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Tun-Ergehen-Zusammenhang

(erstellt: Oktober 2008)

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Vergeltung; → Strafe

1. Terminologie

Der Begriff „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ geht zurück auf den 1955 zuerst veröffentlichten Aufsatz „Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament?“ von Klaus Koch. Bereits der Titel des Aufsatzes (im Folgenden zitiert: Koch 1991d) zeigt seine Intention: Er will die bis dahin kaum hinterfragte Annahme, das Alte Testament sei von einem Vergeltungsglauben durchzogen und bestimmt, einer kritischen Revision unterziehen. Kochs Gegenmodell ist allerdings nicht der seither viel zitierte „Tun-Ergehen-“ oder „Tat-Folge-Zusammenhang“, sondern die aus seiner Sicht spezifisch hebräische Vorstellung der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ (s. dazu 2.1). Die Diskussion dieser These vollzog sich überwiegend in der deutschsprachigen Forschung (s. jedoch zuletzt Adams); die englischsprachige Wissenschaft spricht weitgehend unbefangen von retribution, nur vereinzelt begegnen die dem deutschen „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ entlehnten Begriffsbildungen „deed-consequence nexus“ (z.B. Fox, 91f.) oder auch „deed-result-connection“ (Miller, 138).

Der Begriff „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ dient der sachgemäßen Wiedergabe der alttestamentlichen Sicht des engen Zusammenhangs einer Tat und ihrer Folge, die anhand der Begriffe → Vergeltung oder → Strafe nicht angemessen nachgezeichnet werden kann. Die Konsequenzen menschlichen Handelns reflektiert insbesondere die alttestamentliche Weisheit (s.u. 3): in pädagogischer Absicht werden v.a. im → Sprüchebuch die Folgen angemessener wie verfehlter Lebensorientierung eingeschärft, während die kritisch ausgerichtete Weisheit der Bücher → Hiob und → Prediger dieses Konzept gelingenden Lebens problematisiert. Hinsichtlich der alttestamentlichen Prophetie (s.u. 4) wird die Frage diskutiert, inwiefern die prophetische Unheilsankündigung auf einer vertieften Wahrnehmung gegenwärtiger Missstände basiert, die dann der Zukunftsansage begründend vorangestellt wird. Vor dem Hintergrund des Tun-Ergehen-Zusammenhangs ist schließlich das alttestamentliche Recht nicht vom Gedanken der Vergeltung oder von der Intention der Strafe bestimmt, vielmehr wirkt es regulativ auf die Gemeinschaft; seiner Intention nach zielt es auf Ausgleich bzw. auf eine heilvolle Balance gemeinschaftlicher Bezüge (s.u. 5).

2. Forschungsgeschichte

2.1. Die These Kochs

In seinem Aufsatz „Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament?“ wendet sich Koch gegen die landläufige und unreflektierte Rede vom „Vergeltungsgedanken oder gar -dogma des Alten Testaments“ (Koch 1991d, 63). Konstitutiv für den so kritisierten Begriff werden dabei drei Aspekte: Vergeltung setzt eine übergeordnete richterliche Instanz voraus; Lohn und Strafe werden dem Täter von außen zugeteilt, verstehen sich also nicht von selbst; Lohn und Strafe setzen eine vorgegebene Norm voraus.

Ein derart (juridisch) bestimmter Vergeltungsbegriff lässt sich für das Alte Testament nicht in Anspruch nehmen, wie Koch in seiner an den Traditionen bzw. „Sachbereichen“ (Koch 1991d, 66) Weisheit, Prophetie, Psalmen sowie Sagen- und Geschichtsüberlieferungen orientierten Argumentation darlegt. An die Stelle der Vergeltung tritt dabei die „schicksalwirkende Tatsphäre“ als Versuch, die dem hebräischen Denken eigentümliche Sicht von Tun und Ergehen angemessen nachzuzeichnen. Der enthaltene Begriff Schicksal bezeichnet dabei die Notwendigkeit, mit der Tun und Ergehen einander entsprechen. Diese Notwendigkeit kommt nach Koch z.B. in Spr 28,1.10.16.17 zum Ausdruck. Der Begriff der Sphäre trägt der dem hebräischen Denken eigentümlichen Sicht einer Tat als einem „machthaltigen Ding“ (Koch 1991d, 80), einem Bereich, den der Täter sich selbst schafft und in dem er sich fortan bewegt, Rechnung. Dieses gewissermaßen substantielle Verständnis der Tat leitet Koch u.a. aus Ps 38,5f. und Ps 40,13 ab. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die ursprünglich lokale Bedeutung der hebräischen Präposition ב „in“; demnach bewegt sich der Täter fortan „in“ seiner Tat: „Es wurde entweiht das Land in Blutschuld, sie wurden unrein in ihren Werken und hurten in ihren Taten“ (Ps 106,38b.39 nach der Übersetzung Kochs; Koch 1991d, 81 – die übliche Übersetzung „durch“ gibt die Präposition instrumental wieder).

