergleich mit unerfahrenen Big 4-Beratern nicht scheuen gemäß der alten Weisheit von Red Adair und einem zweiten Satz, den ich besonders Einkäufern mit Verantwortung für IT-Beratungsleistungen ans Herz legen möchte.

Zwei Weisheiten zu Preis und Qualität

Stichwort „Kosten“: Versuchen Sie als Jungunternehmer vor allem in der Anfangsphase, in der Sie noch nicht über finanzielle Puffer verfügen, Ihre Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Sie benötigen als selbständiger Einzelunternehmer in der IT-Beratung weder einen Firmenwagen, noch müssen Sie teure Büroräume anmieten oder gar kaufen. Bis Sie sich und Ihr Unternehmen etabliert haben, kommen Sie mit Notebook, Smartphone und breitbandigem Internetzugang im Home-Office bestens zurecht. Alternativ zu Investitionen in eigenes Betriebsvermögen, für die Sie Kapital benötigen, würde ich Ihnen die Nutzung von Miet- oder Leasingverträgen bzw. „Pay-as-you-use“-Modellen empfehlen, bei denen man nur eine monatliche Nutzungsgebühr zahlt. Solche Möglichkeiten gibt es für alle wesentlichen Betriebsmittel, wie z. B. Fahrzeuge, Büroräume, Computer, Smartphones oder sogar Software. Auch Steuernachforderungen bzw. zeitversetzte Forderungen des Finanzamtes für Einkommen- oder Umsatzsteuer können unangenehme Folgen haben, wenn man nicht rechtzeitig für die notwendigen Rücklagen sorgt.

Die Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im April 2017, die eigentlich darauf abzielte, Scheinselbständigkeit zu erschweren, hat Freelancern das Leben nicht unbedingt leichter gemacht. Die Zahl der Leiharbeitnehmer in Deutschland hat sich innerhalb von 32 Jahren fast verfünfundzwanzigfacht von 42.000 am 01.05.1985 auf 1.043.000 am 01.06.2017 (siehe auch: https://tivot.blog/2018/02/10/das-bessere-ist-der-feind-des-guten-warum-deutschland-einen-politikwechsel-braucht/). Die folgende Grafik zeigt die zahlreichen Gesetzesänderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung und Entwicklung der Leiharbeit in Deutschland zwischen 1980 und 2017:

Gesetzesänderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung und Entwicklung der Leiharbeit in Deutschland zwischen 1980 und 2017 (mit Rahmen)

Die aus der AÜG-Novelle resultierenden Probleme (Schutz von Leiharbeitern auf Kosten von selbstständigen Einzelunternehmern) werden in einem Gastbeitrag von Dr. Harald Linné und Michele Dilenge in der Wirtschaftswoche vom 03.12.2017 unter der Überschrift „Arbeitnehmerüberlassung: Der Gesetzgeber steht der Wirtschaft im Weg“ erläutert – siehe: https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeitnehmerueberlassungsgesetz-der-gesetzgeber-steht-der-wirtschaft-im-weg/20654128.html. Eine Beschreibung der konkreten Auswirkungen des AÜG auf Freiberufler finden Sie z. B. in einem Blog von Rechtsanwalt Kristian Borkert vom 23.03.2017 unter der Überschrift „Tipps für Freiberufler zum neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ auf Gulp.de: https://www.gulp.de/knowledge-base/recht-und-steuern/tipps-fuer-freiberufler-zum-neuen-arbeitnehmerueberlassungsgesetz.html.

Damit komme ich zum eigentlichen Thema dieses Blogs.

Zur Gewinnung von Aufträgen haben Freiberufler (in der IT-Branche) grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten:

  1. Nutzung des eigenen Netzwerks
  2. Content Marketing über Business Netzwerke (z. B. LinkedIn, XING) oder Fachzeitschriften (z. B. CIO Magazin, Computerwoche)
  3. Zusammenarbeit mit spezialisierten Vermittlern (z. B. Atreus, EIM, Comatch, Taskforce, Hays, Etengo, Alexander Mann Solution, Michael Page, KLAITON)
  4. Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen (z. B. Randstad, Adecco, ManpowerGroup)
  5. Unterauftragnehmer großer, namhafter Beratungen zur Abdeckung von deren Lastspitzen (z. B. Accenture, McKinsey, BCG, Deloitte, PwC, E&Y, KPMG)
  6. Plattformen bzw. Jobportale, wie Freelance.de (http://www.freelance.de), die den Anspruch haben, Freiberufler und Projekte zusammenzubringen.
  7. Besuch von Kongressen und Fachveranstaltungen (z. B. Handelsblatt-Tagung „Strategisches IT-Management“ oder Hamburger IT-Strategietage)
  8. Gezielte Kaltakquisition bei offenkundigen Gelegenheiten (z. B. Umorganisationen, Restrukturierungen, Mergers&Acquisitions)
  9. Vermittlungsprovisionen für die Anbahnung von Aufträgen über das eigene Netzwerk

