Wissenschaftler kritisieren die Pläne: Expertenkreis Islamismus soll Arbeit einstellen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD)

Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP
Von: Björn Stritzel

Der Expertenkreis Politischer Islamismus, der im Juni letzten Jahres vom Bundesinnenministerium ins Leben gerufen worden ist, stellt offenbar seine Arbeit ein.

Mitglieder des Gremiums sagten der Deutschen Presse-Agentur, Vertreter der Abteilung Öffentliche Sicherheit des Ministeriums hätten ihnen mitgeteilt, dass an einer Verstetigung der gemeinschaftlichen Tätigkeit des Expertenkreises kein Interesse bestehe.

Diese Entscheidung „bestürzt mich“, sagte der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans.

Zu den Gründen, warum die Arbeit eingestellt werden soll, machte das Bundesinnenministerium zunächst keine Angaben.

Die Arbeit des Expertengremiums sei tatsächlich nur für ein Jahr angelegt gewesen, sagte Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz, der Mitglied des Rates ist. Er habe dennoch den Eindruck, dass die Einstellung eine „politische Entscheidung“. Die Fokussierung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) auf den Rechtsextremismus halte er zwar nicht für falsch, sagte er, andere relevante Phänomene dürften aber deshalb nicht vernachlässigt werden.

Islamismus-Expertin Rebecca Schönenbach kritisiert gegenüber BILD: „Die Ampel hat sich den Kampf gegen jede Form von Diskriminierung auf die Fahnen geschrieben – gut so! Leider scheint das Innenministerium unter Frau Faeser dabei zu übersehen, dass gerade Musliminnen durch Islamisten diskriminiert werden.“

Islamismus ziele im ersten Schritt immer auf die Kontrolle von Musliminnen, von denen in Deutschland über 70 Prozent kein Kopftuch tragen. „Werden Musliminnen nicht geschützt, nehmen Islamisten ihnen die Freiheit, um in der Öffentlichkeit den Islam über verschleierte Frauen mit ihrem fundamentalistischen Weltbild gleichzusetzen“, so Schönenbach.

▶︎ Sie fordert: „Um solche Strategien zu durchkreuzen und Musliminnen vor Diskriminierung durch Islamisten zu schützen, muss die Bundesregierung gegen islamischen Extremisten vorgehen. Bislang streicht sie jedoch alle Maßnahmen.“ Islamismus stehe bisher nicht im angekündigten Demokratiefördergesetz, das die Grundlage für die zukünftige Extremismusbekämpfung legen soll, lediglich Muslimfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit würden aufgeführt, so die Expertin.

Schönenbach kritisiert: „Nun soll offenbar auch der Expertenkreis Islamismus eingestellt werden, der die Strategien von Islamisten analysieren und Vorschläge zu Gegenmaßnahmen liefern sollte. Damit versagt die Bundesregierung ausgerechnet jenen den Schutz, die ihn dringend benötigen. Neben Frauen werden vulnerable Gruppen wie Jugendliche Islamisten überlassen, die versuchen werden, möglichst viele zu radikalisieren.“

► Finanzielle Gründe für ein Ende des Expertenkreises sieht Schwarz indessen nicht: Die Mitglieder hätten für ihre Teilnahme an den aufgrund der Coronapandemie meist virtuellen Sitzungen kein Geld erhalten.

In einem schriftlichen Vorschlag, der in dem Expertenkreis entwickelt wurde, heißt es: „Trotz zahlreicher präventiver Anstrengungen und Maßnahmen gelingt es nicht, die Attraktivität und Anziehungskraft des politischen Islamismus (insbesondere für junge Menschen) einzudämmen.“ Deshalb seien weitere Forschungsanstrengungen notwendig. Dazu gehöre unter anderem die Entwicklung von Erhebungsinstrumenten für die quantitative und qualitative Erforschung auch des nicht gewaltbereiten Islamismus.

Kritik an Abschaffung des Expertenrats

„Man kann nur hoffen, dass uns diese Naivität nicht eines Tages böse auf die Füße fällt“, kritisiert der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Carsten Linnemann (45).

Eine Auflösung des Expertenkreises sei „der vorläufige Höhepunkt einer Politik des Wegsehens und der Ignoranz gegenüber dem Islamismus als demokratiegefährdenden Phänomen“, sagt Christoph de Vries (47, CDU).

Die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, warnte: „Wir haben so viele Probleme in Schulen.“ In manchen Milieus sei eine „totale Ablehnung der deutschen Gesellschaft“ festzustellen. All dies müsse „behandelt und eingefangen werden“.

(dpa)

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