Das so skizzierte Verständnis der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ ist schließlich in seiner alttestamentlichen Entfaltung nie vom Wirken JHWHs zu lösen: JHWH bringt das vom Menschen in seiner Tat angelegte Geschick zur Entfaltung, er leistet gewissermaßen einen „Hebammendienst“ (Koch 1991d, 69). JHWH setzt den Zusammenhang von Tun und Ergehen in Kraft, wobei er stärker mit dem Zusammenhang guter Tat und heilvollen Ergehens als mit dem böser Tat und Unheil in Verbindung gebracht wird (Koch 1991d, 71). JHWH „vervollständigt“ (שׁלם šlm Pi.; üblicherweise mit „vergelten“ übersetzt [→ Vergeltung], Koch 1991d, 68f.) die Tat durch ein entsprechendes Ergehen, er „wendet“ die Folgen einer Tat auf den Täter „zurück“ (שׁוב šwb Hif.; häufig übersetzt mit „vergelten“ [→ Vergeltung], Koch 1991d, 72). Eigenwirksamkeit menschlicher Tat und Handeln JHWHs – aus moderner Perspektive ein Widerspruch – kann das hebräische Denken dabei problemlos integrieren (Koch 1991a, 106; 1991e, 118; 1998, 56).

Die Vorstellung der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ bleibt, abgesehen von den in der Weisheit bei → Hiob und → Qohelet angemeldeten Zweifeln (dazu s.u.), bis in die neutestamentliche Zeit hinein (vgl. dazu auch Koch 1996) stabil.

Mit seiner These von der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ zeigt sich Koch vom Interesse geleitet, den Eigentümlichkeiten hebräischen Denkens nachzuspüren (Koch 1953, VI; vgl. auch 1989, 315-318; 1991b; 1991c). Wesentliche Impulse empfängt er dabei durch die Arbeiten Pedersens und Fahlgrens: Pedersen entwickelt in seinem Hauptwerk „Israel. Its Life and Culture“ (1926 engl. – dänische Erstauflage 1920) die Vorstellung, dass die Tat eines Menschen äußere Manifestation seiner Person – nach Pedersens viel (auch durch Koch 1991d, 101f.) kritisierter Seelenvorstellung: seiner Seele – sei. Fahlgren beschreibt in seiner Studie „Ṣədaka. Nahestehende und entgegengesetzte Begriffe im Alten Testament“ (1932), dass einige hebräische Lexeme eine Tat und ihre Folge bezeichnen – z.B. רעה rā‘āh „Bosheit“ und „Unglück“ (Fahlgren 1972, 122-126; → Strafe).

2.2. Anfragen und Widersprüche

Die These Kochs stieß auf breite Zustimmung (z.B. von Rad 1958, u.a. 381-385; vgl. aber auch 1992, 170ff.), wenn sie auch selten mit allen inhaltlichen Implikationen rezipiert wurde, und daher selten von der „schicksalwirkenden Tatsphäre“, sondern allgemeiner vom „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ die Rede ist. Neben dieser Zustimmung evozierte die Vorstellung von der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ wegen ihrer von Koch durchaus wahrgenommenen und intendierten Abständigkeit zum modernen Denken Missverständnisse und provozierte Widerspruch.

Ein häufig geäußerter Widerspruch zielt auf die Rolle JHWHs im Rahmen dieser Vorstellung (z.B. Reventlow, 413; Pax, 58). Insbesondere der Vergleich der zwangsläufigen Folge von böser Tat und unheilvollem Ergehen mit einem Naturgesetz (Koch 1991d, 67) legte das Verständnis der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ als „rein immanenten Zusammenhang“ (Reventlow, 412) nahe; dieser Eindruck hält sich (vgl. z.B. Janowski, 255f.; Krüger, 88), obwohl Koch seine These an diesem Punkt erläuterte und präzisierte (z.B. 1991a, 106; 1991f, 130; 1998, 56).

2.3. Offene Fragen

Über diese Diskussionen hinausführende Erwägungen formuliert Janowski in seinem Aufsatz „Die Tat kehrt zum Täter zurück. Offene Fragen im Umkreis des ‚Tun-Ergehen-Zusammenhangs’“ (zuerst 1994). Seine Argumentation stützt sich auf die Diskussion um den Begriff Ma‘at (→ Maat) in der Ägyptologie bzw. auf dessen Explikation als „konnektive Gerechtigkeit“ (iustitia connectiva) durch Assmann. Demnach kommt es zu einem Zusammenhang von Tun und Ergehen auf dem Wege sozialer Interaktion; das Prinzip der Gegenseitigkeit, des „Füreinander-Handelns“ kommt beispielhaft zum Ausdruck in der Steleninschrift des Neferhotep in → Abydos (zitiert nach Assmann, 65): „Der Lohn eines Handelnden liegt darin, daß für ihn gehandelt wird. Das hält Gott für Ma‘at.“

Diese soziale Dimension des Tun-Ergehen-Zusammenhangs setzt nach Janowski auch die alttestamentliche Spruchweisheit z.B. in Spr 12,14 voraus (Janowski, 265f.; in diese Richtung weist bereits das Transaktionsmodell bei Keller). Ausgehend von diesem Phänomen wird nun eine Neubestimmung (und Verwendung!) des Vergeltungsbegriffes möglich: „Vergeltung“ lässt sich nicht auf die von Koch kritisierte juridische Dimension (s.o. 2.1) einengen, sondern ist vielmehr ursprünglich ein Terminus sozialer Interaktion und bedeutet dann „etwas erstatten / zurückzahlen“ (vgl. J. Grimm / W. Grimm, Deutsches Wörterbuch XII / 1, Leipzig 1956, 407-410; Internetausgabe).

