Bundesliga

Eintracht-Fanszene: Zwischen Freude und Frust - Frankfurt: In Lissabon beim Europa-League-Viertelfinale drohen nach dem Spiel bei Inter Mailand im Giuseppe Meazza leere Gästeblöcke

Frankfurt: In Lissabon drohen leere Gästeblöcke

Eintracht-Fanszene: Zwischen Freude und Frust

Strafe droht: Einige Chaoten der Frankfurter Eintracht haben sich im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand daneben benommen.

Strafe droht: Einige Chaoten der Frankfurter Eintracht haben sich im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand daneben benommen. imago

Bei schönem Frühlingswetter hatten sich schon am Donnerstagmorgen die ersten Fans vor dem Mailänder Dom und in den umliegenden Cafés eingefunden. Die Atmosphäre: friedlich, gelassen. Zwischen den Wolken lugte immer häufiger die Sonne hervor, alles war angerichtet für einen historischen Tag und ein tolles Fußballfest. Überall in der Stadt war die Vorfreude auf das größte Spiel seit dem Pokalfinale zu spüren.

Am frühen Nachmittag zogen geschätzt 8000 Anhänger gemeinsam los in Richtung Stadion, wo sie schon lange vor dem Anpfiff die Eintracht, die Mannschaft und sich selbst gefeiert hatten. Es herrschte Gänsehautatmosphäre, nach Luka Jovics frühem Führungstor stellte sich das Gefühl ein, mit jedem Atemzug Endorphine einzuatmen, so groß war die Euphorie auf den Rängen. Und als wäre das nicht schon genug, bescherte die Auslosung zum Viertelfinale der Eintracht am Freitagmittag auch noch das Traumlos Benfica Lissabon . Die wunderschöne Stadt und das imposante Estadio da Luz mit seinen über 65.000 Plätzen - besser hätte es für den Klub und die Fans nicht laufen können.

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Eintracht Frankfurt - Vereinsdaten
Eintracht Frankfurt

Gründungsdatum

08.03.1899

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Rot-Schwarz-Weiß

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"Jetzt hat es jeder schwarz auf weiß" - Strafe droht

Doch nun droht der großen Sause ein unverhofft schmerzhafter Kater zu folgen. Einige Chaoten unter den 15.000 Fans im Giuseppe-Meazza-Stadion sorgten dafür, dass die Gästeblöcke in Lissabon wahrscheinlich leer bleiben werden. Zur Erinnerung: Beim Europacupspiel in Rom am 13. Dezember 2018 hatten Eintracht-Anhänger - neben weiteren Verfehlungen - Böller und andere Pyrotechnik auf Lazio-Fans und Sicherheitskräfte geworfen. Am 10. Januar 2019 urteilte die UEFA-Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer, dass Frankfurt eine Geldstrafe in Höhe von 80.000 Euro zahlen muss und eine Fan-Ausschluss-Strafe für ein internationales Auswärtsspiel erhält, die allerdings für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. In dieses Urteil flossen auch pyrotechnische Vergehen aus vorangegangenen Europacupspielen ein.

Vorstand Axel Hellmann hatte damals erklärt: "Es ist die erwartet harte Strafe und gleichzeitig eine letzte Chance, die man uns gibt. Wenn wir in den kommenden Wochen und der näheren Zukunft wieder Fußballfeste auf europäischem Boden mit all unserer Reiselust, Begeisterung und Kreativität feiern wollen, dürfen wir uns nichts mehr erlauben, von Vorfällen wie in Rom ganz zu schweigen. Das musste uns schon unmittelbar nach dem Spiel am 13. Dezember klar sein - jetzt hat es jeder schwarz auf weiß."

Der Fanszene droht die Spaltung

Ultras von Eintracht Frankfurt

Unschöne Bilder auch in Mailand bei Inter: Anhänger hielten nicht nur brennende Bengalos in der Hand, eine wurde auch in den Unterrang auf Inter-Fans geworfen. Kurz nach dem Schlusspfiff flog zudem eine Leuchtrakete in den Mittelkreis und verfehlte zwei Inter-Profis nur knapp. imago

In den beiden Partien gegen Schachtar Donezk sowie im Hinspiel gegen Inter Mailand ging alles gut - im Giuseppe-Meazza-Stadion ereigneten sich nun aber erneut schlimme Szenen. Anhänger hielten nicht nur brennende Bengalos in der Hand, ein Bengalo oder eine Leuchtrakete flog gar auch in den Unterrang Richtung Inter-Fans. Aus Angst vor weiteren Attacken verließen daraufhin zahlreiche Tifosi den Block. Kurz nach dem Schlusspfiff flog zudem eine Leuchtrakete in den Mittelkreis und verfehlte zwei Profis der Nerazzurri nur knapp.

Die UEFA wird nun ein weiteres Verfahren gegen die Eintracht eröffnen - und es wäre nicht mal ansatzweise eine Überraschung, wenn sie die erneuten Verfehlungen zum Anlass nehmen würde, die Bewährung zu streichen. Das wäre für die große Mehrheit der friedlichen und reiselustigen Fans ein Schlag ins Gesicht und in die Magengrube zugleich. Schon unmittelbar im Stadion hatten Tausende Anhänger lautstark gegen die Chaoten in den eigenen Reihen protestiert. "Ihr seid scheiße wie der OFC", wurde ebenso angestimmt wie: "Und ihr wollt Eintracht Frankfurt sein?" Der sehr heterogenen Fanszene, die nach den Ausschreitungen in Rom noch fest zusammengehalten hatte, droht die Spaltung.

