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Der Griff nach den Sternen Internationales Symposium in Halle (Saale) 16.–21. Februar 2oo5 Herausgeber Harald Meller und François Bertemes 5/I 2010 TAGUNGEN DES L ANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. isbn issn 978-3-939414-28-5 1867-44o2 Markus C. Blaich • Hannover; Carola Metzner-Nebelsick • München; Heiner Schwarzberg • München; Kathrin Wibbe Englische Übersetzungen bzw. Lektorat Marion und Robin Page • Cirencester; David Tucker • Halle (Saale) Endredaktion Kathrin Wibbe Technische Bearbeitung Designbüro media partis • Biederitz; numadesign • Magdeburg; Nora Seeländer Wissenschaftliche Redaktion Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren eigenverantwortlich. © Papier Satzschrift Konzept und Gestaltung Umschlaggestaltung Umschlagmotiv Layout, Satz und Produktion Druck und Bindung by Landesamt für Denkmalplege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale). Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Landesamt für Denkmalplege und Archäologie Sachsen-Anhalt unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. alterungsbeständig nach din/iso 97o6 FF Celeste, News Gothic Carolyn Steinbeck • Berlin Klaus Pockrandt • Halle (Saale) Himmelsscheibe von Nebra; Foto: Juraj Lipták • Köln Passage-Verlag • Leipzig; Nora Seeländer Graisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG • Calbe Inhalt Band I 13 Joachim Reichstein Nachruf auf Konrad Spindler 15 Winfried Grecksch Grußwort 17 Harald Meller Grußwort 19 François Bertemes Vorwort 23 Harald Meller Nebra: Vom Logos zum Mythos – Biographie eines Himmelsbildes Kulturgeschichte 77 Svend Hansen Der Hort von Nebra: seine Ausstattung 91 Heiko Breuer Untersuchung der Maßverhältnisse der Himmelsscheibe von Nebra 97 Bernd Zich Die frühbronzezeitliche Umgebung des Fundes mit der Himmelsscheibe von Nebra 119 Florian Innerhofer Zwischen Frühbronzezeit und Hügelgräberkultur – Zum zeitlichen Umfeld der Himmelsscheibe von Nebra in Mitteldeutschland 131 François Bertemes Die Metallurgengräber der zweiten Hälfte des 3. und der ersten Hälfte des 2. Jt. v. Chr. im Kontext der spätkupferzeitlichen und frühbronzezeitlichen Zivilisationen Mitteleuropas 163 Christian Strahm Die ökonomischen und ideellen Bedingungen der Formation frühbronzezeitlicher Eliten 177 Carola Metzner-Nebelsick Die Ringe der Macht – Überlegungen zur Kontinuität frühbronzezeitlicher Herrschaftssymbole in Europa 199 Patrice Brun, Laurent Aubry, Cyrille Galinand, Françoise Pennors and Pascal Ruby Elite and prestige goods during the Early and Middle Bronze Age in France 207 Maréva Gabillot Neue Forschungen zu den frühbronzezeitlichen »armorikanischen Tumuli« 217 Mireille David-Elbiali und Albert Hafner Gräber, Horte und Pfahlbauten zwischen Jura und Alpen – Die Entwicklung elitärer sozialer Strukturen in der frühen Bronzezeit der Westschweiz 239 Alessandro Vanzetti Social structure and power across the Alps in the Early and the Middle Bronze Age 253 Franco Nicolis The role of the central-eastern Alps in connecting Mediterranean and central European elites during the Bronze Age 261 Konrad Spindler † Wanderweidewirtschaft 269 Susanne Weinberger Bemerkungen zum Kriegswesen im österreichischen Weinviertel in der Frühbronzezeit 281 Alexandra Krenn-Leeb Ressource versus Ritual – Deponierungsstrategien der Frühbronzezeit in Österreich 317 Gerhard Trnka Zur Problematik frühbronzezeitlicher Kreisgrabenanlagen im Mitteldonauraum 333 Michael Schefzik Siedlungen der Frühbronzezeit in Mitteleuropa – Eine Gegenüberstellung der Hausformen Süddeutschlands und des Aunjetitzer Bereiches 351 Peter Ettel Die frühbronzezeitlichen Höhensiedlungen in Mitteldeutschland und Mitteleuropa – Stand der Forschung 381 Johannes Müller und Janusz Czebreszuk Bruszczewo und Łęki Małe – Ein frühbronzezeitliches Machtzentrum in Großpolen 397 Mike Parker Pearson, Josh Pollard, Colin Richards, Julian Thomas, Chris Tilley and Kate Welham Stonehenge and Early Bronze Age cosmology 417 Richard J. Harrison Stonehenge in the Early Bronze Age Ikonographie und Religion 431 Kristian Kristiansen The Nebra find and early Indo-European religion 439 Wolfgang David Die Zeichen auf der Scheibe von Nebra und das altbronzezeitliche Symbolgut des MitteldonauKarpatenraumes 487 Regine Maraszek Ein Schiff auf dem Himmelsozean – Zur Deutung des geiederten Goldbogens auf der Himmelsscheibe von Nebra 501 Stefan Wirth Sonnenbarke und zyklisches Weltbild – Überlegungen zum Verständnis der spätbronzezeitlichen Ikonographie in Mitteleuropa 517 Margarita Primas Himmelskörper im Bild – Nebra und Sion 521 Flemming Kaul The sun image from Trundholm (»The Chariot of the Sun«) – a commented history of research 537 Christoph Sommerfeld Die Kehrseite – Anmerkungen zur Rolle des Mondes in der Ikonographie der Bronzezeit 553 Marion Uckelmann Zur Ornamentik jungbronzezeitlicher Schilde 563 Eugène Warmenbol Drowning by numbers – nine lives, twelve deaths in the Bronze Age Band II Fernbeziehungen 579 Henrik Thrane Contacts between Central and northern Europe 591 Brendan O’Connor From Dorchester to Dieskau – some aspects of relations between Britain and Central Europe during the Early Bronze Age 603 Sabine Gerloff Von Troja an die Saale, von Wessex nach Mykene – Chronologie, Fernverbindungen und Zinnrouten der Frühbronzezeit Mittel- und Westeuropas 641 Florian Ruppenstein Einfache Radnadeln als Indikatoren europaweiter Fernbeziehungen zur Zeit der Deponierung der Himmelsscheibe von Nebra 657 Reinhard Jung Der Charakter der Nordkontakte der minoischen und mykenischen Zivilisation um 16oo v. u. Z. 675 Lorenz Rahmstorf Die Nutzung von Booten und Schiffen in der bronzezeitlichen Ägäis und die Fernkontakte der Frühbronzezeit 699 Hermann Parzinger Mitteleuropa und der eurasische Steppenraum während der Frühbronzezeit 711 Anthony Harding Discussant’s commentary long-distance contacts Archäometallurgie 719 Ernst Pernicka Archäometallurgische Untersuchungen am und zum Hortfund von Nebra 735 Gregor Borg Warum in die Ferne schweifen? Geochemische Fakten und geologische Forschungsansätze zu Europas Goldvorkommen und zur Herkunft des Nebra-Goldes 751 Daniel Berger, Roland Schwab und Christian-Heinrich Wunderlich Technologische Untersuchungen zu bronzezeitlichen Metallziertechniken nördlich der Alpen vor dem Hintergrund des Hortfundes von Nebra 779 Barbara Regine Armbruster Tauschiertechnik im bronzezeitlichen Nord- und Mitteleuropa 791 Claus-Stephan Holdermann und Frank Trommer Verfahrenstechniken und Arbeitsaufwand im frühbronzezeitlichen Metallhandwerk – Technologische Aspekte der Himmelsscheibe von Nebra – Ein Erfahrungsbericht 807 Knut Rassmann Die frühbronzezeitlichen Stabdolche Ostmitteleuropas – Anmerkungen zu Chronologie, Typologie, Technik und Archäometallurgie 823 Tobias L. Kienlin Zu Herstellung, Eigenschaften und chronologischer Stellung der frühbronzezeitlichen Randleistenbeile des Sächsischen Typs 845 Rüdiger Krause Bronzezeitliche Kupfergewinnung in den Alpen – Überlegungen zur Organisation des Metallkreislaufs 865 Martin Bartelheim Schmiedefürsten oder Großbauern? Elite und Metalle in der Frühbronzezeit Mitteleuropas 881 Vicente Lull, Rafael Micó, Cristina Rihuete Herrada und Roberto Risch Macht und Metall im 3. und 2. Jt. v. u. Z. im Südosten der Iberischen Halbinsel 903 Helle Vandkilde Metallurgy, inequality and globalization in the Bronze Age – discussant’s commentary on the papers in the metallurgy session Astronomie 913 Wolfhard Schlosser Die Himmelsscheibe von Nebra – Astronomische Untersuchungen 935 Burkard Steinrücken Die Dynamische Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra 947 Armin Wirsching Das Himmelsgewölbe auf der Himmelsscheibe von Nebra 953 Rahlf Hansen Sonne oder Mond? Verewigtes Wissen aus der Ferne 963 Felix Schmeidler † Archäologie und Astronomie in den frühen Hochkulturen und die Himmelsscheibe von Nebra 969 Hermann Hunger Möglichkeiten und Grenzen früher Astronomie in Mesopotamien 973 Felix Blocher Gestirns- und Himmelsdarstellungen im alten Vorderasien von den Anfängen bis zur Mitte des 2. Jt. v. Chr. 989 Joachim Friedrich Quack Altägyptische Himmelsdarstellungen 1003 Alexandra von Lieven »Er kennt die Geburt des Re und seine Verwandlung in der Flut …« – Altägyptische Vorstellungen über den Sonnenlauf 1011 Andreas Hänel Waren europäische Megalithgräber frühe Sternwarten? 1021 Wolfhard Schlosser Diskutantenbericht Astronomie Anhang 1029 Die Himmelsscheibe von Nebra – Koordinatennetz und Sternnummerierungen Nebra: Vom Logos zum Mythos – Biographie eines Himmelsbildes Harald Meller Abstract Nebra: from logos to mythos – biography of a representation of the sky The Nebra Sky Disc, one of the most important archaeological finds of Central Europe, has been found by metal detectorists and circulated illegally at first. The find was finally secured in a police operation. Subsequent criminal investigations and extensive court cases ascertained the exact find spot of the Sky Disc, the circumstances of the discovery, and the history of its initial circulation without doubt. The results were confirmed in detail by a number of scientific analyses, proving also the authenticity of the disc and the integrity of the complete hoard unequivocally. The deposition of the hoard dates to around 16oo BC. The composition of the hoard with swords, adzes, and spiral armbands is characteristic for the Early Bronze Age in central eastern Germany. The high quality swords are imitations of so-called Apa swords, transmitted in this case via Denmark and the Sögel blade horizon. The disc has been altered at least four times during its time of utilization, changing its visual content. These alterations are probably linked with changing ownership of the disc. All holders presumably belonged to the leading classes of their societies. The Sky Disc in its first phase illustrates the leap rule to synchronize the lunar and solar calenders, with the knowledge encoded several times. This knowledge was lost in phase 2 when the horizon arcs were added. These represent the old Neolithic lore of the course of the sun between winter and summer solstice and indicate a vision of the world in the shape of a dome. In the third phase, the disc image was altered mythologically by the addition of a golden ship crossing the southern sky. This image too was destroyed by the perforation of the edge in the fourth phase. The perforated disc was presumably attached to a standard, simply representing the sky or the sun. In phase five, after one horizon arc had been torn off, the disc was sacrificed to the gods on the Mittelberg and thereby removed out of sight of mankind for 36oo years. Keywords: find history, »acquisition«, court case, Mittelberg excavations, Nebra swords, Sky Disc phases Einleitung Die Himmelsscheibe von Nebra ist zweifellos einer der wichtigsten archäologischen Funde des letzten Jahrhunderts. Ihre illegale