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DIE WELT

Die Geschichte gab Schumacher Recht

Die Worte des damaligen SPD-Vorsitzenden lesen sich wie eine Warnung an die Enkel - Debatte

In den Debatten über eine mögliche Beteiligung der PDS an den Regierungsgeschäften in Berlin fällt immer wieder der Name Kurt Schumacher. Der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD hatte jegliche Zusammenarbeit seiner Partei mit den Kommunisten abgelehnt. Selbst ein Verfolgter der Nazis, hatte er das auch heute zitierte Wort geprägt, die Kommunisten seien nur "rot lackierte Doppelausgaben der Nationalsozialisten".

Die schroffe Formel erscheint einigen Sozialdemokraten anachronistisch. Sie wollen in der PDS eine gänzlich gewendete SED sehen, die, wenn sie sich nur gehörig für die Mauer entschuldigt, gesellschafts- und politikfähig sei. Bei anderen Sozialdemokraten hat diese opportunistische Haltung Bedenken und Unruhe ausgelöst. Denn seit Kurt Schumachers Warnungen vor der damaligen "KP" (so die von Schumacher ausschließlich verwendete Abkürzung) war die Abgrenzung gegenüber den Kommunisten jahrzehntelang Teil sozialdemokratischer Identität. In Berlin hatte die kommunistische Machtergreifung ihren eklatantesten Ausdruck in der Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD gefunden. Tausende Sozialdemokraten im Osten wurden in Zuchthäuser verschleppt, viele in wieder eröffneten Konzentrationslagern zu Tode gequält. Schumachers düstere Prophezeiungen hatten sich als scharfsinnige Analysen erwiesen.

Wenn jetzt Führungspolitiker der SPD argumentieren, man müsse "nach vorn" blicken, so wird geflissentlich ausgeblendet, wie sehr "nach vorn" gerichtet die Warnungen Schumachers waren und wie aktuell sie sich jetzt ausnehmen.

"Die Kommunistische Partei" - so notierte er - "ist in ihrer politischen Theorie und Praxis ebenso vollständig zusammengebrochen wie das Nazitum und der Militarismus. Unter dem Gesichtspunkt deutscher Politik besteht kein zwingender Grund für ihr Weiterbestehen. Ebenso wenig hat die Sozialdemokratie Veranlassung, für den geschwächten Parteikörper der KP den Blutspender abzugeben und auf irgendeinen Annäherungsversuch auch nur andeutungsweise einzugehen."

Wenn gegenwärtig Mahnungen vor einer Regierungsbeteiligung der SED-Nachfolgepartei mit der Floskel zurückgewiesen werden, Hinweise auf frühere Verfehlungen der Kommunisten seien "Kalter Krieg" und "rückwärtsgewandt", so hatte sich auch schon Schumacher mit ähnlichen Vorwürfen auseinander zu setzen. Mit seiner Antwort bewies er einen Scharfsinn, der spätere Erfahrungen vorwegnahm. Den Kommunisten warf er vor, eine Politik "gegen Fortschritt, gegen Entwicklung" zu treiben. Nicht Kritik an einer solchen Politik sei "rückwärtsgewandt", sondern das Paktieren mit ihr. Denn der wie auch immer frisierte Kommunismus "ist die Politik der Rückkehr . . . zu Denkformen und Methoden, die unwürdig sind, von Menschen gelebt und gedacht zu werden. Weltkommunismus ist Weltreaktion."

Können sich Parteien durch Schuldbekenntnisse von ihrer Vergangenheit freisprechen? Schumacher verneinte auch dies. Am Beispiel des Zusammengehens der Kommunisten mit den Nazis in der Endphase der Weimarer Republik rief er ins Gedächtnis, dass zum Beispiel die Schalmeienkapelle des Rotfront-Kämpfer-Bundes in Berlin-Lichtenberg "geschlossen zur SA übergegangen" war: "In der SA-Uniform prügelten sie genauso brutal auf die (sozialdemokratischen, Anm. d. Red.) Reichsbannerleute ein wie zu der Zeit, als sie diesen in der Rotfront-Kämpfer-Bluse mit geballter Faust gegenüberstanden." Mit Entschuldigungen könne sich die "KP" daher nicht reinwaschen, denn, so Schumacher: "Das Schuldbekenntnis für die Kommunistische Partei ist eine Selbstverständlichkeit, ohne die Haltung der Kommunisten wäre das Versagen des deutschen Parlamentarismus und damit die Möglichkeit für die Nazis, an die Regierung zu kommen, nicht gegeben gewesen."

In seiner Ablehnung jeglichen Zusammengehens mit den Kommunisten ging Schumacher so weit, dass er Otto Grotewohl, dem SPD-Führer in der sowjetischen Zone, nahe legte, eher die SPD aufzulösen, als in eine Zwangsehe mit der "KP" einzuwilligen. Dahinter stand ein fast fanatischer, unerschütterlicher Glaube an "innere Werte", an Moral in der Politik. Schumacher strebte keine Überwindung der Spaltung mit jenen an, die solchen Werten abgeschworen hatten oder sie leichthin zu verleugnen bereit waren, wenn sie einem Machtkalkül im Wege standen, sondern suchte Rückhalt bei jenen, die ihnen auch in schwerster Bedrängnis treu geblieben waren. "Wenn jemand von draußen nach Deutschland kommt, dann erlebt er sicher, wenn er fühlen kann und wenn er Fingerspitzengefühl hat, wenn er seelisch in den anderen eindringen kann, das eine große Wunder, dass nach zwölf Jahren Diktatur noch so viele Menschen innerlich anständig geblieben sind. Und er erlebt das andere Wunder, dass beim Kampf, anständig zu bleiben, auch Tapferkeit gezeigt wird."

Heute erscheinen diese Tugenden manchem Politiker als "sekundär" und überholt. Für Schumacher, der am 20. August vor 49 Jahren verstorben ist, waren sie ein Essential politischen Handelns. Die Geschichte hat ihm Recht gegeben.

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