Schreiben am Laptop
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Optimierung (durch Digitalisierung)

Anika Lieblang, IDS Mannheim

Ein Optimum (lat. optimum > das Beste) wird gemeinhin als das beste und günstigste Resultat verstanden, das unter gegebenen Bedingungen erzielt werden kann. Die Suche nach dem Optimum unter gegebenen Voraus- und Zielsetzungen nennt man Optimierung.1


Trend zur Optimierung im Alltag

Optimierung kann zum Beispiel durch das Mittel der Digitalisierung erreicht werden, also mit Hilfe einer zunehmenden Technisierung. Der Optimierungswille ist weit verbreitet. Man begegnet gegenwärtig vor allem in der Wirtschaft der Forderung nach einer Optimierung durch digitale Maßnahmen von betrieblichen Prozessen. Zum Beispiel werden eine Verschlankung und Automatisierung von Logistikabläufen oder eine Nutzung von Big Data-Methoden bei der Auswertung von großen Datenmengen angestrebt. Auch auf Begriffe wie Suchmaschinen-Optimierung (SEO) oder Performance Optimierung stößt man in diesem Kontext oft, hierbei wird anhand von Web Analytics versucht, das Besucherverhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu verstehen und somit die eigenen Website-Inhalte an deren Verhalten anzupassen, um so den Unternehmenserfolg zu optimieren.

Optimierungsprozesse, welche auf der Nutzung von digitalen Daten aufbauen, werden von Individuen sowohl bewusst als auch unbewusst im Alltag verwendet. Meist sollen digitale Daten und intelligente Algorithmen eine Verbesserung der Lebensqualität bringen, indem mehr Bequemlichkeit im Alltag, zum Beispiel durch Smart Home, ermöglicht oder die Effizienz gesteigert wird, zum Beispiel durch Online-Reservierung für den Restaurantbesuch oder Online-Anmeldung für den nächsten Termin im Bürgeramt. Der Informatiker David Kriesel beschäftigt sich u.a. mit Data Science, einem interdisziplinären Wissenschaftsfeld, mithilfe dessen man unter anderem Optimierungsprozesse anhand von Datensammlungen ausarbeiten kann. Kriesel nimmt eine interessante Perspektive ein, denn für ihn bedeuten gewonnene Online-Daten das, was früher geteilte Erfahrungen für Menschen waren.2 Durch das Einholen von bereits gemachten Erfahrungen ihrer Mitmenschen versuchen Individuen zukünftige Lebensereignisse optimierter zu planen und bereits erfahrene Problematisierungen auszuschließen. Hierzu ein Beispiel: Beim Nutzen der App Google Maps zur Navigation einer Strecke mit dem Auto, greift der Online-Kartendienst auf Echtzeitdaten zurück, um aufzuzeigen, zu welchen Uhrzeiten auf einer bestimmten Strecke am meisten Stau oder konträr dazu, am wenigstens Verkehr zu erwarten ist. Nutzerinnen und Nutzer können diese Information bei der Planung ihrer Reise berücksichtigen und so den Zeitpunkt der Abfahrt anpassen. Genauso verhält es sich zum Beispiel auch mit Besucherzeiten in Kultureinrichtungen oder Restaurants, interessierte Besucherinnen und Besucher sehen, wann erfahrungsgemäß bzw. laut intelligenter Algorithmen der App, die meisten Menschen vor Ort sind und können ihre Planung demnach optimieren.

Eine immer höher werdende Leistungsorientierung wird in immer mehr Bereichen eingefordert und ist ebenso bereits auf den Privatbereich übergegangen. In einigen Zusammenhängen erhält das Wort Optimierung oder Selbstoptimierung allerdings auch des Öfteren einen schlechten Beigeschmack und es gibt verschiedene Stimmen darüber, ob es nun Druck oder Erfüllung für sich und die Mitmenschen bedeuten kann, das Bestmögliche aus sich machen zu wollen.3
 

Optimierung durch Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung erfasst auch das Gesundheitswesen. Menschen müssen fast täglich Entscheidungen rund um ihre Gesundheit oder Krankheit treffen. Die Idee und Entwicklung zu einer partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) in der Arzt-Patienten-Kommunikation ist gegenwärtig sehr ausgeprägt: Durch Wissensgenerierung möchten Betroffene ihre Behandlungsschritte partizipativ mitgestalten, um eine möglichst optimale Therapie zu bekommen. Fachliche Internetquellen und Health Contents lassen Patientinnen und Patienten selbstbestimmter werden, sodass sie selbst, die von Expertinnen und Experten durchgeführte Therapie zusätzlich positiv beeinflussen können.4