Auffindung und die Sicherstellung in einer AufTA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Zusammenfassung Die Himmelsscheibe von Nebra, einer der wichtigsten archäologischen Funde Mitteleuropas, wurde von Raubgräbern entdeckt und über Hehler in Umlauf gebracht. Schließlich gelang die Sicherstellung des Fundes im Zuge einer Polizeiaktion. Durch die anschließenden polizeilichen Ermittlungen und z. T. langwierigen Gerichtsprozesse wurden Fundumstände, Fundgeschichte und ursprünglicher Fundort zweifelsfrei aufgeklärt. Diese Ermittlungsergebnisse wurden durch verschiedene naturwissenschaftliche Verfahren im Detail bestätigt, so dass heute die Echtheit und die Zusammengehörigkeit des Fundes unbestritten sind. Die Niederlegung des Hortfundes datiert in die Zeit um 16oo v. Chr. Das Hortfundmuster aus Schwertern oder Dolchen, Beilen und Armspiralen ist charakteristisch für frühbronzezeitliche Deponierungen im mitteldeutschen Raum. Die hochwertigen Schwerter sind als Imitationen sogenannter Apa-Schwerter – allerdings über Dänemark und den SögelKlingen-Horizont vermittelt – zu sehen. Die Himmelsscheibe selbst wurde während ihres Nutzungszeitraumes mindestens vier Mal in Bezug auf den Bildinhalt verändert. Diese Änderungen sind vermutlich jeweils mit einem Besitzerwechsel in Verbindung zu bringen, wobei die Besitzer der jeweiligen Führungsschicht angehört haben dürften. Phase 1 zeigt mehrfach codiert die Schaltregeln zur Herstellung eines Lunisolarkalenders. Dieses Wissen geht in Phase 2 verloren. Hier werden Horizontbögen aufgebracht, die das alte neolithische Wissen des Sonnenlaufes zwischen Winter- und Sommersonnenwende wiedergeben und darüber hinaus einen Hinweis auf die Kenntnis eines Kuppelweltbildes liefern. In Phase 3 erfährt das Bild durch die Anbringung eines goldenen Schiffes, das über den südlichen Himmel fährt, eine mythologische Umdeutung. Auch dieses Bild wird durch die randliche Durchlochung in Phase 4 zerstört. Die durchlochte Scheibe dürfte – nun an einer Standarte befestigt – auf das bloße Himmelsbild oder die Sonne verweisen. In Phase 5 wird, nachdem ein Horizontbogen abgerissen worden ist, die Scheibe den Göttern auf dem Mittelberg bei Nebra geopfert und so für 36oo Jahre dem Anblick der Menschen entzogen. Schlüsselbegriffe: Fundgeschichte, »Erwerb«, Prozesse, Grabungen auf dem Mittelberg, Schwerter von Nebra, Phasen der Himmelsscheibe sehen erregenden Polizeiaktion sowie der Schatzcharakter und das goldene, einprägsame, aber doch rätselhafte Bildnis der Scheibe selbst machten sie in Kürze zu einem der bekanntesten archäologischen Funde Deutschlands1. 24 HARALD MELLER Mit allen Attributen ausgestattet, die einen Sensationsfund ausmachen, bewegen der Fund, die Entdeckungsgeschichte, aber auch der Fortgang der wissenschaftlichen Analysen und Ergebnisse die Menschen weit über Deutschland hinaus2. Aufgrund der Herkunft der Himmelsscheibe aus einer Raubgrabung waren den beteiligten Archäologen anfangs weder der jeweilige Besitzer noch der Verwahrungsort der Himmelsscheibe bekannt. Erst mit der Festnahme der letzten Besitzer und Hehler wurden die Himmelsscheibe und ihre Beifunde sichergestellt. Weiterhin ungeklärt blieb zunächst die Frage nach dem Fundort, der genauen Auffindungs- und Befundsituation sowie der Zusammengehörigkeit des Fundensembles. Bei der Entscheidung, die Himmelsscheibe nicht über Umwege anzukaufen, sondern in einer polizeilichen Ermittlungsaktion sicherstellen zu lassen, musste ein zweifaches Risiko in Kauf genommen werden: zum einen den Fund durch vorzeitige Aufdeckung des Polizeieinsatzes für immer zu verlieren; zum anderen wäre bei einem ersatzweise vermittelten Erwerb, wie im Falle des bekannten Berliner Goldhutes3, davon auszugehen gewesen, weder Fundort noch Finder oder gar die Fundgeschichte aufklären zu können. Dass all diese zentralen Fragen heute als von polizeilicher und gerichtlicher, aber auch naturwissenschaftlicher und archäologischer Seite als eindeutig geklärt gelten können, zeigt nachträglich die Richtigkeit der damaligen Entscheidung, die Himmelsscheibe nicht mit einer »Legende« aus Hehlerhand zu erwerben, sondern den Weg der polizeilichen Ermittlungen zu beschreiten. Der »Erwerb« Die z. T. abenteuerliche Sicherstellung der Himmelsscheibe von Nebra durch die Ermittlungsarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei ist ebenso wie die daran anschließenden Prozesse, Gutachten sowie die verschiedenen Aussagen der Beteiligten für die zentralen wissenschaftlichen Fragen nach Herkunft und Zusammengehörigkeit des Fundes von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der äußerst umfangreichen und unübersichtlichen, ja z. T. verworrenen Aktenund Berichtslage folgt an dieser Stelle ein notwendigerweise umfangreicher chronologischer Überblick zu den wichtigsten Ereignissen und Erkenntnissen vom ersten Bekanntwerden des Fundes über dessen Erwerb bis hin zur Lokalisierung des Fundortes unter Berücksichtigung der gesamten Fundgeschichte. 1 Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um eine erweiterte und veränderte Version des Einführungsvortrages, in der versucht wird, den Wissensstand zur Himmelsscheibe von Nebra bis 2o1o (soweit publiziert) in den wesentlichen Grundzügen zu berücksichtigen. Der Artikel stellt somit in gewisser Weise eine Synthese der Arbeiten der DFGForschergruppe 55o während der letzten Jahre dar. Seit Februar 2oo5 hat die Forscher- Die Fundgeschichte Datum: 1o.o5.2oo1 Ort: Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte (Schloss Charlottenburg) Teilnehmer: Prof. Dr. W. Menghin (Landesarchäologe von Berlin und Direktor des Museums für Vorund Frühgeschichte Berlin), Dr. H. Meller (Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt und Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle), Dr. A. Muhl (Kurator im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle) Inhalt: Menghin zeigt den beiden Kollegen aus Halle 25 farbige Amateuraufnahmen mäßiger Qualität, auf denen vorgeschichtliche Gegenstände eines angeblich zusammengehörigen Fundes zu sehen sind. Es handelt sich dabei um zwei Schwerter, zwei Beile, einen Meißel, einen Spiralarmring sowie weitere Armringbruchstücke; hinzu kommen diverse Kleinstfunde in einem Plastikschächtelchen. Die Objekte liegen auf mehreren verschiedenfarbigen Stoffen, darunter Frotteehandtücher. Etliche der Motive wiederholen sich. Im Wesentlichen sind die mehrteiligen Schwertgriffe mit Goldverzierung, eine Übersichtsaufnahme der beiden Schwerter, der Beile mit Meißel sowie eine Übersichtsaufnahme der Himmelsscheibe mit Beilen, Meißel und Armringen zu sehen. Die Scheibe selbst erscheint noch weitgehend ungereinigt. Ein letztes Foto auf dunklem Stoff mit Maßstab zeigt die Himmelsscheibe gereinigt. Die Beifunde machen ebenfalls einen nahezu völlig ungereinigten Eindruck. Dieser Fund, so führt Menghin aus, sei ihm vor zwei Jahren bei einem konspirativen Treffen in einer Gaststätte von zwei Männern zum Kauf angeboten worden. Der Fund stamme aus Sachsen-Anhalt. Er sei bei Sangerhausen im Bereich des Abschnittswalles einer bronzezeitlichen Höhenburg ausgegraben worden. Nach der Auffindung sei der Fund für 15 ooo DM verkauft und anschließend für 8o ooo DM an die beiden Herren weiterverkauft worden. Diese verlangten nun für den Fund 1 Mio. DM. Menghin betonte damals, dass er den Fund wegen des Fundortes in Sachsen-Anhalt (dort gültiges Schatzregal) nicht aufkaufen dürfe. Er informierte den seinerzeit zuständigen Landesarchäologen, der daraufhin auch mit den Findern telefoniert habe. Nun, so teilt Menghin mit, sei der Fund, nachdem er verschwunden war, wieder auf dem grauen Markt aufgetaucht, wie ihn ein bekannter Kunsthändler habe wissen lassen. Im anschließenden Telefonat zwischen Meller und dem Kunsthändler W. stellt sich heraus, dass der Fund noch nicht geteilt und angeblich von den momentanen Besitzern für 3oo ooo DM erworben worden ist. Meller erwähnt die gruppe besonders im Hinblick auf die astronomische Interpretation der ersten Phase der Himmelsscheibe, die Beurteilung der Höhensiedlungen sowie die Herkunft der Metalle, vor allem des Zinns und des Goldes, herausragende neue Ergebnisse erzielen können. An dieser Stelle sei allen Mitgliedern der Forschergruppe und allen beteiligten Kollegen für ihre Anregungen und Ergebnisse, aber auch für ihre Kritik gedankt. 2 Zu Sensationsfunden in der Archäologie in Bezug auf öffentliche und wissenschaftliche Wahrnehmung am Beispiel der Himmelsscheibe von Nebra siehe Meller 2oo8. – Zur Himmelsscheibe und der medialen Wirkung siehe auch Reichenberger 2oo4, 23 f. 3 Zur Erwerbsgeschichte des Goldhutes siehe Menghin 2ooo. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Rechtslage, die Bedeutung des Fundes sowie den Willen, diesen für das Land Sachsen-Anhalt sicherzustellen. Der Händler versichert seinen Vermittlungswillen. In Bezug auf die außergewöhnliche Bedeutung des Fundes stimmt Meller mit Menghin überein. In einer Erstdiagnose äußert Meller, dass der Fund zusammengehörig sein könnte und aus typologischer Sicht in das 17.–16. Jh. v. Chr. datiere. Weiter sei die Fundzusammensetzung für Mitteldeutschland denkbar, die Scheibe selbst jedoch völlig exzeptionell. Die Doppelung von Beil und Schwert entspräche dem Inventar des Fürstengrabes von Leubingen. Zudem betont Meller die Notwendigkeit einer Prüfung auf Echtheit. Datum: Ort: Teilnehmer: 1o.o5.2oo1 Berlin Dr. C. Metzner-Nebelsick (Assistentin am Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichte an der Freien Universität Berlin), Dr. L. Nebelsick (Referent des Landesamtes für Archäologie Sachsen), Dr. H. Meller Goldeinlagen). Der Fund solle von einem Abschnittswall bei Sangerhausen stammen und 1 Mio. DM kosten, sei aber als »heiße Ware« für ca. die Hälfte zu haben. Die Verkäufer wollten wissen, ob das Museum in Halle interessiert sei. Andernfalls würde der Fund unter der Hand verkauft. Bei einem Einsatz der Polizei wäre der Fund verschwunden. Menghin bitte darum, diese Informationen an den Landesarchäologen weiterzugeben, sowie um sofortigen Rückruf. Datum: Ort: Teilnehmer: Inhalt: 22.o5.2oo1 Kempten, Tagung der Landesarchäologen Prof. Dr. W. Menghin, Dr. H. Meller Menghin teilt Meller mit, er habe den Fund selbst nie im Original, sondern nur auf Fotografien gesehen. Offensichtlich sei neben den beiden Männern eine dritte Person beteiligt. Er selbst halte Sachsen-Anhalt als Fundort für wahrscheinlich, da diese Angabe für die potenziellen Verkäufer von Nachteil sei. Um den Fund seien Steine gesetzt gewesen. Inhalt: Meller macht die beiden Berliner Kollegen, ausgewiesene Bronzezeitspezialisten, mit den Fotos und Informationen bekannt, die ihm von Menghin überlassen worden sind. Diese teilen dessen Einschätzung in Bezug auf die Bedeutung des Fundes und bekräftigen die chronologische und kulturelle Einordnung. Datum: Ort: Teilnehmer: 11.o5.2oo1 Dresden Dr. R. Maraszek (Referentin des Landesamtes für Archäologie Sachsen), Dr. F. Innerhofer (Referent des Landesamtes für Archäologie Sachsen), Dr. H. Meller Inhalt: Die Dresdner Bronzezeitspezialisten bestätigen ebenfalls die im Falle der Authentizität des Fundes außergewöhnliche Bedeutung für die gesamteuropäische Vorgeschichte. Innerhofer weist zudem darauf hin, dass es sich aus seiner Sicht bei dem größeren randlich anliegenden Goldbogen um einen Horizontbogen handeln könne, der Sonnenauf- oder untergang markiert. Auf der Gegenseite könne ein entsprechender Bogen angebracht gewesen sein. Datum: Ort: Inhalt: 17.o5.2oo1 Halle, Archiv Landesamt für Archäologie Im Archiv des Landesamtes findet sich als einziges Zeugnis des von Menghin erwähnten Telefonates mit dem ehemaligen Landesarchäologen sowie der daraufhin erfolgten Kontaktaufnahme mit den mutmaßlichen Hehlern eine Aktennotiz vom o6.12.1999, erstellt durch Muhl. Demnach setzt Menghin Muhl am o4.12.1999 fernmündlich davon in Kenntnis, dass dem Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin ein bronzezeitlicher Depotfund zum Kauf angeboten worden sei (zwei Schwerter mit Goldeinlagen, zwei Beile, ein Reif, Ringe und eine ca. 3o cm große Bronzeplatte mit TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Datum: Ort: Teilnehmer: 28.o5.2oo1 Halle, Landesamt für Archäologie Gutachten von Dr. Ch.