Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Klä­ger, ein Jour­na­list, be­gehrt von der be­klag­ten Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land Aus­kunft zu ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, das ge­gen ei­nen ehe­ma­li­gen Re­fe­rats­lei­ter beim Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) ge­führt wur­de. Dem Be­am­ten wur­de vor­ge­wor­fen, nach Be­kannt­wer­den der rechts­ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung „Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Un­ter­grund“ (NSU) die Ver­nich­tung von Ak­ten an­ge­ord­net zu ha­ben. Das neun Punk­te um­fas­sen­de Aus­kunfts­be­geh­ren hat­te vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt zum über­wie­gen­den Teil Er­folg. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt - nach teil­wei­ser Er­le­di­gung der Haupt­sa­che - das Aus­kunfts­be­geh­ren teil­wei­se zu­rück­ge­wie­sen. Hier­ge­gen rich­ten sich die Re­vi­si­on der Be­klag­ten und die An­schluss­re­vi­si­on des Klä­gers.


In dem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wird es u.a. dar­um ge­hen, ob bzw. in­wie­weit der (durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ver­stärk­te) An­spruch auf Aus­kunft aus Per­so­nal­ak­ten ge­mäß § 111 Abs. 2 des Bun­des­be­am­ten­ge­set­zes (BBG) durch das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und die Ver­nich­tungs­pflicht ge­mäß § 16 Abs. 1 und 3 des Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­set­zes (BDG) ein­ge­schränkt ist.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 58/2020 vom 13.10.2020

Aus­kunfts­an­spruch der Pres­se aus den Ak­ten ei­nes ab­ge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heu­te ent­schie­den, dass das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz ei­nem Jour­na­lis­ten Aus­kunft aus ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren er­tei­len muss.


Der Klä­ger, ein Jour­na­list, be­an­sprucht von der be­klag­ten Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land Aus­kunft zu ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, das ge­gen ei­nen ehe­ma­li­gen Re­fe­rats­lei­ter beim Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) ge­führt wur­de. Dem Be­am­ten wur­de vor­ge­wor­fen, nach Be­kannt­wer­den der rechts­ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung „Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Un­ter­grund“ (NSU) die Ver­nich­tung von Ak­ten an­ge­ord­net zu ha­ben. Das neun Punk­te um­fas­sen­de Aus­kunfts­be­geh­ren hat­te vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt zum über­wie­gen­den Teil Er­folg. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt das Aus­kunfts­be­geh­ren teil­wei­se zu­rück­ge­wie­sen.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zum ganz über­wie­gen­den Teil und die An­schluss­re­vi­si­on des Klä­gers voll­stän­dig zu­rück­ge­wie­sen: Der Aus­kunfts­an­spruch des Klä­gers fin­det sei­ne Rechts­grund­la­ge im Per­so­nal­ak­ten­recht. Die da­nach ge­mäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bun­des­be­am­ten­ge­set­zes (BBG) er­for­der­li­che In­ter­es­sen­ab­wä­gung zwi­schen dem in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­recht des be­trof­fe­nen Be­am­ten und dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Pres­se fällt zu­guns­ten der Pres­se aus, so­weit der Klä­ger die Fra­gen hin­rei­chend kon­kret be­zeich­net hat. Ei­ne jour­na­lis­ti­sche Re­le­vanz­prü­fung fin­det da­bei nicht statt; es ist Sa­che der Pres­se zu ent­schei­den, wel­che In­for­ma­tio­nen sie für er­for­der­lich hält, um ein be­stimm­tes The­ma zum Zweck ei­ner Be­richt­erstat­tung auf­zu­be­rei­ten. Dem Aus­kunfts­an­spruch ste­hen das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und die Pflicht zur Ver­nich­tung der Dis­zi­pli­narak­te ge­mäß § 16 Abs. 1 und 3 des Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­set­zes (BDG) nicht ent­ge­gen. Sie füh­ren nicht zu ei­nem ab­so­lu­ten, ab­wä­gungs­re­sis­ten­ten Schutz­an­spruch des be­trof­fe­nen Be­am­ten. Es ist nicht mög­lich, die­sen sich durch Zeit­ab­lauf ver­dich­ten­den Schutz­an­spruch un­ter sche­ma­ti­scher Über­nah­me sol­cher ein­fach­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zu be­stim­men. Die Fris­ten des Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­set­zes sind je­doch ein be­deut­sa­mer Fak­tor, der auf Sei­ten des Rechts der in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung zu Guns­ten des be­trof­fe­nen Be­am­ten in die In­ter­es­sen­ab­wä­gung ein­zu­stel­len ist.


Hier ist dem pres­se­spe­zi­fi­schen In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se an­ge­sichts der ho­hen Be­deu­tung der Auf­ar­bei­tung der Ver­bre­chen des NSU für das Ge­mein­we­sen ein der­art über­ra­gend gro­ßes Ge­wicht bei­zu­mes­sen, dass auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Ver­wer­tungs­ver­bots und der dar­aus fol­gen­den Pflicht zur Ver­nich­tung der Dis­zi­pli­narak­te ei­ne an­de­re Ent­schei­dung als die Aus­kunfts­er­tei­lung aus­ge­schlos­sen ist.


Fuß­no­te:


(2) Aus­künf­te an Drit­te dür­fen oh­ne Ein­wil­li­gung der Be­am­tin oder des Be­am­ten er­teilt wer­den, wenn dies zwin­gend er­for­der­lich ist


1. für die Ab­wehr ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung des Ge­mein­wohls oder


2. für den Schutz be­rech­tig­ter, hö­her­ran­gi­ger In­ter­es­sen der oder des Drit­ten.


In die­sen Fäl­len wird kei­ne Ak­ten­ein­sicht ge­währt. In­halt und Emp­fän­ge­rin oder Emp­fän­ger der Aus­kunft sind der Be­am­tin oder dem Be­am­ten schrift­lich mit­zu­tei­len.


 


 


(1) Ver­weis darf nach zwei Jah­ren, ei­ne Geld­bu­ße, ei­ne Kür­zung der Dienst­be­zü­ge und ei­ne Kür­zung des Ru­he­ge­halts dür­fen nach drei Jah­ren und ei­ne Zu­rück­stu­fung darf nach sie­ben Jah­ren bei wei­te­ren Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men und bei sons­ti­gen Per­so­nal­maß­nah­men nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den (Ver­wer­tungs­ver­bot). Der Be­am­te gilt nach dem Ein­tritt des Ver­wer­tungs­ver­bots als von der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nicht be­trof­fen.



(3) Ein­tra­gun­gen in der Per­so­nal­ak­te über die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me sind nach Ein­tritt des Ver­wer­tungs­ver­bots von Amts we­gen zu ent­fer­nen und zu ver­nich­ten. Das Ru­brum und die Ent­schei­dungs­for­mel ei­ner ab­schlie­ßen­den ge­richt­li­chen Ent­schei­dung, mit der auf ei­ne Zu­rück­stu­fung er­kannt wur­de, ver­blei­ben in der Per­so­nal­ak­te. Da­bei sind die Be­zeich­nung wei­te­rer Be­tei­lig­ter und der Be­voll­mäch­tig­ten, die Na­men der Rich­ter so­wie die Kos­ten­ent­schei­dung un­kennt­lich zu ma­chen. Auf An­trag des Be­am­ten un­ter­bleibt die Ent­fer­nung oder er­folgt ei­ne ge­son­der­te Auf­be­wah­rung. Der An­trag ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats zu stel­len, nach­dem dem Be­am­ten die be­vor­ste­hen­de Ent­fer­nung mit­ge­teilt und er auf sein An­trags­recht und die An­trags­frist hin­ge­wie­sen wor­den ist. Wird der An­trag ge­stellt oder ver­blei­ben Ru­brum und Ent­schei­dungs­for­mel ei­ner ab­schlie­ßen­den ge­richt­li­chen Ent­schei­dung nach Satz 2 in der Per­so­nal­ak­te, ist das Ver­wer­tungs­ver­bot bei den Ein­tra­gun­gen zu ver­mer­ken.



BVer­wG 2 C 41.18 - Ur­teil vom 13. Ok­to­ber 2020

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, 15 A 3070/15 - Ur­teil vom 20. Sep­tem­ber 2018 -

VG Köln, 6 K 5143/14 - Ur­teil vom 12. No­vem­ber 2015 -


Ur­teil vom 13.10.2020 -
BVer­wG 2 C 41.18ECLI:DE:BVer­wG:2020:131020U2C41.18.0

An­spruch der Pres­se auf Aus­kunft aus den Ak­ten ei­nes ab­ge­schlos­se­nen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens

Leit­sät­ze:

1. Der An­spruch der Pres­se auf Aus­kunft zu ei­nem be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen ei­nen Bun­des­be­am­ten fin­det sei­ne Grund­la­ge im Per­so­nal­ak­ten­recht in § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG.

2. Das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und das Til­gungs­ge­bot (§ 16 Abs. 1 und 3 BDG) sind als be­deut­sa­me Ab­wä­gungs­fak­to­ren auf Sei­ten des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten in die nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vor­zu­neh­men­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung ein­zu­stel­len.

3. Das Merk­mal "zwin­gend er­for­der­lich" des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG ist im Lich­te der Pres­se­frei­heit da­hin aus­zu­le­gen, dass die Aus­kunfts­er­tei­lung nicht von ei­ner in­halt­li­chen Be­wer­tung des In­for­ma­ti­ons­an­lie­gens ab­hängt. Nicht "zwin­gend er­for­der­lich" kann ei­ne von der Pres­se ver­lang­te In­for­ma­ti­on sein, wenn sie aus an­de­ren öf­fent­lich zu­gäng­li­chen In­for­ma­ti­ons­quel­len an­der­wei­tig ver­füg­bar ist.

4. Die wäh­rend ei­nes Ver­wal­tungs- oder Kla­ge­ver­fah­rens mit dem Ab­lauf der Til­gungs­frist ent­ste­hen­de Pflicht des Dienst­herrn, die Dis­zi­pli­narak­te von Amts we­gen zu ver­nich­ten, tritt mit sei­ner Pflicht, die von ei­nem Drit­ten gel­tend ge­mach­te Aus­kunft ge­ge­be­nen­falls er­tei­len zu müs­sen, in Kon­flikt. Der Aus­gleich der kol­li­die­ren­den Rechts­pflich­ten des Dienst­herrn kann nur da­durch her­ge­stellt wer­den, dass der Dis­zi­pli­nar­vor­gang bis zur be­stands- oder rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über das Aus­kunfts­er­su­chen in ei­ne ge­son­der­te Auf­be­wah­rung ge­nom­men wird.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 2 C 41.18

  • VG Köln - 12.11.2015 - AZ: VG 6 K 5143/14
  • OVG Müns­ter - 20.09.2018 - AZ: OVG 15 A 3070/15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 13. Ok­to­ber 2020
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen,
die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den, Dr. Har­tung
und Dol­lin­ger so­wie die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Ham­pel
für Recht er­kannt:

  1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird die Kla­ge auch hin­sicht­lich der be­an­trag­ten Aus­kunft zu Fra­ge 9 Satz 1 ab­ge­wie­sen. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 20. Sep­tem­ber 2018 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Köln vom 12. No­vem­ber 2015 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen wird die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen.
  3. Die An­schluss­re­vi­si­on des Klä­gers wird zu­rück­ge­wie­sen.
  4. Die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens tra­gen der Klä­ger und die Be­klag­te je zur Hälf­te. Die Kos­ten des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens tra­gen der Klä­ger zu 3/5 und die Be­klag­te zu 2/5.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger ist frei­er Jour­na­list. Er be­gehrt vom Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) Aus­kunft zu dem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen ei­nen ehe­ma­li­gen Re­fe­rats­lei­ter mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen", der nach Be­kannt­wer­den der rechts­ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung "Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Un­ter­grund" (NSU) die Ver­nich­tung von Ak­ten an­ge­ord­net ha­ben soll. Das BfV lehn­te es un­ter dem 29. Au­gust 2014 ab, Aus­künf­te zu Dis­zi­pli­nar­vor­gän­gen zu er­tei­len.