Ausgehend von der so beschriebenen sozialen Dimension des Tun-Ergehen-Zusammenhangs unternimmt Janowski schließlich eine entsprechende Bestimmung der Rolle Gottes: „Gottes Handeln folgt demnach demselben Prinzip der Gegenseitigkeit, wie es dem Handlungsmodell der sozialen Interaktion zugrunde liegt – mit dem entscheidenden Unterschied, dass sein Eingreifen zwar erwartbar ist, aber unverfügbar bleibt, also gleichsam ein Akt der ‚Gnade’ ist.“ (Janowski, 269)

Die Ausführungen Janowskis (Reaktion Kochs: Koch 1998, v.a. 57f. Anm. 34) schließen mit einer Skizze offener Fragen, die zugleich die Mehrdimensionalität des Konzeptes „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ verdeutlichen: Offen bleibt demnach die Frage nach dem vorausgesetzten Ordnungsbegriffes (bzw. Weltsicht), die Frage nach der zeitlichen Relation von Tun und Ergehen und zuletzt die Frage nach der Rolle JHWHs bei der Entsprechung von Tun und Ergehen (Janowski, 270).

3. Weisheit

Nach Koch (1991d, 94) hat die → Weisheit die „schicksalwirkende Tatsphäre“ in besonderer Intensität reflektiert – auch deshalb kennt allein sie eine Infragestellung dieser Vorstellung in der skeptischen Weisheit Hiobs und Qohelets. Kochs Ausführungen scheinen insbesondere für die Weisheit derart evident, dass seither der Tun-Ergehen-Zusammenhang als zentrales Charakteristikum alttestamentlicher Weisheit gilt. Ebenso etablierte sich die Differenzierung „traditioneller“ oder „optimistischer“ und „skeptischer“ oder „pessimistischer“ Weisheit bis hin zur Konsequenz, dass in zeitlicher Zuordnung Letztere eine „Krise der Weisheit“ oder gar ihr Scheitern dokumentiert (z.B. Preuß 1970; 1987).

Gegenüber dieser Sicht der alttestamentlichen Weisheit wird jedoch auch auf die ihr inhärente Einsicht der Grenzen menschlicher Erkenntnismöglichkeiten verwiesen (vgl. u.a. von Rad 1992, v.a. 165f.; Lux 1992a; Hausmann 1996, 17; Freuling). Demnach handelt es sich beim Tun-Ergehen-Zusammenhang zwar um ein zentrales Motiv alttestamentlicher Weisheit. Auf dieses Motiv allein lässt sie sich allerdings keineswegs reduzieren; vielmehr wartet die Weisheit darüber hinaus mit weiteren und darüber hinausführenden Wahrnehmungen menschlichen Lebens auf. Ferner sind die Weisheitsschriften hinsichtlich ihrer Intention zu differenzieren, die überkommene Unterscheidung optimistischer und pessimistischer Weisheit ist im Zuge dessen zu modifizieren. Nach der jeweiligen Intention handelt es sich dann einerseits um eine pädagogisch ausgerichtete Weisheit, die weisheitliche Wahrnehmungen wie den Tun-Ergehen-Zusammenhang der Lebensorientierung fruchtbar machen will (vorwiegend z.B. im Sprüchebuch s.u. 3.1.), und andererseits um eine kritisch ausgerichtete Weisheit, die angesichts widersprüchlicher Erfahrungen um Orientierung ringt (so z.B. Qohelet und Hiob s.u. 3.2. und 3.3.). Letztere dokumentiert dann – so verstanden und befragt – nicht die Krise oder das Scheitern der alttestamentlichen Weisheit, sondern vielmehr ihre anhaltende Kreativität: Angesichts widersprüchlicher Erfahrungen zeigt sie einen flexiblen Umgang mit der überkommenen Tradition und gelangt zu weiterführenden und subtilen theologischen Einsichten (vgl. Lux 1992a, 103; Freuling, 268-271).

3.1. Sprüchebuch

Das → Sprüchebuch vereinigt Spruchweisheit (Spr 10-31) und → Lehrreden (Spr 1-9), die jeweils mit ihren Möglichkeiten den Tun-Ergehen-Zusammenhang zur Sprache bringen (vgl. Freuling, v.a. 98-108).

Die (älteren) Sprüche und Spruchgruppen schildern besonders prägnant die Wirksamkeit menschlicher Tat, indem Fehl- oder Wohlverhalten ein entsprechendes Ergehen bewirken: Torheit führt in die Irre (Spr 19,3a). (Seine) Bosheit verfolgt den Sünder (Spr 13,21a). Die Gerechtigkeit des Integren hingegen ebnet seinen Weg (Spr 11,5a), sie rettet den Aufrichtigen (Spr 11,6a). Wiederkehrender Partizipialstil (hier als Relativsatz übersetzt) signalisiert Allgemeingültigkeit der so formulierten weisheitlichen Erfahrung: „Einer, der Böses gegen Gutes erstattet – Böses wird nicht (mehr) von seinem Hause weichen.“ (Spr 17,13). Der Verbalsatz der zweiten Vershälfte lässt hier eine Abfolge von Tun und Ergehen erkennen; anders werden durch die Zuordnung zweier Partizipien in einem Nominalsatz zwei Handlungen bzw. Tun und Ergehen miteinander identifiziert: „Einer, der ein Gebot bewahrt, (ist) einer, der sein Leben bewahrt.“ (Spr 19,16a).