-H. Wunderlich (Leiter der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle) Inhalt: Im Rahmen eines internen Gutachtens analysiert der Leiter der Restaurierungswerkstatt, Wunderlich, den Fund auf Grundlage vorliegender Fotos. Er setzt diese in SchwarzWeiß-Abbildungen um und ermittelt anhand eines Zollstockes, der sich auf einem der Bilder befindet, die ungefähren Größenverhältnisse der Fundgegenstände. Für das verwendete Material der Scheibe nimmt er eine Zinnbronze mit einem Zinngehalt von ca. 5 % oder weniger an. Als Technik der Goldanbringung hält er eine Tauschierung für wahrscheinlich. Zudem bespricht er die verschiedenen Reinigungszustände. Abschließend verweist Wunderlich auf die Notwendigkeit metallurgischer Prüfungen etc., um die Authentizität des Fundes zu belegen. Datum: Teilnehmer: Inhalt: 29.o5.2oo1 Telefonat Kunsthändler W. und Dr. H. Meller Der Kunsthändler W. teilt mit, er habe den Fund im Original gesehen und inzwischen mit einem Anwalt telefoniert, der den momentanen Besitzer kenne. Der Fund sei vorher den Museen in Berlin und München zum Kauf angeboten worden, die beide ablehnten. Es habe die Gefahr gedroht, dass die leichter verkäuflichen Schwerter von der Scheibe getrennt würden. Mehrere Personen hätten daraufhin den Fund für 3oo ooo DM gekauft. Er selbst habe den Fund vor zwei Jahren im Original unrestauriert und erdfrisch, allerdings seiner Ansicht nach bereits einmal gewaschen gesehen. 25 26 HARALD MELLER Datum: Ort: Teilnehmer: 29.o5.2oo1 Magdeburg Dr. H. Meller, Vertreter des Kultusministeriums, Vertreter des Landeskriminalamtes (verdeckte Ermittlungen) Inhalt: Die Bedeutung des Fundes für das Land Sachsen-Anhalt und darüber hinaus wird durch Meller dargelegt. Die Notwendigkeit und der Wunsch, den Fund rechtmäßig in Landesbesitz zu bringen, werden festgehalten. Meller solle bei potenziellen Verkäufern Interesse an dem Fund signalisieren und möglichst viele Informationen über Fundort, Zeitpunkt, Kaufpreis, Echtheitsbestätigung etc. in Erfahrung bringen. Das LKA hält Kontakt zur zuständigen Staatsanwaltschaft. Ein möglicher Ankauf und polizeiliche Schritte werden offengehalten. Die Kulturstiftung der Länder soll kontaktiert werden. Datum: Ort: Teilnehmer: o1.o6.2oo1 Halle, Landesamt für Archäologie Gutachten von Th. Richter (Physiker und Leiter des Referates EDV im Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt), Dr. H. Meller Inhalt: In einem internen Gutachten zur möglichen Bedeutung der astronomischen Darstellungen auf der Himmelsscheibe kommt Richter zu dem Schluss, dass es sich bei der Anordnung von sieben Sternen zwischen »Sichelmond« und »Vollmond« um die Darstellung des Sternenhaufens der Plejaden handeln könnte. Datum: Ort: Teilnehmer: Inhalt: 26.o6.2oo1 Halle Gutachten von Dr. H. Meller Meller erstellt für das Kultusministerium ein zusammenfassendes Gutachten. In dieses Gutachten fließen die Erkenntnisse Wunderlichs, Richters und Innerhofers ein. Folglich werden die Plejaden, ein Horizontbogen sowie die astronomische Grundkonfiguration angesprochen. Datiert wird der Fund in die Stufe Frühbronzezeit A3, um ca. 16oo v. Chr. Für den Fall der Echtheit und Zusammengehörigkeit wird der Fund aufgrund der einmaligen Darstellung von Himmelsphänomenen, die bislang in der alteuropäischen Bildwelt völlig unbekannt sind, als eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts eingestuft. Weiterhin wird auf den Sonnenwagen von Trundholm, die bronzezeitlichen Schiffsdarstellungen auf Rasiermessern sowie auf stilisierte Wasservögel in Zusammenhang mit Sonnenbarken, kurz auf das bronzezeitliche Symbolgut, aber auch auf die astronomische Decke der Sargkammer im Grab des Pharaos Sethos I. hingewiesen. Datum: Ort: Teilnehmer: 17.o7.2oo1 Berlin, Kulturstiftung der Länder Prof. K. von Welck (Generaldirektorin der Kulturstiftung der Länder), Prof. J. Fischer (stellvertretender Generaldirektor der Kulturstiftung der Länder), Dr. B. Richter (Staatssekretär im Kultusministerium SachsenAnhalt), Dr. H. Meller Inhalt: Datum: Teilnehmer: 12.o6.2oo1 Schreiben von Prof. Dr. W. Menghin an Dr. H. Meller Inhalt: Menghin setzt Meller brieflich darüber in Kenntnis, dass ihm der Fund im Herbst 1999 telefonisch zum Kauf angeboten worden sei. Wenige Tage danach sei es zu einem Treffen mit zwei Männern, den damaligen Besitzern, gekommen. Sie legten Menghin Farbfotos vor, die in höchstem Maße seine Aufmerksamkeit erregten. Die exorbitanten Preisvorstellungen leiteten sich seines Erachtens wohl aus der Kaufsumme des sogenannten Berliner Goldhutes ab. Der Fund stamme vom Fuß einer Ringwallanlage in Sachsen-Anhalt. Die wievielten Besitzer die beiden Männer selbst waren, blieb unklar. Sie behaupteten, die Fundstelle aus eigenem Augenschein zu kennen. Sie überließen Menghin die Fotos leihweise, von denen dieser ohne deren Erlaubnis Kopien anfertigte (und die er dann im Mai 2oo1 an Meller übergab). Die weiteren Kontakte verliefen über einen Mittelsmann in München, dem Menghin schließlich mitteilte, dass er die Funde nicht erwerben könne, da sie aus Sachsen-Anhalt stammen und erst dem dortigen Landesmuseum angeboten werden müssten. Auf seine Vermittlung hin kam es zu einem Telefongespräch mit dem damaligen Landesarchäologen, »der die diffizile Angelegenheit nicht zu bewältigen wusste. Daraufhin brachen die Veräußerer den Kontakt mit mir ab.« (Menghin). Meller erläutert die außerordentliche Bedeutung des Fundes für Deutschland, Richter die rechtliche Situation. Es wird um die Unterstützung der Kulturstiftung der Länder gebeten, die von Welck zusagt. Für eventuelle Verhandlungen wird der Landesarchäologe von Schleswig-Holstein, Reichstein, als Vermittler benannt. Datum: Teilnehmer: Inhalt: 27.o7.2oo1 Telefonat Kunsthändler W. und Dr. H. Meller Händler W. begrüßt die Einbeziehung der Kulturstiftung der Länder und bittet um ein legitimierendes Schreiben gegenüber den Besitzern. Meller verweist ihn diesbezüglich an Reichstein. Datum: Teilnehmer: o7.o8.2oo1 Schreiben von Prof. J. Reichstein (Landesarchäologe von Schleswig-Holstein) an Kunsthändler W. Inhalt: Reichstein bestätigt, dass er von Seiten der Kulturstiftung der Länder gebeten wurde, eventuelle Ankaufsverhandlungen zu begleiten. Er betont die Notwendigkeit, den Fund in Augenschein zu nehmen und den Kontakt mit den derzeitigen Besitzern herzustellen. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Datum: Ort: Teilnehmer: Inhalt: 3o.11.2oo1 Berlin, Tagung des Museumsbundes Gespräch Dr. H. Meller und Prof. W. Menghin Menghin teilt Meller mit, er sei am o5.11.2oo1 von einem Rechtsanwalt angerufen worden, der den momentanen Besitzer des Bronzefundes vertrete. Menghin sei angeboten worden, den Fund zu publizieren. Er habe wegen der illegalen Erwerbung abgelehnt. Nach Meinung Menghins handelt es sich bei dem Rechtsanwalt um die Kontaktperson des Kunsthändlers W. zu den Besitzern. Er nennt Meller daraufhin die Adresse des Rechtsanwaltes K., über den möglicherweise der Kontakt zu den jetzigen Besitzern hergestellt werden könne. Menghin selbst bietet an, den Fund unter dem Vorwand, ihn doch publizieren zu wollen, nach Berlin zu lotsen. Dort könne er sichergestellt werden. Datum: Teilnehmer: 29.o1.2oo2 Telefonat Prof. A. Lang (Professorin für Vorund Frühgeschichte am Lehrstuhl für Vorund Frühgeschichte der Ludwig-MaximiliansUniversität München) und Dr. H. Meller Inhalt: Lang berichtet, der »Focus«-Journalist Weber habe sie in ihrem Institut aufgesucht. Er habe ihr Fotos des Fundes vorgelegt, verbunden mit der Frage nach der möglichen Echtheit. Lang bestätigte die herausragende Bedeutung des Fundes, der ihres Erachtens wahrscheinlich echt ist. Weiterhin informierte sie den Journalisten über die Gesetzeslage und die möglicherweise vorangegangene Raubgrabung. Weber wollte daraufhin in jedem Fall über den Fund berichten und sich mit dem Landesarchäologen Meller in Verbindung setzen. Anhalt sicherzustellen. Daraufhin sagt Menghin zu, den Rechtsanwalt als Kontaktmann anzusprechen. Datum: Ort: Teilnehmer: o5.o2.2oo2 Magdeburg Gespräch Vertreter des Kultusministeriums, Vertreter des Landeskriminalamtes und Dr. H. Meller Inhalt: Die Sachlage und das weitere taktische Vorgehen werden abgestimmt. Datum: Ort: Teilnehmer: o6.o2.2oo2 Halle, Landesamt für Archäologie Gespräch C. Weber, Dr. H. Meller und verdeckter Ermittler Inhalt: Weber legt gute Fotos des Schatzfundes vor, die er von einem Informanten erhalten hat, dessen Namen er nicht nennen möchte. Meller verweist auf die Rechtslage und die Problematik einer Publikation im »Focus«, die die Beschaffung des Fundes eventuell verhindern oder erschweren würde. Weber will die Veröffentlichung des Artikels bis zum 18.o2.2oo2 zurückhalten. Nach konkreter Unterstützung gefragt, möchte Weber den ihm bekannten Vermittler fragen. Möglicherweise seien die momentanen Besitzer zu einer Präsentation im Ausland bereit. Datum: Teilnehmer: o6.o2.2oo2 Telefonat Dr. H. Meller und Prof. W. Menghin Inhalt: Datum: Teilnehmer: 29.o1.2oo2 Telefonat C. Weber (Redakteur des Wochenmagazins »Focus«) und Dr. H. Meller Inhalt: Weber erklärt, er sei im Besitz von Fotos der Bronzescheibe. Meller bestätigt ihm, dass die Funde wahrscheinlich echt sind, aber bei der bloßen Vorlage von Fotos eine Fälschung nie auszuschließen ist. Weber erwähnt Interessenten an dem Fund aus den USA. Die Fotos habe er über Mittelsmänner erhalten. Die momentanen Besitzer kenne er nicht. Meller weist auf die Rechtslage hin. Beide verabreden einen Besprechungstermin am o6.o2.2oo2. Datum: Teilnehmer: Inhalt: 3o.o1.2oo2 Telefonat Dr. H. Meller und Prof. W. Menghin Beide sind der Meinung, dass durch eine derzeitige Publikation in der Zeitschrift »Focus« der Fund möglicherweise dem Handel entzogen werden und in dunkle Kreise gelangen könnte. Meller spricht Menghin auf dessen Angebot vom Treffen im November an, wonach der Fund zur Bearbeitung nach Berlin geholt würde, um ihn dort für das Land Sachsen- TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Menghin hat inzwischen mit Weber telefoniert und diesem detailliert Auskunft zum bisherigen Verlauf erteilt. Danach hat er den Kontaktmann Rechtsanwalt K. erreicht. Nach dem Telefonat mit K. wurde er von einer Frau B. angerufen, die angab, eine Museumsgaststätte zu besitzen und Museumspädagogin zu sein. Sie habe Fotos des Schatzfundes. Der Fund sei in der Schweiz. Eine Privatperson habe 7oo ooo DM für den Ankauf des Fundes aufgebracht, um eine Abwanderung in die USA zu verhindern. Nach Meinung Menghins hat Frau B. den Fund selbst gesehen; zudem schien sie über neuere Fotos zu verfügen. Weitherhin führte sie an, sie handele aus edlen Motiven und habe bereits einen Roman über den Fund geschrieben. Jedoch weigerte sie sich, Menghin ihre Telefonnummer zu hinterlassen. Datum: Teilnehmer: Inhalt: o8.o2.2oo2 Telefonat Dr. H. Meller und Prof. W. Menghin Menghin kann inzwischen den Namen der Anruferin, Frau B., nennen. Es ist ihm jedoch nicht klar, ob es sich um einen einfachen oder einen Doppelnamen handelt. Frau B. wohne in Kaarst, was zu den anderen Hinweisen passe. 