2 Mit der im Sep­tem­ber 2014 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Klä­ger Aus­kunft zu fol­gen­den Fra­gen be­gehrt:
1. Wie ist der Sach­stand des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens in Sa­chen des Be­am­ten mit dem Deck­na­men "Lo­thar Lin­gen"? Ist das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ab­ge­schlos­sen? Mit wel­chen Kon­se­quen­zen?
2. Wel­che In­for­ma­tio­nen zu dem Ab­lauf der er­folg­ten Ak­ten­ver­nich­tun­gen so­wie zur Mo­ti­va­ti­on des Mit­ar­bei­ters "Lo­thar Lin­gen", die der Öf­fent­lich­keit bis­her nicht durch die Ver­öf­fent­li­chung des Ab­schluss­be­rich­tes des 2. Un­ter­su­chungs­aus­schus­ses des Bun­des­tags, Drs. 17/14600, Sei­ten 743 ff. be­kannt sind, wur­den im Zu­ge des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens er­mit­telt?
3. Wel­ches Fehl­ver­hal­ten wur­de dem Mit­ar­bei­ter, ge­gen den im Zu­ge des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens er­mit­telt wur­de, ge­nau vor­ge­wor­fen?
4. Wie ge­nau sa­hen die Be­mü­hun­gen des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz aus, das Fehl­ver­hal­ten auf­zu­klä­ren? Wel­chen Um­fang und wel­che Dau­er hat­ten die Auf­klä­rungs­be­mü­hun­gen? Wie vie­le Per­so­nen wur­den im Rah­men die­ses Ver­fah­rens be­fragt? Wie vie­le Sei­ten um­fasst die Er­mitt­lungs­ak­te im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren?
5. Wur­den Er­klä­run­gen da­für ge­fun­den, war­um der Mit­ar­bei­ter ei­ner­seits von Vor­ge­setz­ten mit sehr gu­ten No­ten be­ur­teilt wur­de, an­de­rer­seits aber gleich­zei­tig ei­ne An­lei­tungs- und Kon­troll­be­dürf­tig­keit durch Vor­ge­setz­te be­stand (der die­se aber wohl nicht nach­ka­men und die sich ja schlie­ß­lich auch in dem schwer­wie­gen­den Fehl­ver­hal­ten des Mit­ar­bei­ters zeig­te)? Wenn ja, wel­che Er­klä­run­gen wur­den ge­fun­den? Wann ge­nau war der Mit­ar­bei­ter "Lo­thar Lin­gen" wie von sei­nen Vor­ge­setz­ten be­wer­tet wor­den? Wie wa­ren die eins­ti­gen Po­si­tiv­be­wer­tun­gen be­grün­det wor­den?
6. Wel­che Ein­schät­zun­gen über die mög­li­che Mo­ti­va­ti­on der Ak­ten­ver­nich­tung durch den Mit­ar­bei­ter mit dem Deck­na­men "Lo­thar Lin­gen" wur­den wäh­rend der im Rah­men des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens durch­ge­führ­ten Ver­neh­mun­gen von an­de­ren Mit­ar­bei­tern des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz ge­äu­ßert?
7. Wur­de er­mit­telt, ob der Mit­ar­bei­ter "Lo­thar Lin­gen" mit den von ihm ver­nich­te­ten Vor­gän­gen in den Jah­ren zu­vor selbst dienst­lich be­fasst ge­we­sen ist? Falls ja, für wel­che Vor­gän­ge trifft dies zu und wie sah die Be­fas­sung aus?
8. Wel­che Er­geb­nis­se ha­ben die Er­mitt­lun­gen im Rah­men des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens hin­sicht­lich der Fra­ge er­ge­ben, ob der be­tref­fen­de Mit­ar­bei­ter die Ak­ten­ver­nich­tun­gen in ei­ge­ner Zu­stän­dig­keit und oh­ne Rück­spra­che mit an­de­ren Mit­ar­bei­tern, ins­be­son­de­re oh­ne In­for­ma­ti­on sei­nes di­rek­ten Vor­ge­setz­ten durch­ge­führt hat?
9. In­wie­weit wur­de zur Auf­klä­rung des Fehl­ver­hal­tens auch au­ßer­halb des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz er­mit­telt? Wur­den bei­spiels­wei­se au­ßen­ste­hen­de Zeu­gen ver­nom­men?

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat der Kla­ge hin­sicht­lich der Fra­gen 1, 3, 4, 6, der Fra­ge 7 Satz 1 so­wie der Fra­gen 8 und 9 statt­ge­ge­ben; im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

4 Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat das Ver­fah­ren ein­ge­stellt und das erst­in­stanz­li­che Ur­teil für wir­kungs­los er­klärt, so­weit die Be­tei­lig­ten den Rechts­streit hin­sicht­lich der Fra­ge 1 Satz 1 und 2 für er­le­digt er­klärt ha­ben, so­wie das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ge­än­dert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, Aus­kunft auf die Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 zu er­tei­len. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen und die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Der Aus­kunfts­an­spruch be­stehe nur im te­norier­ten Um­fang auf der Grund­la­ge des Per­so­nal­ak­ten­rechts. Die da­nach er­for­der­li­che In­ter­es­sen­ab­wä­gung zwi­schen dem in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­recht des be­trof­fe­nen Be­am­ten und dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Pres­se fal­le zu­guns­ten der Pres­se aus. Das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und die da­mit ver­bun­de­ne Pflicht zur Ver­nich­tung der Dis­zi­pli­narak­ten stün­den dem Aus­kunfts­an­spruch nicht ent­ge­gen. Aus den dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Til­gungs­be­stim­mun­gen, die in ers­ter Li­nie im In­nen­ver­hält­nis des Be­am­ten zu sei­nem Dienst­herrn be­stün­den, fol­ge un­mit­tel­bar nichts für den Aus­kunfts­an­spruch nach dem Per­so­nal­ak­ten­recht. Durch das Aus­kunfts­er­su­chen ent­ste­he ein ge­gen­über dem Dienst­ver­hält­nis ei­gen­stän­di­ges Rechts­ver­hält­nis. Kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­ge­be sich aus et­wai­gen wei­te­ren Schutz­wir­kun­gen der Til­gungs­be­stim­mun­gen. An­ge­sichts der öf­fent­li­chen Be­richt­erstat­tung und der Ab­schluss­be­rich­te der Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se des Bun­des­ta­ges sei nicht er­kenn­bar, dass die Er­in­ne­rung des Dienst­herrn an das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren durch die be­gehr­te Aus­kunft in ma­ß­geb­li­cher Wei­se noch re­ak­tua­li­siert wer­den könn­te. Im Üb­ri­gen blei­be die Kla­ge oh­ne Er­folg. Die ver­blei­ben­den Fra­gen sei­en nicht hin­rei­chend kon­kret be­zeich­net, durch öf­fent­lich zu­gäng­li­che Quel­len be­reits be­ant­wor­tet oder auf­grund ih­res spe­ku­la­ti­ven Cha­rak­ters we­gen des vor­ran­gi­gen Per­sön­lich­keits­schut­zes nicht zu be­ant­wor­ten.

5 Hier­ge­gen wen­det sich die Re­vi­si­on der Be­klag­ten mit dem An­trag,
das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 20. Sep­tem­ber 2018 und das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Köln vom 12. No­vem­ber 2015 teil­wei­se zu än­dern und die Kla­ge, so­weit sie noch an­hän­gig ist, ab­zu­wei­sen.

6 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

7 Fer­ner be­an­tragt er im We­ge der An­schluss­re­vi­si­on,
das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 20. Sep­tem­ber 2018 teil­wei­se zu än­dern und die Be­ru­fung der Be­klag­ten zu­rück­zu­wei­sen, so­weit es um die Aus­kunft zu den Fra­gen 3, 4 Satz 1 und 2 Halbs. 1 und Fra­ge 6 geht und so­weit das Ver­fah­ren nicht ein­ge­stellt wur­de.

8 Die Be­klag­te be­an­tragt,
die An­schluss­re­vi­si­on des Klä­gers zu­rück­zu­wei­sen.

II

9 Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­grün­det, so­weit sie die Aus­kunft auf Fra­ge 9 Satz 1 be­trifft. In­so­weit ver­letzt das Be­ru­fungs­ur­teil Bun­des­recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO); die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen sind in­so­weit auf­zu­he­ben und die Kla­ge des Klä­gers ist auch in­so­weit ab­zu­wei­sen. Im Üb­ri­gen ist die Re­vi­si­on der Be­klag­ten un­be­grün­det. Die An­schluss­re­vi­si­on des Klä­gers ist un­be­grün­det.

10 Zu­tref­fend geht das Be­ru­fungs­ge­richt da­von aus, dass der Aus­kunfts­an­spruch sei­ne Rechts­grund­la­ge im Per­so­nal­ak­ten­recht fin­det (1.). Bei der Prü­fung des Aus­kunfts­an­spruchs legt das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zwar ent­schei­dungs­tra­gend ein bun­des­rechts­wid­ri­ges Ver­ständ­nis des § 16 des Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­set­zes (BDG) in der Fas­sung des Art. 12b des Dienst­rechts­neu­ord­nungs­ge­set­zes (DNeuG) vom 5. Fe­bru­ar 2009 (BGBl. I S. 160) zu Grun­de (2.). Die Ent­schei­dung stellt sich aber aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), so­weit sie die zu­er­kann­ten Aus­künf­te auf die Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 be­trifft (3.). Für die be­an­trag­te Aus­kunft auf Fra­ge 9 Satz 1 gilt dies nicht (4.). Wei­ter­ge­hen­de An­sprü­che be­stehen nicht (5.).

11 1. An­spruchs­grund­la­ge für die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Aus­künf­te ist § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bun­des­be­am­ten­ge­set­zes (BBG) in der im Fall der Leis­tungs­kla­ge ma­ß­ge­ben­den Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung gül­ti­gen Fas­sung des Art. 11 Nr. 2 des Zwei­ten Ge­set­zes zur An­pas­sung des Da­ten­schutz­rechts an die Ver­ord­nung (EU) 2016/679 und zur Um­set­zung der Richt­li­nie (EU) 2016/680 (Zwei­tes Da­ten­schutz-An­pas­sungs- und Um­set­zungs­ge­setz EU - 2. DSAn­pUG-EU) vom 20. No­vem­ber 2019 (BGBl. S. 1626). Än­de­run­gen der Rechts­la­ge im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren, die sich nach Er­lass des Be­ru­fungs­ur­teils er­ge­ben ha­ben, sind für die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts be­acht­lich, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt, ent­schie­de es nun­mehr an­stel­le des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, die Rechts­än­de­rung zu be­ach­ten hät­te (BVer­wG, Ur­tei­le vom 1. No­vem­ber 2005 - 1 C 21.04 - BVer­w­GE 124, 276 <279 f.> und vom 23. Ok­to­ber 2007 - 1 C 10.07 - BVer­w­GE 129, 367 Rn. 40). Müss­te das Be­ru­fungs­ge­richt nun­mehr ent­schei­den, hät­te es sei­nem Ur­teil die jetzt gel­ten­de Re­ge­lung des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG zu­grun­de zu le­gen. Hier­ge­gen be­stehen im Hin­blick auf das rechts­staat­li­che Rück­wir­kungs­ver­bot kei­ne Be­den­ken. § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG wur­de ge­gen­über der zu­vor (im Zeit­punkt der Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts) gel­ten­den Re­ge­lung des § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG sprach­lich, aber nicht in­halt­lich neu ge­fasst.

12 Nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG kann ein Drit­ter ei­ne Aus­kunft oh­ne Ein­wil­li­gung des Be­am­ten nur ver­lan­gen, wenn die Aus­kunfts­er­tei­lung für den Schutz be­rech­tig­ter, hö­her­ran­gi­ger In­ter­es­sen zwin­gend er­for­der­lich ist. Die Norm des be­am­ten­recht­li­chen Per­so­nal­ak­ten­rechts ent­hält nicht le­dig­lich ei­ne an die ak­ten­füh­ren­de Be­hör­de ge­rich­te­te Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge zur Er­tei­lung von Aus­künf­ten an Drit­te un­ter Än­de­rung der auf die Zwe­cke der Per­so­nal­ver­wal­tung und Per­so­nal­wirt­schaft ge­rich­te­ten Be­stim­mung der Ak­ten (§ 106 Abs. 3 BBG), son­dern ist viel­mehr An­spruchs­grund­la­ge für den Drit­ten, die die­sem ein Recht auf Aus­kunft ver­mit­telt (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 19 und vom 28. Fe­bru­ar 2019 - 7 C 20.17 - BVer­w­GE 165, 1 Rn. 16). Der als Je­der­manns­recht nor­mier­te Aus­kunfts­an­spruch ist ge­eig­net, die in­for­ma­ti­ons­recht­li­che Stel­lung der Pres­se aus­zu­ge­stal­ten. Denn die Vor­schrift ver­weist auf ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung, in die dann je nach ih­rer Art un­ter­schied­lich zu ge­wich­ten­de An­lie­gen und folg­lich auch das be­son­ders ho­he In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Pres­se ein­flie­ßen kann. In die­ser Si­tua­ti­on ist für ei­nen ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­ren An­spruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein Raum (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 63 ff.).

