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Eine Frage des Vertrauens

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Immer wieder haben Plebiszit-Gegner argumentiert, dass das Volk die Todesstrafe einführen könnte. Trotzdem: Die Republik ist reif für bundesweite Volksentscheidungen, finden die Aktivisten des Vereins Mehr Demokratie. Von Hans-Hermann Kotte

Von Hans-Hermann Kotte

Ist dem Volk zu trauen? Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren aus guten Gründen skeptisch, was Volksabstimmungen auf Bundesebene angeht. Wegen der Erfahrungen der Weimarer Republik und der NS-Zeit sieht das Grundgesetz ein Plebiszit auf gesamtstaatlicher Ebene nicht vor.

Immer wieder hat das Thema in den vergangenen Jahren den Bundestag beschäftigt - mit dem immer gleichen Ergebnis. Die Vorstöße scheiterten, wie zuletzt im Februar 2009, als noch die große Koalition regierte. Drei Gesetzentwürfe von FDP, Linke und Grünen wurden im Innenausschuss des Parlaments mit den Stimmen der schwarz-roten Mehrheit abgelehnt. Die SPD konnte sich nicht gegen die Blockadehaltung der Union durchsetzen, die mit der Befürchtung argumentierte, dass bundesweite Plebiszite Demagogen Tür und Tor öffnen könnten.

"Das ist eine Frage des Vertrauens und des Menschenbildes", sagt Lynn Gogolin, Pressesprecherin des Vereins Mehr Demokratie. Sie findet, dass bundesweite Volksentscheide keineswegs den Rahmen der repräsentativen Demokratie sprengen würden. "Volksentscheide sind eine Ergänzung, kein Ersatz." Sie plädiert für eine "vorsichtige Regelung", die sensible politische Bereiche von der Abstimmung ausschließt.

Immer wieder haben Plebiszit-Gegner etwa damit argumentiert, dass das Volk die Todesstrafe einführen könnte. Gogolin findet, dass die Gefahren übertrieben werden: Schließlich seien wichtige Grundrechte und Verfassungsprinzipien geschützt durch die "Ewigkeitsklausel" in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Gogolin betont, dass die Bürger bei Volksentscheiden "aus der Bittsteller-Position herauskommen" - anders als bei Petitionen, Verfassungsbeschwerden, Unterschriftenaktionen oder Internet-Aktivismus.

Der Verein Mehr Demokratie setzt sich seit 1988 für das "Recht auf Volksabstimmung" ein und hat auf Kommunal- und Länderebene Fortschritte mitinitiiert. Über wichtige Sachfragen, so die Aktivisten, sollten Bürger auf allen Ebenen in fairen Abstimmungen frei entscheiden dürfen, auch "im Bund und in der Europäischen Union". Plebiszite, so Gogolin, könnten auch der angeblichen Politikverdrossenheit entgegenwirken: "Wer gefragt wird, der wendet sich nicht ab." Allerdings sollten "die Hürden für Volksentscheide in den Bundesländern gesenkt werden".

Nach dem Nichtraucher-Plebiszit findet der nächste Länder-Volksentscheid in zwei Wochen in Hamburg statt. Am 18. Juli wird darüber abgestimmt, ob die Kinder länger gemeinsam lernen sollen. Es geht um die Einführung der sechsjährigen Primarschule.

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