Die großen historischen Debatten beginnen immer mit einer Provokation. Das war Anfang der sechziger Jahre so, als der Hamburger Historiker Fritz Fischer mit seinem Buch "Griff nach der Weltmacht" die konservative Zunft herausforderte. Das war so Mitte der achtziger Jahre, als Jürgen Habermas in dieser Zeitung mit seiner Antwort auf Ernst Nolte und andere Geschichtswissenschaftler den Anstoß gab für den "Historikerstreit" um die Einmaligkeit und Vergleichbarkeit der nationalsozialistischen Verbrechen.

Zehn Jahre später ist nun der Auftakt gesetzt für den zweiten, für einen noch schärferen Historikerstreit. Das gerade erschienene Werk des jungen Harvard-Professors Daniel Jonah Goldhagen, "Hitler's Willing Executioners" (Hitlers willige Vollstrecker), ist eine der Provokationen, die mitten in die großen Debatten führen. Im August wird es bei Siedler in deutscher Übersetzung herauskommen. In den Vereinigten Staaten hat das Buch schon jetzt für Aufregung gesorgt. Kein Wunder, denn Goldhagen beansprucht, endlich eine schlüssige Antwort zu geben auf die beiden Fragen, die uns auch ein halbes Jahrhundert nach Ende des "Dritten Reiches" immer noch umtreiben: Wie konnte der Holocaust, dieses entsetzlichste aller Menschheitsverbrechen, geschehen? Und warum gerade in Deutschland?