Zum Inhalt springen
Zur Ausgabe
Artikel 38 / 95

BUNDESWEHR / NEUE UNIFORM Truppe verschaukelt

aus DER SPIEGEL 51/1969

Schmidt-Schnauze nahm den Mund zu voll.

Drei Wochen nach Amtsantritt versprach Bonns neuer Verteidigungsminister Helmut ("Schnauze") Schmidt seinen Soldaten per »Bild«-Interview: »Die erste Brigade der Bundeswehr trägt die Sommeruniform im Sommer 1970. Und die anderen werden dann Schritt für Schritt neu eingekleidet.«

Die 285 500 deutschen Heeressoldaten glaubten, für die heißen Monate endlich jene Montur zu bekommen, die sie sich seit Bestehen der Bundeswehr wünschen: enggeschnittene Hosen und kurzärmelige, taillierte Hemden. Schon zu Beginn seiner Amtszeit hatte der Minister für die Uniform-Reformwünsche Verständnis gezeigt: »Ich möchte auch nicht in diesen Asbestklamotten rumlaufen.«

Seit dem ersten Einkleiden, im Januar 1956 halten sich die Bürger in Uniform für unansehnlich. Bei Gesprächen mit Abgeordneten und in Briefen an das Verteidigungsministerium klagten sie: »Wir sehen aus wie Briefträger« und »damit kann man sich kaum auf die Straße wagen« und »die Hosenböden hängen runter, als ob wir reingemacht hätten«.

Schon bei der Vorführung der ersten Bundeswehr-Uniform im Verteidigungsausschuß hatte 1954 Zivilist Carlo Schmid räsoniert: »Das ist mir alles zu triste. Die Mädchen wollen doch auch was davon haben.«

Trotz aller Kritik waren Bonns Wehrführer nicht bereit, eine schickere Uniform schneidern zu lassen. Statt dessen schmückten sie das graue Tuch mit bunten Kragenspiegeln und Biesen, silbernen Tressen und Schützenschnüren, Divisionswappen und Tätigkeitsabzeichen. Vergebens warb die Truppe bei jedem neuen Bundespräsidenten, der nach dem Soldatengesetz die Uniform bestimmt, und bei jedem neuen Verteidigungsminister um ein eleganteres Ehrenkleid.

Als Presse-General Lothar Domröse im November dem neuen Minister im Namen seiner Kameraden vortrug, daß »der Soldat auch mal was mit Pfiff« haben wolle, versprach Reservehauptmann Schmidt zackig: »Keine Angst, werden wir machen:«

Seine Zusage verband der sozialdemokratische Minister mit Kritik an seinen christdemokratischen Amtsvorgängern und deren Militär-Adlaten: »An dieser Sommeruniform planen die nun schon fünf Jahre herum -- die planen die Planung.«

Unverzüglich gab Schmidt den zuständigen Abteilungen seines Hauses Order: »Schleunigst her mit den Sommeruniformen.« Doch ebenso unverzüglich trugen die Experten ihre Einwände vor.

>Die Unterabteilung »Innere Führung« empfand khakibraun nicht als Farbe, sondern als Symbol unbewältigter Vergangenheit; ein Oberst: »Die Bundeswehr im Braunhemd, das bat uns gerade noch gefehlt.«

* Die Abteilung Verwaltung und Recht wandte ein, daß Ausschreibung und Vergabe des Auftrages »geraume Zeit« dauern würden und vor dem nächsten Sommer nicht realisierbar seien. Überdies sei in der Kriegskasse kein Geld für neue Uniformen.

Eine Woche nach seinem Versprechen an die »Bild«-Leser in Uniform resignierte Schmidt: »Die Truppe muß sich verschaukelt fühlen.« Der Bundeswehrführer erinnert sich an die Erkenntnis des Reichswehrführers Hans von Seeckt: »Drei Dinge gibt es, gegen die der menschliche Geist vergebens ankämpft: die Dummheit, die Bürokratie und das Schlagwort ... Ich erkläre mich im Kampf gegen die Militärbürokratie für restlos unterlegen.«

Der abgeschlagene Schmidt will sich und die Soldaten nun damit trösten, daß die Truppe 1970 nach zweijähriger Vorbereitung wenigstens neuen Uniformstoff bekommt. Künftig sollen die feldgrauen Röcke (etwas heller als bislang) und Hosen (etwas dunkler, ohne Biesen) aus dünnerem Tuch genäht werden, unter dem die Waffenträger im Sommer weniger schwitzen. Damit sie im Winter nicht frieren, sollen sie wärmere Unterwäsche anziehen.

Außerdem dürfen die Soldaten sommers auf den Rock verzichten und sich statt im grauen Hemd fortan in einem neuen, stahlblauen Hemd mit kurzen Ärmeln zeigen. Doch dem Truppenwunsch, nach US-Vorbild ein tailliertes Hemd mit eingebügelten Rückenfalten tragen zu können, mochte das Ministerium nicht willfahren, weil insbesondere die höheren Ränge für solchen modischen Schick zu dick seien.

Aus der verschaukelten Truppe erhielt Helmut Schmidt letzte Woche Zuspruch. Ein Panzeraufklärer aus Munsterlager in der Lüneburger Heide schrieb: »Wenn die zivilen Kammerbullen sich mehr Mühe beim Verpassen der Uniformen gäben und wenn die Soldaten nicht so dicke Bäuche und krumme Rücken hätten, sähe unsere jetzige Montur gar nicht so schlecht aus.«

Zur Ausgabe
Artikel 38 / 95

Mehr lesen über