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Pömmelte Pömmelte: Wissenschaftler wollen Bohrkerne aus Ringheiligtum analysieren

Von Walter Zöller 03.01.2020, 11:00
Die Kultstätte Stonehenge mit den bearbeiteten Steinen
Die Kultstätte Stonehenge mit den bearbeiteten Steinen dpa

Pömmelte - Besucher, die auf die Anlage zugehen, sehen als erstes Hunderte von Pfählen, die in den Boden gerammt wurden. Wer auf den Aussichtsturm steigt, erkennt, dass die Pfosten in mehreren ineinander liegenden Ringen angeordnet sind - fast so wie eine riesige auf die Erde gelegte Zielscheibe. 

Ringheiligtum Pömmelte: Inspiriert vom dritten Jahrtausend vor Christus

Im Inneren fällt der Blick auf hölzerne Stelen. Diese Menhire zeigen Krieger, ihre Darstellung ist inspiriert von steinernen Vorbildern aus dem dritten Jahrtausend vor Christus. Besonders geheimnisvoll wirkt der Ort bei Sonnenuntergang, wenn die Palisaden lange Schatten werfen.

Die Anlage im Salzlandkreis ist eine Rekonstruktion. Rund 2000 Robinienstämme wurden zu mehreren Ringen angeordnet, sie vermitteln einen genauen Eindruck davon, wie das Ringheiligtum Pömmelte einmal ausgesehen hat. 

Ein Ritualort, in dessen Umgebung vor über 4.000 Jahren Menschen wohnten, der seit 2016 als Teil der Himmelswege eine Touristenattraktion ist (siehe „Fünf Stationen“), dessen Bezüge zu den berühmten Steinkreisen von Stonehenge unübersehbar sind. Und der jetzt erneut wissenschaftliche Aktivitäten über Ländergrenzen hinweg auslöst.

1.) Im Landesmuseum Halle wird die Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt.

2.) Der Sensationsfund wurde 1999 im Burgenlandkreis von Raubgräbern gemacht - dort ist mit dem Besucherzentrum „Arche Nebra“ und dem Mittelberg mit Aussichtsturm die zweite Station.

3.) Station Nummer drei ist Goseck mit seinem Sonnenobservatorium, es gilt als einer der frühsten archäologischen Belege für systematische Himmelsbeobachtungen.

4.) Punkt vier ist das Steinkammergrab Langeneichstädt.

5.) Punkt fünf das Ringheiligtum in Pömmelte.

Die Kreisgrabenanlage und vor allem die umliegenden Flächen bleiben eine Fundgrube für Wissenschaftler: Archäologen sind schon vor einiger Zeit in nur eineinhalb Kilometer Entfernung in Schönebeck auf eine weitere Kreisgrabenanlage gestoßen. 

In einer bronzezeitlichen Siedlung neben dem Ringheiligtum haben sie im Jahr 2018 neue Funde gemacht, die, wie es heißt, „Großes erahnen lassen“. Bei der Siedlung handelt es sich um eine der größten ihrer Art in Europa.

„Es gibt noch viele offene Fragen“, sagt Franziska Knoll vom Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Uni Halle. So weiß man bisher nur wenig über die Siedlung, die sich neben dem Heiligtum befand. 

Wie war es um die Infrastruktur etwa bei der Wasserversorgung bestellt? Gibt es weitere Gräberfelder? Welche Beziehung bestand zwischen den Anlagen in Pömmelte und in Schönebeck? „Uns ist zudem bisher nur wenig über den sozialen Kontext, über die Rituale und den Alltag der Menschen bekannt“, fasst die Archäologin zusammen.

Kooperation zwischen Salzlandkreis und Southampton in Großbritannien

Die Forscher wollen also detailliert herausfinden, wie das Zusammenleben der Menschen auf dem Flecken Erde nahe der Elbe vor rund 4.000 Jahren funktionierte. Dabei richtet sich der Blick auch nach Großbritannien, genauer zu den Steinkreisen von Stonehenge und Avebury. 

Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, des Salzlandkreises und der Universität Halle haben kürzlich eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Southampton geschlossen. Das Ziel: Die Archäologen wollen ihre schon laufende Zusammenarbeit verstärken - auch, um Stonehenge und dem Ringheiligtum Pömmelte samt Umgebung vielleicht noch mehr Geheimnisse zu entlocken.

Ringheiligtum Pömmelte mindestens so bedeutsam wie Stonehenge

Pömmelte, Schönebeck und Stonehenge gehören irgendwie zusammen. Die Kreisgrabenanlage in Pömmelte sei, so heißt es in Wissenschaftskreisen, wissenschaftlich mindestens ebenso bedeutend wie Stonehenge.

„Die Anlagen sind ähnlich im Aufbau, nur sind in Mitteldeutschland keine Steine verbaut worden“, sagt Franziska Knoll. Pömmelte und Stonehenge seien im Durchmesser sogar fast gleich. „Eine enge Beziehung zwischen beiden Stätten ist offensichtlich“, ist sich die Forscherin sicher.

Beide Bauwerke wurden von Trägern der Glockenbecherkultur errichtet, die von rund 2500 bis 2050 vor Christus datiert ist. So hat man - wie Franziska Knoll erläutert - in beiden Regionen die gleichen goldenen Lockenringe gefunden, in den Gräbern lagen übereinstimmende Hinweise auf die Bewaffnung mit Pfeil und Bogen. Wobei nur die steinernen Pfeilspitzen erhalten blieben.

Es spricht also viel dafür, dass die Menschen trotz der großen räumlichen Distanz ihr Wissen weitergetragen haben - von Pömmelte nach Stonehenge oder umgekehrt. „Die Entfernung zwischen beiden Orten war schon damals nicht unüberwindbar“, sagt Franziska Knoll.

Was weiß man von dem Ringheiligtum Pömmelte, dessen Umrisse im Jahr 2001 aus der Luft entdeckt wurden? Die Archäologen fanden im Zentrum der Anlage keine Hinweise auf eine Bebauung. „Wir nehmen daher an, dass der Platz als Versammlungsort gedient haben könnte“, sagt Franziska Knoll.

Dafür spreche eine Entdeckung, die die Wissenschaftler nach dem Wiederaufbau der Palisaden gemacht haben: Im Zentrum des Ringheiligtums herrscht eine sehr gute Akustik. Der umliegende Raum könnte - so die Erklärung der Archäologen - von den Menschen vor vier Jahrtausenden nicht nur als eine Art Marktplatz zum Verkauf von Waren, sondern auch für kultische Handlungen genutzt worden sein.

Einen überzeugenden Anhaltspunkt für „rituelles Geschehen“ gebe es, wie Franziska Knoll betont. In den kreisrunden Gräben sind sogenannte Schachtgruben eingelassen, in denen unter anderem Skelette deponiert waren. „Vielleicht können diese als Menschenopfer interpretiert werden“, sagt die Archäologin.

Bohrkerne werden analysiert

Die Forscher wissen also schon einiges über die Vorgänge im Ringheiligtum, aber noch nicht genug über das, was darum herum ablief. Um einige der offenen Fragen zu klären, wollen sie nun unter anderem mit Hilfe geoarchäologischer Methoden versuchen, die prähistorische Landschaft zu rekonstruieren. 

Dazu werden sie unter anderem Bohrkerne ziehen und die Erde analysieren. Helfen wird auch die Kooperation mit der Universität Southampton. Die eröffne - wie Franziska Knoll betont - ganz neue Möglichkeiten: durch gegenseitige Besuche, dem intensiven Austausch wissenschaftlicher Informationen und gemeinsame Forschungsvorhaben.

An der Kooperation mit der englischen Universität ändert nach Angaben von Franziska Knoll auch der Brexit nichts: Das Projekt sei sicher, es sei nicht mit EU-Mitteln finanziert wird.

So bleiben Pömmelte und Stonehenge auf jeden Fall im Fokus.

Die Kreisgrabenanlage in Pömmelte
Die Kreisgrabenanlage in Pömmelte
LDA Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták