Dortmund. Tempolimits schützen die Anwohner von Autobahnen nicht vor Verkehrslärm. Für den sind nämlich weder Autos noch laute Motorräder verantwortlich.

Ein 30-monatiger Großversuch an der A 45 bei Dortmund bringt für Autofahrer, Bürgerinitiativen und Verkehrspolitiker handfeste Überraschungen. Das Ergebnis: Die Anordnung von Tempo 100 schützt die Bewohner naher Siedlungen nicht vor nervendem Verkehrslärm.

Der Grund: Nicht schnelle Pkw und auch nicht laute Motorräder machen den meisten messbaren Krach, wie es viele Kritiker vermuten. Es sind die Schwerlaster – und für die gilt ohnehin ein Geschwindigkeitslimit von 80 Stundenkilometern.

Tempolimit-Test lief seit 2013

„Die Messungen zeigen, dass ein Tempolimit keine wesentliche Änderung der Schallemissionen bewirkt“, sagt Gutachter Roland Weinert von Brilon/Bronszi/Weiser, dem Ingenieurunternehmen, das von der Landesregierung und der Bezirksregierung Arnsberg mit dem Großversuch zwischen den Autobahnkreuzen Dortmund West und Dortmund Süd beauftragt war.

Auch interessant

Seit 2013 waren auf einem knapp sieben Kilometer langen Abschnitt der Strecke nachts und an Wochenenden mit und ohne Tempobegrenzungen Messungen vorgenommen und verglichen worden. Gleichzeitig wurden die Anlieger befragt. Dabei stellte sich heraus: Sie äußerten vielfach den – durch die Messungen nicht belegbaren – Eindruck, nach dem Aufstellen der Tempolimit-Schilder sei der Lärm zurückgegangen.

Fahrer überschritten häufig das Tempolimit

Autofahrer halten sich nicht an Tempolimits, wenn sie in der Verkehrslage keinen Anlass dafür erkennen. Das ist eine weitere Lehre aus dem Test. Neben der Hauptursache „Schwerverkehr, dessen Beitrag zur Lärmsituation hoch ist“, ist Gutachtern und Regierung eine erhebliche Disziplinlosigkeit aufgefallen. Trotz der ausgeschilderten Tempogrenze von 100 floss der Verkehr mit Geschwindigkeiten zwischen 120 und 130 km/h. Einige Motorräder fuhren sogar Tempo 250. „Ein erheblicher Teil der Fahrer ist schneller gefahren als zulässig“, stellt Weinert fest.

Auch interessant

Die Landesregierung will die Ergebnisse dem Landtag vorlegen und Konsequenzen aus den Erhebungen ziehen. Michel Gaedtke vom Düsseldorfer Verkehrsministerium glaubt, dass die Behörden künftig „andere Maßnahmen einer Beschilderung vorziehen“, um die Anlieger vor Lärm zu schützen - darunter Lärmschutzwände und schalldichte Fenster. „Tempolimit hilft nicht wirklich“, so Gaedtke.

Tempolimits werden trotz Studie nicht zurückgenommen

Das könne teurer werden, obwohl NRW in den letzten Jahren mit 5,5 Milliarden Euro überdurchschnittlich viel Bundesgelder in den Lärmschutz gesteckt habe, sagt Gaedtke. Allerdings sollen bereits aus Lärmschutzgründen verhängte Tempo-Höchstgrenzen in Nordrhein-Westfalen nicht zurückgenommen werden. Aus Gründen der Verkehrssicherheit angeordneten Limits – das sind die meisten - stehen ohnehin nicht zur Debatte.

Für den Arnsberger Vizeregierungspräsidenten Volker Milk hat sich der Einsatz für den 110 000 Euro teuren Großversuch auf jeden Fall gelohnt. Denn die Messungen hätten bestätigt, dass die Lärm-Ermittlung der Behörden, die vor Entscheidungen für Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt werden, auf korrekten Grundlagen basierten. Dafür werden Berechnungen genutzt, keine Messungen. Die Messungen während des Tests und die vorherigen Berechnungen hätten sich beim Versuch kaum unterschieden, sagte Milk. Die wegen des Versuchs verhängten Tempolimits an der A 45 bei Dortmund werden mit sofortiger Wirkung aufgehoben.