Ausdruck findet der Tun-Ergehen-Zusammenhang ferner mittels präpositionaler Wendungen: Wer verkehrten Sinnes ist (Spr 24,14b) oder sich mit seiner Zunge windet (Spr 17,20b), fällt im (Präposition ב s.o. 2.1) Bösen, wobei boshaftes Verhalten wie böse Folge anklingen dürfte. Andere präpositionale Wendungen stellen Tun und Ergehen in eine zeitliche Relation: Hochmut steht vor (לפני lifne) dem Fall (Spr 16,18b), Demut vor (לפני lifne) der Ehre (Spr 15,33b; Spr 18,12b). Trügerische Rede entfaltet später (אחר ’achar) ihre unheilvolle Wirkung (Spr 20,21). Gerechtigkeit führt zum (ל ) Leben, Bosheit zum (ל ) Tod (Spr 11,9). Besonders prägnant ist die Gegenüberstellung von Anfang (ראשׁון rîšôn) und Ende (אחרית ’achărît) in Spr 20,21: Anfangs hastig erraffter Besitz bleibt am Ende ohne Segen.

Über diese sprachlichen Phänomene hinaus lässt sich eine charakteristische Metaphorik erkennen, die den Tun-Ergehen-Zusammenhang zur Sprache bringt: Der Weg (דרך dærækh) bezeichnet Lebenswandel und Lebensweg, ohne dass sich beide Aspekte zwingend differenzieren lassen (Spr 11,5; Spr 18,3). Wird die Folge eines Tuns als Frucht (פרי pərî) bezeichnet (Spr 12,14a; Spr 13,2a; Spr 18,20a.21b), wird wiederum eine zeitliche Relation, ein Nacheinander von Tun und Ergehen erkennbar. Zuletzt wird feindseliges Verhalten ähnlich der Feindklage der Psalmen mit der Falle beschrieben, der der Übeltäter schließlich selbst zum Opfer fällt (vgl. Spr 26,27; Spr 28,10; Spr 29,5f.).

Der literarische Rahmen der (jüngeren) Lehrreden erlaubt eine drastische Verdeutlichung der Entsprechung von Tun und Ergehen durch die Verwendung von wiederkehrenden Leitworten: Die dem Blut Unschuldiger auflauern, lauern ihrem eigenen Blut auf (Spr 1,11.18 – ארב ’rb und צפן ṣpn). Die andere zum Straucheln bringen wollen, straucheln selbst (Spr 4,16 כשׁל kšl Hif. und Spr 4,19 כשׁל kšl Qal).

Sprüche und Lehrreden entfalten den Tun-Ergehen-Zusammenhang gleichermaßen in pädagogischer Absicht: auch dort, wo die Zusammenhänge des Lebens in Sentenzen lediglich konstatiert werden, geht es um eine heilvolle Orientierung, für die die Lehrreden dann leidenschaftlich werben.

Widersprüchliche Wahrnehmungen (z.B. Spr 24,16a) werden dabei nicht unterdrückt, treten jedoch hinter diese pädagogische Intention zurück: Es wird gelehrt, nicht problematisiert.

Aufgrund ihrer pädagogischen Ausrichtung ermöglichen Sprüche und Lehrreden keine erschöpfende Antwort auf die Frage, wie es zur Entsprechung von Tun und Ergehen kommt: Es geht primär um Orientierung in den Zusammenhängen des Lebens, nicht um deren Erklärung. Nichtsdestotrotz lassen einige Sentenzen erkennen, dass im Rahmen des Gemeinschaftsgefüges ein bestimmtes Verhalten eine entsprechende Resonanz findet (z.B. Spr 21,6.13; Spr 28,9).

Hinsichtlich der Frage, welche Rolle JHWH beim Zustandekommen des Tun-Ergehen-Zusammenhanges zukommt, kann zunächst festgestellt werden, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang häufig ohne explizite Erwähnung einer Mitwirkung JHWHs reflektiert wird. Zugleich wird z.B. in der redaktionell gestalteten Spruchkomposition Spr 16,1-9 deutlich, dass die Spruchweisheit keine rein „immanenten“ – d.h. von JHWHs Wirken losgelösten – Lebenszusammenhänge kennt. Dieses Bild bestätigt sich in den (jüngeren) Lehrreden z.B. in Spr 2: Das Gelingen des Weges erscheint als Folge des Wirkens JHWHs und zugleich als Folge menschlicher Lebensgestaltung. Beide Aspekte konvergieren, ohne einander auszuschließen.

3.2. Hiobbuch

Das → Hiobbuch konfrontiert den in der pädagogisch ausgerichteten Weisheit wahrgenommenen Zusammenhang von Tun und Ergehen mit widersprüchlichen Erfahrungen, die im Geschick Hiobs exemplarisch Ausdruck finden: Der weise und gerechte Hiob erfährt einen massiven Verlust, der sich nicht mehr aus dem Tun-Ergehen-Zusammenhang heraus erklären bzw. bewältigen lässt.