Zitat aus der eingangs bereits erwähnten Studie „IT-Freiberufler 2017“: „Der Widerstand gegen den Einsatz von IT-Freiberuflern ist hierzulande nicht ausgeprägt. Davon profitieren auch die Mittelsmänner – Online-Portale, IT-Berater, Personaldienstleister sowie die externe Rekrutierung über Third-Party-Manager beziehungsweise Managed-Service-Provider. In diesen Beschaffungskanälen gibt es ein stetes Auf und Ab , wobei aktuell IT-Berater Aufwind verspüren, während Personaldienstleister einen leichten Rückgang verzeichnen. Und seit Jahren werden Online-Portalen die besten Zukunftsaussichten eingeräumt – einen Durchbruch gegenüber den „realen“ Vermittlern haben die Websites bislang nicht geschafft. Der wichtigste Rekrutierungsweg für Unternehmen bleibt jedoch mit rund 41% die direkte Beauftragung aus dem persönlichen Netzwerk. Ohne das eigene Netzwerk wären auch viele IT-Freiberufler ohne Anschlussauftrag. Kontakte und Beziehungen sowie positive Erfahrungen bei einem Einsatzunternehmen sind Gold wert. Von den Institutionen im Markt unterbreiten Vermittler und Personaldienstleister die meisten Angebote für Aufträge an IT-Freiberufler. Dahinter rangieren IT-Beratungsgesellschaften, Systemhäuser sowie Online-Portale mit und ohne Agenturleistungen.“

Das eigene Netzwerk ist naturgemäß eher überschaubar, bietet allerdings den wichtigen Vorteil, dass man in der Regel direkten, persönlichen Zugang zu den Auftraggebern hat. Darüber hinaus werden die eigenen Verrechnungssätze im Auftragsfall nicht durch Aufschläge von Vermittlern verteuert, was gerade in hochpreisigen Premium-Marktsegmenten ein nicht zu unterschätzender Faktor ist.

Durch gezieltes Content Marketing in Business Netzwerken, wie z. B. LinkedIn oder XING, kann man sein Netzwerk erheblich vergrößern bzw. sich innerhalb seines Netzwerks durch qualitativ hochwertige Beiträge (Blogs, Postings, Kommentare in Diskussionen) profilieren und einen Namen schaffen. Den Zeitaufwand dafür sollte man nicht unterschätzen, zumal dieses Content Marketing eine gewisse Regelmäßigkeit voraussetzt.

Sehr gute Tipps zur optimalen Gestaltung des eigenen Profils in LinkedIn oder XING finden Sie in einem Blog von Stephan Koß, der am 12.08.2018 unter der Überschrift „LinkedIn fürs Eigenmarketing nutzen“ im Upload-Magazin veröffentlicht wurde: https://upload-magazin.de/blog/27099-linkedin-eigenmarketing.

Aus diesem Blog stammen folgendes Zitat und folgende Grafik: „In Deutschland steht LinkedIn (noch) im Schatten von XING. Das Analysetool für Webtraffic „Alexa“ (https://www.alexa.com/siteinfo) zeigt jedoch auch in Deutschland mittlerweile ein höheres Interesse an LinkedIn. Tatsächlich hat LinkedIn gegenüber XING im Punkt Mitglieder fast eingeholt und in der Aktivität eher überholt. Die Zielgruppen sind dabei nicht so identisch, wie man annimmt: So sind Freiberufler stärker auf XING unterwegs (und werden auch dort eher gesucht), während LinkedIn bei Großunternehmen und Konzernen eine weitaus höhere Vernetzungsdichte besitzt“:

Anzahl Mitarbeiter von DAX-Konzernen bei XING und LinkedIn zwischen 2010 und 2018

Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, Snapchat oder Pinterest kann ich auf Basis meiner persönlichen Erfahrungen für geschäftliche Zwecke nicht empfehlen, obwohl diese Messenger, Apps und Plattformen natürlich über immense Reichweiten verfügen (siehe Grafik):

Social Media-Nutzung in Deutschland 2018

Wenn man auf Twitter gezielt den großen Nachrichtenseiten, Fachzeitschriften oder namhaften Experten folgt, kann man diese Plattform immerhin sinnvoll nutzen, um sich selbst hinsichtlich aktueller Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass es extrem wichtig ist, die Phasen zwischen Aufträgen dafür zu nutzen, um sich selbst weiterzubilden. In Branchen, in denen Zertifizierungen (z. B. ITIL, COBIT, ISO/IEC 27001) wichtig sind, macht es Sinn, professionelle Seminare zu besuchen. Ansonsten bietet das Internet (neben viel Müll) einen unerschöpflichen Fundus an hochwertigen Informationen, die man für die eigene Weiterbildung nutzen kann. Nur mit einer scharfen Axt, kann man effizient Bäume fällen.