27 28 HARALD MELLER Datum: Teilnehmer: Inhalt: o8.o2.2oo2 Telefonat C. Weber und Dr. H. Meller Weber ist von seiner Kontaktperson angerufen worden. Diese wolle nun Meller kontaktieren. Sie sei zwar nicht die momentane Besitzerin, habe aber Zugang zu dem Fund, da sie es dem »Focus« unter konspirativen Umständen ermöglicht habe, die Stücke erneut zu fotografieren. Die Kontaktperson habe Weber gesagt, die Bronzescheibe sei wieder in die Schweiz gebracht worden. Datum: Ort: Teilnehmer: 11.o2.2oo2 München, Redaktion des »Focus« Gespräch C. Weber, Dr. H. Meller und verdeckter Ermittler des Landeskriminalamtes Datum: Teilnehmer: Inhalt: 13.o2.2oo2 Telefonat Dr. H. Meller und Frau B. Frau B. teilt mit, dass ihr Anwalt nach einer Möglichkeit suche, wie man die Scheibe sehen und auf Echtheit prüfen könne. Sie schlägt ein Treffen am 16.o2.2oo2 bei Köln vor. Datum: Ort: Teilnehmer: Inhalt: 15.o2.2oo2 Halle Verdeckter Ermittler, Dr. H. Meller Mit dem zuständigen verdeckten Ermittler des LKA findet eine Vorbesprechung in Bezug auf die Gesprächstaktik zum geplanten Treffen mit Frau B. am 16.o2.2oo2 statt. Inhalt: Weber bestätigt, dass die von Menghin genannte Frau B. auch seine Vermittlerin ist. Auf ihre Veranlassung hin wurde in der vergangenen Woche der ganze Schatzfund (wahrscheinlich in der Region Kaarst) gezeigt und durch einen Fotografen des »Focus« abgelichtet. Danach soll der Fund wieder in die Schweiz gebracht worden sein. Meller betont, Frau B. oder Rechtsanwalt K. anrufen zu wollen, falls diese sich nicht meldeten. Datum: Teilnehmer: 12.o2.2oo2 Telefonat Frau B. (Gastwirtin der Gaststätte »Historia« in Kaarst) und Dr. H. Meller Inhalt: Frau B. teilt Meller mit, sie habe einen Bekannten überredet, den Fund für 7oo ooo DM anzukaufen. Sie selbst betreibe eine Gaststätte, sei allerdings an Archäologie interessiert. Die Bedeutung der Himmelsscheibe sei ihr bewusst. Der Fund selbst sei momentan in der Schweiz. Sie habe jedoch Einfluss auf den jetzigen Besitzer und wolle, dass der Fund in das zuständige Museum gelange. Den Fundort kenne sie selbst nicht, sie wisse aber, dass der Fund aus einer Wallanlage stamme. Die Scheibe habe dort im Boden gesteckt, die Schwerter hätten davor gelegen. Bei einer Nachsuche sei ein fehlender Goldstern gefunden worden. Die Ausgräber seien erfahrene Leute. Es handle sich nicht um einen Grabfund, da bei der Bergung keine Knochen erkannt worden seien. Frau B. ist die Rechtslage, auf die Meller sie hinweist, bekannt. Auf Mellers Nachfrage, warum sie den Fund im »Focus« publiziert wissen wolle, entgegnet sie, dass sie auf Publizität hoffe, da sie ja auch einen Roman über die Angelegenheit geschrieben habe. Der momentane Besitzer sei äußerst misstrauisch, weshalb es ausgeschlossen sei, ihn und den Fund selbst zu Gesicht zu bekommen. Der Besitzer habe ein Angebot aus Amerika. Der Kaufpreis läge bei mindestens 7oo ooo DM ohne Verhandlungsspielraum. Des Weiteren sagte sie, die Finder hätten für den Erstverkauf 31 ooo DM erhalten, ein erster Zwischenhändler habe 3oo ooo DM, ein zweiter Zwischenhändler ebenfalls 3oo ooo DM bezahlt. Datum: Ort: Teilnehmer: 16.o2.2oo2 Kaarst, Gaststätte »Historia« Frau B., Herr K. (Rechtsanwalt), Dr. H. Meller, verdeckter Ermittler des Landeskriminalamtes Inhalt: Frau B. zeigt zahlreiche Exponate, die in Museumsvitrinen in ihrer Gaststätte ausgestellt sind. Zu Beginn des Gespräches erläutert Meller ihr erneut die Bedeutung des Fundes und die Rechtslage. Frau B. habe jedoch bereits vor zwei bis drei Monaten den Wert des Fundes erkannt und einen Bekannten überredet, diesen für 7oo ooo DM zu erwerben, um ihn zu retten. Der Bekannte und der Fund selbst, so führt sie aus, befänden sich momentan in der Schweiz. Nähere Angaben dazu bleiben aus. Frau B. möchte den Bekannten dazu überreden, dass Meller in der Schweiz Materialproben des Fundes entnehmen kann. Daraufhin bestätigt Meller die Notwendigkeit dieses Verfahrens zur Prüfung der Echtheit für einen eventuellen Ankauf über Dritte. Als Ort für die Beprobung werde sie dem Bekannten voraussichtlich die Räumlichkeiten einer Bank vorschlagen. Rechtsanwalt K. gibt an, Sondengänger vor Gericht zu vertreten. Ihm sei der Zwischenbesitzer des Fundes bekannt, der mit dem Weiterverkauf 3oo ooo DM verdient habe. Dieser Zwischenbesitzer habe Ortsansässige mit Raubgrabungen an bestimmten Orten beauftragt. Die eigentlichen Ausgräber der Scheibe erhielten laut K. 31 ooo DM. Rechtsanwalt K. will sich über diese Kontakte um die Angabe des genauen Fundortes bemühen. Datum: Teilnehmer: Inhalt: 17.o2.2oo2 Telefonat Frau B. und Dr. H. Meller Frau B. vermutet beim gestrigen Gespräch in Mellers Koffer ein Tonbandgerät. Meller entgegnet, dass dieser nur mit Akten gefüllt gewesen sei. Weiterhin lässt Frau B. Meller wissen, dass sie auf Vorschlag des ihr bekannten Besitzers der Scheibe mit dem Verkauf des Fundes betraut wurde. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Datum: Teilnehmer: Inhalt: 18.o2.2oo2 Telefonat Frau B. und Dr. H. Meller Meller gibt vor, dass aufgrund der Rechtslage vor Einbeziehung von Geldgebern erst die Echtheit geprüft werden müsse. Frau B. gibt zu bedenken, dass der jetzige Besitzer eine polizeiliche Ermittlung befürchte. Auch Rechtsanwalt K. habe von einer Präsentation des Fundes abgeraten. Frau B. wolle den Besitzer dazu bewegen, den Fund am 21.o2.2oo2 in der Schweiz zu zeigen. Datum: Ort: Teilnehmer: 23.o2.2oo2 Basel, Hotel »Hilton« Frau B., Herr S. (Lehrer), Dr. H. Meller, Schweizer Staatsanwaltschaft und Polizei Inhalt: Mit Frau B. ist ein Treffen in einem Café im Untergeschoss des Baseler »Hilton«-Hotels verabredet worden. Meller trifft auf Frau B. und einen ihm unbekannten älteren Mann, Herrn S. Dieser zeigt zuerst ein Beil und ein Schwert. An beiden Objekten nimmt Meller eine fingierte Echtheitsprüfung vor, die negativ ausfällt. Daraufhin zieht Herr S. die in ein Handtuch gewickelte Himmelsscheibe unter seinem Pullover hervor. Auch an der Scheibe führt Meller eine vermeintliche Echtheitsprüfung durch, diesmal mit positivem Ergebnis. Meller soll nun einen Kaufvertrag unterschreiben. Er weigert sich. Es erfolgen der Zugriff und die Festnahme aller Beteiligten durch die verdeckten Ermittler. In Polizeigewahrsam offenbart Herr S. den Verbleib des restlichen Fundes. Die fehlenden Stücke werden bei einer Hausdurchsuchung in Deutschland sichergestellt. Datum: Ereignis: Inhalt: 28.o2.2oo2 Magdeburg, Innenministerium Pressekonferenz Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Püchel, informiert die Öffentlichkeit über den spektakulären Ermittlungserfolg der Polizei und den Fund selbst. Datum: Ort: Ereignis: Inhalt: o4.o3.2oo2 Freiberg/Sachsen Echtheitsuntersuchung durch Prof. E. Pernicka (Professor am Institut für Archäometrie an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg) Inhalt: Durch die Untersuchung von Proben der Scheibe mittels Blei-21o-Methode können eindeutige Anzeichen für eine Fälschung ausgeschlossen werden. »Mit jedem weiteren Ausschluss von Fälschungsanzeichen erhöht sich natürlich die Wahrscheinlichkeit der Echtheit. Im Fall der Bronzescheibe würde ich sie mittlerweile bei mehr als 99 % ansetzen.« (zitiert aus Gutachten Pernicka). Datum: Teilnehmer: Inhalt: 11.o3.2oo2 Übergabebescheinigung Gemäß Beschluss vom o4.o3.2oo2 wird die Himmelsscheibe von Nebra nebst Beifunden durch das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt dem Landesmuseum für Vorgeschichte ausgehändigt. Datum: Teilnehmer: 21.o3.2oo2 Gutachten von Prof. W. Schlosser (Professor am Astronomischen Institut der Ruhr-Universität Bochum) Inhalt: Schlosser weist darauf hin, dass die Anbringung der Horizontbögen mit einem Winkel von 82,7° aus astronomischer Sicht der geographischen Breite von Sachsen-Anhalt entspricht. 25.o2.2oo2 Artikel »Focus« 9/2oo2 »Jagd nach den Sternen«: Der »Focus« berichtet über den Fund ohne Kenntnis der inzwischen erfolgten Entwicklung. Datum: Ort: Ereignis: Inhalt: Datum: Ort: Teilnehmer: o4.o3.2oo2 Halle Ende der Beschlagnahmung des Fundes Der Beschlagnahmebeschluss für die Himmelsscheibe und ihre Beifunde wird zugunsten des Landes Sachen-Anhalt aufgehoben. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Datum: Ort: Teilnehmer: Inhalt: 14.o4.–28.o4.2oo2 Halle, Landesmuseum 15 ooo Besucher »Das Universum ist eine Scheibe«: Erste Präsentation der Himmelsscheibe mit Beifunden in ungereinigtem und unrestauriertem Zustand. Datum: Ort: Teilnehmer: o4.o7.2oo2 Mittelberg bei Nebra Vertreter des Landeskriminalamtes, Dr. M. Klamm (Referentin des Landesamtes für Archäologie Sachsen-Anhalt), Dr. H. Meller Inhalt: Das Landeskriminalamt hat nun mit hoher Wahrscheinlichkeit die ursprüngliche Fundstelle ermittelt. Es erfolgt eine Ortsbesichtigung im Ziegelrodaer Forst, wenige 1oo m von der Kuppe des Mittelberges entfernt (dort kann später die tatsächliche Fundstelle lokalisiert werden). Mehrere ältere Raubgrabungsstellen werden entdeckt. Zudem entnimmt Klamm Bodenproben. Ein weiterer Teil der vorgeschichtlichen Wallanlage wird begutachtet. 