3.2.1. Die Rahmenerzählung

Das Geschick Hiobs wird zunächst in Hi 1-2 (und dann in Hi 42,10-17) erzählerisch entfaltet (zum folgenden Freuling, 143-156). Entsprechen sich zunächst Tun und Ergehen Hiobs (Hi 1,1-3), so zerbricht plötzlich dieser Zusammenhang heilvollen Tun und Ergehens, als Hiob Viehbesitz, seine Kinder (Hi 1,13-19) und schließlich seine Gesundheit (Hi 2,7b.8) verliert. Der Prolog des Hiobbuches enthält bereits eine eigenständige Antwort auf das damit aufgeworfene Problem. Der weise Hiob selbst deutet sein Geschick in Hi 1,21 und Hi 2,10aβ: „Das Gute nehmen wir von Gott an, doch das Böse sollten wir nicht annehmen?“ Diese rhetorische Frage wirbt gewissermaßen über die Rahmenerzählung hinaus um Annahme auch des Bösen und damit um Unterordnung unter die Souveränität JHWHs. Die so ausgesprochene Einsicht hält die durch Hiobs Geschick aufgeworfenen Aporien weisheitlicher Wirklichkeitswahrnehmung offen und deutet sie aus der Perspektive weisheitlicher Frömmigkeit. Hiob hält an seiner Gottesfurcht und Integrität fest, die auch angesichts erwarteter, doch ausbleibender Frucht nicht absurd werden.

Die dahinter stehende Frage, ob es auch ohne heilvolles Ergehen ein Festhalten an Gottesfurcht und Integrität geben kann, wird durch die Hofstaatszenen explizit, wenn der Satan (הַשָּׂטָן haśśāṭān) JHWH mit der Frage konfrontiert, ob Hiob umsonst (חנם) gottesfürchtig sei (dazu Strauß 1999, 2001; → Satan).

Zuletzt (Hi 42,10-17) erfährt Hiob eine Wiederherstellung; der Epilog zeigt somit eine heilvolle Perspektive auf, ohne die die (ältere) Hioberzählung nicht schließen mochte. Dieses Ende ist allerdings nicht das Zugeständnis an ein weisheitliches – und auf diesem Wege stabilisiertes – Ordnungspostulat: Die durch Hiob zuvor getroffenen weisheitlichen Deutungen menschlichen Geschicks, das hier dem Tun-Ergehen-Zusammenhang widerspricht, beanspruchen Gültigkeit über den „Fall“ Hiobs hinaus.

3.2.2. Die Dichtung

Der Hiob der Rahmenerzählung beugt sich unter die Souveränität JHWHs – der Hiob der Dichtung hingegen beklagt massiv die Widersprüchlichkeit seines Geschicks und beharrt auf der Unstimmigkeit seines Tuns und Ergehens (dazu ausführlich Freuling 156-214).

Auftakt und Auslöser des Gesprächs mit seinen Freunden ist die Klage in Hi 3: Ein Leben, in dem Integrität und Gottesfurcht keine Frucht bringen, wird hier verworfen; die Verwünschung von Tag der Geburt und Nacht der Empfängnis (Hi 3,2) zielt darauf, dieses Leben aufzuheben, es ins Chaos zurück zu bannen. Der Tod (Hi 3,13-19.20-23) ist einem Leben vorzuziehen, dem jede Perspektive fehlt. Vor diesem Hintergrund sind die nun folgenden Versuche der Freunde, Hiob Modelle weisheitlicher Lebens- und Leidensdeutung anzubieten, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dabei treten die Freunde keineswegs als Vertreter eines „starren“ Tun-Ergehen-Zusammenhangs auf, die direkt von Hiobs Geschick auf seine Verfehlungen schließen. Im ersten Redegang (Hi 4-14) bemühen sie den Tun-Ergehen-Zusammenhang, um Hiob als leidenden Gerechten eine heilvolle Perspektive aufzuzeigen: Früher oder später wird er – ganz im Gegensatz zu den Frevlern – Wiederherstellung erfahren (Hi 4,8f.; Hi 8,5-22). Zugleich gilt angesichts des auch undurchsichtigen menschlichen Ergehens die Souveränität Gottes, der sich der Mensch unterordnen muss (vgl. Hi 5,8-14; Hi 11,8-11). Darüber hinaus schließlich erwägt Elifas die Möglichkeit, Gott sei in Hiobs Leiden – letztlich zum Guten – erziehend am Werk (Hi 5,17f.). Hiob jedoch insistiert auf der Widersprüchlichkeit seines Tun und Ergehens und kann sie nur als Ausdruck der ihm unbegreiflicherweise zugekehrten Feindschaft Gottes verstehen, gegen die er sich (auch durch den angestrebten Rechtsstreit – s. v.a. Hi 13,18-22) nicht wehren kann (vgl. u.a. Hi 6,4; Hi 9,24); angesichts dessen ist ihm eine Unterordnung unter die Souveränität Gottes schlechterdings unmöglich.