Spezialisierte Vermittler, Zeitarbeitsfirmen und große, namhafte Beratungen haben den Vorteil, dass sie Freelancern potenzielle Aufträge auf dem Silbertablett servieren, da sie in der Regel über etablierte, langjährige Kundenkontakte verfügen und die Kundenschnittstelle sehr professionell und kontinuierlich managen können. Nachteil sind die bereits erwähnten Aufschläge auf die Verrechnungssätze des Freelancers, die zum Teil beträchtlich sind (bis zu 40%) und dazu führen können, dass insbesondere Freelancer mit hohen eigenen Verrechnungssätzen im Premium-Segment aus Sicht des Endkunden nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Darüber hinaus enthalten die Verträge solcher Vermittler in der Regel Klauseln, die den Freelancer verpflichten, eine Provision an den Vermittler zu zahlen, wenn der Freelancer innerhalb von z. B. 12 Monaten einen weiteren Auftrag von dem Endkunden erhält. Auch bei den Regelungen zum Thema „geistiges Eigentum“, welches im Rahmen der Beratungsaufträge entwickelt wird, sollte man genau hinschauen.

Ich selbst habe Plattformen, wie Freelance.de (http://www.freelance.de), die den Anspruch haben, Freiberufler und Projekte zusammenzubringen, bislang nicht aktiv genutzt, da ich den Eindruck hatte, dass die darüber vermittelten Projekten eher selten dem Marktsegment zuzuordnen sind, auf das ich mich konzentriert habe. Ungeachtet dessen würde ich mich über Erfahrungsberichte in den Kommentaren zu diesem Blog freuen. Auf T3N.de wurde am 15.05.2018 ein Artikel unter der Überschrift „Du bist Freelancer und suchst Arbeit? 23 Portale, auf denen Du sie findest“ veröffentlicht, auf den ich an dieser Stelle verweisen möchte: https://t3n.de/news/freelancer-jobs-610810/. In der Computerwoche erschien am 01.08.2018 ein Artikel unter der Überschrift „Recruiting für Zeitarbeit und Personaldienstleistung: Online-Jobbörsen überflügeln Arbeitsagenturen“, der einige interessante Daten und Fakten aus einer Lünendonk-Studie zum Thema „Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland“ zusammenfasst: https://www.computerwoche.de/a/online-jobboersen-ueberfluegeln-arbeitsagenturen,3545524.

Mit dem Besuch von Kongressen und Fachveranstaltungen (z. B. Handelsblatt-Tagung „Strategisches IT-Management“ oder Hamburger IT-Strategietage) habe ich persönlich gute Erfahrungen gemacht. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann zwar in Abhängigkeit von Qualität und Teilnehmerkreis ca. 3.000 € kosten, ich halte dies allerdings für gut investiertes Geld, da man in der Regel hochkarätige Kontakte trifft, aus denen sich gute Opportunities ergeben können.

Um gezielte Kaltakquisition bei offenkundigen Gelegenheiten (z. B. Umorganisationen, Restrukturierungen, Mergers&Akquisitions) durchführen zu können, muss man natürlich den Wirtschaftsteil der regionalen und überregionalen Zeitungen (HAZ, WAZ, Münchner Merkur, Handelsblatt, Wirtschaftswoche, FAZ, Süddeutsche, ZEIT) kontinuierlich verfolgen. Kaltakquisition über E-Mail ist weitgehend sinnlos, da die meisten potenziellen Auftraggeber in einer E-Mail-Flut ertrinken. Sich durch ein Telefonat oder ein kleines originelles oder praktisches Präsent (Schlüsselanhänger, Flaschenöffner, …) von der Masse der Anbieter abzuheben, ist schon Erfolg versprechender.

Insbesondere, wenn Sie über ein großes Netzwerk mit vielen hochkarätigen Kontakten verfügen, können Sie dieses Netzwerk anderen Unternehmen/Freelancern zur Verfügung stellen, um deren Kundenzugang zu erleichtern und die Gewinnung von Aufträgen zu befördern. Für die entscheidende Unterstützung bei der Anbahnung von Aufträgen werden in der Praxis nicht selten Vermittlungsprovisionen gezahlt, die sich – abhängig von Inhalt und Umfang des Auftrags (Software, Dienstleistungen, …) in einer Größenordnung von 5 bis 10% des Auftragswertes bewegen können. Sie sollten jedoch bedenken, dass Sie in solchen Konstellationen keinen direkten Einfluss auf die Qualität der Leistungserbringung haben, obwohl Sie durch Ihre Empfehlung ihren guten Ruf aufs Spiel setzen. Darüber hinaus können kleine, informelle Gefälligkeiten mittel- bis langfristig größere Wirkungen erzielen, als formale Vermittlungs- und Geschäftsanbahnungsverträge mit Provisionsvereinbarungen, mit denen man ja naturgemäß eine Erwartungshaltung weckt und Verpflichtungen eingeht. Ich würde empfehlen, solche formalen Verpflichtungen nur gegenüber solchen Unternehmen einzugehen, die Sie gut kennen und von deren Qualität Sie absolut überzeugt sind. Sie sollten innerhalb Ihres Netzwerks unbedingt den Eindruck vermeiden, dass Sie sich gegen den Einwurf ausreichend großer Münzen für beliebige Zwecke instrumentalisieren lassen. Damit zerstören Sie letztlich nur ihren guten Ruf und das hätte fatale Auswirkungen auf Ihre eigene Geschäftstätigkeit.