13 2. Bei der An­wen­dung des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG (sei­ner­zeit: Abs. 3 Satz 1 a.F.) hat das Be­ru­fungs­ge­richt re­vi­si­bles Recht ver­letzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO). Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ist bei der Prü­fung des An­spruchs und der da­bei vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung von ei­nem bun­des­rechts­wid­ri­gen Ver­ständ­nis des § 16 BDG aus­ge­gan­gen. Die An­nah­me, aus dem in ers­ter Li­nie im In­nen­ver­hält­nis des Be­am­ten zum Dienst­herrn be­stehen­den Ver­wer­tungs­ver­bots und der Pflicht zur Ver­nich­tung der Ak­ten ge­mäß § 16 Abs. 1 und 3 BDG fol­ge "un­mit­tel­bar nichts" für den gel­tend ge­mach­ten Aus­kunfts­an­spruch, ver­stö­ßt eben­so ge­gen Bun­des­recht wie die An­nah­me, der Schutz­zweck die­ser Be­stim­mun­gen be­stehe nur dar­in, ei­ne Re­ak­ti­vie­rung der Er­in­ne­rung des Dienst­herrn an das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren zu ver­mei­den. Da­mit hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt den Schutz­ge­halt und da­mit das in die In­ter­es­sen­ab­wä­gung ge­mäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG ein­zu­stel­len­de Ge­wicht des Grund­rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung nicht zu­tref­fend er­fasst. Die im Norm­zweck des § 16 Abs. 1 und 3 BDG zum Aus­druck kom­men­de Wer­tung zu­guns­ten die­ses Grund­rechts ist ein be­deu­ten­der Ab­wä­gungs­fak­tor, der in die Ab­wä­gung der In­ter­es­sen ein­zu­stel­len ist.

14 a) Das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die Be­fug­nis des Ein­zel­nen, grund­sätz­lich selbst zu ent­schei­den, wann und in­ner­halb wel­cher Gren­zen per­sön­li­che Le­bens­sach­ver­hal­te of­fen­bart wer­den (BVerfG, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerf­GE 65, 1 <41 f.>; vgl. auch Kam­mer­be­schluss vom 14. De­zem­ber 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerf­GE 103, 21 <32 f.>). Dies um­fasst nicht nur elek­tro­nisch spei­cher­ba­re, son­dern sämt­li­che per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten (BVerfG, Be­schluss vom 9. März 1988 - 1 BvL 49/86 - BVerf­GE 78, 77 <84>). Da­bei ist grund­sätz­lich gleich­gül­tig, wo die In­for­ma­ti­on ge­won­nen wur­de oder wel­chen In­halt sie hat; das Schutz­be­dürf­nis er­gibt sich vor al­lem aus der Mög­lich­keit, das Er­schei­nungs­bild ei­nes Men­schen in ei­ner be­stimm­ten Si­tua­ti­on von die­sem ab­zu­lö­sen, da­ten­mä­ßig zu fi­xie­ren - zu "ver­ding­li­chen" - und je­der­zeit vor ei­nem un­über­schau­ba­ren Per­so­nen­kreis zu re­pro­du­zie­ren, da­bei auch zu ver­än­dern oder zu ma­ni­pu­lie­ren (BVerfG, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerf­GE 101, 361 <381>; Be­schluss vom 9. Ok­to­ber 2002 - 1 BvR 1611/96 u.a. - BVerf­GE 106, 28 <39 f.>). Da­mit hat das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung im Ver­hält­nis zu den sons­ti­gen Ge­währ­leis­tungs­be­rei­chen des all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rechts ei­nen ei­ge­nen Ge­halt; es stellt ei­ne ei­ge­ne Aus­prä­gung des all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rechts dar (BVerfG, Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2019 - 1 BvR 16.13 - BVerf­GE 152, 152 Rn. 83 <"Recht auf Ver­ges­sen I">).

15 Das Recht auf "in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung" ist nicht schran­ken­los ge­währ­leis­tet. Der Ein­zel­ne hat nicht ein Recht im Sin­ne ei­ner ab­so­lu­ten, un­ein­schränk­ba­ren Herr­schaft über "sei­ne" Da­ten; er ist viel­mehr ei­ne sich in­ner­halb der so­zia­len Ge­mein­schaft ent­fal­ten­de, auf Kom­mu­ni­ka­ti­on an­ge­wie­se­ne Per­sön­lich­keit. In­for­ma­ti­on, auch so­weit sie per­so­nen­be­zo­gen ist, stellt ein Ab­bild so­zia­ler Rea­li­tät dar, das nicht aus­schlie­ß­lich dem Be­trof­fe­nen al­lein zu­ge­ord­net wer­den kann. Das Grund­ge­setz hat die Span­nung In­di­vi­du­um - Ge­mein­schaft im Sin­ne der Ge­mein­schafts­be­zo­gen­heit und Ge­mein­schafts­ge­bun­den­heit der Per­son ent­schie­den. Grund­sätz­lich muss da­her der Ein­zel­ne Ein­schrän­kun­gen sei­nes Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung im über­wie­gen­den All­ge­mein­in­ter­es­se hin­neh­men (BVerfG, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerf­GE 65, 1 <43 f.> m.w.N.). Dies gilt ins­be­son­de­re für Da­ten des Ein­zel­nen, die sein so­zia­les Ver­hal­ten be­tref­fen und in­so­weit sei­ner aus­schlie­ß­li­chen Ver­fü­gungs­mög­lich­keit ent­zo­gen sind, et­wa bei straf­recht­lich re­le­van­ten Ver­hal­tens­wei­sen, die auch Be­lan­ge der All­ge­mein­heit be­rüh­ren (BVer­wG, Ur­teil vom 20. Fe­bru­ar 1990 - 1 C 29.86 - Buch­holz 402.41 Allg. Po­li­zei­recht Nr. 46 S. 8 und vom 11. De­zem­ber 1996 - 1 D 56.95 - BVer­w­GE 113, 44 <44 f.>).

16 Trä­ger des Grund­rechts in al­len ge­nann­ten As­pek­ten sind auch Amts­trä­ger, und zwar nicht nur bei In­for­ma­tio­nen mit pri­va­tem, son­dern auch bei sol­chen mit amts­be­zo­ge­nem In­halt. Die Fol­gen ei­ner sol­chen be­lie­bi­gen Dar­stel­lung hin­sicht­lich des Er­schei­nungs­bil­des "im Amt" tref­fen den Ein­zel­nen nicht nur in sei­nem Amt, son­dern re­gel­mä­ßig zu­gleich in sei­ner per­sön­li­chen und pri­va­ten Exis­tenz (BVer­wG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2004 - 3 C 41.03 - BVer­w­GE 121, 115 <125 f.>).

17 b) Aus­ge­hend von die­sen all­ge­mei­nen Grund­sät­zen ist bei der Be­ur­tei­lung von pres­se­recht­li­chen Aus­kunfts­an­sprü­chen der vor­lie­gen­den Art u.a. auch die Zeit ein be­deut­sa­mer Ge­sichts­punkt für die Be­stim­mung des Schutz­ge­halts des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts lässt es der ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz der Per­sön­lich­keit nicht zu, dass die Me­di­en sich über die ak­tu­el­le Be­richt­erstat­tung hin­aus zeit­lich un­be­schränkt mit der da­von be­trof­fe­nen Per­son be­fas­sen. Das In­ter­es­se an der öf­fent­li­chen Be­richt­erstat­tung über ei­ne Per­son ver­än­dert sich mit dem zu­neh­men­den zeit­li­chen Ab­stand zu dem die Be­richt­erstat­tung aus­lö­sen­den Er­eig­nis. Das Recht des Be­trof­fe­nen, "al­lein ge­las­sen zu wer­den", ge­winnt im Lau­fe der Zeit zu­neh­mend an Be­deu­tung und setzt dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se Gren­zen. Die zeit­li­che Gren­ze zwi­schen der grund­sätz­lich zu­läs­si­gen ak­tu­el­len Be­richt­erstat­tung und ei­ner un­zu­läs­si­gen spä­te­ren Dar­stel­lung oder Er­ör­te­rung lässt sich da­bei nicht all­ge­mein, je­den­falls nicht mit ei­ner nach Mo­na­ten und Jah­ren für al­le Fäl­le fest um­ris­se­nen Frist fi­xie­ren. Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um liegt dar­in, ob die be­tref­fen­de Be­richt­erstat­tung ge­gen­über der ak­tu­el­len In­for­ma­ti­on ei­ne er­heb­li­che neue oder zu­sätz­li­che Be­ein­träch­ti­gung des Be­trof­fe­nen zu be­wir­ken ge­eig­net ist (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 5. Ju­ni 1973 - 1 BvR 536/72 - BVerf­GE 35, 202 <233 f.>; Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerf­GE 152, 152 Rn. 98).

18 Es ist nicht mög­lich, den sich durch Zeit­ab­lauf ver­dich­ten­den Schutz­an­spruch nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG un­ter sche­ma­ti­scher Über­nah­me an­der­wei­tig ge­re­gel­ter Ver­wen­dungs-, Ver­öf­fent­li­chungs- oder Lö­schungs­pflich­ten zu be­stim­men. Sol­che an den Zeit­ab­lauf an­knüp­fen­den ein­fach­recht­li­chen Re­ge­lun­gen fol­gen je ei­ge­nen Zwe­cken und kön­nen den von Ver­fas­sungs we­gen ge­bo­te­nen Aus­gleich zwi­schen den sich ge­gen­über­ste­hen­den Grund­rech­ten nicht leis­ten. Sie kön­nen al­ler­dings im Ein­zel­fall als Ori­en­tie­rungs­hil­fe her­an­ge­zo­gen wer­den, was die ei­gen­stän­di­ge grund­recht­li­che Ab­wä­gung je­doch nicht er­setzt (BVerfG, Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2019 - 1 BvR 16.13 - BVerf­GE 152, 152 Rn. 126).

19 c) Im Fall pres­se­recht­li­cher Aus­kunfts- und Un­ter­las­sungs­an­sprü­che hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in stän­di­ger Recht­spre­chung für das Ver­wer­tungs­ver­bot des § 51 Abs. 1 des Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­ge­set­zes (BZ­RG) an­ge­nom­men, dass es kein ein­schrän­kungs­lo­ses Ver­bot be­grün­det, In­for­ma­tio­nen über ei­ne ge­tilg­te Vor­stra­fe zu ver­brei­ten; viel­mehr ist die im Norm­zweck des § 51 Abs. 1 BZ­RG zum Aus­druck kom­men­de Wer­tung zu­guns­ten des Per­sön­lich­keits­rechts als ein be­deut­sa­mer Ab­wä­gungs­fak­tor in die Gü­ter - und In­ter­es­sen­ab­wä­gung ein­zu­stel­len (BVerfG, Kam­mer­be­schlüs­se vom 25. Fe­bru­ar 1993 - 1 BvR 172/93 - NJW 1993, 1463 <1464>, vom 24. Ja­nu­ar 2006 - 1 BvR 2602/05 - BVerf­GK 7, 217 <219> und vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02 - BVerf­GK 10, 383 <387>; Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerf­GE 152, 152 Rn. 126). Da­bei ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht ge­for­dert, die Of­fen­le­gung ei­ner ge­tilg­ten Vor­stra­fe nur dann als zu­läs­sig an­zu­se­hen, wenn ei­ne kon­kre­te Ge­fähr­dung an­de­rer Rechts­gü­ter oder öf­fent­li­cher In­ter­es­sen droht. Um­ge­kehrt ge­bie­tet das Grund­recht auf Pres­se­frei­heit aber auch nicht, dass das Recht, "mit sei­ner Straf­tat al­lein ge­las­sen zu wer­den", im­mer dann zu­rück­zu­tre­ten hat, wenn ein neu­er ak­tu­el­ler An­lass ge­ge­ben ist, der ei­nen Be­zug zu ei­ner vor vie­len Jah­ren be­gan­ge­nen Straf­tat auf­weist. Viel­mehr ist in den Fäl­len, in de­nen ein neu­er ak­tu­el­ler An­lass für die Be­richt­erstat­tung über ei­ne im Bun­des­zen­tral­re­gis­ter ge­tilg­te Straf­tat ge­ge­ben ist, ei­ne Gü­ter- und In­ter­es­sen­ab­wä­gung zwi­schen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ge­währ­leis­te­ten Be­richt­erstat­tungs­frei­heit der Pres­se und dem all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­recht des Be­trof­fe­nen un­ter um­fas­sen­der Be­rück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Um­stän­de des Ein­zel­falls vor­zu­neh­men (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 25. Fe­bru­ar 1993 - 1 BvR 172/93 - NJW 1993, 1463 <1464>).