Die Positionen verhärten sich im zweiten Redegang (Hi 15-21). Zunächst bemühen die Freunde den Tun-Ergehen-Zusammenhang, um Hiob eine heilvolle Perspektive aufzuzeigen (s.o.). Das böse Geschick der Frevler dient dabei als Negativfolie, vor der deutlich wird, wie es Hiob auf Dauer nicht ergehen wird. Nun aber nähern sich die Frevlerschilderungen der Freunde deutlich den Klagen Hiobs an. So gewinnt zunehmend Konturen, was sich in Hi 9,20.29 bereits ankündigt: Obschon gerecht, muss Hiob seinem Geschick entsprechend als Frevler gelten. Eine letzte Zuspitzung erfolgt mit Hi 21 und 22: Während Hiob die durch die Freunde immer wieder bemühte Erfahrung, dass (nur) der Gottlose dauerhaft zugrunde geht, gründlich in Frage stellt (Hi 21,7-18.29-33), spricht Elifas ihn schließlich direkt als Frevler an (Hi 22,5-10).

Der dritte Redegang (Hi 22-27; zum literarischen Problem s. u.a. Strauß 2000, 69f. 73 etc.) bietet darüber hinaus lediglich Vertiefungen der nunmehr erreichten Grundpositionen: Das Gespräch der Weisen kommt darüber zum Erliegen und endet entsprechend in Hi 28 mit dem Lied von der Unauffindbarkeit der Weisheit. Es überschreitet trotz darüber hinausweisender Ansätze nicht den Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs, wie noch einmal das Schlussplädoyer Hiobs dokumentiert: Er erinnert an sein einstiges Wohlergehen (Hi 29), beklagt sein dazu im schrillen Kontrast stehendes gegenwärtiges Unheil (Hi 30) und beharrt darauf, dass es ihm so entsprechend seiner in Hi 31 dargelegten Lauterkeit nicht ergehen darf.

Bewegte sich das Gespräch Hiobs und seiner Freunde nicht über den Tun-Ergehen-Zusammenhang hinaus (s.o.), so vollzieht die Antwort JHWHs an Hiob (Hi 38,1-39,30; Hi 40,6-41,26), die in Hi 38,1 als Redebeitrag im Kreis der diskutierenden Weisen eingeführt wird, in dieser Hinsicht einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel (dazu auch Strauß 2000, 348-356). In einer Kette rhetorischer Fragen (s. v.a. den Auftakt in Hi 38) konfrontiert Gott Hiob mit seinem umfassenden Wirken als Schöpfer, das sich der Einsicht Hiobs entzieht; entsprechend kommen – zuletzt mit → Leviatan und → Behemot – v.a. die Dimensionen der Schöpfung zur Sprache, die gänzlich jenseits menschlicher Lebenswelt und menschlichen Begreifens stehen, dennoch aber der Souveränität des Schöpfers unterworfen sind (s. Hi 40,19). So verstanden zielt JHWHs Antwort an Hiob nicht auf eine Unterwerfung Hiobs, sondern vielmehr auf sein Einverständnis, das Hiob dann in Hi 40,4f. und Hi 42,2-6 zum Ausdruck bringt: Gottes Wirken bleibt in letzter Konsequenz undurchschaubar, und dennoch kann Hiob es bejahen als Wirken des Schöpfers, der seine Welt in all ihren auch dem Menschen verborgenen Dimensionen erhält. Damit enthält JHWHs Antwort an Hiob keine Lösung der zuvor diskutierten Frage, warum sich Hiobs Tun und Ergehen widersprechen, sie schreitet vielmehr über den problematisierten Tun-Ergehen-Zusammenhang hinweg, indem sie es Hiob ermöglicht, sich vor seinem Schöpfer auch mit den für menschliche Weisheit unlösbaren Aporien seines Geschicks einzufinden.

Dieser Paradigmenwechsel wird in der jetzigen Disposition des Hiobbuches durch die Reden Elihus (Hi 32-37) vorbereitet, die insbesondere ab Hi 36 ein deutliches Gefälle zur Thematik der Gottesrede erkennen lassen (vgl. dazu Strauß 2000, 266-274).

3.3. Prediger

Führte das Hiobbuch vom Geschick des leidenden Gerechten ausgehend zu einer Überwindung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs (s.o. 3.2.2.), so kommt es in der Weisheit → Qohelets zu einer tiefgreifenden Relativierung (dazu ausführlich Freuling 231-267): Die im Qoheletbuch vereinten weisheitlichen Reflexionen gelangen bei umfassender Betrachtung all dessen, was „unter der Sonne“ (Pred 4,1 etc.) bzw. „unter dem Himmel“ (Pred 3,1 etc.) geschieht, an die Grenze weisheitlicher Lebens- und Wirklichkeitsbewältigung. Der gottgewirkte Wechsel der Zeiten (Pred 3,1-15) bleibt dem Menschen undurchschaubar; auch die Weisheit kann den Menschen nicht vor den Widerfahrnissen des Lebens (vgl. Pred 9,11f.) bewahren. Zuletzt steht der Tod außerhalb der vom Menschen gestalt- und beeinflussbaren Lebenszusammenhänge und relativiert Weisheit wie Torheit (Pred 2,12-16), ohne dass freilich ein „Gewinn“ der Weisheit vor der Torheit (s. Pred 2,12-14a) gänzlich bestritten wird. Und doch wird der Bereich des Lebens, in dem weisheitliche Orientierung Frucht bringt auf ein Minimum reduziert, und auch dieses Minimum bleibt durch die Widerfahrnisse des Lebens bedroht.

