Köln. „Der neue Simplicissimus. Satire für die Bonner Republik“: Das Kölner Käthe-Kollwitz-Museum rückt das legendäre Satire-Magazin in den Fokus.

Selbstbewusst stützt sich der beleibte Konferenzteilnehmer auf den Tisch. „Der Friede bin ich“, ruft er, während ihn Staatsmänner aus aller Welt ehrfürchtig anstarren. Tatsächlich ist der lautstarke Konferenzteilnehmer kein Politiker, sondern eine dicke Bombe. „Da kann es einem den Rücken kalt runterlaufen“, sagt Uwe Westfehling, der die Ausstellung zusammen mit der neuen Museums-Direktorin Katharina Koselleck kuratiert hat. Denn die satirische Grafik, die im Mai 1956 im „Simplicissimus“ erschien, sei heute wieder erschreckend aktuell.

Unter dem Titel „Der neue Simplicissimus. Satire für die Bonner Republik“ präsentiert das Käthe-Kollwitz-Museum erstmals ein Konvolut an „Simplicissimus“-Ausgaben, das seit Mai zum Archiv-Bestand der Institution gehört. Hinzu kommen Leihgaben. Bis zum 3. Oktober sind 130 satirische Bilder, darunter zahlreiche Titelseiten, 13 originale Zeichnungen und Lithografien sowie ein Lithostein zu sehen.

Käthe Kollwitz zählte zu den Künstlerinnen der Zeitschrift

Für Furore gesorgt hatte das 1896 gegründete Magazin bereits im Kaiserreich und während der Weimarer Republik. Damals gehörte auch Käthe Kollwitz (1867-1945) zu den Künstlerinnen und Künstlern der Zeitschrift. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt jedoch auf der Zeit nach 1954, als das Blatt nach zehnjähriger Pause wiederbelebt wurde.

Bis zu seiner Einstellung 1967 provozierte das Magazin in der Bonner Republik so manchen Aufreger. Die Zeichner fokussierten sich vor allem auf Themen des Kalten Krieges, der deutschen Teilung und des Wirtschaftswunders. Voll ins Ziel trifft das Magazin bereits mit dem Titelblatt der ersten Nachkriegsausgabe im Herbst 1954. Es zeigt internationale Politiker als Kegelfiguren, darunter den deutschen Bundeskanzler, Konrad Adenauer. Für den russischen Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow, der sich im Hintergrund in Stellung bringt, sind sie bloß Spielfiguren.

Konsumhunger, Verschwendung von Nahrungsmitteln

Viele Themen des Nachkriegs-„Simplicissimus“ sind heute noch brandaktuell. Den Konsumhunger der Gesellschaft kritisierte das Blatt schon in den 60er-Jahren mit einer Krippe, in der statt des Christkindes Elektrogeräte liegen. Mit Lebensmitteln überquellende Mülltonnen prangern die Verschwendung von Nahrung an.

Manche Zeichnungen sind aus heutiger Sicht nicht mehr politisch korrekt. Frauen wurden oft als hübsch, dümmlich und berechnend dargestellt. Auch afrikanische Staatsmänner wurden schon als Vertreter der sprichwörtlichen Bananen-Republik herabgewürdigt.

Studentenbewegung veränderte die Gesellschaft

Die Zeit überholte den „Simplicissimus“ schließlich. Mit der Studentenbewegung veränderte sich die Gesellschaft. „Neue Satire-Magazine wie ‚Titanic‘ oder ‚Pardon‘ trafen den Nerv der Zeit dann besser“, sagt Koselleck. 1967 wird der „Simplicissimus“ eingestellt. Mehrfach waren im Kaiserreich und dann zu Beginn des Nationalsozialismus Mitarbeiter des Blattes verhaftet worden. Manche gingen ins Exil. Unter den Nazis war das Magazin gleichgeschaltet und 1944 schließlich eingestellt worden.