Die wirksamste Methode zur Gewinnung von Aufträgen sind persönliche Kontakte. „Ohne Fleiß kein Preis“, das gilt auch und vor allem bei der Akquisition von Kunden. Zu meinen Anfangszeiten im Investitionsgütervertrieb bei Siemens hatten wir die Faustregel, dass 10 Angebote im Durchschnitt zu einem Auftrag führen. Selbst wenn man seine Kunden und Opportunities sehr sorgfältig qualifiziert, dürfte die „Hitrate“ bei Freelancern nicht wesentlich besser aussehen. D. h. man benötigt eine entsprechende Frustrationstoleranz, wenn selbst gute Angebote zu wettbewerbsfähigen Preisen und optimaler Abdeckung der geforderten Leistungen durch die vorhandene Qualifikation nicht zu einem Auftrag führen. Kooperieren Sie mit anderen Freelancern, helfen Sie mit Rat und Tat, wenn Sie Kollegen, z. B. durch Coaching oder Empfehlungen innerhalb ihres Netzwerkes, einen Gefallen tun können. „Karma is a Bitch“ sagt eine weitere alte bayerische Lebensweisheit und ich kann aus eigener Erfahrung bezeugen, dass sie wahr ist.

Ein Kunde, der mit meiner geleisteten Arbeit zufrieden ist, bei dem ich meinen eigenen Horizont erweitern konnte und von dem ich für meine Arbeit angemessen entlohnt wurde, ist für mich als selbständiger Einzelunternehmer die beste Motivation. Abgesehen davon wird ein zufriedener Kunde mich mit größerer Wahrscheinlichkeit für Folgeaufträge in Betracht ziehen bzw. mich innerhalb seines Netzwerkes weiterempfehlen – was übrigens ein weiterer wichtiger Weg zur Gewinnung neuer Aufträge ist.

Abschließender Hinweis: Die Möglichkeit, monatlich wiederkehrende Einnahmen aus kostenpflichtigen Abonnements, z. B. für Newsletter mit besonders hochwertigen Informationsangeboten, oder Einnahmen aus „pay-as-you-like“-Modellen zu erzielen, ist aus Sicht eines selbständigen Einzelunternehmers natürlich besonders interessant. 1.000 Abonnenten, die bereit sind, pro Monat eine Abogebühr von 10,00 € zu zahlen, erzeugen bereits einen Bruttoumsatz von 10.000,00 € pro Monat. Zu dieser Kategorie zählen auch Webcasts bzw. Gruppencoachings im Internet oder Key-Notes auf Veranstaltungen jeweils gegen Bezahlung.

Trotz der vorgenannten Herausforderungen habe ich den Sprung in die Selbständigkeit bis heute nicht bereut. Auch wenn das Einkommen nicht so kontinuierlich fließt, wie in einem Angestelltenverhältnis, und der Aufwand für die Akquisition von Aufträgen hoch ist, schätze ich wesentliche Vorteile wie:

  • Hohes Maß an Eigenverantwortung und persönlicher Freiheit
  • Neue fachliche Herausforderungen bei unterschiedlichen Kunden/Branchen
  • Erweiterung meines Horizonts mit steiler Lernkurve
  • Weitergabe wertschöpfender Erfahrungen an meine Kunden
  • Aufbau guter persönlicher Kontakte und Beziehungen im Rahmen meiner Aufträge

Für konstruktive Kritik zur diesem Blog bin ich, wie immer, jederzeit dankbar.

P.S.: In meinem Blog „Die ultimative Leseliste für Chief Information Officer“ vom 18.05.2018 finden Sie eine Übersicht über meine wichtigsten Blogs, die nicht nur für IT-Fachleute interessant sind: https://kubraconsult.blog/2018/05/18/die-ultimative-leseliste-fuer-chief-information-officer/ (English version: https://kubraconsult.blog/2018/05/18/the-chief-information-officers-ultimate-reading-list/ ).

2 Kommentare zu „Der Sprung in die Selbständigkeit als freiberuflicher IT-Berater

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