Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 8/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss - Aufenthaltsrecht - Arbeitsuche - Unionsbürger - Meldung bei Meldebehörde

Verhandlungstermin 20.09.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

A. F. ./. Jobcenter Hagen
Der Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Polen. Er hält sich seit dem Jahr 2009 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die erste behördliche Anmeldung erfolgte am 21. April 2009. Anschließend war er nur mit Unterbrechungen im Inland behördlich gemeldet. Seit dem 2. September 2017 ist der Kläger erneut nicht mehr gemeldet. Zwischen dem 1. März 2013 und dem 1. März 2017 war der Kläger wiederholt berufstätig, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit. Den Leistungsantrag des Klägers vom 17. Januar 2018 lehnte der Beklagte ab, weil der Kläger ein Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche habe.

Das Sozialgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 28. Februar 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Der Kläger sei nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen. Er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit 2009 im Bundesgebiet, ohne ausreisepflichtig gewesen zu sein. Dass der Kläger seit seiner erstmaligen Anmeldung im Bundesgebiet nicht durchgängig gemeldet gewesen sei, sei unschädlich.

Hiergegen richtet sich die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision des Beklagten, der eine Verletzung des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b, Satz 4 bis 6 SGB II rügt. Der Kläger habe allenfalls ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und sei deshalb von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Rückausnahme des § 7 Absatz 1 Satz 4 SGB II greife nicht ein. Sie setze eine durchgehende Meldung in der Bundesrepublik Deutschland voraus.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Dortmund, S 32 AS 3591/18, 26.01.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/23.

Terminbericht

Der Senat hat die Sprungrevision des Beklagten zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für Januar 2018 bis Februar 2019 zu gewähren. Zu seinen Gunsten greift § 7 Absatz 1 Satz 4 SGB II ein. Nach dieser Norm erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Dies setzt einen ununterbrochenen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus. Lediglich unwesentliche Unterbrechungen des Aufenthalts - zum Beispiel ein kurzer Heimatbesuch - sind unschädlich; ansonsten beginnt die Frist wieder neu zu laufen. Beachtlich sind dabei gemäß § 7 Absatz 1 Satz 5 SGB II nur Zeiträume, die nach der ersten Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde liegen. Die Anmeldung bei der Meldebehörde hat für den Lauf der Fünfjahresfrist konstitutive Wirkung. Den Feststellungen des Sozialgerichts lässt sich in einer Gesamtschau noch entnehmen, dass die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ohne wesentliche Unterbrechungen seit der ersten Anmeldung am 21. April 2009 vorgelegen haben. Dass der Kläger in der Folgezeit nicht durchweg behördlich gemeldet war, ist demgegenüber unschädlich. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, dass als Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nur solche Zeiten zu berücksichtigen sind, in denen der Betroffene auch zugleich behördlich gemeldet war. § 7 Absatz 1 Satz 5 SGB II regelt nur die Voraussetzung für den Beginn der Fünfjahresfrist.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/23.

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