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Franz Schönhuber: Aufstieg und Fall des Republikaner-Chefs

Franz Schönhubers Republikaner Als ein Waffen-SS-Mann in Bayern 14 Prozent holte

Mit Ressentiments gegen Deutschtürken und das "Politikerkaff Bonn" punktete er bei Millionen Wählern: Vor knapp 30 Jahren gelang Franz Schönhuber ein rascher Aufstieg - bis die Republikaner sich selbst zerlegten.

Die noch junge Partei montierte einen Wahlwerbespot, den der Sender SFB als Volksverhetzung einstufte, aber nach einem Gerichtsbeschluss 1989 im Fernsehen ausstrahlen musste. Zu sehen waren Chaoten, Brandstifter, die Mauer, Fixer - und dann türkische Geschäfte, Türkenkinder in Berlin. Dazu erklang die düstere Mundharmonika-Melodie aus dem Western "Spiel mir das Lied vom Tod". Die unmissverständliche Botschaft: Diese Leute gehören nicht hierher, sie sollen weg.

Die Partei nannte sich "Die Republikaner" und führte einen Wahlkampf gegen alles, was ihr fremd war. Ihr Anführer schimpfte auf den Zentralrat der Juden, die Nato, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, das "Politikerkaff Bonn". Er drohte Asylbewerbern und "Gastarbeitern" in Deutschland, bald seien "die Zeiten der Ruhe und des Friedens" vorbei.

Sein Name war Franz Schönhuber - einst bei der Waffen-SS, Ex-Schauspieler, Ex-Journalist, nun Chef einer nationalpopulistischen Partei. Als der SPIEGEL ihm dumpfe Fremdenfeindlichkeit vorwarf, entgegnete er: "Ich bin nicht fremdenfeindlich. Ich habe wahrscheinlich die Hälfte meines Lebens auch arbeitsmäßig im Ausland verbracht. Es fing an, als ich als Soldat, Dolmetscher und Ausbilder der Waffen-SS war." So verklärte Schönhuber seinen Kriegseinsatz für die Waffen-SS, die am Holocaust und an zahlreichen Kriegsverbrechen Schuld trug, zur bereichernden Auslandserfahrung.

Seiner Partei liefen immer mehr Wähler zu: Bei den Europawahlen im Juni 1989 holten die Republikaner 7,1 Prozent der Stimmen, in Bayern sogar 14,6 Prozent. Wahlforscher sagten voraus, dass die Reps die FDP überflügeln und sogar zur Volkspartei wachsen könnten.

Kurz vor der Wiedervereinigung wurde die Bundesrepublik vom Rechtspopulismus überrumpelt, die Republikaner sammelten rasche Erfolge. Am Ende scheiterte Schönhuber an der deutschen Einheit - und an sich selbst.

In der Leibstandarte-SS Adolf Hitler

Franz Schönhuber (Jahrgang 1923) meldete sich nach dem Abitur in München freiwillig zur Leibstandarte-SS Adolf Hitler. Dieser Verband der Waffen-SS bedeutete für ihn die "Elite der Elite", wie er 1981 in seinem Buch "Ich war dabei" schrieb; er kämpfte an der West- und Ostfront. Ihn trieb wohl eher seine Abenteuerlust als die NS-Ideologie. Die letzten Kämpfe an der Oder 1945 verpasste er, weil er sich einen Tripper eingefangen hatte. Eine alliierte Spruchkammer stufte ihn nach dem Krieg als Mitläufer ein.

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Franz Schönhuber: Aufstieg und Fall des Republikaner-Chefs

Bald zog es ihn ins Rampenlicht: Schönhuber trat in kleinen Theatern auf, etwa im "Faust" als Gretchens Bruder Valentin. Später berichtete er aus bayerischen Sporthallen und schrieb für die Münchener Boulevardblätter "Abendzeitung" und "tz". Rechts war er damals nicht, unterstützte sogar Ende der Sechzigerjahre die Jungsozialisten (Jusos) in ihrem antikapitalistischen Aufbegehren gegen die Mutterpartei SPD. Ihm gefiel das "Gefühl der Kameradschaft - ein bisschen wie bei der Waffen-SS".

Seine Begeisterung für den Sozialismus flaute jedoch ab, er suchte die Nähe zur Macht. In Bayern war das die CSU. Schönhuber reiste als Günstling von Franz Josef Strauß im Pressetross um die Welt und moderierte im Bayerischen Fernsehen als Vizechefredakteur die Wirtshaus-Sendung "Jetzt red i", in der Bürger Politikern ihre Sorgen vortrugen. Wegen Verharmlosung der Naziverbrechen in seiner Autobiografie ließ der BR ihn jedoch 1982 fallen. Auch Strauß wandte sich ab.

Schönhuber suchte eine neue Bühne - und fand sie bei den Republikanern, die zwei CSU-Dissidenten 1983 gründeten. Bald riss Schönhuber den Vorsitz an sich, schnitt die Partei ganz auf sich zu, verpasste ihr einen scharfen Rechtsschwenk und inszenierte sich nunmehr als Widerständler gegen CSU und BR. Die Ängste der Bürger kannte er von "Jetzt red i", jetzt bespielte er sie.

Hinter den Rechtsradikalen das CSU-Publikum

Mit drei Prozent bei der bayerischen Landtagswahl 1986 gelang seinen Republikanern der erste Achtungserfolg. Drei Jahre später zogen sie nach dem Lied-vom-Tod-Werbespot ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.