29 30 HARALD MELLER Datum: Ort: Teilnehmer: 22.o7.2oo2 Halle und Mittelberg E. Vogel (Staatsanwältin), Beamter des Landeskriminalamtes, Herr St. (arbeitsloser Kunststoffschlosser) mit Lebensgefährtin, Dr. H. Meller, Dr. M. Klamm Inhalt: Auf einen Anruf der Staatsanwältin hin trifft Meller in der Staatsanwaltschaft Halle Herrn St., einen der vermutlichen Hehler. Er hat bereits auf einer topographischen Karte die Fundstelle markiert. Herr St. hatte sich den zuständigen Behörden gestellt, um einer Verhaftung zuvorzukommen. Er macht folgende Angaben: Am o4.o8.1999 hätten ihn zwei Bekannte angerufen, Herr W. und Herr R. aus Röblingen am See. Sie hätten Bronzeschwerter mit Goldauflagen an den Griffen gefunden. Dazu gehöre ein Schildbuckel. Sie würden ihm den Fund für 4o ooo DM überlassen. Einen Tag später sah er die Funde. Der Scheibe maß er wenig Bedeutung bei, da man durch die anhaftende Erde nur wenig Gold sah. Sein Hauptinteresse galt den Schwertern, für die er jedoch nur 3o ooo DM bezahlen wollte. Herr W. erhielt als eigentlicher Finder 9o % der Summe, Herr R. bekam seinen Anteil und 1 ooo DM extra. Zu Hause legte Herr St. die Scheibe drei Tage in Wasser und »Pril« (handelsübliches Spülmittel) und versuchte anschließend, sie mit »Acopats« (Topfreiniger aus Stahlwolle) zu reinigen. Als er die Beschädigungen des Vollmondes sah und zudem abgebrochene Nietteile an den Schwertern fehlten, fuhr er wieder nach Röblingen. Die Finder, die sich ursprünglich geweigert hatten, ihm die Fundstelle zu zeigen, gingen nun mit ihm auf den Mittelberg, wo er die fehlenden Fragmente mit seiner Metallsonde fand. Die Fundstelle wurde daraufhin wieder verschlossen. Die Auffindung selbst hätten ihm die Herren W. und R. folgendermaßen geschildert: W.s Metallsonde habe ein starkes Signal abgegeben. Mit seinem Zimmermannshammer habe er dann den Boden aufgehackt. Knapp unter dem Humus sei er auf die senkrecht stehende Scheibe gestoßen, die er für einen Eimerdeckel oder Ähnliches hielt. Deshalb habe er bei der Freilegung mit dem Hammer mehrfach achtlos die Scheibe getroffen. Anschließend habe er mit Hilfe von Finder R. mit den Händen weitergegraben. Zu Füßen der Scheibe hätten die Schwerter und die Armspiralen gelegen. Herr St. fuhr mit einem Freund aus München zu Menghin nach Berlin, da er wusste, dass dort bereits in der Vergangenheit Funde aufgekauft worden waren. Er verlangte 1 Mio. DM. Nach Nennung des Fundortes war Menghin allerdings nicht mehr am Kauf interessiert. Gleiches geschah bei Museumsdirektor Wamser in München. Ein Anruf beim damaligen Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt war ebenfalls nicht erfolgreich. Ratlos bezüglich der weiteren Vermarktung suchte er die Gaststätte »Historia« von Frau B. auf, in der sich jeden ersten Montag im Monat Schatzgräber zum Handel und Tausch ihrer Funde trafen. Frau B. stellte den Kontakt zu Herrn S. her. Dieser erwarb zwischen Frühjahr und Oktober 2ooo in drei Raten zu 1o ooo DM, 17o ooo DM und 5o ooo DM den Fund. Die Ausbezahlung der Endrate war mit der Nennung des Fundortes verknüpft. Herr St. nannte als falschen Fundort Sangerhausen und markierte eine bronzezeitliche Befestigung bei Vetterode auf einer topographischen Karte (in der Folge wurde immer von Sangerhausen als Fundort ausgegangen). Frau B. kannte nicht einmal den falschen Fundort. Herr St. wusste, dass seine Verhaftung kurz bevorstand. Zudem hatte er Probleme mit den ursprünglichen Findern, die nach Erscheinen des »Focus«-Artikels glaubten, er hätte anstelle der angegebenen 45 ooo DM für den Weiterverkauf 75o ooo DM erhalten. Herr St. zeigt auf dem Mittelberg die wiederverfüllte Fundstelle, wobei er sich durch eine Markierung an einem nahe stehenden Baum orientiert. Die Fundstelle selbst ist obertägig nur durch eine kleine Vertiefung erkennbar. Sie liegt nahe der höchsten Erhebung des Mittelberges und ist von einem vorgeschichtlichen Wall umgeben. August 2oo2 Mittelberg Datum: Ort: Inhalt: Im Bereich der von Herrn St. genannten Fundstelle beginnen Rodung und Ausgrabung. Datum: Teilnehmer: 2o.o8.2oo2 Schreiben von Prof. M. (Rechtsanwalt) an das Regierungspräsidium Halle Inhalt: Rechtsanwalt M. zeigt die Herren W. und R. als die Erstfinder der sogenannten Sternenscheibe an. Weiter will M. als deren Anwalt einen Entschädigungsanspruch geltend machen. Datum: Teilnehmer: o4.11.2oo2 Schreiben von Dr. H. Meller an die Staatsanwaltschaft Halle Inhalt: Das LDA kann auf dem Mittelberg im Raubgrabungsbefund durch Negativgrabung nachweisen, dass die Raubgrabung mit einem spitzzinkigen Gerät erfolgte. Darüber hinaus werden in dem Befund Reste einer Wasserflasche sichergestellt. Datum: Teilnehmer: 13.o3.2oo3 Telefonat Dr. Hr. Meller und Staatsanwaltschaft Halle Inhalt: Die Staatsanwaltschaft lässt Meller wissen, die beiden Finder der Himmelsscheibe hätten sich gemeldet und beabsichtigten, eine umfangreiche Aussage zu machen, um ihre Kooperationsbereitschaft im Vorfeld des Prozesses zu demonstrieren. Ein Geständnis sei wegen des nahenden Prozesses überflüssig, allerdings wollten sie Meller die Fundumstände schildern. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Datum: Ereignis: o4.o4.2oo3 Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Halle Inhalt: Die Staatsanwaltschaft Halle erklärt die Ermittlungen im Fall der Himmelsscheibe von Nebra für abgeschlossen. Sie benennt als Finder die Herren W. und R. Wegen Hehlerei werden angeklagt: Frau B., Herr S., Herr St., Herr B. und Herr W. Datum: Ort: Teilnehmer: 26.o8.2oo3 Halle, Kanzlei des Anwaltes M. Herr M. (Rechtsanwalt, vertritt Finder W.), Herr B. (Rechtsanwalt, vertritt Finder R.), Herr W. (Finder), Herr R. (Finder), Dr. H. Meller, A. Flügel (Justiziar des Landesamtes für Archäologie Sachsen-Anhalt) Inhalt: Die Rechtsanwälte M. und B. stellen W. und F. als »Finder« der Himmelsscheibe von Nebra und ihrer Beifunde vor. Diese wollen umfassend in Bezug auf die Klärung der Fundumstände und der Lage der Fundobjekte mit dem Landesamt zusammenarbeiten. Dadurch erhoffen sie sich positive Effekte für die bevorstehende Gerichtsverhandlung. Finder W. und R. sagen übereinstimmend Folgendes aus, wobei vor allem R. die Vorgänge lang und detailliert schildert und W. meist durch Kopfnicken bestätigt: Herr W. habe mit seinem Metalldetektor den Fund auf dem Mittelberg im Ziegelrodaer Forst gemacht. Die Fundstelle sei aufgrund ihrer Lage bei einem ehemaligen Köhlermeiler auch zum jetzigen Zeitpunkt gut zu verorten. Herr W. begann, den Fund mit seiner Hacke auszugraben, da er der Meinung war, bei der Scheibe handele es sich um einen Eimerdeckel. Aufgrund der Bedenken von Herrn R. fuhren beide fort, den Fund vorsichtig mit den Händen freizulegen. Mit der Hacke sei »die Sonne«, die oben lag, beschädigt worden. Das abgehackte Goldfragment und einen abgefallenen goldenen Stern hätten sie sofort mitgenommen. Alle Funde seien außerordentlich stark verschmutzt gewesen, seien aber in keiner Weise gereinigt worden. Unter der Scheibe habe sich eine große, rechteckige Steinplatte befunden. Am unteren Ende der Platte hätten die beiden Schwerter flach gelegen. Die Schwertgriffe seien im Wesentlichen intakt gewesen. Aus einem sei ein Stück Holz oder Ähnliches herausgefallen. Es wurden keine Knochen beobachtet. Das Loch wurde mit dem Erdaushub und den Resten einer Wasserflasche verfüllt. Beim Verkauf an Herr St. waren die Funde ungereinigt. Die losen Goldteile übergaben sie eine Woche später Herrn St. Der Fundort auf dem Mittelberg wurde zweifelsfrei als Fundort durch die Finder identifiziert. Mit dem Bekanntwerden der Bilder der Himmelsscheibe war ein erster Hinweis auf einen kulturhistorisch äußerst 4 Zur Terminologie siehe Anm. 42. 5 Zur Einordnung in die Frühbronzezeit vgl. Beitrag Innerhofer in diesem Band und Innerhofer 2oo4, 138–141. – Zur Ausstattung des Hortes von Nebra siehe Beitrag S. Hansen in bedeutenden Fund gegeben (Abb. 1). Wäre ein Erwerb des Fundes nicht gelungen, hätte dieser aufgrund der bloßen bildlichen Überlieferung zwar wissenschaftlich beurteilt werden können, all diese Expertisen hätten jedoch der Basis, nämlich der Untersuchung des Objektes selbst, entbehrt. Wegen der dubiosen Herkunft der Bilder hätten stets berechtigte Zweifel an der Authentizität des Fundes überwogen. Die bereits angesprochenen wesentlichen Fragen nach Echtheit, Zusammengehörigkeit etc. wären unbeantwortet geblieben. Mit dem Erwerb der Himmelsscheibe und ihrer Beifunde zu Beginn des Jahres 2oo2 in Basel bestand erstmals die Möglichkeit, die Echtheit der einzelnen Funde und deren Zusammengehörigkeit zu prüfen. Dabei war von Anfang an klar, dass die Beifunde in ihrer Zusammensetzung einen äußerst homogenen Eindruck erweckten. Sie waren in ihrer Kombination an das Ende der Frühbronzezeit (Stufe A2 oder A3 nach jeweiliger Terminologie) zu stellen4. Die einzelnen Fundtypen waren so signifikant und stufentypisch, dass eine beliebige Zusammenstellung des Fundes aus anderen Komplexen durch Laien, etwa Räubgräber, sehr unwahrscheinlich erschien5. Allein für die Beurteilung der Himmelsscheibe selbst half dies nicht weiter, da sie sich als Unikat den üblichen Vergleichen entzog. Dafür waren nun durch die Untersuchung des Originals umfangreiche naturwissenschaftliche Abgleiche und Analysen möglich. Mit der kriminologischen Aufdeckung des Fundortes erweiterten sich zudem die forensischen Möglichkeiten immens. Ergänzend konnten die Erwerbs- und Fundgeschichte durch die verschiedenen und voneinander unabhängigen Geständnisse lückenlos rekonstruiert werden. Mit dem Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen und den diversen Aussagen der Beteiligten war damit ein Erkenntnisstand erreicht, auf dessen Hintergrund eine zweifelsfreie und ausführliche wissenschaftliche Einordnung der Himmelsscheibe und ihrer Beifunde möglich wurde. Die Ergebnisse erfuhren hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit in zwei z. T. außerordentlich umfangreichen Strafprozessen darüber hinaus eine juristische Bewertung, die jegliche Zweifel an Fundort, Echtheit und Zusammengehörigkeit des Ensembles ausschließt6. Aus diesem Grund ist zur Beurteilung des Fundkomplexes ein kurzer Blick zumindest auf die Hauptaussagen und Ergebnisse dieser Prozesse notwendig. Die Strafprozesse Der Prozess vor dem Amtsgericht Naumburg Im September 2oo3 wurde an vier Verhandlungstagen vor dem Landgericht Naumburg die Strafsache gegen die Raubgräber und Hehler der Himmelsscheibe von Nebra verhandelt7. Angeklagt waren die »Finder« W. und R. sowie die beiden Hehler Frau B. und Herr S. diesem Band sowie Hansen 2oo4, 194–197. 6 Eine Zusammenstellung aller bis 2oo8 durchgeführten kriminologischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen mit Bewertung der jeweiligen Aussagekraft findet sich bei TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Pernicka u. a. 2oo8, bes. 348 f. Tab. 1–3. 7 Die Strafprozesse sind bei Schöne 2oo8 gut wiedergegeben, da dieser als für die Nachrichtenagentur dpa tätiger Journalist die Prozesse lückenlos verfolgte. 31 32 HARALD MELLER a b Abb. 1 a–d Die vier Bilder sind Teil der 25 Fotos, mit deren Vorzeigen der erste Hehler die Himmelsscheibe dem Direktor des Museums für Vorund Frühgeschichte Berlin für 1 Mio. DM zum Kauf anbot. a Die Himmelsscheibe und einige Beifunde in ungereinigtem Zustand. In der kleinen Plastikschale unten rechts befinden sich wohl die abgerissenen bzw. abgefallenen Goldteile. b Die Himmelsscheibe in gereinigtem Zustand mit einem Meterstab, der erste Maßangaben lieferte. Der Reinigungsvorgang war nach den Angaben des ersten Hehlers schwierig: Die Himmelsscheibe wurde mehrere Tage in Seifenwasser eingelegt und schließlich mit »Acopats« gereinigt, wodurch die feinen Kratzer auf der Oberfläche der Goldauflagen entstanden. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES c d Abb. 1 c Die Schwerter, die Beile und der Meißel sind noch weitgehend ungereinigt. Der vernietete Griff des oberen Schwertes hat sich bereits gelöst. Auf dem darunterliegenden Stoff sind Reste der abgefallenen Erde TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 zu erkennen. Die Aufnahme muss den Fund folglich kurz nach der Raubgrabung wiedergeben. d Auf diesem Schwertgriff sitzt die Goldmanschette offenbar noch in originaler Lage. 33 34 HARALD MELLER Gegen die ersten Hehler, Herrn St. und Herrn B., waren zu diesem Zeitpunkt die Strafbefehle bereits vollzogen. Der erste Käufer und spätere Hehler, Herr St., blieb im Wesentlichen bei seiner Aussage vom 22.o7.2oo2. Er revidierte lediglich, dass er nicht mehrere Bronzenieten und die fehlenden Goldteile des »Vollmondes« bei einer »Nachgrabung« auf dem Mittelberg gefunden hätte, sondern nur einen einzelnen Bronzeniet. Die Goldteile hätte Finder R. bei sich zu Hause im Aschenbecher auf dem Wohnzimmertisch aufbewahrt. Die Zeugen aus dem Umfeld von Herrn St. (Lebensgefährtin und Freund) bestätigten im Wesentlichen seine Aussagen, soweit sie davon Kenntnis besaßen. Die Finder W. und R. wurden wegen Unterschlagung bzw. Hehlerei verurteilt. Beide waren in vollem Umfang geständig. Auch die weiteren Aussagen änderten nichts an den ermittelten Fakten. Der letzte Besitzer, Herr S., sowie die Vermittlerin, Frau B., wurden ebenfalls verurteilt. In der Urteilsbegründung wurden von Seiten des Gerichts die Glaubwürdigkeit der Aussagen und die objektive Nachprüfbarkeit der Fakten betont. Die Aussagen aller Zeugen bestätigten den geschilderten Tathergang. Alle Zweifel an Eigentumsrecht, Besitzfragen und Fundort waren somit geklärt. Der Prozess vor dem Landgericht Halle Vom o1.o9.2oo4–26.o9.2oo5 fand an 33 Prozesstagen die Berufungshauptverhandlung am Landgericht Halle statt. Berufung hatten die Vermittlerin, Frau B., sowie der letzte Besitzer der Scheibe, Herr S., eingelegt. Allein die Dauer der Verhandlung zeigt eine geänderte Verteidigungsstrategie. Es ging im Verlauf dieses Prozesses in zahlreichen Beweisanträgen vor allem um die Echtheit und Herkunft der Himmelsscheibe. Dazu wurden zahlreiche Fachgutachter gehört. Es erfolgte eine umfangreiche Beweisaufnahme. Im Zuge des Prozesses wurde die Echtheit der Himmelsscheibe von einem Fachkollegen, der sich der Verteidigung zur Verfügung gestellt hatte, aufgrund einer Analyse von Fotos ohne Autopsie des Originales bezweifelt. Der Finder R. änderte öffentlichkeitswirksam in einer Publikation sowie zahlreichen Interviews sein ursprüngliches Geständnis und seine Ausführungen zum Fundort8. Der Fachkollege wurde durch zahlreiche, vor allem naturwissenschaftliche und forensische Gutachten überzeugend widerlegt. Die Aussagen der übrigen Beteiligten ergaben wiederum ein in sich geschlossenes, widerspruchsfreies Bild. Der erste Finder W. sagte erstmals selbst umfänglich vor Gericht zur Auffindungssituation aus und brachte als zusätzliches Beweismittel das Ausgrabungswerkzeug mit. Das 55 Seiten umfassende schriftliche Urteil vom 13.o3.2oo6, in dem beide Angeklagte für schuldig befunden und verurteilt wurden, fand dementsprechend klare Worte. Die Entdeckung am o4.o7.1999 durch die Finder W. und R. wurde ebenso geschildert wie die weitere Fundgeschichte. 8 Vgl. hierzu LG Halle 2oo5, Az. 26 NS 33/2oo4, 21–23. 9 Urteil LG Halle vom 13.o3.2oo6, Az. 26 NS 33/2oo4, 21. – Die Namen der Beteiligten wurden in diesem wie auch in den folgenden Zitaten teilweise vom Verfasser anonymisiert. Auch hier entspricht der Ablauf im Wesentlichen den ursprünglichen polizeilichen Ermittlungen. In Bezug auf den Fundort wurde im Urteil festgestellt: »Dass der heute als Hortfund von Nebra bekannte Fund tatsächlich am o4.o7.1999 auf dem Mittelberg in der Gemarkung Ziegelroda entdeckt wurde, steht zur Überzeugung des Gerichts fest durch die überzeugenden Bekundungen des Zeugen W. im Berufungshauptverhandlungstermin vom o3.o6.2oo5. Diese werden gestützt durch die Aussagen weiterer Zeugen, namentlich der Zeugen [Finder] R. und St. sowie das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Pernicka. Nach einer Gesamtschau aller Beweismittel bestanden keine Zweifel am Fundort der Himmelsscheibe von Nebra.«9 »Die Ausführungen der angehörten Sachverständigen und sachverständigen Zeugen in der Berufungshauptverhandlung ergaben aber keinerlei Anhaltspunkte für eine Abweichung des Fundortes von dem von [Finder] W. angegebenen oder irgendeine Manipulation an dem Fund und seiner Auffindesituation.«10 Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Finders sowie der später abweichenden öffentlichen Äußerungen des Mitfinders R. urteilte das Gericht: »… hat er [Finder W.] sich … dem Gericht gegenüber offen gezeigt und sämtliche Fragen des Gerichts sowie der übrigen Prozessbeteiligten verständlich, farbig, detailreich und in sich widerspruchsfrei beantwortet. Im Kerngeschehen deckten sich die Angaben mit dem ebenfalls dreimal angehörten Zeugen [Finder] R. … Insbesondere hinsichtlich der Auffindesituation … [Die Kammer hat] auf Grund des von [Finder] W. in dessen mehrstündiger Vernehmung vom o3.o6.2oo5 gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel daran, dass dieser die Auffindesituation des Hortfundes von Nebra dabei wahrheitsgetreu wiedergab. W. hat alle Fragen des Gerichts und der übrigen Verfahrensbeteiligten ohne Zögern aus dem eigenen Gedächtnis beantwortet.«11 »Der wie [Finder] W. auf seine Aussage nicht vereidigte [Finder] R. fürchtete allerdings ganz offensichtlich ebenso wie W. im Falle einer falschen Aussage um den Widerruf der beiden eingeräumten Bewährungschance, so dass beide auch unter dem durch die Zeugenbelehrung ausgelösten Druck wahrheitsgemäße Angaben gemacht haben. [Finder] R. erging sich deshalb insbesondere dem Gericht gegenüber nicht in weiteren Andeutungen über eine ganz andere Auffindesituation, wie er sie zuvor publizieren ließ.«12 Bezüglich des von den Verteidigern hinzugezogenen Fachkollegen befand das Gericht: »Die Ausführungen des von den Angeklagten sistierten Sachverständigen Prof. Dr. … S. waren unergiebig und unbrauchbar. Prof. Dr. … S. hat allerdings bei seiner Anhörung dem Gericht gegenüber eingeräumt, von dem Angebot Dr. Mellers an die Fachkollegen, sich den Hortfund anzusehen, bewusst keinen Gebrauch gemacht zu haben ohne hierfür Gründe anzugeben. Seine aus einem Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung[13] dem Gericht und den übrigen Beteiligten zuvor Erläuterungen in eckigen Klammern stammen ebenfalls vom Verfasser. 1o Urteil LG Halle vom 13.o3.2oo6, Az. 26 NS 33/2oo4, 26. 11 Urteil LG Halle vom 13.o3.2oo6, Az. 26 NS 33/2oo4, 21 f. 12 Urteil LG Halle vom 13.o3.2oo6, Az. 26 NS 33/2oo4, 24. 13 Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom o3.11.2oo4. 14 Urteil LG Halle vom 13.o3.2oo6, Az. 26 NS 33/2oo4, 33–35. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES (Weg) (Jägers tand) (Ha ng) a Abb. 2 a–b Am 11.o5.2oo5 gab der Finder der Himmelsscheibe, Henri W., ausführlich Auskunft zu den Fundumständen und fertigte vorliegende Skizzen des Befundes an, die durch das LDA zum einfacheren Verständnis eingefärbt und mit Umschrift versehen wurden. a Aufsicht. Die Himmelsscheibe steht senkrecht. Die Schwerter liegen vor der Himmelsscheibe aufeinander, jeweils Spitze zu Griff gegenständig. Auf ihnen liegen beide Beile, dazwischen der Meißel. Hinter den Schwertern befinden sich die a b Abb. 3 a Der Finder der Himmelsscheibe, Henri W., demonstriert am Fundort mit Kunststoffkopien der Funde die Auffindungs- und Ausgrabungssituation. Anstelle des Hammers hält er einen Stock, mit dem er den Grabungsvorgang nachvollzieht. b Der Finder hat aus dem Gedächtnis das Ensemble in Fundlage arrangiert. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Himmelsscheibe Schwerter Beile Armspiralen Steine b Armspiralen. Die Himmelsscheibe ist an einen Stein gelehnt. Am Rand des Befundes lag ein weiterer Stein. Der hier bezeichnete Jägerstand befand sich auf der höchsten Stelle der Bergkuppe nahe dem Befund. Der Weg verläuft auf der gegenüberliegenden Seite. b Wiedergabe des Befundes von vorne. Die Himmelsscheibe ist in der Orientierung bei ihrer Auffindung wiedergegeben: das Schiff am unteren Rand, die Horizontbögen seitlich. Vor der Scheibe, ungefähr auf Höhe des Schiffes, lagen die Beifunde. schon bekannte Ansicht, wonach die ›Himmelsscheibe von Nebra‹ handwerkstechnische Ungereimtheiten (Art und Weise der Randdurchlochung, Befestigung der Goldbleche) aufweise, die nicht zu einer Datierung in die mitteleuropäische Bronzezeit passten und die Korrosionsspuren an der Schauseite der Scheibe nicht durch natürlichen Alterungsprozess entstanden, sondern zumindest partiell mit Hilfe von Säure verursacht wurde[n], habe er aus dem Studium einfacher Zeitungsfotos gewonnen. […] Die Angaben des Sachverständigen waren von ganz unverhohlener Polemik getragen, erschienen der Kammer unwissenschaftlich und insgesamt nicht geeignet, auch nur die Diskussionsgrundlage in der Hauptverhandlung zu verbreitern. […] Bezüglich der Fundgegenstände, die schon deshalb nicht als geschlossener Fund bezeichnet werden konnte[n], musste der Sachverständige auf Vorhalt der Staatsanwaltschaft einräumen, schon einmal einen über mehrere Hektar verteilten Fund als geschlossen aus der Bronzezeit stammend publiziert zu haben. Auch der weitere von den Angeklagten sistierte Sachverständige Prof. Dr. R. zeigte sich jedenfalls davon überzeugt, dass es sich bei der ›Himmelsscheibe von Nebra‹ um einen bronzezeitlichen Fund handelte.