20 d) Die­se Wer­tung ist auf das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und die da­mit ver­bun­de­ne Pflicht des Dienst­herrn zur Ent­fer­nung und Ver­nich­tung des Dis­zi­pli­nar­vor­gangs nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG zu über­tra­gen.

21 § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG be­stimmt, dass der Ver­weis nach zwei Jah­ren, ei­ne Geld­bu­ße, ei­ne Kür­zung der Dienst­be­zü­ge und ei­ne Kür­zung des Ru­he­ge­halts nach drei Jah­ren so­wie ei­ne Zu­rück­stu­fung nach sie­ben Jah­ren bei wei­te­ren Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men und bei sons­ti­gen Per­so­nal­maß­nah­men nicht mehr be­rück­sich­tigt wer­den dür­fen (Ver­wer­tungs­ver­bot). Der Be­am­te gilt ge­mäß § 16 Abs. 1 Satz 2 BDG nach dem Ein­tritt des Ver­wer­tungs­ver­bots als von der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nicht be­trof­fen (Un­be­schol­ten­heits­klau­sel). Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des Ver­wer­tungs­ver­bots nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BDG vor (Til­gungs­rei­fe), sind ge­mäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BDG von Amts we­gen al­le Ein­tra­gun­gen in der Per­so­nal­ak­te über die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me zu ent­fer­nen und zu ver­nich­ten (Til­gungs­ge­bot). Da­von aus­ge­nom­men sind das Ru­brum und die Ent­schei­dungs­for­mel ei­ner ab­schlie­ßen­den ge­richt­li­chen Ent­schei­dung, mit der auf ei­ne Zu­rück­stu­fung er­kannt wur­de (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 2, 3 und 6 BDG). Auf An­trag des Be­am­ten un­ter­bleibt die Ent­fer­nung oder er­folgt ei­ne ge­son­der­te Auf­be­wah­rung (§ 16 Abs. 3 Satz 4 bis 6 BDG).

22 Die Wir­kun­gen der Til­gungs­be­stim­mun­gen des § 16 Abs. 1 und 3 BDG sind ent­ge­gen der An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts nicht auf das In­nen­ver­hält­nis des Be­am­ten zu sei­nem Dienst­herrn be­schränkt und des­halb nicht oh­ne Be­lang für das Aus­kunfts­er­su­chen des Drit­ten ge­gen­über dem Dienst­herrn. Der be­trof­fe­ne Be­am­te kann sich auch ge­gen­über dem Rechts­ver­kehr auf den Ein­tritt des dis­zi­pli­nar­recht­li­chen Ver­wer­tungs­ver­bots be­ru­fen. Dies hat aber nicht zur Fol­ge, dass dem Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ab­so­lu­ter Vor­rang zu­kommt und ein ab­wä­gungs­re­sis­ten­ter Schutz­an­spruch zu Guns­ten des be­trof­fe­nen Be­am­ten ent­steht. Das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und das Til­gungs­ge­bot sind viel­mehr als be­deut­sa­me Ab­wä­gungs­fak­to­ren auf Sei­ten des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten in die nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vor­zu­neh­men­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung ein­zu­stel­len.

23 Un­er­heb­lich ist in die­sem Zu­sam­men­hang, dass das Straf­recht und das Dis­zi­pli­nar­recht un­ter­schied­li­che Zwe­cke ver­fol­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 24. Ok­to­ber 2019 - 2 C 3.18 - BVer­w­GE 166, 389 Rn. 34; Be­schlüs­se vom 1. März 2012 - 2 B 120.11 - IÖD 2012, 127 <129> und vom 21. Ju­ni 2017 - 2 B 50.16 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 44 Rn. 11). Ent­schei­dend ist, dass die in den je­wei­li­gen Ver­fah­ren vor­ge­se­he­nen Til­gungs­be­stim­mun­gen in ih­rer Zweck­rich­tung ver­gleich­bar sind.

24 Das Ver­wer­tungs­ver­bot nach § 51 Abs. 1 BZ­RG be­stimmt, dass die Tat und die Ver­ur­tei­lung dem Be­trof­fe­nen im Rechts­ver­kehr nicht mehr vor­ge­hal­ten und nicht zu sei­nem Nach­teil ver­wer­tet wer­den dür­fen. Zweck des Ver­wer­tungs­ver­bots ist es, den ver­ur­teil­ten Straf­tä­ter nach ei­ner ge­wis­sen Zeit vom Ma­kel der Be­stra­fung zu be­frei­en, um sei­ne Re­so­zia­li­sie­rung zu er­leich­tern (BVer­wG, Ur­teil vom 3. De­zem­ber 1973 - 1 D 62.73 - BVer­w­GE 46, 205 <206>). Das Ver­wer­tungs­ver­bot und das Til­gungs­ge­bot des § 16 BDG ver­fol­gen den ver­gleich­ba­ren Zweck, den Be­am­ten vom Ma­kel ei­nes ver­gan­ge­nen Fehl­ver­hal­tens (dem Dienst­ver­ge­hen) zu be­frei­en, den Ma­kel "aus der Welt zu schaf­fen". Sie sol­len als ma­te­ri­ell-recht­li­che Schutz­maß­nah­men zu­guns­ten des Be­am­ten ver­hin­dern, dass sich ein ge­ahn­de­tes Dienst­ver­ge­hen oh­ne zeit­li­che Be­gren­zung zum Nach­teil des Be­am­ten aus­wir­ken kann.

25 Die­ser Zweck be­ruht auf der Über­le­gung, dass nach ei­nem an­ge­mes­sen lan­gen pflicht­ge­mä­ßen Ver­hal­ten des Be­am­ten der Er­zie­hungs­zweck der vor­aus­ge­gan­ge­nen Maß­nah­me als er­reicht und das Ver­trau­en in sei­ne In­te­gri­tät als wie­der­her­ge­stellt gel­ten kann. Die ver­häng­te Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me darf nach Ab­lauf der be­stimm­ten Frist we­der bei wei­te­ren Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men noch bei Per­so­nal­maß­nah­men Be­rück­sich­ti­gung fin­den (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 11. De­zem­ber 1984 - 1 D 113.83 - BVer­w­GE 76, 237 <241 f.>; Ur­ban/Witt­kow­ski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 16 Rn. 2). Die über die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me ent­stan­de­nen Ak­ten­vor­gän­ge müs­sen ge­mäß § 16 Abs. 3 BDG von Amts we­gen aus den Per­so­nal­ak­ten ent­fernt und ver­nich­tet wer­den. Die Ent­fer­nung und Ver­nich­tung der Dis­zi­pli­nar­vor­gän­ge hat der Ge­setz­ge­ber auch im In­ter­es­se des Dienst­vor­ge­setz­ten für ge­bo­ten ge­hal­ten, um die­sem den mög­li­chen Vor­wurf zu er­spa­ren, er ver­wen­de dis­zi­pli­na­re Vor­gän­ge nach de­ren Til­gung wei­ter zum Nach­teil des Be­am­ten (vgl. BT-Drs. V/1693 S. 9 zu § 103a BDO-Ent­wurf, der spä­ter als Vor­gän­ger­norm des § 16 BDG in § 119 Abs. 1 Satz 2 BDO 1967 Ge­setz wur­de). Der Be­am­te kann sich mit Ein­tritt der Til­gungs­rei­fe der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me ge­gen­über dem Dienst­herrn und auch ge­gen­über dem Rechts­ver­kehr als nicht ge­ma­ß­re­gelt be­zeich­nen (BVer­wG, Be­schluss vom 11. März 1987 - 1 DB 6.87 - Dok­Ber B 1987, 152); er gilt als un­be­schol­ten, wie de­kla­ra­to­risch in § 16 Abs. 1 Satz 2 BDG - vor­mals in § 119 Abs. 4 BDO (vgl. BT-Drs. V/1693 S. 9) - fest­ge­hal­ten wird.

26 3. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und die Pflicht zur Ent­fer­nung und Ver­nich­tung des Dis­zi­pli­nar­vor­gangs nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG nicht als re­le­van­ten Ab­wä­gungs­fak­tor er­wo­gen. Die Ent­schei­dung stellt sich trotz die­ses Ab­wä­gungs­man­gels aber im Er­geb­nis als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), so­weit sie die Aus­künf­te auf die Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 be­trifft. Die Kla­ge ist in­so­weit zu­läs­sig und be­grün­det. Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Aus­kunft auf die­se Fra­gen ge­mäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG. Die da­nach ge­bo­te­ne In­ter­es­sen­ab­wä­gung fällt auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Norm­zwecks des § 16 Abs. 1 und 3 BDG zu Guns­ten des pres­se­spe­zi­fi­schen In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­ses aus. Das in die­sem Fall er­öff­ne­te Er­mes­sen hat sich zu ei­nem An­spruch auf Aus­kunft ver­dich­tet.

27 a) Bei den vom Klä­ger be­gehr­ten Aus­künf­ten han­delt es sich um Aus­künf­te aus Per­so­nal­ak­ten, de­ren Er­tei­lung tat­säch­lich nicht un­mög­lich ge­wor­den ist.

28 aa) Ob ein Vor­gang Per­so­nal­ak­ten ent­hält, rich­tet sich al­lein nach dem un­mit­tel­ba­ren in­ne­ren Zu­sam­men­hang des Vor­gangs mit dem kon­kre­ten Be­am­ten­ver­hält­nis (ma­te­ri­el­ler Per­so­nal­ak­ten­be­griff); der Art der Auf­be­wah­rung (for­mel­ler Per­so­nal­ak­ten­be­griff) kommt kei­ne recht­li­che Be­deu­tung zu (BVer­wG, Ur­tei­le vom 2. April 1981 - 2 C 34.79 - BVer­w­GE 62, 135 <137> und vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 16; Be­schluss vom 4. April 1990 - 2 B 38.90 - Buch­holz 237.1 Art. 100 BayLBG Nr. 1 S. 1).

29 Die Dis­zi­pli­narak­te des Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" er­füllt die Vor­aus­set­zun­gen des ma­te­ri­el­len Per­so­nal­ak­ten­be­griffs. So­lan­ge das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren in Gang ist, wird die Dis­zi­pli­narak­te for­mell ge­son­dert ge­führt und Ak­ten­ein­sicht auf der Grund­la­ge der Dis­zi­pli­nar­ge­set­ze ge­währt. Nach Ab­schluss des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist die Dis­zi­pli­narak­te zur Per­so­nal­ak­te zu neh­men, d.h. al­le aus An­lass der dis­zi­pli­na­ri­schen Er­mitt­lun­gen an­ge­fal­le­nen Un­ter­la­gen. Hier­zu ge­hö­ren auch Un­ter­la­gen, die auf­grund von in­for­mel­len Er­mitt­lun­gen vor Ein­lei­tung ei­nes be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ge­mäß §§ 17 ff. BDG ent­stan­den sind (BVer­wG, Ur­teil vom 31. Ja­nu­ar 1980 - 2 C 5.78 - BVer­w­GE 59, 355 <359>; Be­schluss vom 8. Mai 2006 - 1 DB 1.06 - Buch­holz 232 § 90c BBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.; vgl. auch BT-Drs. 12/544 S. 16 f.). Selbst wenn sich Er­mitt­lungs­vor­gän­ge im Ori­gi­nal oder in Ko­pie ent­ge­gen der ge­setz­li­chen Zweck­be­stim­mung (§ 106 Abs. 1 Satz 4 BBG) un­zu­läs­si­ger­wei­se (auch) in Sach­ak­ten des Dienst­herrn be­fän­den, wo­für hier im Üb­ri­gen kein An­halt be­steht, wür­de es sich wei­ter­hin um Per­so­nal­ak­ten­da­ten im ma­te­ri­el­len Sinn han­deln, die der Re­ge­lung des § 111 Abs. 2 BBG un­ter­fie­len. Auch in die­sem Fall wä­re ent­ge­gen der An­nah­me des Klä­gers kein Raum für ei­nen auf Sach­ak­ten be­zo­ge­nen Aus­kunfts­an­spruch un­mit­tel­bar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

30 bb) Die Er­tei­lung der Aus­kunft aus der Dis­zi­pli­narak­te des Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" ist tat­säch­lich noch mög­lich.

