Palästinaausstellung und Antisemitismus: BaWü streitet über die Nakba

Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume fordert die Überarbeitung der umstrittenen Ausstellung „Die Nakba“. Er greift deren Kuratorin scharf an.

Eine Männerhand hält einen Schlüssel zwischen den Händen

Zum Protestsymbol geworden: Schlüssel der einst von Palästinensern bewohnten Häuser Foto: dpa

BERLIN taz | Mit harten Bandagen geht Baden-Württemberg gegen eine Palästina-Schau vor. Die Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser“ fördere Judenhass, argumentiert Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes. Die Ausstellungsmacher bedienten eine „breite Querfront des israelbezogenen Antisemitismus“. Mit dem Begriff Nakba (Katastrophe) bezeichnen Palästinenser die mit der Staatsgründung Israels verbundene Flucht und Vertreibung von Teilen der arabischen Bevölkerung.

Entzündet hat sich die Kontroverse am ersten baden-württembergischen Antisemitismusbericht, der Mitte Oktober von den Fraktionen im Landtag beraten werden soll. Darin empfiehlt Blume unter der Überschrift „Was tun im Kampf gegen Antisemitismus?“ eine „Überarbeitung oder Erneuerung der ‚Nakba-Ausstellung‘“, die als Wanderausstellung seit Jahren vor allem durch Deutschland tourt.

Die Krux an dem Streit: Die Ausstellung selbst betrachtet Blume gar nicht als antisemitisch. Dass er ihr trotzdem den Kampf angesagt hat, begründet er mit ihrem – laut Kuratorin Ingrid Rumpf: bewussten – Fokus auf die Sichtweise der PalästinenserInnen. Blume argumentiert: Aufgrund der einseitigen Darstellung der palästinensischen Perspektive sei die Schau „geeignet, antisemitische Stereotype zu verstärken“ – für Rumpf eine nicht belegbare „Vermutung“.

Die Kuratorin befürchtet eine „schwerwiegende Rufschädigung“ der Ausstellungsmacher sowie ihrer Förderer, zu denen der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), heute Brot für die Welt, und die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg gehören. Sie fordert die vollständige Streichung der Passage aus dem Bericht oder zumindest die Klarstellung, dass Blume die Ausstellung selbst nicht für antisemitisch hält.

Blume führt „Zion-Protokolle“ ins Feld

Der taz nennt Blume zwei Hauptkritikpunkte an der Ausstellung: Sowohl die „Hunderttausendfache Vertreibung von Jüdinnen und Juden aus der arabischen Welt“ als auch die „mörderische Geschichte des „arabisch-deutschen Antisemitismus“ würden ausgeblendet. Jerusalems Großmufti hatte mit dem NS-Regime kooperiert, was vielfach als Beweis für einen tief verwurzelten Judenhass von Palästinensern angeführt wird. Historiker sehen darin allerdings eine Überbewertung der Rolle des Muftis.

Um seine inhaltliche Kritik zu unterfüttern, fährt Blume schweres Geschütz auf: Gegenüber der taz bringt er die Ausstellungsmacher mit den „Protokollen der Weisen von Zion“ in Verbindung, einer alten, auf Fälschungen beruhenden antisemitischen Hetzschrift. Rumpf, schreibt er, habe sich mit ihrer Kritik an dem Antisemitismusbericht unter anderem an den rechten Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon gewandt, der die Echtheit der „Protokolle“ vertrete.

Eine „Frechheit“ nennt Rumpf diese Assoziierung ihrer Person mit den „Protokollen“. Gedeon sei einer von über hundert Abgeordneten gewesen, der ein Schreiben von ihr erhalten habe. Von dem Brief abgesehen stehe sie in keinerlei Kontakt mit Gedeon. Alle Abgeordneten außer der AfD-Fraktion seien angeschrieben worden. Gedeon ist Mitglied der AfD, wurde aber aus der Fraktion ausgeschlossen und sitzt nun als Fraktionsloser im Landtag.

Der Nakba-Streit findet vor dem Hintergrund einer hitzig geführten Debatte über die Deutungshoheit im Nahostkonflikt statt, in dem die palästinensische Perspektive zunehmend unter Rechtfertigungsdruck gerät. Auch in Deutschland, wo das Thema meist im Zusammenhang mit Antisemitismus diskutiert wird, sehen sich Palästinenser in der Defensive. Mehrere Künstler und Aktivisten wurden in den vergangenen Monaten unter Verweis auf israelbezogenen Antisemitismus an der Einreise nach Deutschland, öffentlichen Auftritten oder der Teilnahme an Preisverleihungen gehindert.

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