Panorama

"Günther Jauch"

05.10.15

Für Flüchtlinge will Grönemeyer Reichen ans Geld

Kanzleramtschef Altmaier (CDU) plaudert bei Jauch die Kritik der CSU an Merkel klein. Und Sänger Herbert Grönemeyer will - mal wieder - eine Reichensteuer. Diesmal gegen die Flüchtlingskrise.

Von Ralf Dargent

Stell' dir vor, du kommst als Flüchtling in ein neues Land. Stell' dir vor, du siehst die populärste Talkshow des Landes und es geht um dich und all die anderen in das Land kommenden Flüchtlinge. Und dann stell' dir vor, der Talkmaster dieser Sendung lässt am Ende die bunten Socken von zwei Gästen in Nahaufnahme zeigen. Ist deine neue Heimat dann besonders humorvoll oder besonders albern?

Wer die von Günther Jauch angeordnete Nahaufnahme auf die schön schrillen Socken von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Sänger Herbert Grönemeyer als letzten Eindruck der Sendung in Erinnerung behält, hat zumindest die Banalität dieser Runde erfasst. Jauch sollte den Auftakt zur ARD-Themenwoche "Heimat" liefern. Was das Erste dort in den kommmenden Tagen so an Sendungen verspricht, scheint die vielen Facetten des Heimatbegriffs gerade mit Blick auf die Flüchtlingskrise originell auszuleuchten. Aber genau an dieser Originalität fehlte es dem Talk am Sonntagabend völlig.

Altmaier nennt Merkels Flüchtlingspolitik "sehr überlegt"

Da war etwa Peter Altmaier. Angesichts der vielen Angriffe auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangenen Tagen und angesichts von deren nachlassenden Umfragewerten versprach der Besuch ihres Kanzleramtchefs spannend zu werden. Würde Altmaier den Merkel-Kritikern auf die Füße steigen? Würde er stellvertretend für Merkel einen Plan für den Umgang Deutschlands mit den anhaltenden Flüchtlingsbewegungen in den kommenden Wintermonaten skizzieren? Nein, nichts davon.

Altmaier spielte sein Talkshow-Talent aus, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und sich im freundlichen Ton sehr lange Anteile an der Redezeit zu sichern. Viel Greifbares kam dabei aber nicht von Altmaier. Er verteidigte - welch Überraschung - die Kanzlerin. Dass sie womöglich unüberlegt die in Ungarn feststeckenden Flüchtlingen eingeladen hat, bestritt er.

"Ich glaube aus meiner ganz tiefen Überzeugung, dass dieser Schritt richtig war"
Bundeskanzleramtsminister Peter Altmaier

"Ich glaube aus meiner ganz tiefen Überzeugung, dass dieser Schritt richtig war", sagte Altmaier. Es sei von Merkel auch bekannt, dass "in den entscheidenden Augenblicken sie sich sehr gut überlegt, was sie sagt". So sei es auch auf dem Höhepunkt der internationalen Finanzkrise gewesen, als sie die Sparguthaben der Deutschen für sicher erklärte.

Streit mit CSU geht nur um "Nuancen"

Regelrecht erstaunlich war, wie Altmaier auf die anhaltende scharfe Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer an dem angeblich "sehr gut" überlegten Handeln Merkels wertete. Jauch ließ eine ganze Reihe von Seehofer-Zitaten einspielen, in denen dieser von Chaos oder außer Kraft gesetzten Regeln sprach. Und Altmaier? Der sagte ernsthaft, wie auch schon unter Franz Josef Strauß gebe es nun auch bei Seehofer mit dem Chef der Schwesterpartei in "Nuancen" Unterschiede.

"Nuancen" - was für eine freche Verharmlosung. Nur auf mehrfaches Insistieren verschärfte der Kanzleramtschef die Bewertung des tobenden Krachs mit den Bayern zu "Meinungsunterschieden". Doch alleine dieses Winden bei einem weitgehend öffentlich geführten Streit verriet, dass Altmaier von Merkel vor allem zum Schönwettermachen in den Jauch-Talk geschickt worden war.

Leider gelang es dem Moderator auch nicht, eine Konfrontation zwischen Altmaier und der Fürther Sozialamtschefin Michaela Vogelreuther zu erzeugen. Vogelreuther sollte die überforderte Helferin vor Ort darstellen. Zwar spielte Jauch mehrere Szenen ein, in denen die vielen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor Ort in Fürth das Thema waren. Und Vogelreuther zweifelte auch an den politischen Entscheidungen. Doch dieser Konflikt versandete völlig.

Grönemeyer für Patenschaft mit Flüchtlingen

Dafür versuchte Herbert Grönemeyer - oft im Zusammenspiel mit Talkgast Ranga Yogeshwar - seine Akzente zu setzen. Grönemeyer ist einer der Paten der Themenwoche "Heimat". Und er machte sich bei Jauch zum Sprecher der vielen Deutschen, die trotz aller Probleme die Flüchtlinge positiv aufnehmen. "Wir sollten wirklich versuchen mit der Euphorie, die auch in der Gesellschaft herrscht, diese Probleme anzugehen", sagte Grönemeyer. Dabei machte er zusammen mit Yogeshwar einen charmant klingenden Vorschlag. Die Deutschen sollten einfach eine Patenschaft für jeden Flüchtling übernehmen. "Da stehen wir einem Menschen gegenüber", alle könnten von solch einem Modell lernen.

Schade war aber, dass der Sänger seine eigene Idee nicht vertiefte. Er hätte etwa eine Stiftung ankündigen können, die solche Patenschaften auf den Weg bringt. Oder glaubt Grönemeyer, dass das einfache Ventilieren von Vorschlägen am Ende zu Lösungen führt? Dass dies nicht funktioniert, sollte er eigentlich nach seinen vielen politischen Äußerungen über all die Jahre seines Künstlerdaseins wissen.

Bestes Beispiel ist eine weitere Idee, die der 59-Jährige einbrachte. "Man kann sich auch überlegen, ob man nicht den Besserverdienern in Deutschland etwas ans Geld geht." Eine zeitlich begrenzte Reichensteuer, deren Einnahmen an Flüchtlinge gehen - mit dem Vorteil, dass Otto Normalverbraucher sich nicht mit den Flüchtlingskosten allein gelassen fühlt. Auch das klingt ja gut. Doch der einerseits als Sammler teurer Uhren auftretende und andererseits an Projekten gegen Armut beteiligte Grönemeyer scheint die Reichensteuer beliebig einzusetzen.

Schon 2010 forderte er sie ebenso wie sein langjähriger Konkurrent Marius Müller-Westernhagen. Damit wollten die beiden die wachsende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland schließen. Und 2007 sagte Grönemeyer der "taz", nach seiner Überzeugung hätte sich die Politik den Solidaritätszuschlag nach der Wiedervereinigung am besten zuerst bei den Reichen abgeholt.

Dass Grönemeyer in all den Jahren dieser politischen Forderungen in London lebte, macht die offenbar beliebige Forderung nach einer Steuererhöhung in Deutschland nicht glaubwürdiger. Aber interessiert Glaubwürdigkeit? Wir wollen Socken sehen! Am besten möglichst bunte, das wirkt so fröhlich.

Anmerkung der Redaktion – Herbert Grönemeyer legt Wert auf die folgende Feststellung: "Der Musiker Herbert Grönemeyer versteuert seine Einnahmen ordentlich, rechtmäßig, rechtzeitig und sozialverträglich seit Ewigkeiten schon in Deutschland, beim Finanzamt Berlin."

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