31 Nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 137 Abs. 2 Vw­GO) hat die Be­klag­te die Dis­zi­pli­narak­te nach Ab­lauf der Til­gungs­frist des § 16 Abs. 1 BDG nicht ge­mäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BDG ver­nich­tet, son­dern mit Rück­sicht auf das Kla­ge­ver­fah­ren ver­sie­gelt an das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für In­ne­res, für Bau und Hei­mat über­sandt. Da­mit hat die Be­klag­te der Kol­li­si­on ihr ob­lie­gen­der wi­der­strei­ten­der Rechts­pflich­ten an­ge­mes­sen Rech­nung ge­tra­gen. Die wäh­rend ei­nes Ver­wal­tungs- oder Kla­ge­ver­fah­rens mit dem Ab­lauf der Til­gungs­frist ent­ste­hen­de Pflicht des Dienst­herrn ge­mäß § 16 Abs. 3 BDG, die Dis­zi­pli­narak­te von Amts we­gen zu ver­nich­ten, tritt mit sei­ner Pflicht, die von ei­nem Drit­ten gel­tend ge­mach­te Aus­kunft nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG ge­ge­be­nen­falls er­tei­len zu müs­sen, in Kon­flikt. Das ein­fach­recht­li­che Ver­wer­tungs­ver­bot und das Til­gungs­ge­bot ge­nie­ßen - wie aus­ge­führt - kei­nen ab­so­lu­ten Vor­rang. Die Kol­li­si­on der wi­der­strei­ten­den Rechts­pflich­ten des Dienst­herrn ist des­halb auf der ma­te­ri­el­len Ebe­ne an­ge­mes­sen aus­zu­glei­chen. Der Aus­gleich kann in Kon­stel­la­tio­nen wie der vor­lie­gen­den nur da­durch her­ge­stellt wer­den, dass der Dis­zi­pli­nar­vor­gang bis zur be­stands- oder rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über das Aus­kunfts­er­su­chen in ei­ne ge­son­der­te Auf­be­wah­rung ge­nom­men wird. Die Dis­zi­pli­narak­te ist im Hin­blick auf die ein­ge­tre­te­ne Pflicht zur Ver­nich­tung der Per­so­nal­ak­ten­da­ten nach § 16 Abs. 3 BDG un­ter Ver­schluss zu neh­men (et­wa durch ei­ne Ver­sie­ge­lung), um die Ein­sicht oder die Ver­wen­dung zu ei­nem an­de­ren Zweck als dem zu ver­hin­dern, das streit­be­fan­ge­ne Aus­kunfts­be­geh­ren nach § 111 Abs. 2 BBG er­fül­len zu müs­sen. Nach be­stands­kräf­ti­gem Ab­schluss des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens oder Rechts­kraft der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung über das Aus­kunfts­be­geh­ren ist die ver­wahr­te Dis­zi­pli­narak­te ge­mäß § 16 Abs. 3 BDG um­ge­hend vom Dienst­herrn zu ver­nich­ten und der Be­am­te ent­spre­chend zu un­ter­rich­ten (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 5 BDG). Nur die­se Ver­fah­rens­wei­se si­chert den Rechts­schutz des Aus­kunfts­be­rech­tig­ten hin­rei­chend. Ihn im Fall des dro­hen­den Ab­laufs der Til­gungs­fris­ten wäh­rend des Ver­wal­tungs- oder Kla­ge­ver­fah­rens auf den einst­wei­li­gen Rechts­schutz nach § 123 Vw­GO zu ver­wei­sen, wä­re nicht glei­cher­ma­ßen ge­eig­net, wir­kungs­vol­len Rechts­schutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) zu ge­währ­leis­ten.

32 b) Bei der nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Ge­setz­ge­ber die Über­win­dung der ge­setz­lich nor­mier­ten Ver­trau­lich­keit der Per­so­nal­ak­ten­da­ten ins­be­son­de­re zur Wah­rung des Grund­rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung nur im Aus­nah­me­fall zu­ge­las­sen hat. Er hat im Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Drit­ten und dem Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­se des Be­am­ten dem Per­so­nal­ak­ten­da­ten­schutz ei­nen re­la­ti­ven Vor­rang ein­ge­räumt; das In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se muss über­wie­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 66).

33 Ne­ben dem vor­ran­gig be­zweck­ten Schutz des Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) mit dem dar­ge­stell­ten Ge­währ­leis­tungs­ge­halt (s.o. Rn. 13 ff.) ist auf Sei­ten der Be­klag­ten auch das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Ver­trau­lich­keit von Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren bei der Ab­wä­gung zu be­den­ken. Die Ver­trau­lich­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens dient nicht vor­ran­gig dem Schutz des Per­sön­lich­keits­rechts des Be­am­ten, son­dern soll die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ge­währ­leis­ten. Zweck des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist es, das Ver­trau­en in die Ehr­lich­keit und Zu­ver­läs­sig­keit der Be­am­ten und da­mit die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des öf­fent­li­chen Diens­tes si­cher­zu­stel­len (BVer­wG, Be­schluss vom 21. Ju­ni 2017 - 2 B 50.16 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 44 Rn. 11). Da­bei ist bei der Ge­wich­tung des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses an der Ver­trau­lich­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens die Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers zu be­ach­ten, dass er im Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz für das ge­richt­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren in Um­kehr des Re­gel-Aus­nah­me-Ver­hält­nis­ses nach frü­he­rem Recht (§ 73 BDO) den Grund­satz der Öf­fent­lich­keit vor­ge­schrie­ben hat (§ 60 Abs. 1 BDG). Die­se ge­setz­ge­be­ri­sche Wer­tung ist un­ab­hän­gig da­von zu be­rück­sich­ti­gen, ob es zu ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren kommt oder die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me be­stands­kräf­tig im be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ver­hängt wird.

34 Dem­ge­gen­über kann sich der Klä­ger auf den Schutz der Pres­se­frei­heit als be­rech­tig­tes In­ter­es­se im Sin­ne des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG be­ru­fen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat den Ge­währ­leis­tungs­ge­halt der Pres­se­frei­heit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu­tref­fend er­fasst.

35 Die Pres­se­frei­heit um­fasst nicht nur ein Ab­wehr­recht ge­gen staat­li­che Ein­grif­fe, son­dern ga­ran­tiert dar­über hin­aus in ih­rem ob­jek­tiv-recht­li­chen Ge­halt die in­sti­tu­tio­nel­le Ei­gen­stän­dig­keit der Pres­se. Der Ge­setz­ge­ber ist hier­aus in der Pflicht, die Rechts­ord­nung in ei­ner Wei­se zu ge­stal­ten, die der be­son­de­ren ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­deu­tung der Pres­se ge­recht wird und ihr ei­ne funk­ti­ons­ge­mä­ße Be­tä­ti­gung er­mög­licht. Hier­zu zählt auch die Schaf­fung von be­hörd­li­chen Aus­kunfts­pflich­ten (BVerfG, Ur­teil vom 5. Au­gust 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerf­GE 20, 162 <175 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 13. De­zem­ber 1984 - 7 C 139.81 - BVer­w­GE 70, 310 <311, 314> und vom 27. No­vem­ber 2013 - 6 A 5.13 - Buch­holz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 22).

36 Ei­ne ef­fek­ti­ve funk­ti­ons­ge­mä­ße Be­tä­ti­gung der Pres­se setzt vor­aus, dass ih­re Ver­tre­ter in hin­rei­chen­dem Maß von staat­li­chen Stel­len Aus­kunft über An­ge­le­gen­hei­ten er­hal­ten, die nach ih­rem Da­für­hal­ten von öf­fent­li­chem In­ter­es­se sind. Mit der ho­hen Be­deu­tung der Pres­se für die öf­fent­li­che Mei­nungs­bil­dung in der De­mo­kra­tie wä­re es nicht ver­ein­bar, in­so­weit ei­ne re­strik­ti­ve Be­trach­tungs­wei­se an den Tag zu le­gen. Der Ge­setz­ge­ber ist zwar un­ter be­son­de­ren Um­stän­den be­rech­tigt, ein­zel­ne be­hörd­li­che Funk­ti­ons­be­rei­che von Aus­kunfts­pflich­ten aus­zu­neh­men (BVer­wG, Ur­teil vom 20. Fe­bru­ar 2013 - 6 A 2.12 - BVer­w­GE 146, 56 Rn. 27). Aber er ist nicht be­rech­tigt, gan­ze Ver­wal­tungs­be­rei­che frei­zu­stel­len. Dem ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Ver­mitt­lungs- und Kon­troll­auf­trag der Pres­se ist nur dann in ge­nü­gen­der Wei­se Rech­nung ge­tra­gen, wenn - von ein­zel­nen be­hörd­li­chen Funk­ti­ons­be­rei­chen be­son­de­ren Cha­rak­ters ab­ge­se­hen - Aus­schluss­grün­de ei­nen punk­tu­el­len Zu­schnitt auf­wei­sen, mit dem der Ge­setz­ge­ber kon­kret um­ris­se­nen ge­gen­läu­fi­gen Schutz­gü­tern Rech­nung trägt, und zwar be­schränkt auf das Maß, in dem bei ma­te­ri­el­ler Be­trach­tung tat­säch­lich ein Schutz­be­darf er­kenn­bar ist. Der Pres­se müs­sen zu­dem trotz der Aus­schluss­grün­de wirk­sa­me In­for­ma­ti­ons- und Re­cher­che­mög­lich­kei­ten hin­sicht­lich des be­trof­fe­nen Ver­wal­tungs­be­reichs ver­blei­ben. Wä­re die Kon­se­quenz ei­nes be­stimm­ten Aus­schluss­grun­des oder des Zu­sam­men­spiels meh­re­rer von ih­nen, dass die Pres­se sich über die staat­li­che Be­tä­ti­gung in ei­nem be­stimm­ten Ver­wal­tungs­be­reich kein aus­sa­ge­kräf­ti­ges Ur­teil mehr bil­den könn­te, wä­re ihr ei­ne ef­fek­ti­ve funk­ti­ons­ge­mä­ße Be­tä­ti­gung ver­wehrt (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVer­w­GE 151, 348 Rn. 30).

37 Der Ge­währ­leis­tungs­ge­halt des Grund­rechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist bei der Aus­le­gung von § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG auch in­so­weit von Be­deu­tung, als die Norm ver­langt, dass die be­gehr­te Aus­kunft für den Schutz be­rech­tig­ter, hö­her­ran­gi­ger In­ter­es­sen des Drit­ten "zwin­gend er­for­der­lich" ist. Das Merk­mal "zwin­gend er­for­der­lich" ist nicht da­hin zu ver­ste­hen, dass die Aus­kunfts­er­tei­lung von ei­ner In­halts­be­wer­tung des In­for­ma­ti­ons­an­lie­gens ab­hängt. Ei­ne jour­na­lis­ti­sche Re­le­vanz­prü­fung ist mit dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz der Pres­se nicht ver­ein­bar. Das Ge­bot staat­li­cher In­halts­neu­tra­li­tät gilt nicht nur für das Sta­di­um der Pu­bli­ka­ti­on, son­dern auch für das vor­ge­la­ger­te Sta­di­um der Re­cher­che. Die Pres­se muss nach ih­ren pu­bli­zis­ti­schen Kri­te­ri­en selbst ent­schei­den dür­fen, was sie des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerf­GE 101, 361 <389>; Kam­mer­be­schluss vom 28. Au­gust 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). Es ist Sa­che der Pres­se, selbst zu be­ur­tei­len, wel­che In­for­ma­tio­nen sie für er­for­der­lich hält, um ein be­stimm­tes The­ma zum Zweck ei­ner Be­richt­erstat­tung im Re­cher­che­we­ge auf­zu­be­rei­ten (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 1. Ok­to­ber 2014 - 6 C 35.13 - Buch­holz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41). Al­ler­dings ist bei der Ge­wich­tung des In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­ses der Pres­se zu be­rück­sich­ti­gen, dass es ver­min­dert sein kann, wenn die be­gehr­te In­for­ma­ti­on be­reits aus an­de­ren öf­fent­lich zu­gäng­li­chen In­for­ma­ti­ons­quel­len an­der­wei­tig ver­füg­bar ist. In ei­nem sol­chen Fall kann das In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se die be­gehr­te Aus­kunfts­er­tei­lung an­ge­sichts der ent­ge­gen­ste­hen­den Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­sen nicht zwin­gend er­for­dern (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 41).