Gleichwohl ist es wichtig, die Ereignisse in Mailand differenziert zu betrachten. Der Vergleich mit den Krawallen in Rom liegt nahe, wäre aber unpassend. In Rom planten die Ultras in einer konzentrierten Aktion eine große "Pyro-Show", die aus dem Ruder lief, da von einigen Spinnern Böller und andere pyrotechnische Gegenstände geworfen wurden. Die Lage verschärfte sich auch durch rechtsradikale Lazio-Anhänger, die ungehindert bis vor die Eintracht-Kurve marschieren konnten. In Mailand wiederum gab es kein koordiniertes Abbrennen von Pyrotechnik, vielmehr wurden während des Spiels mehrfach einzelne Bengalos entzündet. Von der Führungsriege der Ultras, die in der Kurve das Sagen haben, war das offenkundig nicht geplant, da andernfalls wie in Rom der ganze Block "gebrannt" hätte.

Vereinsintern gehört die Kartenpolitik auf den Prüfstand

Wie schon nach dem Spiel im Römer Olympiastadion kursieren auch jetzt Gerüchte, dass es sich bei den Chaoten um Ultras von Atalanta Bergamo handeln könnte, da diese Gruppe seit Jahren eine enge Freundschaft zu den Ultras Frankfurt pflegt. Nach kicker-Recherchen sollen jedoch damals wie heute Eintracht-Anhänger die Übeltäter gewesen sein.

Pikant ist: Der Klub hat diese Straftäter mit personalisierten Eintrittskarten ausgestattet, die friedliche Fans, die zu Hause bleiben mussten, mit Kusshand genommen hätten. Die Ereignisse in Rom und Mailand haben verdeutlicht, dass es der harte Kern der Fanszene bisher nicht schafft, die wenigen Fans, die völlig über das Ziel hinausschießen, auszuschließen. Vereinsintern gehört deshalb auch die Kartenpolitik auf den Prüfstand.

Pyrotechnik ist weltweit ein fester Bestandteil von Fankultur, in jedem Land, in jedem Stadion mit einer aktiven Fanszene. Man kann es ablehnen oder nicht, die Deutungshoheit über Fankultur liegt aber sicher nicht bei populistischen Dampfplauderern aus der Politik!"

Fanorganisation Nordwestkurve e.V.

Einfache Lösungen gibt es freilich nicht, der Klub und die aktive Fanszene stehen vor einer großen Herausforderung. Ein generelles Umdenken beim Thema Pyrotechnik ist seitens der aktiven Fanszene nicht zu erwarten. Die Fanorganisation Nordwestkurve e.V. positionierte sich am 12. November 2018 in einer Art Stellungnahme, in der es um den umstrittenen hessischen Innenminister Peter Beuth geht, mit den folgenden Worten: "Pyrotechnik ist weltweit ein fester Bestandteil von Fankultur, in jedem Land, in jedem Stadion mit einer aktiven Fanszene. Man kann es ablehnen oder nicht, die Deutungshoheit über Fankultur liegt aber sicher nicht bei populistischen Dampfplauderern aus der Politik!"

Was an dieser Stelle verschwiegen wird: Für viele Eintracht-Fans und Stadionbesucher gehört Pyrotechnik keineswegs zur Fankultur. Die gigantische Choreografie beim Heimspiel gegen Inter Mailand hat veranschaulicht, wie schön Fankultur auch ohne jegliche Zündeleien sein kann.

Eintracht Frankfurt

Eintracht Frankfurts Profis müssen womöglich im Viertelfinale der Europa League in Lissabon ohne Fans auskommen. imago

Um es klar zu sagen: Weder Ultras noch andere Teile der aktiven Fanszene befürworten das Werfen von pyrotechnischen Gegenständen.

Wenn aber nicht gewährleistet werden kann, dass Bengalos von einigen wenigen Verrückten zu Waffen umfunktioniert werden, sollte diese Ausdrucksform der Fankultur innerhalb der Szene vielleicht mal grundsätzlich infrage gestellt werden.

Das Hoffen der Eintracht? "Mehr als vage"

Zurück zu den möglichen Konsequenzen für das Spiel am 11. April in Lissabon: Am 28. März wird neben der angesetzten Verhandlung wegen Adi Hütters Tritt gegen eine Plastikflasche im Hinspiel auch über die Vorkommnisse in Mailand geurteilt. Das gab die UEFA am späten Freitagnachmittag bekannt. Große Hoffnungen, dem Fan-Ausschluss zu entgehen, gibt es nicht.

Die Hoffnung, dass man uns noch einmal von der Schippe springen lässt, ist mehr als vage. So etwas hätte einfach nicht passieren dürfen.

Eintracht-Justiziar Philipp Reschke

Eintracht-Justiziar Philipp Reschke sagte am Freitag im Gespräch mit dem kicker: "Die Hoffnung, dass man uns noch einmal von der Schippe springen lässt, ist mehr als vage. So etwas hätte einfach nicht passieren dürfen. Wir hoffen, dass der Widerruf der Bewährung an eine gewisse Vergleichbarkeit mit den Vorkommnissen in Rom geknüpft ist." Da in Mailand unterm Strich weniger passiert ist, könnte die Eintracht noch einmal mit einem schwarzblauen Auge davonkommen. Sonderlich wahrscheinlich ist das aber nicht.

Julian Franzke

Bilder zur Partie Inter Mailand - Eintracht Frankfurt

Bilder zur Partie Eintracht Frankfurt - Inter Mailand