Dem Tun-Ergehen-Zusammenhang widersprechende Erfahrungen werden dabei immer wieder laut, die Folgerungen allerdings differieren: Angesichts offensichtlicher Verkehrung des Rechts (Pred 3,16) wird am Gericht Gottes über Frevler und Gerechte festgehalten (Pred 3,17; vgl. auch Pred 11,9), das als solches allerdings wiederum menschlicher Wahrnehmung entzogen bleibt. Angesichts wahrgenommener Unterdrückung wird Unwille gegenüber den Ungereimtheiten des Lebens laut (Pred 4,1-3), während dasselbe Phänomen dann wieder ungleich nüchterner bewertet wird: Der relative Wert ungerechter Herrschaft liegt darin, dass wenigstens für die Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse (das „bebaute Feld“) gesorgt ist (Pred 5,7f.). Zugespitzt wird die Erfahrung, dass Tun und Ergehen sich nicht immer – zu beachten ist die Formulierung mit ישׁ („es gibt“) – entsprechen, unter anderem in Pred 8,14a ausgesprochen (s. dazu Pred 8,10-15 insgesamt und auch Pred 7,15-19): „Es gibt Gerechte, denen geht es entsprechend den Werken der Frevler. Und es gibt Frevler, denen geht es entsprechend den Werken der Gerechten.“

So gelangt die Weisheit Qohelets durch die Wahrnehmung widersprüchlicher Phänomene zu einer Relativierung weisheitlicher Lebens- und Wirklichkeitsbewältigung im Allgemeinen und des Tun-Ergehen-Zusammenhangs im Besonderen. Von einer Annullierung zu sprechen, empfiehlt sich hingegen nicht: Die Weisheit behält ihren (relativen) Gewinn (z.B. Pred 2,13; Pred 7,12; Pred 10,10), wird sich jedoch ihrer Grenze bewusst (z.B. Pred 10,8-11); diese Grenze ist durch Gottes dem Menschen undurchschaubares und unverfügbares Wirken (vgl. Pred 3,11), also theologisch bestimmt. Innerhalb dieser Grenze gilt der Tun-Ergehen-Zusammenhang; hier findet Qohelets Aufforderung zum tatkräftigen Handeln ihren Ort (vgl. Pred 9,10; Pred 11,4.6.). Darüber hinaus wirbt Qohelet (in Kontinuität zur überkommenen Weisheit) für die Gottesfurcht (vgl. Pred 3,14; Pred 5,6; Pred 7,18; Pred 8,12), für eine Haltung, die sich der Grenzen des eigenen Tuns bewusst ist und sich darüber hinaus Gottes Wirken gefallen lässt, das dem Menschen nicht nur in den negativen Widerfahrnissen des Lebens, sondern auch im Guten und in der Freude (vgl. Pred 3,22; Pred 5,17; Pred 9,9) begegnet (Lux 1992b).

4. Prophetie

Für das Verständnis der alttestamentlichen → Prophetie dient der Tun-Ergehen-Zusammenhang als Deutungskategorie, die es erlaubt, die konstitutiven Elemente Gegenwartskritik und Zukunftsansage zu verbinden.

Anknüpfend an seine These von der „schicksalwirkenden Tatsphäre“ unternimmt Koch eine entsprechende Interpretation der Prophetie (dazu v.a. Koch 1995, 11-26). Demnach gründet die prophetische Botschaft nicht auf eine Einsicht in das bei Gott beschlossene und nicht unmittelbar herleitbare Unheil, also nicht auf einer Art Kassandraerlebnis. Sie setzt vielmehr bei einer vertieften Wahrnehmung gegenwärtiger Missstände an, in denen das kommende Unheil als unweigerliche Folge wurzelt: Gang der Geschichte und sittliches Verhalten der Menschen korrelieren. Die so wahrgenommene Wirklichkeit lässt sich nicht – modern missverstanden – auf „immanente“ Phänomene reduzieren. Sie umschließt neben dem Tun-Ergehen-Zusammenhang u.a. Gemeinschaft, Natur und in abgestufter Intensität gegenwärtige Wirkkräfte Gottes in der Welt (Koch 1995, 22f.) als Segmente eines umfassend wahrgenommenen Ganzen. Das Resultat prophetischer Denkbemühung – nach Koch „Metahistorie“ (Koch 1995, 21) – artikuliert sich sprachlich-formal im Zusammenhang von „Lagehinweis“ und „Unheilsweissagung“ (z.B. Am 2,6-13; Am 3,9-11 etc; vgl. auch Koch 1991g; 1989, 258ff.) Damit zielt die prophetische Botschaft auf die Einsicht ihrer Zeitgenossen, auf eine „nachdenkliche Aufnahme“, die Koch auch als „nachlaufende Erkenntnis“ bezeichnet (Koch 1995, 12).

Diese in sich bemerkenswert geschlossene Interpretation alttestamentlicher Prophetie blieb nicht unwidersprochen. War es Kochs Absicht, die beiden „Brennpunkte“ (Koch 1991g, 146) der prophetischen Botschaft – Gegenwartskritik und Zukunftsansage – zu verbinden, so betont W.H. Schmidt demgegenüber das Prä der Zukunftsgewissheit als entscheidenden Impuls prophetischen Wirkens. Die prophetische Zukunftsgewissheit erschließt sich nicht durch den Tun-Ergehen-Zusammenhang, die Propheten gewinnen sie vielmehr durch die (visionäre) Einsicht in Gottes ausstehendes Gericht (vgl. Jes 6; Am 7,1-9,7). Durch die dieser Einsicht folgende Gegenwartskritik wird die Zukunftsansage den Zeitgenossen lediglich nachvollziehbar (Schmidt, 171ff.). Als Gegenprobe wird die prophetische Heilszusage nicht mit einem entsprechenden menschlichen Verhalten ursächlich verbunden; die heilvolle Zukunft – als Beispiel dient Jer 31,31-34 – wird als neue unverfügbare „Setzung Gottes“ angekündigt, als „Ja im Nein“ (Schmidt, 175f.).