38 c) Bei der nach Ma­ß­ga­be die­ser all­ge­mei­nen Grund­sät­ze vor­zu­neh­men­den Ab­wä­gung zwi­schen dem pres­se­spe­zi­fi­schen In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Klä­gers ei­ner­seits und den von der Be­klag­ten zu wah­ren­den Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­sen an­de­rer­seits kommt im Streit­fall kei­ne an­de­re Ent­schei­dung in Be­tracht, als die Aus­künf­te auf Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 zu er­tei­len.

39 Dem pres­se­spe­zi­fi­schen In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Klä­gers ist an­ge­sichts der ho­hen Be­deu­tung der Auf­ar­bei­tung der Ver­bre­chen des NSU für das Ge­mein­we­sen ein der­art über­ra­gend gro­ßes Ge­wicht bei­zu­mes­sen, dass auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des zu­guns­ten des per­sön­li­chen Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­ses strei­ten­den Ver­wer­tungs­ver­bots und der dar­aus fol­gen­den Pflicht zur Ver­nich­tung der Dis­zi­pli­narak­te nach § 16 Abs. 1 und 3 BDG ei­ne an­de­re Ent­schei­dung als die Aus­kunfts­er­tei­lung aus­ge­schlos­sen ist.

40 aa) Zu­guns­ten der Pres­se­frei­heit fällt ganz ma­ß­ge­bend ins Ge­wicht, dass im Fo­kus des Aus­kunfts­ver­lan­gens nicht die Per­son des be­trof­fe­nen Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" steht, son­dern das im öf­fent­li­chen In­ter­es­se lie­gen­de Han­deln staat­li­cher Stel­len bei der Auf­klä­rung der Ver­bre­chen des NSU. Die­se Ziel­rich­tung sei­nes An­lie­gens hat der Klä­ger in der münd­li­chen Re­vi­si­ons­ver­hand­lung er­neut be­kräf­tigt. Er be­ruft sich da­mit auf die be­son­de­re ver­fas­sungs­recht­li­che Be­deu­tung der Pres­se­frei­heit. Das In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se gilt dem le­gi­ti­men de­mo­kra­ti­schen Be­dürf­nis nach Kon­trol­le der für die Si­cher­heit und Ord­nung zu­stän­di­gen Be­hör­den. Hier wird be­deut­sam, dass das Grund­recht aus Art. 5 Abs. 1 GG ge­ra­de aus dem be­son­de­ren Schutz­be­dürf­nis der Macht­kri­tik er­wach­sen ist (BVerfG, Be­schluss vom 10. Ok­to­ber 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerf­GE 93, 266 <293>). Die­ser Schutz­ge­halt strahlt auch auf die Be­ur­tei­lung ei­ner In­for­ma­ti­on ein, die zwar ei­ne Per­son be­trifft, sich aber mit­tel­bar auf das Ver­hal­ten staat­li­cher Stel­len be­zieht (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 12. März 2007 - 1 BvR 1252/02 - BVerf­GK 10, 383 <387>). Wei­ter ist von Ge­wicht, dass das gel­tend ge­mach­te In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se trotz des ver­stri­che­nen Zeit­raums seit den Ta­ten des NSU nach wie vor ak­tu­ell ist. Die Auf­ar­bei­tung der Ver­bre­chen des NSU hat ei­ne ho­he Be­deu­tung für die All­ge­mein­heit, die fort­dau­ert und nicht an Ak­tua­li­tät ver­lo­ren hat. Das fort­dau­ern­de In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se liegt ge­ra­de in der Art und Schwe­re der Ver­bre­chen und der da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den le­gi­ti­men Fra­gen nach ei­nem be­hörd­li­chen Ver­sa­gen und sei­ner Auf­klä­rung. Die­se Fra­gen sind auch durch nach­fol­gen­de Be­ge­ben­hei­ten Ge­gen­stand ak­tu­el­ler Be­richt­erstat­tung, so z.B. im Zu­sam­men­hang mit den von Po­li­zei­be­am­ten ver­fass­ten Mord­dro­hun­gen un­ter der Be­zeich­nung "NSU 2.0".

41 bb) Dem­ge­gen­über muss das Recht des be­trof­fe­nen Be­am­ten auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung, dem - wie dar­ge­legt (s.o. Rn. 13 ff.) - ein be­son­de­res Ge­wicht zu­kommt, auch un­ter Be­ach­tung des zu sei­nen Guns­ten strei­ten­den Norm­zwecks des § 16 BDG als nach­ran­gig zu­rück­tre­ten.

42 Der Ein­griff in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ist nach dem In­halt der be­gehr­ten Aus­künf­te auf Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 nicht sehr in­ten­siv. Bei den Fra­gen han­delt es sich um ge­schlos­se­ne Fra­gen, die mit "ja" oder "nein" oder mit we­ni­gen Wor­ten sach­lich, oh­ne be­son­ders star­ken Per­sön­lich­keits­be­zug be­ant­wor­tet wer­den kön­nen. Kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­gibt sich dar­aus, dass nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 137 Abs. 2 Vw­GO) dem Klä­ger die Iden­ti­tät des Be­am­ten "Lo­thar Lin­gen" be­kannt ist. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sich die Pres­se ih­rer Ver­ant­wor­tung be­wusst ist und ins­be­son­de­re die Grund­sät­ze des Pres­se­ko­dex und die da­zu er­gan­ge­nen Richt­li­ni­en be­ach­tet. Die Me­di­en ha­ben in­so­weit ge­stei­ger­te Sorg­falts­pflich­ten. Die Ver­ant­wor­tung für die Be­ach­tung die­ser Pflich­ten liegt da­bei grund­sätz­lich bei den Me­di­en selbst. Die­se Sorg­falts­pflich­ten kön­nen nicht schon ge­ne­rell zum Maß­stab für das Zu­gäng­lich­ma­chen der In­for­ma­tio­nen ge­macht wer­den (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 14. Sep­tem­ber 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 22). Im Üb­ri­gen be­steht kei­ne Ver­an­las­sung für die An­nah­me ei­ner iden­ti­fi­zie­ren­den Be­richt­erstat­tung. Der Klä­ger hat er­klärt, sich an den vom Deut­schen Pres­se­rat auf­ge­stell­ten Pres­se­ko­dex zu hal­ten und von ei­ner sol­chen iden­ti­fi­zie­ren­den Be­richt­erstat­tung in je­dem Fall Ab­stand zu neh­men. Wie aus­ge­führt, hat er in der münd­li­chen Re­vi­si­ons­ver­hand­lung be­kräf­tigt, dass es ihm nicht um die Per­son des Be­am­ten geht, son­dern um die Fra­ge des Ver­hal­tens der Be­klag­ten bei der Auf­ar­bei­tung der Ver­bre­chen des NSU, was ihr Vor­ge­hen im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­schlie­ßt. Es be­steht kein An­lass, dar­an zu zwei­feln.

43 Wei­ter ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass das Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­se des be­trof­fe­nen Be­am­ten grund­sätz­lich ein grö­ße­res Ge­wicht ge­winnt, wenn die ge­gen ihn ver­häng­te Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nach § 16 Abs. 1 BDG nicht mehr ver­wer­tet wer­den darf und der Dienst­herr ver­pflich­tet ist, die Dis­zi­pli­narak­te ge­mäß § 16 Abs. 3 BDG zu ver­nich­ten. Der Ein­tritt des Ver­wer­tungs­ver­bots und des Til­gungs­ge­bots ver­stär­ken das Ge­wicht hier al­ler­dings nicht in ei­nem sol­chen Ma­ße, dass es das Ge­wicht des her­aus­ra­gen­den In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­ses der Öf­fent­lich­keit in er­heb­li­cher Wei­se min­dert. Im vor­lie­gen­den Fall ist ei­ne ganz be­son­de­re Aus­nah­me­si­tua­ti­on ge­ge­ben. Es geht um die im ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen In­ter­es­se lie­gen­de Auf­ar­bei­tung schwer­wie­gen­der Ver­bre­chen mit fort­wäh­ren­der Ak­tua­li­tät, de­ren Auf­de­ckung im Zeit­punkt des Aus­kunfts­er­su­chens des Klä­gers im Ju­ni 2014 erst et­was mehr als zwei­ein­halb Jah­re zu­rück­lag. Im Zeit­punkt des Aus­kunfts­er­su­chens war die ge­gen den Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" ver­häng­te Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 137 Abs. 2 Vw­GO) auch noch nicht ge­tilgt. In die­ser Si­tua­ti­on und un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ge­rin­gen Ein­griffs­in­ten­si­tät der ver­lang­ten Aus­künf­te ist das Recht des Be­am­ten, mit dem Ab­lauf der Til­gungs­frist mit sei­nem Dienst­ver­ge­hen "al­lein ge­las­sen zu wer­den", ge­gen­über dem in be­son­de­rem Ma­ße ge­stei­ger­ten In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Pres­se ge­rin­ger zu ge­wich­ten und muss zu­rück­tre­ten. An­dern­falls könn­te die Pres­se ih­re Kon­troll­funk­ti­on nicht er­fül­len, die ihr auch und ge­ra­de hin­sicht­lich des Han­delns staat­li­cher Stel­len ob­liegt und in der re­prä­sen­ta­ti­ven De­mo­kra­tie un­er­läss­lich ist.

44 Mit den be­gehr­ten Aus­künf­ten auf die Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 ist kein Ein­griff in wei­te­re Ge­währ­leis­tungs­be­rei­che des all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rechts ver­bun­den. Es ist nicht er­kenn­bar, dass in der Frei­ga­be die­ser Per­so­nal­ak­ten­da­ten und der da­mit er­öff­ne­ten Mög­lich­keit ei­ner Be­richt­erstat­tung über­dies ein Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re des be­trof­fe­nen Be­am­ten liegt. Das Grund­recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung um­fasst auch den Schutz ge­gen je­de wei­te­re Ver­wen­dung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten, zu­mal in an­de­ren Ver­wen­dungs­zu­sam­men­hän­gen (vgl. BVerfG, Ur­tei­le vom 15. De­zem­ber 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerf­GE 65, 1 <43> und vom 17. Ju­li 1984 - 2 BvE 11, 15/83 - BVerf­GE 67, 100 <143>; BVer­wG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2004 - 3 C 41.03 - BVer­w­GE 121, 115 <126>).

45 Schlie­ß­lich wird das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Ver­trau­lich­keit von Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren durch die be­an­trag­ten Aus­künf­te nicht in re­le­van­ter Wei­se be­rührt. Es han­delt sich nicht um be­son­ders sen­si­ble In­for­ma­tio­nen zu ei­nem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren. Kon­kre­te we­sent­li­che In­hal­te des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens wer­den nicht er­fragt. Das In­ter­es­se ge­winnt auch nicht da­durch an Ge­wicht, dass es nicht zu ei­nem öf­fent­li­chen ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ge­kom­men ist, son­dern die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me be­stands­kräf­tig im be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ver­hängt wur­de. Ei­ne sol­che An­nah­me lie­fe der Funk­ti­on der Pres­se ge­ra­de zu­wi­der, wenn die er­frag­te In­for­ma­ti­on - wie hier - dem le­gi­ti­men de­mo­kra­ti­schen Be­dürf­nis nach Kon­trol­le der für Si­cher­heit zu­stän­di­gen Be­hör­den die­nen soll.