„Früher“ ist man bei Beschwerden zunächst zum Hausarzt gegangen, heute googelt man erst einmal selbst die Bedeutung der Symptome, was, das muss erwähnt werden, auch mit dem Risiko verbunden sein kann, auf Fehlinformationen zu stoßen. Man probiert zunächst ein paar Tipps für zuhause und auch nachbereitend zum Arztbesuch recherchiert man oft nochmals die gestellte Diagnose im Internet. Ein Blick in die Zukunft könnte wie folgt aussehen: Das Smartphone erkennt anhand der Vitalparameter oder des Bewegungsprofils durch Abgleich mit Datenbeständen, ob das Immunsystem eventuell schwach sein könnte. Daraufhin werden präventive Maßnahmen vorgeschlagen oder direkt ein Online-Termin bei zuständigen Ärztinnen und Ärzten gemacht, welche schon vor dem Termin Unterlagen in der digitalisierten Gesundheitsakte einsehen könnten.5

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen gliedert sich grundlegend in zwei Bereiche auf: Zum einen in den Bereich der Innovationen und neuen Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen (smart Health), zum anderen in effizienzsteigernde interne Prozesse und die Vernetzung von Akteuren im Gesundheitswesen (eHealth).6 Praktisch zeigt sich dies in unterschiedlichen Facetten: Patientinnen und Patienten nutzen Smart Fitness in Form von Fitness-Apps oder digitalen Ernährungstagebüchern, um individuelle Vitalparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck, Schlaf- oder Ernährungsprofil selbst zu messen. Laut einer YouGov-Studie haben ca. 41 % der Deutschen mindestens eine Gesundheits-App auf ihrem Smartphone installiert, 75% der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer nutzen diese regelmäßig.7 Weitere Vorteile digitaler Lösungen sind, dass wichtige Dokumente wie Versichertenkarte, Impfpass, Mutterpass oder Zahnbonusheft nicht mehr verloren gehen, andere Ärztinnen und Ärzte wichtige Informationen wie Notfalldaten oder Befunde bei Bedarf einfacher einsehen können oder Gesundheits-Apps auf Rezept die Behandlung unterstützen können.8 Videosprechstunden mit Ärztinnen und Ärzten können Wege und Wartezeiten sparen und auch durch Telemonitoring können Gesundheitswerte übermittelt und so durch Expertinnen und Experten überprüft werden. Neben der Einführung elektronischer Rezepte (E-Rezepte) soll es auch durch die Einführung einer elektronischen Patientenakte (ePA) seltener zu Doppeluntersuchungen kommen.9

Bereits seit Januar 2021 können Patientinnen und Patienten einen Antrag für die Einrichtung einer ePA stellen, diese soll die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern. Jedoch verhindern juristische und technisch-organisatorische Hürden dieses Vorhaben gegenwärtig noch, zum Beispiel ist eine Nutzung der ePA in einigen Arztpraxen noch nicht realisierbar. Auch eine von den Patientinnen und Patienten selbst regulierte Verwaltung der persönlichen Daten in der ePA ist geplant, jedoch ebenfalls noch nicht möglich.10 Deutschland gilt in Fachkreisen nach wie vor als „Entwicklungsland“ in Sachen digitalisierter Medizin. In den Vorjahren wurde in die Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft noch zu wenig investiert, um optimale Ergebnisse erzielen zu können. Weitere Optimierungen im Gesundheitsbereich würden sich lohnen, so Expertinnen und Experten, denn die Potenziale der Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft sind groß, da zum Beispiel Kostenexplosionen oder Ärztemangel zukünftig eher bewältigt werden könnten.4

Mit einer zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen würden theoretisch immer mehr datenbasierte Informationen über Entstehung, Verläufe und Behandlungsmethoden von Erkrankungen zur Verfügung stehen. Aus diesen Gründen sollen unter anderem anonymisierte Patientendaten in einem geplanten medizinischen Forschungsdatenzentrum umfassend für die Forschung bereitgestellt werden, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Dieses Vorhaben gilt gegenwärtig jedoch als rechtlich umstritten, da eine größtmögliche Datenverfügbarkeit und Nutzung unter Beachtung des Patientenschutzes vom Gesetzgeber noch nicht optimal gewährleistet werden kann.10


Fazit

Die Digitalisierung ergreift zunehmend mehr Lebensbereiche, denn verschiedene Akteure wie zum Beispiel Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen durch sie Möglichkeiten zur Optimierung ihres (Berufs-)Alltags. Trotz möglicher Zweifel sollte man zunächst versuchen, offen gegenüber Optimierungsvorhaben durch Digitalisierung zu sein und neue digitale Prozesse in den eigenen Alltag integrieren. So lässt sich herausfinden, ob sie das Potenzial dazu haben, den eigenen Alltag zu optimieren und die Planung anstehender Vorhaben effizienter zu machen. Das gilt auch für digital basierte Optimierungen im Gesundheitsbereich: Das persönliche Gespräch mit zuständigen Ärztinnen und Ärzten kann durch getroffene Vor- und Nachbereitungen wie zum Beispiel den zuvor gebuchten Online-Termin oder digital ausgefüllte Anamnesebögen effektiver gestaltet und so ein Zeitproblem möglicherweise verhindert werden. Ebenso kann es von Vorteil sein, stets einen Überblick über eigene Gesundheits- und Körperwerte oder die tägliche Kalorienzufuhr zu haben.