Eine vermittelnde Position vertritt Herrmann: Demnach gründet die prophetische Unheilsansage dem Tun-Ergehen-Zusammenhang entsprechend auf einer vertieften Wahrnehmung gegenwärtiger Missstände, die das drohende Unheil aus Sicht der vorexilischen Prophetie alternativlos erscheinen lassen; kein Prophet entwickelt – wie die alttestamentliche Weisheit – demgegenüber ein Programm, um die Lage durch eine Änderung des Lebenswandels zum Guten zu wenden. Daher tritt zur Wahrnehmung der Missstände notwendigerweise ein zweites Element hinzu: die durch ein besonderes Bewusstsein der Propheten eröffnete Einsicht in die Möglichkeiten Gottes, der in dem so durchaus wahrgenommenen Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht aufgeht und daher entgegen Koch auch nicht auf dem Wege einer „Metahistorie“ rational zu erfassen ist. Prophetie zielt demnach darauf, „alle menschlichen Bemühungen der göttlichen Wesens- und Willenssphäre zu unterstellen, um sie dem Verhängnis schicksalwirkender Tatsphäre zu entziehen. … Das Ziel der Prophetie ist, so paradox es klingen mag, die Überwindung der schicksalwirkenden Tatsphäre mit ihren Folgen.“ (Herrmann 156f.).

5. Recht

Kochs These berührt darüber hinaus auch die Frage nach einem angemessenen Verständnis alttestamentlichen Rechtsdenkens (→ Recht); kann er zunächst feststellen, das biblische Hebräisch kenne keinen Begriff für → Strafe, so reicht die Feststellung, eine Gerechtigkeit im Sinne einer iustitia distributiva („austeilende Gerechtigkeit“) sei dem Alten Testament fremd (Koch 1991d, 91), wesentlich über den Rahmen alttestamentlichen Rechts hinaus und gewinnt Relevanz für die grundsätzliche Bestimmung der Relation von Tat und Folge. Nicht ohne Grund begleitete die Fragestellung von Beginn an die Diskussion seiner These (vgl. die Beiträge von Horst, v.a. 207-211; Preiser, Scharbert, Reventlow). Vor dem Hintergrund des Tun-Ergehen-Zusammenhangs ist das alttestamentliche Recht nicht vom Gedanken der → Vergeltung oder von der Intention der Strafe bestimmt, vielmehr wirkt es regulativ auf die Gemeinschaft. Seiner Intention nach zielt es auf Ausgleich bzw. auf eine heilvolle Balance gemeinschaftlicher Bezüge (zum Folgenden insgesamt Graupner):

Die weder spezifisch alttestamentliche noch das alttestamentliche Recht durchweg bestimmende und dennoch oft als Beleg alttestamentlichen Vergeltungsdenkens zitierte Talionsformel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (→ Recht; vgl. Ex 21,25; Lev 24,18.20; Dtn 19,21; dazu Boecker, 149-153; Otto, 73-81) zielt ihrer ursprünglichen Intention nach auf die Eindämmung unverhältnismäßiger Blutrache (nur ein Auge …; vgl. zur Illustration Gen 4,23f.). Im Rahmen alttestamentlichen Rechts fixiert sie kaum strafrechtliche Praxis, sondern begegnet vielmehr als Grundsatz, nach dem die Konfliktreglung durch den angemessenen Ausgleich entstandener Ansprüche erfolgt; so begegnet sie im → Bundesbuch im Rahmen des Haftungsrechts (Ex 21,22-25), das die entsprechenden Ersatzleistungen dann kasuistisch entfaltet.

Dem angemessenen Ausgleich entstandener Ansprüche (und keiner darüber hinausgehenden Strafabsicht) dient auch die doppelte oder mehrfache Ersatzleistung. Entsprechend werden im Bundesbuch z.B. im Falle eines Viehdiebstahls (Ex 21,37-22,3.8) durch den doppelten Ersatz Nutzungsausfall und Aufwand des Geschädigten kompensiert; ebenso wird gegenüber einfacher Erstattung sicher gestellt, dass der Dieb durch die vorübergehende Nutzung keinen Vorteil gewinnt. Im Falle von Schlachtung oder Verkauf trägt die mehrfache Erstattung der erfolgten Wertschöpfung durch den Dieb und dem erhöhten Aufwand des Geschädigten, seinen Anspruch geltend zu machen, Rechnung.

Auch das alttestamentliche Todesrecht (→ Todesstrafe) folgt nicht dem Vergeltungsgedanken; vielmehr zielt es im Sinne einer Generalprävention (Otto 32ff.; vgl. Dtn 19,20) auf den Schutz der Gemeinschaft des Gottesvolkes (vgl. Dtn 17,17; Dtn 19,19) und betrifft dem entsprechend Vergehen, die diese Gemeinschaft in ihrem Bestand gefährden.

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