46 cc) Im Ein­zel­nen gilt er­gän­zend Fol­gen­des:

47 (1) Die vom Klä­ger be­an­trag­te Aus­kunft auf Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 nach der Dau­er der Auf­klä­rungs­be­mü­hun­gen im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, der An­zahl der be­frag­ten Per­so­nen und der Sei­ten­zahl der Er­mitt­lungs­ak­te be­rührt das per­sön­li­che Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­se des be­trof­fe­nen Be­am­ten nicht in re­le­van­ter Wei­se. Auf die Fra­ge kann knapp und sach­lich ge­ant­wor­tet wer­den. Auch das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Ver­trau­lich­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens wird da­mit nicht in emp­find­li­cher Wei­se be­ein­träch­tigt. Der Ein­wand der Re­vi­si­on, der nur in­di­zi­el­le Wert der ver­lang­ten In­for­ma­ti­on sei ob­jek­tiv ge­ring und des­halb nicht "zwin­gend er­for­der­lich" im Sin­ne des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG, greift nicht durch. Die in­halt­li­che Be­wer­tung ei­ner In­for­ma­ti­on ent­zieht sich - wie aus­ge­führt - der ge­richt­li­chen Prü­fung. Den Ge­rich­ten ist es ver­wehrt, über den In­for­ma­ti­ons­wert der ver­lang­ten Aus­kunft mit zu ent­schei­den und auf die­se Wei­se mit­tel­bar auf den Pu­bli­ka­ti­ons­in­halt oder den wei­te­ren Re­cher­che­pro­zess der Pres­se Ein­fluss zu neh­men. Der Kom­ple­xi­tät und mög­li­chen Zweck­fül­le von Re­cher­che­pro­zes­sen wer­den staat­li­che Stel­len grund­sätz­lich nicht ge­recht, wenn sie das grund­recht­li­che Ge­wicht ei­nes von der Pres­se gel­tend ge­mach­ten Aus­kunfts­in­ter­es­ses von ei­ner jour­na­lis­ti­schen Re­le­vanz­prü­fung ab­hän­gig ma­chen. Sie wür­den da­mit auf ei­nen Maß­stab zu­grei­fen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ih­nen, son­dern der Pres­se über­ant­wor­tet (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 1. Ok­to­ber 2014 - 6 C 35.13 - Buch­holz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41).

48 Der Klä­ger kann die be­gehr­te In­for­ma­ti­on auch nicht an­der­wei­tig er­lan­gen. Die Dis­zi­pli­narak­te war nicht Ge­gen­stand der NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se des Bun­des­ta­ges (vgl. BT-Drs. 18/12950 S. 1163).

49 (2) Die vom Klä­ger be­an­trag­te Aus­kunft auf Fra­ge 7 Satz 1, ob er­mit­telt wur­de, ob der Be­am­te mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" mit den von ihm ver­nich­te­ten Vor­gän­gen in den Jah­ren zu­vor selbst dienst­lich be­fasst ge­we­sen ist, kann mit "ja" oder "nein" be­ant­wor­tet wer­den. In das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten wird auch durch die­se Aus­kunft nicht in emp­find­li­cher Wei­se ein­ge­grif­fen. Die Fra­ge des "ob" der dienst­li­chen Be­fas­sung mit den ver­nich­te­ten Ak­ten ist für sich ge­nom­men nicht neu, son­dern sie war be­reits Ge­gen­stand des sog. ers­ten NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schus­ses des Bun­des­ta­ges (= 2. Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges der 17. Wahl­pe­ri­ode, vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 773 f.). Da­mit wur­de die Fra­ge des Klä­gers aber nicht an­der­wei­tig be­ant­wor­tet. Der Ab­schluss­be­richt des ers­ten NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schus­ses des Bun­des­ta­ges ver­hält sich nicht zu dem Aus­kunfts­in­ter­es­se des Klä­gers, das auf das Han­deln der Be­hör­de im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­rich­tet ist. Er möch­te wis­sen, ob das BfV selbst im Rah­men des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ent­spre­chen­de Nach­for­schun­gen an­ge­stellt hat. Es ist auch nicht er­kenn­bar, dass das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Ver­trau­lich­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens durch ei­ne Ant­wort auf die­se Fra­ge in er­heb­li­cher Wei­se be­rührt wird.

50 (3) Ge­gen­stand der be­an­trag­ten Aus­kunft auf Fra­ge 8 ist, ob das BfV selbst Er­mitt­lun­gen zur Mit­ver­ant­wort­lich­keit an­de­rer Per­so­nen an der Ak­ten­ver­nich­tung oder ih­rem Mit­wis­sen an­ge­stellt hat. Die­se Fra­ge be­trifft - wie vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt - ei­ne zen­tra­le Fra­ge des Ge­sche­hens um die Ak­ten­ver­nich­tung und der Fra­ge nach ei­nem Sys­tem­ver­sa­gen bei der Ver­fol­gung und Auf­klä­rung der Straf­ta­ten des NSU. Dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Klä­gers kommt gro­ßes Ge­wicht zu. Dem­ge­gen­über wie­gen die pri­va­ten und öf­fent­li­chen Ver­trau­lich­keits­in­ter­es­sen we­ni­ger schwer. Die Fra­ge kann kurz be­ant­wor­tet wer­den, oh­ne Iden­ti­tä­ten preis­zu­ge­ben. Sie ist durch die Ab­schluss­be­rich­te der NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se des Bun­des­ta­ges nicht be­reits be­ant­wor­tet wor­den (vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 766 ff., 784 f.; BT-Drs. 18/12950 S. 337). Das Aus­kunfts­in­ter­es­se des Klä­gers geht über die dar­in ent­hal­te­nen In­for­ma­tio­nen hin­aus. Es zielt auf das Han­deln des BfV im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ab, ob das Bun­des­amt selbst ent­spre­chen­de Er­mitt­lun­gen ge­führt hat und mit wel­chen Er­geb­nis­sen.

51 (4) Fra­ge 9 Satz 2, wie sie der Klä­ger selbst nach sei­ner Er­klä­rung in der münd­li­chen Re­vi­si­ons­ver­hand­lung hat ver­stan­den wis­sen wol­len und wie sie sich im Kon­text zu Fra­ge 9 Satz 1 ver­ste­hen lässt, ist auf die Aus­kunft ge­rich­tet, ob (je­den­falls) au­ßer­halb des BfV ste­hen­de Zeu­gen ver­nom­men wor­den sind. Die Fra­ge kann kurz mit "ja" oder "nein" be­ant­wor­tet wer­den. Das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten wird auch durch die­se Aus­kunft nicht in emp­find­li­cher Wei­se be­rührt. Es ist auch nicht er­kenn­bar, dass das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der Ver­trau­lich­keit des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens in re­le­van­ter Wei­se be­ein­träch­tigt wird. Es han­delt sich um ei­ne all­ge­mei­ne Aus­kunft über das "ob" ei­nes er­ho­be­nen Be­weis­mit­tels.

52 d) Das in § 111 Abs. 2 Satz 1 BBG er­öff­ne­te Er­mes­sen ("dür­fen") ist auf Null re­du­ziert. An­de­re im Rah­men des Er­mes­sens zu be­rück­sich­ti­gen­de, dem Aus­kunfts­an­spruch auf Fra­ge 4 Satz 2 Halbs. 2, Satz 3 und 4 so­wie auf die Fra­ge 7 Satz 1, Fra­gen 8 und 9 Satz 2 ent­ge­gen­ste­hen­de Be­lan­ge (et­wa be­son­de­re Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen oder ei­ne Ge­fähr­dung der Auf­ga­ben­er­fül­lung des BfV) sind we­der dar­ge­tan noch er­sicht­lich.

53 4. Der An­spruch des Klä­gers auf Aus­kunft zu Fra­ge 9 Satz 1 be­steht hin­ge­gen nicht. Die Fra­ge, in­wie­weit zur Auf­klä­rung des Fehl­ver­hal­tens auch au­ßer­halb des BfV er­mit­telt wur­de, ist nicht hin­rei­chend be­stimmt.

54 Nach in­ter­es­sen­ge­rech­tem Ver­ständ­nis muss aus der Per­spek­ti­ve des ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zonts klar er­kenn­bar sein, wel­che In­for­ma­tio­nen der An­trag­stel­ler be­gehrt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 - Buch­holz 422.1 Pres­se­recht Nr. 16 Rn. 9). Aus der Pflicht der Be­hör­de, die Pres­se­tä­tig­keit aus­schlie­ß­lich durch Of­fen­le­gung be­stimm­ter Fak­ten und Tat­sa­chen auf­grund kon­kre­ter Fra­gen zu un­ter­stüt­zen, folgt ei­ne Be­gren­zung des Aus­kunfts­rechts der Pres­se; denn die­sem Recht auf Aus­kunft kor­re­spon­diert die Pflicht der Be­hör­de zur Aus­kunfts­er­tei­lung. Die Fra­ge darf nicht so all­ge­mein ge­hal­ten und oh­ne Be­zug zu ei­nem kon­kre­ten Tat­sa­chen­kom­plex sein, dass zu ih­rer Be­ant­wor­tung ei­ne Sach­ver­halts­er­for­schung und Un­ter­su­chung sei­tens der Be­hör­de er­for­der­lich wird (BVer­wG, Ur­teil vom 20. Fe­bru­ar 2013 - 6 A 2.12 - BVer­w­GE 146, 56 Rn. 30). Al­ler­dings fin­den die an den Aus­kunfts­an­trag zu stel­len­den An­for­de­run­gen ih­re Gren­ze dort, wo der An­trag­stel­ler nicht in der La­ge ist, die be­gehr­te In­for­ma­ti­on zu kon­kre­ti­sie­ren; der In­for­ma­ti­ons­zu­gang darf nicht un­zu­mut­bar er­schwert wer­den. Da­bei kön­nen die an den An­trag zu stel­len­den An­for­de­run­gen na­tur­ge­mäß nach der Spe­zi­fik der be­gehr­ten In­for­ma­ti­on (Pres­seaus­kunft, In­for­ma­ti­ons­zu­gang nach dem Um­welt- oder Ver­brau­cher­infor­ma­ti­ons­recht) und in der kon­kre­ten Si­tua­ti­on un­ter­schied­lich sein (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 - Buch­holz 422.1 Pres­se­recht Nr. 16 Rn. 9).

55 Da­von aus­ge­hend ge­nügt die Fra­ge 9 Satz 1, "in­wie­weit" au­ßer­be­hörd­li­che Er­mitt­lun­gen statt­ge­fun­den ha­ben, den an ih­re Be­stimmt­heit zu stel­len­den An­for­de­run­gen nicht. Sie ist zu all­ge­mein und zu weit ge­fasst. Das Fra­ge­pro­no­men "in­wie­weit" lässt kei­ne Ant­wort mit dem vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­me­nen ho­hen Abs­trak­ti­ons­ni­veau zu. Nach dem all­ge­mein ge­bräuch­li­chen Wort­sinn ist dar­un­ter "in wel­chem Um­fang" oder "in wel­chem Maß oder Aus­maß" zu ver­ste­hen. Die Be­ant­wor­tung der so ge­stell­ten Fra­ge macht ei­ne Ak­ten­durch­sicht und -re­cher­che nö­tig, weil sie im Fal­le von Er­mitt­lungs­tä­tig­kei­ten au­ßer­halb des BfV ei­nen Be­richt nach de­ren Art und Um­fang ver­langt. Sie kä­me ei­ner Nach­zeich­nung des Ak­ten­in­halts und da­mit ei­ner nicht zu­läs­si­gen Ak­ten­ein­sicht gleich, die we­der ein­fach­recht­lich (§ 111 Abs. 2 Satz 2 BBG) noch ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Der Klä­ger war zu ei­ner wei­te­ren Kon­kre­ti­sie­rung sei­nes An­lie­gens in der La­ge und ihm war dies auch zu­mut­bar. Er hät­te die ihn im Rah­men sei­ner Re­cher­che in­ter­es­sie­ren­den Er­mitt­lungs­maß­nah­men the­ma­tisch um­rei­ßen kön­nen. Dies hät­te (ggf. in ei­nem zu­nächst ers­ten Schritt) auch in schlag­wort­ar­ti­ger Form ge­sche­hen kön­nen (et­wa Bei­zie­hung von Ak­ten, Aus­künf­te von an­de­ren Be­hör­den). Ei­ne die An­for­de­run­gen über­span­nen­de Kennt­nis von Fach­ter­mi­ni oder vom Gang des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist da­für nicht er­for­der­lich.