Dennoch sollte man bei der Nutzung von Gesundheits-Apps oder einer ePA genauestens auf Datenschutzregelungen achten, denn Lücken in Bezug auf den Datenschutz hemmen gegenwärtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen – Datenlecks müssen zukünftig systematisch verhindert und die Vertraulichkeit der persönlichen Daten optimal gesichert werden.10 Sicher bleibt auch, dass viele Erkrankungen multifaktorielle Ursachen haben und zu komplex für eine Optimierung durch rein technische Lösungen sind, unter anderem deshalb, weil Lebensumstände und Verhaltensweisen bei Entstehung und Verlauf von Krankheiten von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind. Zu berücksichtigen gilt auch, welche spezifischen Parameter optimiert werden und welche wiederum resultierend potenziell hintenanstehen könnten: Zum Beispiel müsste man bei einer möglichst effizienten Sprechstundenzeit-Planung darauf achten, dass eine genaue Diagnose und bestmögliche individuelle Beratung ebenfalls realisiert werden können. Auch das angestrebte Empowerment der Patientinnen und Patienten, eine Förderung der Fähigkeiten für selbstständiges und selbstbestimmtes Handeln während der Behandlung und eine höhere Patientenautonomie, muss aus einer kritischen Perspektive betrachtet werden, denn Self-Tracking sollte einen bei Beschwerden nicht davon abhalten, sich den Rat von Expertinnen und Experten einzuholen und diesen zu befolgen.11

Digitalisierte Medizin bietet wichtige Werkzeuge für eine verbesserte Kommunikation mit dem Ziel, Krankheiten besser bekämpfen zu können und präventive Maßnahmen zu unterstützen. Digitale Technologien können dabei helfen, einige Herausforderungen aller Gesundheitssysteme der westlichen Welt, wie zum Beispiel immer mehr ältere und chronisch kranke Menschen oder teure medizinische Innovationen, optimierter zu bewerkstelligen.9 Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems kann nur gelingen, wenn seitens der Gesetzgebung und der Krankenkassen die richtigen Fragestellungen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher beantwortet werden. Eine Balance zwischen Datenschutz und Datennutzung muss umgesetzt werden und die Bedürfnisse der Anwenderseite sollten zukünftig bei der Planung digitaler Lösungen mehr berücksichtigt werden.
 

Referenzen

1 Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: „Optimum“, verfügbar unter: https://www.dwds.de/wb/Optimum.

2 Kriesel, David (2021): „Big Data“, Digitale Woche Kiel (2021), verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=_Pd5sXXMMLI.

3 Scheller, Jörg (2019): „Sollen wir Menschen uns so akzeptieren, wie wir sind? Nein, wir können uns gar nicht genug optimieren!“, verfügbar unter: https://www.nzz.ch/feuilleton/selbstverbesserung-wer-sich-nicht-optimiert-hat-sich-aufgegeben-ld.1457304.

4 Thun, Sylvia (2015): „Digitalisierte Medizin. Die Zukunft der Medizin mit IT-Standards und einer weltweit gültigen Medizinfachsprache“, Informatik Spektrum (28/1), 22-27.

5 Friedrichs, Julia (2013): „Das tollere Ich. Weniger schlafen, produktiver arbeiten, besser leben: Wie Menschen sich mithilfe der Technik selbst optimieren“, ZEITmagazin (33), verfügbar unter: https://www.zeit.de/2013/33/selbstoptimierung-leistungssteigerung-apps?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de.

6 Wolff, Dietmar (2018): „Gesundheit 4.0: eHealth vs. smart Health – inklusive eines Ausblicks auf die Sozialwirtschaft 4.0“. In: Dietmar Wolff/ Richard Göbel: Digitalisierung: Segen oder Fluch. Wie die Digitalisierung unsere Lebens- und Arbeitswelt verändert. Berlin: Springer, 151-185.

7 YouGov.de Team (2015): „Jeder Dritte würde gesundheitsbezogene Daten an Krankenversicherer weitergeben“, Reports Wirtschaft, verfügbar unter: https://yougov.de/news/2015/01/20/der-weg-zum-digitalen-patienten-ist-gelegt-denn-de/.

8 Gesund.bund.de (Service des Bundesministeriums für Gesundheit): „Verlässliche Informationen für Ihre Gesundheit“, verfügbar unter: https://gesund.bund.de/digitalisierung-im-gesundheitswesen.

9 Bundesministerium für Gesundheit (2021): „E-Health – Digitalisierung im Gesundheitswesen“, verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-health-initiative.html.

10 Schulzki-Habbouti, Chr. (2022): „Der elektronische Patient krankt“ & „Bundesregierung plant medizinische Datenräume“, VDI-Nachrichten (5/„Fokus: Digitalstau im Gesundheitswesen“).

11 Heyen, Nils B. (2018): „Von der Krankheitsbekämpfung zur Gesundheitsoptimierung: Aktuelle Technikvisionen für Medizin und Gesundheit“, Bundeszentrale für politische Bildung/ Krankheit und Gesellschaft), verfügbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/270314/von-der-krankheitsbekaempfung-zur-gesundheitsoptimierung/#footnote-target-16.

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