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„Kann im Notfall zehntausende Euros retten“: Warum Familienrechtler zum Ehevertrag raten

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Leben sich die Ehepartner auseinander, folgt nicht selten die Scheidung: Rund jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden.
Leben sich die Ehepartner auseinander, folgt nicht selten die Scheidung: Rund jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. © IMAGO

Häufig kostet eine Scheidung viel Geld und Nerven. Das muss aber nicht sein, sagt Familienrechtlerin Anny Millecker aus München. Ein Interview über Papierkram, der die Existenz retten kann.

Frau Millecker, jede dritte Ehe wird geschieden. Würden Sie jungen Paaren pauschal zu einem Ehevertrag raten?

Wenn einer der Eheleute schon irgendwelche Vermögenswerte hat – Aktien, eine Immobilie oder einen Bausparer – ja. Denn nach dem Gesetz haben wir automatisch eine Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet: Im Scheidungsfall wird geprüft, wie stark diese Werte zwischen der Eheschließung und dem Scheidungsantrag gestiegen sind. Und sowohl Wertsteigerungen als auch neue Ansparungen ab Eheschließung sind im Scheidungsfall hälftig aufzuteilen. Das ist natürlich bitter, weil das ja auch Geld ist, das man sich ja vom Konsum weggespart hat. In solchen Fällen ist ein Ehevertrag nur hilfreich.

Viele Menschen werden im Laufe Ihres Lebens erben. Kann man das absichern?

Dazu würde ich dringend raten. Normalerweise ist es ja absehbar, dass die Eltern Vermögenswerte haben. Und egal, ob man während der Ehe erbt oder ein Haus überschrieben bekommt: Die Wertsteigerungen während der Ehe sind dann ausgleichspflichtig. Und das kann man mit einem Ehevertrag gut umgehen. Das finde ich auch fair: Denn dabei handelt es sich ja um Vermögenswerte, die ausschließlich von der eigenen Familie und nicht gemeinsam geschaffen wurden.

Viele halten das für unromantisch.

Ja, viele werten das als mangelndes Vertrauen. Aber die Realität ist eine andere: Nach der Scheidung ist die Liebe meistens weg und dann streitet man ums Geld. Und genau dafür sind Verträge da: Man einigt sich für den Fall, dass man sich nicht mehr versteht. In manchen Fällen kann eine Scheidung nämlich auch existenzbedrohend sein.

Wie das?

Das gilt besonders für Selbstständige: Wenn der Betrieb während der Ehe aufgebaut wird und floriert, fällt der Wert voll in den Zugewinnausgleich, wenn man keinen Ehevertrag hat. Und im Scheidungsfall wird dann möglicherweise eine so hohe Zahlungssumme fällig, dass man den Betrieb im Zweifel nicht mehr halten kann.

Viele Paare finanzieren eine Immobilie gemeinsam. Kann man Streit verhindern?

Wenn beide Partner sowohl jeweils hälftig im Grundbuch stehen und gemeinsam den finanzierenden Darlehensvertrag unterschreiben haben, ist das für den gesetzlichen Zugewinnausgleich grundsätzlich nicht relevant, weil insoweit dann keine Ausgleichsansprüche entstehen. Man sollte aber folgenden Fall bedenken: Angenommen die Frau startet bei Heirat mit null Euro in die Finanzierung und hat am Ende der Ehe eine Haushälfte, die 400.000 Euro wert ist – also 400.000 Euro Zugewinn. Der Mann hat von seinen Eltern während der Ehe ein Aktienpaket im Wert von 200.000 Euro erhalten, also ein deutlich höheres Anfangsvermögen. Sein Zugewinn durch seine Haushälfte beläuft sich damit auf nur 200.000 Euro – seine Frau müsste ihm bei der Scheidung also noch mal 100.000 Euro bezahlen. Solche paradoxen Endergebnisse kann man mit einem Ehevertrag gut auffangen.

Werden denn auch Schulden des Einzelnen hälftig geteilt?

Indirekt. Bei der Scheidung werden die Anfangs- und die Endvermögen beider Partner verglichen. Der mit dem höheren Zugewinn muss den anderen in Geld auszahlen. Wenn jetzt aber ein Partner hohe Schulden hat, mindert das sein Vermögen und damit seine Ausgleichspflichten. Man sollte aber nicht auf die Idee kommen, kurz vor der Trennung einen Kredit aufzunehmen, um die Zugewinnansprüche zu mindern. Die Gerichte schauen zurecht sehr genau hin, weshalb der Kredit aufgenommen wurde.

Wie teuer kann der Rechtsstreit um eine unschöne Scheidung denn werden?

Die Verfahren richten sich nach den Gegenstandswerten. Zwischen 3.000 und 5.000 Euro pro Nase reine Prozess- und Anwaltskosten sind nicht unrealistisch. Dazu kommen eventuell Streitigkeiten über den Unterhalt und den Zugewinnausgleich und dort – gerade bei Streit über Immobilienwerte – erhebliche Gutachterkosten. Dann passt einer Partei das Ergebnis nicht und es wird ein Gegengutachten erstellt, und schließlich geht der Rechtsstreit dann vielleicht auch noch in die zweite Instanz. Gesamtkosten von 50.000 Euro und mehr für eine Scheidung sind dann nicht ungewöhnlich. Selbst wenn ich einen teuren Ehevertrag habe, ist das immer noch deutlich günstiger als der Rechtsstreit. Außerdem kann man ja noch weitere Dinge festlegen.

Nämlich?

Man kann zum Beispiel das Umgangsrecht mit den Kindern, den Unterhalt für die Kinder und den Ehegatten oder die Aufteilung des Hausrats mitregeln. Dann muss man sich nicht mehr um jeden silbernen Löffel streiten, sondern kann wesentlich leichter auseinandergehen, wenn es nicht mehr passt.

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