56 5. Die zu­läs­si­ge An­schluss­re­vi­si­on ist un­be­grün­det. Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Kla­ge hin­sicht­lich des Aus­kunfts­an­trags zu Fra­ge 3 man­gels Rechts­schutz­be­dürf­nis­ses un­zu­läs­sig ist, ver­letzt Bun­des­recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO). Die Ent­schei­dung er­weist sich je­doch aus an­de­ren Grün­den als rich­tig (§ 144 Abs. 4 Vw­GO). Die Kla­ge ist eben­so wie hin­sicht­lich der be­an­trag­ten Aus­künf­te auf Fra­ge 4 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 und Fra­ge 6 zu­läs­sig, aber un­be­grün­det. Der Klä­ger hat kei­ne wei­ter­ge­hen­den Aus­kunfts­an­sprü­che.

57 a) Die Kla­ge ist auch hin­sicht­lich des Aus­kunfts­an­trags zu Fra­ge 3 zu­läs­sig. Das Rechts­schutz­be­dürf­nis ist ge­ge­ben. Denn es ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­ra­de strei­tig, ob die be­an­trag­te Aus­kunft be­reits in vol­lem Um­fang durch all­ge­mein zu­gäng­li­che Quel­len be­ant­wor­tet wor­den ist. Die Kla­ge ist aber auch in­so­weit un­be­grün­det. Der Klä­ger hat kei­nen Aus­kunfts­an­spruch.

58 Nach der ma­ß­ge­ben­den Sicht des ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zonts ist Ge­gen­stand der Fra­ge, den ge­gen den Be­am­ten mit dem Tarn­na­men "Lo­thar Lin­gen" er­ho­be­nen Dis­zi­pli­nar­vor­wurf in Er­fah­rung zu brin­gen. Nach dem all­ge­mei­nen Ver­ständ­nis be­nennt der Dienst­herr mit dem Be­griff des Dis­zi­pli­nar­vor­wurfs das Fehl­ver­hal­ten des Be­am­ten, das er zum An­lass nimmt, ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten und dis­zi­pli­nar­recht­li­che Er­mitt­lun­gen auf­zu­neh­men. Es han­delt sich um den am An­fang des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ste­hen­den Ver­dacht in Ge­stalt ei­nes For­mel­sat­zes. Der Dis­zi­pli­nar­vor­wurf um­fasst nicht die im Lau­fe oder nach Ab­schluss der Er­mitt­lun­gen fest­ge­stell­ten Er­geb­nis­se. Re­vi­si­ons­recht­lich un­er­heb­lich sind des­halb die nun­mehr in der Be­grün­dung der An­schluss­re­vi­si­on for­mu­lier­ten Fra­gen, wann und wem ge­gen­über "Lo­thar Lin­gen" ei­ne An­ord­nung aus­ge­spro­chen hat, hin­sicht­lich wel­cher oder wie vie­ler Ak­ten er die Ak­ten­ver­nich­tung an­ge­ord­net hat, wen er wann hät­te in­for­mie­ren müs­sen oder ob im Lau­fe des Ver­fah­rens wei­te­re Dienst­ver­ge­hen fest­ge­stellt wor­den sind.

59 Das Aus­kunfts­be­geh­ren un­ter Fra­ge 3 in dem so zu ver­ste­hen­den Sinn ist be­reits mit den vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend zi­tier­ten An­ga­ben im Be­richt des sog. ers­ten NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schus­ses (= 2. Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges der 17. Wahl­pe­ri­ode) an­der­wei­tig be­ant­wor­tet wor­den (vgl. BT-Drs. 17/14600 S. 786). Es be­stehen kei­ne An­halts­punk­te da­für, dass die An­ga­ben des nach § 24 Abs. 3 des Ge­set­zes zur Re­ge­lung des Rechts der Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se des Deut­schen Bun­des­ta­ges (PU­AG) zur Wahr­heit ver­pflich­te­ten Zeu­gen F., ehe­ma­li­ger ... des BfV, zum Dis­zi­pli­nar­vor­wurf am 5. Ju­li 2012 vor dem Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges nicht rich­tig oder un­voll­stän­dig ge­we­sen sein könn­ten.

60 b) Der Klä­ger hat wei­ter kei­nen An­spruch auf Aus­kunft auf Fra­ge 4 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1. Die Fra­ge, "wie ge­nau" die Auf­klä­rungs­be­mü­hun­gen des BfV aus­sa­hen und "wel­chen Um­fang" sie hat­ten, ist aus­ge­hend von den dar­ge­stell­ten An­for­de­run­gen (Rn. 54) nicht hin­rei­chend be­stimmt for­mu­liert. Die Be­ant­wor­tung der Fra­ge lie­fe auf die Er­stel­lung ei­nes Ak­ten­aus­zugs und da­mit ei­ner Nach­zeich­nung des Ak­ten­in­halts hin­aus, die ei­ner Ak­ten­ein­sicht gleich­kä­me, die we­der ein­fach­recht­lich (§ 111 Abs. 2 Satz 2 BBG) noch ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Es ist auch nicht er­sicht­lich, dass es dem Klä­ger nicht mög­lich oder zu­mut­bar war, sein An­lie­gen zu kon­kre­ti­sie­ren. Wie die Be­grün­dung der An­schluss­re­vi­si­on zeigt, hät­te er durch­aus kon­kre­te Fra­gen stel­len kön­nen. Die­se nun­mehr in der An­schluss­re­vi­si­on for­mu­lier­ten Fra­gen sind re­vi­si­ons­recht­lich un­be­acht­lich.

61 c) Fer­ner hat der Klä­ger kei­nen An­spruch auf Aus­kunft auf Fra­ge 6. Das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung des be­trof­fe­nen Be­am­ten über­wiegt das In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se des Klä­gers. Die Fra­ge hat ei­nen be­son­ders star­ken Per­sön­lich­keits­be­zug und ist ge­eig­net, das Recht des Be­am­ten aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG er­heb­lich zu be­ein­träch­ti­gen. Die Fra­ge ist auf die In­for­ma­ti­on von Mut­ma­ßun­gen Drit­ter über mög­li­che Mo­ti­ve des Be­am­ten ge­rich­tet. Da­mit be­steht die Ge­fahr, dass das Er­schei­nungs­bild des be­trof­fe­nen Be­am­ten "ver­ding­licht" und von an­de­ren ma­ni­pu­liert wird. Des­halb ist dem in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­recht des be­trof­fe­nen Be­am­ten der Vor­rang vor dem In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Pres­se ein­zu­räu­men. Da­bei ist be­dacht wor­den, dass es zu den ver­fas­sungs­recht­lich ge­si­cher­ten Auf­ga­ben der Pres­se ge­hört, in­ves­ti­ga­tiv - in den Gren­zen des Zu­läs­si­gen - auch über Ver­däch­ti­gun­gen von ho­hem öf­fent­li­chen In­ter­es­se zu be­rich­ten. Denn auch Mög­lich­kei­ten, Wahr­schein­lich­kei­ten und Ver­dachts­la­gen ge­hö­ren zur so­zia­len Wirk­lich­keit, die auf­zu­be­rei­ten und über die zu in­for­mie­ren Merk­mal, Frei­heit und Auf­ga­be der Pres­se ist. Auch un­er­wie­se­ne Ver­däch­ti­gun­gen kön­nen un­ter Um­stän­den von be­rech­tig­tem öf­fent­li­chen In­ter­es­se sein und hier­auf grün­den­de Wahr­schein­lich­keits­wahr­neh­mun­gen lang­fris­tig in­di­vi­du­el­les, ge­sell­schaft­li­ches und po­li­ti­sches Han­deln be­ein­flus­sen (BVerfG, Kam­mer­be­schluss vom 7. Ju­li 2020 - 1 BvR 146/17 - Eu­GRZ 2020, 495 Rn. 13 m.w.N.). Hier geht es aber dar­um, dass die be­gehr­te In­for­ma­ti­on dar­auf ab­zielt, die Per­son des be­trof­fe­nen Be­am­ten selbst zum blo­ßen Ob­jekt von Ge­rüch­ten und Spe­ku­la­tio­nen zu ma­chen. Dem In­ter­es­se des be­trof­fe­nen Be­am­ten, da­von ver­schont zu blei­ben, kommt über­wie­gen­des Ge­wicht zu.

62 d) Wei­ter­ge­hen­de Aus­kunfts­an­sprü­che des Klä­gers be­stehen nicht.

63 aa) Die spe­zi­el­le Re­ge­lung des § 111 Abs. 2 BBG als be­reichs­spe­zi­fi­sches Da­ten­schutz­recht schlie­ßt ei­nen Rück­griff auf die Be­stim­mun­gen des Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes aus (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 2. April 2003 - 2 WD 21.02 - Buch­holz 236.1 § 29 SG Nr. 5 S. 3 und vom 27. Fe­bru­ar 2003 - 2 C 10.02 - BVer­w­GE 118, 10 <12>).

64 bb) Ein An­spruch nach dem Ge­setz zur Re­ge­lung des Zu­gangs zu In­for­ma­tio­nen des Bun­des (In­for­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz - IFG) vom 5. Sep­tem­ber 2005 (BGBl. I S. 2722), ge­än­dert durch Art. 44 der Ver­ord­nung vom 19. Ju­ni 2020 (BGBl. I S. 1328) ist nach § 5 Abs. 2 IFG aus­ge­schlos­sen. Bei In­for­ma­tio­nen aus Un­ter­la­gen, so­weit sie mit dem Dienst- oder Amts­ver­hält­nis in Zu­sam­men­hang ste­hen, kommt dem Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se des Be­trof­fe­nen von Ge­set­zes we­gen im­mer der Vor­rang im Sin­ne ei­nes ab­wä­gungs­re­sis­ten­ten Ver­sa­gungs­grun­des zu (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. No­vem­ber 2014 - 7 C 20.12 - BVer­w­GE 151, 1 Rn. 19, vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVer­w­GE 154, 231 Rn. 26 und vom 28. Fe­bru­ar 2019 - 7 C 20.17 - BVer­w­GE 165, 1 Rn. 20).

65 cc) Ei­ne dem Klä­ger güns­ti­ge­re Ent­schei­dung folgt schlie­ß­lich nicht aus eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben.

66 Es be­steht kein An­lass, das durch das na­tio­na­le Recht ge­fun­de­ne Er­geb­nis am Maß­stab des Art. 10 EM­RK ge­se­hen zu kor­ri­gie­ren. Es ist nichts da­für er­sicht­lich, dass die nach in­ner­staat­li­chem Recht zum Schutz der Per­sön­lich­keits­rech­te vor­ge­se­he­nen Ein­schrän­kun­gen (Art. 10 Abs. 2 EM­RK) bei Be­ach­tung des den Kon­ven­ti­ons­staa­ten zu­zu­bil­li­gen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raums den An­for­de­run­gen des Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes ("in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft not­wen­dig") nicht ge­nü­gen (zu­letzt BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 45 m. w. N.).

67 Kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­gibt sich aus Art. 11 GRCh. Denn das In­for­ma­ti­ons­frei­heits­recht ist - im Ge­gen­satz zu dem hier nicht ein­schlä­gi­gen Um­welt­in­for­ma­ti­ons­recht - nicht durch uni­ons­recht­li­che Vor­ga­ben voll­stän­dig de­ter­mi­niert. Es be­stehen kei­ne An­halts­punk­te da­für, dass die Grund­rech­te des Grund­ge­set­zes in­so­weit das Schutz­ni­veau der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on nicht mit­ge­währ­leis­ten (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2017 - 7 C 24.15 - BVer­w­GE 159, 194 Rn. 46; BVerfG, Be­schluss vom 6. No­vem­ber 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerf­GE 152, 152 Rn. 55 ff. <"Recht auf Ver­ges­sen I">).

68 6. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2 Vw­GO. Da­bei ist be­rück­sich­tigt wor­den, dass sich der Um­fang der Aus­kunfts­be­geh­ren in den In­stan­zen durch Teil­rechts­kraft und Er­le­digt­er­klä­rung ver­än­dert hat.