Politik

"Keine Zweifel mehr" Verfassungsschutz stuft AfD-Nachwuchs als rechtsextremistisch ein

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Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch im Oktober 2022 bei einer Demonstration der "Jungen Alternative".

Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch im Oktober 2022 bei einer Demonstration der "Jungen Alternative".

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Die AfD selbst ist für das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Verdachtsfall. Das galt bislang auch für den Parteinachwuchs "Junge Alternative". Zusammen mit zwei weiteren Gruppierungen wertet der Verfassungsschutz diese Organisation nun als rechtsextrem.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Jugendorganisation der AfD als rechtsextrem ein. Neben der "Jungen Alternative" (JA) gelten nun auch das "Institut für Staatspolitik" und der Verein "Ein Prozent" als "gesichert rechtsextremistische Bestrebungen". Alle drei Organisationen waren bislang lediglich Verdachtsfälle.

Die "Verdachtsfallbearbeitung" habe ergeben, "dass sich die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung inzwischen zur Gewissheit verdichtet haben", teilte das Bundesamt mit. Die "Junge Alternative" steht damit auf einer Stufe mit der NPD, die der Verfassungsschutz bereits seit Jahren als rechtsextremistisch einstuft.

Das "Institut für Staatspolitik" (IfS) ist eine Art Denkfabrik der sogenannten Neuen Rechten und eng mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verbunden, der zum völkischen Flügel seiner Partei gehört und vom Verfassungsschutz seit 2020 als Rechtsextremist eingestuft wird; der Begriff "völkisch" beschreibt einen rassistischen Volksbegriff, der historisch vor allem den Nationalsozialismus prägte. Zum Dunstkreis des IfS gehört auch der Verein "Ein Prozent". Der Name bezieht sich auf die Vorstellung, dass bereits ein Prozent der Bevölkerung ausreiche, um die Politik maßgeblich nach den eigenen Vorstellungen zu beeinflussen.

"Schüren von Ressentiments"

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte, die Positionen des "Instituts für Staatspolitik", des Vereins "Ein Prozent" und der "Jungen Alternative" seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. "Es bestehen keine Zweifel mehr, dass diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen". Alle drei Organisationen "zielen auf die Ausgrenzung vermeintlich 'Fremder'", so Haldenwang. "Das gezielte Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung sind zudem generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber Betroffenen zu bereiten."

Der Führung des "Instituts für Staatspolitik" wirft der Verfassungsschutz vor, "ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk" anzustreben. "Die propagierte Vorstellung, dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziert eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse." Mit Blick auf den Verein "Ein Prozent" sieht der Verfassungsschutz eine inhaltliche Radikalisierung. "Die vertretenen und propagierten Positionen beinhalten nachweislich völkisch-nationalistische Ideologeme", also Vorstellungen.

"Völkisches Gesellschaftskonzept"

Ähnlich lautet die Einschätzung des Verfassungsschutzes zur Jugendorganisation der AfD, die "ein völkisches Gesellschaftskonzept" propagiere. "Zudem sind Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip festzustellen", heißt es in der Mitteilung der Behörde. "Eine Vielzahl von Diffamierungen und Verunglimpfungen politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten an sich, ist Ausdruck davon, dass es der JA nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland."

Berichten zufolge beschäftigen mehrere Bundestagsabgeordnete der AfD Mitglieder der "Jungen Alternative". Der Vorsitzende der JA, Hannes Gnauck, ist Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion.

Die Bundes-AfD wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft. Die AfD hatte versucht, die Beobachtung der "Jungen Alternative" und der Gesamtpartei als Verdachtsfall jeweils mit juristischen Mitteln zu verhindern. Beide Klagen scheiterten jedoch vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Partei legte später Berufung gegen die Urteile ein. Das Verfahren am Oberverwaltungsgericht in Münster ist noch nicht abgeschlossen.

Inwieweit die Einstufung des AfD-Nachwuchses als rechtsextremistisch der Partei bei ihren Anhängern schadet, ist offen. Nachdem im März 2021 bekannt wurde, dass die AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall angesehen wird, war in den Umfragen kein Einbruch zu erkennen.

Was "Verdachtsfall" und "gesichert extremistische Bestrebung" bedeuten

Bei einem Verdachtsfall liegen "hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte" für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann dann personenbezogene Daten auswerten und speichern. Das Bundesamt kann auch bei Verdachtsfällen bereits unter strengen Voraussetzungen schon nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, also heimlich Informationen beschaffen - etwa durch Observation oder das Anwerben von Informanten. Nach einer gewissen Zeit, deren Dauer auf Bundesebene nicht gesetzlich geregelt ist, entscheidet der Verfassungsschutz, ob sich der Verdacht erhärtet oder nicht.

Die Einstufung als "gesichert extremistische Bestrebung" hat konkrete Folgen: Die Verhältnismäßigkeit beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wird anders bewertet. Wird zu jemandem, der einer extremistischen Bestrebung zugerechnet wird, eine Sicherheitsüberprüfung vorgenommen - etwa weil er eine Erlaubnis zum Besitz von Waffen beantragt - fällt das, was der Verfassungsschutz dafür zuliefert, anders aus. Der Verfassungsschutz berichtet zudem ausführlicher über die ihm vorliegenden Erkenntnisse.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa

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