Die Republikaner durchbrachen nicht als erste rechte Partei die Fünfprozenthürde - in Landesparlamente geschafft hatten es zuvor bereits die Sozialistische Reichspartei (SRP), die Deutsche Partei (DP), die Deutsche Reichspartei (DRP) und die NPD. Aber die Reps waren anders: Sie banden außer Vertriebene, Alt- und Neonazis auch Wähler aus anderen Milieus. Die vorderen Veranstaltungsreihen füllten durchtrainierte Männer aus dem rechtsradikalen Spektrum und junge Frauen mit Schönhubers Konterfei auf dem T-Shirt. Dahinter indes hockte ganz normales CSU-Publikum, wie ein SPIEGEL-Reporter notierte.

1989 profitierte die Partei vor allem von der politischen Unsicherheit: Der Ostblock hatte zu bröckeln begonnen, mit unabsehbaren Folgen. Die Westdeutschen sehnten sich nach der Wiedervereinigung und fürchteten zugleich eine Masseneinwanderung aus Osteuropa. Schönhuber bot Nationalpopulismus als Antwort. Bald schon wurde der Löwenbräukeller in München zu klein für sein Publikum, die Partei mietete die 10.000 Zuschauer fassende Olympiahalle.

Vom Applaus der Massen ließ sich Schönhuber zu immer extremeren Aussagen treiben. Er beschimpfte Journalisten als "Hilfsschüler" und "Volksverhetzer", drohte den "rotgrünen Deppen" mit einem "Tag der Abrechnung" - und ruderte oft sogleich zurück. So vermied er, dass seine Republikaner vollends zu politischen Schmuddelkindern wurden.

Schafkopf mit dem Pfarrer

"Als NPDler könnt' ich mich an dem Stammtisch nimmer sehen lassen", sagte etwa der oberbayerische Bezirksvorsitzende dem SPIEGEL.  Als Republikaner hingegen spiele er sonntags nach der Kirche mit dem Pfarrer Schafkopf. Dabei waren längst frühere NPD-Funktionäre und rechtsextreme Schläger bei den Republikanern eingesickert - Schönhuber ließ es zu. In Nürnberg, Bonn, Aachen und Berlin prügelten sich seine Anhänger mit linken Gegendemonstranten.

Auch der kartenspielende oberbayerische Funktionär war ein Rechtsradikaler: Franz Glasauer forderte etwa, "das Gesindel und den Abschaum" hinter den Gitterzaun einer Atom-Wiederaufbereitungsanlage zu verbannen - er meinte seine politischen Gegner. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Volksverhetzung. Bayerns Innenminister Edmund Stoiber wies den Landesverfassungsschutz  an, Material über die Reps zu sammeln. Trotzdem traten viele Polizisten, Soldaten und Beamte in die Partei ein, bald hatte sie mehr als 25.000 Mitglieder.

Die Union fand lange keine Linie für den Umgang mit Schönhuber: CDU-Generalsekretär Heiner Geißler erinnerte an Strauß' Diktum, es dürfe rechts der Union keine demokratische Partei geben, und folgerte, man müsse die Reps ignorieren oder bekämpfen. Dagegen bezeichnete der nationalkonservative CDU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger Republikaner-Wähler als "gute Demokraten" und schien auf künftige Koalitionen zu schielen.

So konnte sich Schönhuber zugleich als Opfer und als legitimiert bis umschwärmt inszenieren. Im Juni 1989 zog er mit fünf Mitstreitern ins Europaparlament ein und bildete eine Fraktion mit dem französischen Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen. Zudem bekamen die Reps 16 Millionen Mark Wahlkampfmittel. Nun träumte Schönhuber gar von einem Republikanerkanzler. 

Intrigen gegen den Parteichef

Doch intern rumorte es bereits. Der Vorsitzende verwaltete die Parteigelder allein, besorgte sich eine gepanzerte Limousine und vergrätzte damit Parteifreunde.

Ebenso stritten die Republikaner über ihre politische Ausrichtung: Schönhuber wollte um gebildete und bürgerliche Wähler werben und sich von NPD und DVU abgrenzen.  Seine Rivalen suchten die Nähe zu Neonazis. Sie intrigierten gegen den Chef und wollten ihn im Frühjahr 1990 aus der Partei ausschließen. Schönhuber konnte den Putschversuch der rechtsextremen Clique gerade noch abwehren. Angeschlagen war er trotzdem, das bürgerliche Image der Reps zerfiel.

Mehr noch schadete ihnen die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, als die Deutschen sich im Jubeltaumel befanden. Zudem besann sich die CSU auf die Haltung ihres Übervaters Strauß und machte nunmehr selbst Stimmung gegen Asylbewerber. So übernahmen die Christsozialen wieder die Hoheit in bayerischen Schafkopfrunden und verhinderten, dass die Republikaner im Oktober 1990 in den Landtag einzogen. Bei der ersten Bundestagswahl im wiedervereinigten Deutschland zwei Monate später interessierten sich kaum noch Wähler für die Reps. Nur in Baden-Württembergs Landtag konnten sie sich von 1992 bis 2001 festsetzen.

Schönhuber driftete zusehends weiter nach rechts und verbreitete wirre Thesen über den Holocaust. Moderate Republikaner um Rolf Schlierer drängten ihn 1995 endgültig aus der Partei. Bei DVU und NPD fand Schönhuber für einige Jahre eine neue politische Heimat und kandidierte 2005 für die NPD in Dresden, ehe er zwei Monate später an einer Lungenembolie starb.

Die Republikaner waren da schon zu einer unbedeutenden Kleinstpartei geschrumpft.