«14 Der Fundort Die voranstehenden Ausführungen belegen eindrücklich, dass durch polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sowie eine umfassende gerichtliche Überprüfung die Ermittlung der exakten Fundstelle des Fundkomplexes der Himmelsscheibe von Nebra gelang. Hingewiesen wurde auf die widerspruchsfreie, detailreiche Schilderung der drei verschiedenen Beteiligten, die den Fundplatz aus eigener 35 36 HARALD MELLER Abb. 4 Die halbrunde dunkle Färbung im rechten Grabungssektor zeigt einen Schnitt durch den Raubgrabungsbefund. Die Lage der daran anschließenden Sandsteine ist natürlich bedingt. Anschauung kannten. Besonders hervorgehoben wurde die Kooperation und Glaubwürdigkeit des Erstfinders W. Nachdem, wie erwähnt, mit dem ersten Ankäufer, Herrn St., eine Ortsbegehung mit Bezeichnung der Fundstelle stattgefunden hatte, unternahm das LDA zwei Fundortbegehungen mit dem Erstfinder W.15 Beide Begehungen hatten zum Ziel, den Ablauf der Auffindung und die Lage der Funde im Befund vor Ort unter Einsatz von Kopien zu rekonstruieren. a Abb. 5 a–b Das Ausgrabungswerkzeug, eine hammerartige, umgebaute Feuerwehrhacke, wurde erst im Verlauf des zweiten Prozesses im Juni 2oo6 bekannt und vom Finder dem Gericht übergeben (b). Im Vorfeld Dabei bestätigten sich die Angaben der ersten umfangreichen Aussage des Finders W. vom o3.o6.2oo5 vor Gericht sowie dessen Ausführungen bei einem Gespräch im LDA vom 11.o5.2oo5, in dessen Verlauf er eine eigenhändige Skizze der Fundsituation anfertigte (Abb. 2–3). Bei den im August 2oo2 begonnenen Grabungen des LDA auf dem Mittelberg galt ein Hauptaugenmerk diesem sogenannten Raubgrabungsbefund, dessen Lokalisierung den b wurde anhand der Spuren an der Himmelsscheibe vom Leiter der Restaurierungswerkstatt, Wunderlich, und dem Zeichner K. Schauer das Grabungswerkzeug rekonstruiert (a). TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES a Kupferkonzentrationen in ppm Raubloch – Bef. 4/02 1,4 32–124 4c 20 65–89 138 4a 4b 4b 0,6 bv-Horizont 17–29 19 4d 0 Goldkonzentration in mg/t 3–5 1m b Abb. 6 a–b Das Raubgrabungsloch wurde auf Metallspuren untersucht. Dabei wurden hohe Konzentrationen von Kupfer, aber auch von Gold im Boden festgestellt. Besonders hoch ist die Konzentration in Schicht 4d, bei der es sich um ungestörten geologischen Untergrund handelt, d. h. über dieser Schicht lagerten Kupfer und Gold über längere Zeit im Boden (b). Als Referenz wurden vom Plateau des Mittelberges weitere Proben genommen (a). Diese zeigten keine Konzentrationen von Kupfer oder Gold. Beteiligten wegen des nahen Köhlermeilers und Jägerstandes sowie einer Baummarkierung wenig Mühe bereitet hatte16. Die Ausgrabung des Befundes ergab eine sandighumose, dunkle, lockere Füllung, in der sich Reste rezenten Laubs mit Zweigbruchstücken befanden – ein eindeutiger Hinweis auf eine relativ junge Verfüllung. Der Durchmesser des ovalen Befundes betrug im ersten Planum ca. 1 m. Der Befund war mit einer Tiefe von 7o cm relativ flach und 15 Die zweite Begehung vom 29.o5.2oo5 wurde umfangreich filmisch dokumentiert, damit auch in Zukunft die Aussage und Glaubwür- digkeit des Finders beurteilt werden können. 16 Die Ausgrabungen fanden unter der lokalen Leitung von Th. Koiki (LDA) statt. Die Projekt- TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 leitung lag beim Verfasser. Die Grabungen begannen am 19.o8.2oo2 und dauerten bis zum 15.11.2oo2. 37 38 HARALD MELLER Genau westlich von der Himmelsscheibe Wintersonnenwende Kyffhäuser am 1. Mai Brocken Lage der Himmelsscheibe in der Sternwarte Weist auf den Brocken und den Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende Weist auf den Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende Abb. 7 Vom Mittelberg aus gesehen ging die Sonne zur Sommersonnenwende hinter dem Harzmassiv mit dem Brocken unter. Am wichtigen Kalenderdatum des 1. Mai ging sie hinter dem Kyffhäuser unter. Die Himmelsscheibe konnte in Phase 2 mit dem Horizontbogen zum Brocken hin ausgerichtet werden. besaß einen gerundeten Boden. In der Füllung fanden sich zudem vereinzelt Holzpartikel, die vermutlich vom angrenzenden Köhlermeiler stammten (Abb. 4). Des Weiteren traten in der Verfüllung mehrere Glasscherben einer neuzeitlichen handelsüblichen Wasserflasche vom Typ »Deutscher Brunnen« zutage, der erst nach 1989 Eingang in die Region fand. Unter Berücksichtigung der Gebrauchsspuren an der Flaschenschulter, die auf einen längeren Flaschenumlauf schließen ließen, ergab sich hier ein zweifelsfreier Terminus post quem. Beim negativen Herausnehmen des verfüllten Materials wurde im südöstlichen Grubenviertel die Grubenwandung vorsichtig freigelegt. Hier zeigten sich vertikale, schmale, 3–8 cm starke Längsrillen, die sich als Hammerschlagspuren interpretieren ließen. Der originale Befund war durch die Raubgrabung vollständig zerstört worden. Die archäologischen Ergebnisse entsprechen folglich den vorliegenden kriminologischen Ermittlungen: Laut den Geständnissen der Finder wurde eine zuvor geleerte Wasserflasche in die Verfüllung geworfen. Der Fund wurde mit einer kleinen Hacke ausgegraben. Diese wurde nach der Aussage der Finder und den Spuren durch das LDA bereits vorab rekonstruiert (Abb. 5a). Die am o3.o6.2oo5 dem Gericht übergebene Originalhacke entspricht dieser Rekonstruktion und stimmt mit den Hammerschlagspuren des Befundes überein (Abb. 5b). Das Raubgrabungsloch selbst, das größer als der ursprüngliche Befund war, wurde vom Leiter der Restaurierungswerkstatt, Wunderlich, nachgebildet. Eine Einbringung maßstäblicher Kopien in das Modell zeigt, dass sich das Fundensemble problemlos im Befund platzieren ließ und dieser nicht etwa, wie häufig vermutet, zu klein für den Fund gewesen wäre. Trotz der hohen Übereinstimmung zwischen Ausgrabungsergebnis und Aussagen der Täter war der Forschergruppe daran gelegen, unabhängige Hinweise auf den Fundort der Himmelsscheibe und ihrer Beifunde zu erbringen. Es ergaben sich vier voneinander unabhängige Indizien, zwei davon mit hohem Beweischarakter. An dieser Stelle ist zuerst der Nachweis signifikant erhöhter Kupfer- und Goldkonzentrationen in der Verfüllung des Raubgrabungsloches zu nennen, die sich aus den Ausfällungen der Metallfunde herleiten dürften. Beweiskraft erlangt diese Untersuchung aber vor allem durch die erhöhten Konzentrationen in Schicht 4d (Abb. 6). Hier handelt es sich um eine rötlich-braune, schwach gebänderte, unregelmäßige Verfärbung, die durch die Verlagerung toniger und humoser Stoffe aus dem originalen Befund verursacht worden TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Bef. 30/2003 – spätbronzezeitlicher Hort Fd. 15/03 – Zierscheibe Fundstelle der Himmelsscheibe eisenzeitlicher Ringwall Abschnittswall a Abb. 8 a–b Die Kuppe des Mittelberges wird von zwei Abschnittswällen sowie einem eisenzeitlichen Ringwall begrenzt. In der Nähe dieses höchsten Punktes befand sich die Fundstelle der Himmelsscheibe. Dass am Mittelberg möglicherweise auch im weiteren Verlauf der Bronzezeit Hortfunde als Opfer niedergelegt wurden, belegen der Fund einer mittelbronzezeitlichen Zierscheibe sowie der Rest eines durch Raubgräber gestörten spätbronzezeitlichen Hortfundes am Hangfuß (a). Besonders deutlich werden die Wall-Graben-Strukturen auf dem Lidar-Laserscan (b). sein dürfte. Die gut beobachtete Schicht war sowohl vom Originalbefund als auch von den Raubgrabungen ungestört, also geologischer Bildung. Somit ist nachgewiesen, dass über einen längeren, nicht näher zu bestimmenden Zeitraum Gold und Kupfer in den anstehenden Boden verlagert wurden. Die Signifikanz der Werte ergibt sich aus zahlreichen Vergleichsproben auf dem Plateau des Mittelberges, die nur marginale Konzentrationen beider Metalle aufwiesen17. Da in Bezug auf Sachsen und Sachsen-Anhalt für die gesamte Bronzezeit nur wenig mehr als zwei Dutzend Funde 17 Die detaillierten Ergebnisse der Untersuchungen zur Kupferkonzentration der einzelnen Proben sind in Pernicka u. a. 2oo8, 342 enthalten. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 b 39 40 HARALD MELLER Fundstelle der Himmelsscheibe Ausgrabungsfläche 2002 Ausgrabungsfläche 2003 Ausgrabungsfläche 2004 Abb. 9 Bereits 2oo2 wurde ein erheblicher Teil der Kuppe des Mittelberges innerhalb der umgebenden eisenzeitlichen Wallanlage abgeholzt. Die ersten Grabungen konzentrierten sich auf die Umgebung der Fundstelle. Im Folgejahr wurden die Flächen erweitert und Sondagen durch die Wälle angelegt. Nach einer umfangreichen Grabungskampagne im Jahr 2oo4 wurden die Grabungen vorläufig eingestellt. mit einer Kombination von Bronze und Gold überliefert sind und es sich zudem bei den Goldfunden häufig nur um kleine Noppenringe handelt, die kaum für eine Erhöhung der Goldkonzentration im Untergrund sorgen dürften, passt die relativ große Oberfläche der Himmelsscheibe mit einem hohen Flächenanteil des schwer mobilisierbaren Goldes bestens zum diesbezüglichen Bild der Überlieferung. Zweites Indiz von Beweischarakter ist die Untersuchung und der Vergleich der Erdanhaftungen auf den Funden, insbesondere der Himmelsscheibe, mit den Bodenproben des Raubgrabungsbefundes auf dem Mittelberg. Hier ist zu betonen, dass die Bodenanhaftungen auf den Funden keinesfalls später – etwa zwecks Fälschung des Fundortes – auf diesen angebracht worden sein können, da die Anhaftungen mit der Korrosion zu einer harten Kruste verbacken waren – ein Zustand, der sich nur bei langer Bodenlagerung einstellt und nicht künstlich zu erzeugen ist. Diese forensische Untersuchungsmethode, die beispielsweise auch in Mordprozessen mit hoher Beweiskraft Anwendung findet, ergab eine Übereinstimmung zwischen den Bodenproben aus dem Raubgrabungsloch und den an Himmelsscheibe und untersuchtem Schwert anhaftenden Proben. Proben von einem der Beile waren weniger signifikant, wodurch jedoch der Mittelberg als Fundort nicht auszuschließen ist, da sich dies möglicherweise mit Sedimentationsprozessen aufgrund der Lage des Fundes erklären lässt. Da es sich bei der vorliegenden Untersuchungsmethode, wie beschrieben, um ein aussagekräftiges, gutachterliches Element in Strafprozessen handelt, die zumal vom führenden Spezialisten J. Adam (damals Landeskriminalamt Brandenburg) hier angewandt wurde, ist auch dieser Beleg zwingend18. Der Befund der forensischen Untersuchung wurde überdies unabhängig durch die röntgendiffraktometrische TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 1o Bei Prospektionsarbeiten am nördlichen Hangfuß des Mittelberges wurden in einer flachen Raubgräbergrube Reste eines spätbronzezeitlichen Hortfundes aus Bronzespiralen und tordierten Ringbruchstücken entdeckt (12./ 11. Jh. v. Chr., Bef. 3o/2oo3). Einige dieser Teile waren auf dem Waldboden im Umfeld verstreut (zur Lage des Befundes vgl. Abb. 8a). Der Befund belegt neben zahlreichen anderen, leeren Raubgrabungslöchern auf dem bzw. um den Mittelberg herum die Aktivitäten von Metallsondengängern, die aus bloßer Besitzgier unser kulturelles Erbe plündern. Mineralbestimmung der Tonfraktion von den Anhaftungen an den Objekten des Nebra-Fundes im Abgleich mit dem Sedimentmaterial vom Mittelberg bei Nebra bestätigt19. Folglich ist auch die Zusammengehörigkeit der untersuchten Fundgegenstände sedimentpetrologisch und geologisch als plausibel einzuschätzen. Ein weiteres Indiz für die Authentizität des Fundortes ist ein astronomisches. In der zweiten Phase der Himmelsscheibe wurden an beiden gegenüberliegenden Seiten zwei Horizontbögen angebracht, die den Horizontdurchlauf der Sonne während des Jahres über 82,7° abbilden, also genau den Azimutbereich der Sonne zwischen den Sommer- und Wintersonnenwenden auf der geographischen Breite Mitteldeutschlands. Der Standpunkt des Betrachters auf dem Mittelberg ist nicht zufällig gewählt. Von dort aus konnten an zwei mar18 Zur Methode siehe Adam 1984. kanten Kalendertagen des Jahres, am 1. Mai und 21. Juni, Sonnenuntergänge hinter den Bergspitzen des Kyffhäusers sowie des Brockenmassivs beobachtet werden (Abb. 7)20. Da die Möglichkeit dieser Beobachtungen auch für die Bronzezeit gegeben war und davon ausgegangen werden kann, dass den damaligen Menschen diese Bezüge bekannt waren, kann es kaum Zufall sein, dass die Himmelsscheibe von Nebra, die genau auf die astronomische Beziehung zur Sommersonnenwende abzielt, an einem so passenden Ort platziert worden ist. Nach ausführlicher Betrachtung der Ermittlungsergebnisse sowie der naturwissenschaftlichen und archäologischen Analysen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich bei dem vom ersten Hehler als Raubgrabungsloch bezeichneten Fundpunkt tatsächlich um den Ort handelt, an welchem die Himmelsscheibe 19 Gutachten G. Borg/S. Stöber, Institut für geologische Wissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, vom 18.o2.2oo5. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 2o Siehe Referentenbeitrag Schlosser in diesem Band. 41 42 HARALD MELLER a Abb. 11 a Auf der Rückseite der Himmelsscheibe sind deutlich die Spuren einiger tauschierter Goldauflagen wie der Plejaden, der Einzelsterne sowie des Schiffes zu sehen. Die grobe Durchlochung ist nur oberflächlich abgefeilt. Etwas unterhalb der Mitte zeigt sich ein Kratzer, der vom »Probeschlag« eines der späteren Handwerker stammt. b Die Vorderseite der Himmelsscheibe zeigt die älteste eindeutig erkennbare Himmelsdarstellung mit der Wiedergabe einer astronomischen Konstellation. Das herausgerissene Goldblech des Vollmondes bzw. der Sonne wurde restauratorisch wieder eingefügt. Ansonsten wurden die Beschädigungen durch die Hammerschläge während der Raubgrabung belassen. und ihre Beifunde einst deponiert wurden. Da sich von diesem ursprünglichen Befund nur geringe Reste erhalten haben, ist des Weiteren anzunehmen, dass dieser bei der Anlage des Raubgrabungsloches, wie bereits erläutert, nahezu vollständig zerstört wurde. Der Befund muss demzufolge kleiner als das Raubgrabungsloch gewesen sein. Schon aus diesem Grund scheidet der Kontext eines Grabfundes für den Fundkomplex der Himmelsscheibe aus: Aus der Frühbronzezeit Mitteldeutschlands sind ausnahmslos Körpergräber bekannt. Für das Körpergrab eines Erwachsenen ist jedoch der Befund zu klein, selbst für ein Kindergrab erscheint nicht ausreichend. Zudem sind Kindergräber mit solch reicher Ausstattung bislang nicht bekannt. Säuglingsgräber mit auch nur annähernd ähnlicher Ausstattung sind völlig unbekannt und deshalb für die Betrachtung ebenfalls nicht relevant. Fundzusammensetzung und -umstände sprechen eindeutig für einen Hortfund. Nachdem die Authentizität der Fundstelle zweifelsfrei nachgewiesen ist, soll nun ein kurzer Blick auf den Mittelberg selbst geworfen werden. Der 252 m hohe Mittelberg liegt als höchste Erhebung der weiteren Umgebung im Ziegelrodaer Forst. Er bildet die Südspitze der Ziegelrodaer Buntsandsteinplatte. Unmittelbar südlich davon verläuft das enge Wangener Unstruttal, in welches sich der Fluss tief eingeschnitten hat. Das umgebende Bergland trennt die nördlich gelegenen Lösslandschaften vom Thüringer Becken21. Eine sorgfältige Aufnahme der Umgebung des Fundortes ergab ein trapezoides, die Kuppe umschließendes WallGraben-System mit gerundeten Ecken von etwa 155 bis maximal 16o m Durchmesser22. Wall und Graben waren im Gelände in Teilen nur noch äußerst schwach zu erkennen. Die höchsten Erhebungen fanden sich im Westen, Osten und teilweise im Norden der Anlage. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES b Bereits seit Längerem war ein ca. 26o m südöstlich davon gelegener Abschnittswall bekannt23. Bei der sorgfältigen Geländeaufnahme durch O. Schröder (LDA) wurde damit korrespondierend ein nordwestlicher Abschnittswall entdeckt, so dass der Höhenrücken des Mittelberges auch in der weiteren Betrachtung eingegrenzt war (Abb. 8). In den Jahren 2oo2–2oo4 wurde in drei Grabungskampagnen die Frage nach Art und Datierung dieser Anlagen sowie ihrem Bezug zum Depotfund der Himmelsscheibe von Nebra untersucht (Abb. 9)24. Das Grundproblem der Grabung bestand darin, dass die Befunderhaltung aufgrund der Umsetzung der Humusanteile in den Befunden durch den Waldboden äußerst schlecht war. Bei den gut erkennbaren Verfärbungen handelte es sich überwiegend um 21 Zur Geologie und den Böden siehe Gutachten W. Kainz, Geologie und Böden im Umland der Himmelsscheibe; Gutachten M. Klamm vom 17.12.2oo4, Bodenkundliche Situation am Fundort der Himmelsscheibe und auf dem Mittelberg; Kugler/Schmidt u. a. 1988. mittelalterliche Köhlermeiler. Dennoch zeigten Fundkonzentrationen ehemalige Befunde an. Diese datierten jedoch nicht in die Frühbronze-, sondern – wie die Ringwallanlage selbst – überwiegend in die Eisenzeit. Die Funktion der Ringwallanlage konnte durch die bisherigen Untersuchungen nicht eindeutig geklärt werden, ein kultisch abgrenzender Charakter der Anlage kann jedoch gerade aufgrund der astronomischen Bezüge der Örtlichkeit und der schwachen Ausformung der Wälle nicht ausgeschlossen werden. Die beiden Abschnittswälle haben ebenfalls eher abgrenzenden als fortifikatorischen Charakter. Sie könnten älter als die Ringwallanlage sein und damit im Bezug zum Befund der Himmelsscheibe stehen. Sondagen durch beide Wälle 22 Die Entdeckung und erste Beschreibung des Wall-Graben-Systemes erfolgte bereits 1987 durch H. Einecke (Ortsakte LDA). 23 Ortsakte LDA, Eintrag B. Schlenker vom 19.1o.2ooo. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 24 Die Grabungen auf dem Mittelberg wurden in drei Kampagnen in insgesamt 16 Monaten und unter der örtlichen Leitung von Koiki durchgeführt. Untersucht wurde eine Fläche von insgesamt 8 9oo m2. 43 44 HARALD MELLER Abb. 12 Dieses Bild wurde von den Ermittlungsbehörden sichergestellt. Es zeigt die Himmelsscheibe stark verschmutzt in weitgehend ungereinigtem Zustand. Die frischen Kratzer dürften vom Hammer herrühren, der bei der Raubgrabung zum Einsatz kam, und entsprechen den Beschädigungen der Oberfläche der Himmelsscheibe. Das Goldblech des Vollmondes bzw. der Sonne wurde mit einem Hammerschlag ausgerissen. Die Erdauflage war offenbar fest mit der Himmelsscheibe verbunden. konnten dies bislang jedoch nicht vorbehaltlos bestätigen25. Dass das Gelände des Mittelberges eventuell für rituelle Deponierungen auch während der Mittel- und Spätbronzezeit genutzt wurde, belegen zwei weitere Befunde der Grabung von 2oo3 (Fund 15/o3 und Bef. 3o/2oo3, rot markiert in Abb. 8). Bei Befund 3o/2oo3 handelt es sich wohl um die Überreste eines spätbronzezeitlichen Hortes, der – wie im Falle der Himmelsscheibe – durch Raubgräber geplündert wurde. Hier allerdings fanden die Archäologen noch einzelne Bronzefragmente im Inneren des noch frischen Raubgrabungsloches. Weitere Bronzeartefakte des ehemaligen Depots streuten über eine Fläche von bis zu 5 m um den Befund (Abb. 1o)26. Der Einzelfund 15/o3 vom nördlichen Rand des Ringwalls, eine bronzene Zierscheibe von ca. 3,5 cm Durchmesser, weist in die mittlere Bronzezeit. Ob auch dieser Fund Teil eines ehemaligen Bronzedepots war, muss offenbleiben. Der Fund 25 Aus der Sondage des östlichen Abschnittswalls konnten 14C-AMS-Analysen an zwei Holzkohlefragmenten (quercus) durchgeführt werden: Die Holzkohle von der Sohle des Walls datiert eindeutig in die Frühbronzezeit (2o39–1858 kal. BC), die zweite Probe aus dem Wallkern ist eisenzeitlich (671–4o9 kal. BC). 26 Vgl. hierzu Grabungsbericht Koiki (unpubl.), Die Himmelsscheibe Die Himmelsscheibe von Nebra ist einer der außergewöhnlichsten Funde der europäischen Vorgeschichte (Abb. 11)27. Es handelt sich um eine nahezu runde bronzene Scheibe, deren intensiv grüne, z. T. fast glasig glänzende Oberfläche mit Goldauflagen versehen ist. Diese lassen bereits auf den ersten Blick ein piktogrammartiges Himmelsbild aus dreißig Sternen, einem Sichelmond und einer Sonne bzw. einem Vollmond erkennen. Ein Teil des rechten Randes wird von einem breiten Goldband (im Folgenden als »Horizont 1« bezeichnet) gefasst, das – wie die erhaltene Tauschierrille auf der gegenüberliegenden Seite belegt – wohl an der entsprechenden Stelle über ein Gegenstück (Horizont 2) verfügte28. Da dieses heute verloren ist, ist auch das ursprünglich verwendete Material S. 9. Die Raubgräber ließen zahlreiche Halsringfragmente und einen kompletten tordierten Halsring sowie eine Schmuckspirale zurück. 27 Einige wesentliche Beiträge zur Himmelsscheibe bislang: Meller 2oo2, 7–2o; Meller 2oo2a, 35; Pernicka/Wunderlich 2oo2; Meller 2oo3; Pernicka u. a. 2oo3; Meller 2oo4; Hansen 2oo6; Meller 2oo7; Gleirscher 2oo7; Pásztor/Roslund 2oo7; Schwab u. a. 2oo7; Pernicka u. a. 2oo8; Maraszek 2oo8; Bertemes 2oo9. 28 Ein »Plan« der Himmelsscheibe mit den von der Forschergruppe festgelegten Bezeichnungen für alle einzelnen Goldauflagen befindet sich am Ende des Bandes. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES – vermutlich Gold, vielleicht aber auch Silber oder eine andere Legierung – nicht mehr zu bestimmen. Auf der Unterseite der Scheibe befindet sich ein stärker gebogener, etwas schmalerer, zweifach gerillter Goldstreifen, dessen Ränder von einer Fiederung begleitet werden (im Folgenden »Schiff« genannt). Die gesamte Scheibe ist randlich mit 38 Löchern von etwa 2,5 mm Durchmesser versehen. Eine weitere Durchlochung ist an der durch die Raubgräberhacke beschädigten Stelle anzunehmen. Die Löcher ziehen sich alle trichterförmig nach innen, so dass davon auszugehen ist, dass die Durchlochung von der Bildseite her erfolgte. Einige dieser Löcher sind eingerissen. Eine besonders starke Beschädigung befindet sich am oberen linken Rand der Scheibe sowie im oberen Bereich des abgefallenen Horizontbogens. Die markantesten Beschädigungsspuren zeigen sich als deutliche »Kratzer« auf der Oberfläche. An Sonne/Vollmond wurde sogar ein Teil des Goldbleches am Ende eines solchen »Kratzers« herausgerissen und der obere Rand des Objektes zumindest eingerissen. Eine Fotografie des ersten Hehlers, die die Himmelsscheibe in erdfrischem, nahezu ungereinigtem Zustand zeigt, belegt die Ergebnisse der detaillierten restauratorischen und naturwissenschaftlichen Analysen, nämlich dass die »Kratzer« und die Beschädigung an Sonne/Vollmond der senkrecht stehenden Himmelsscheibe im Zuge der Freilegung während der Raubgrabung mit einem Hammer zugefügt wurden (Abb. 12). Auf der Rückseite der Himmelsscheibe prägen sich deutlich einige Sterne, insbesondere die Plejaden, Teile des Horizontbogens sowie des Schiffes durch. Die einzelnen Löcher der Randdurchlochung sind hier nur grob abgefeilt. Zudem ist auf der Rückseite der »Probeschlag« eines der späteren Handwerker sichtbar, mit dem dieser in Unkenntnis der ursprünglich verwendeten Materialzusammensetzung die Schneidfähigkeit seines Werkzeuges prüfte. Die Himmelsscheibe besteht zum Großteil aus Kupfer. Es wurden lediglich 2,6 Masse-% Zinn und o,2 Masse-% Arsen beigefügt. Damit war das Ausgangsmaterial sehr weich. Es ließ sich somit leicht bearbeiten und kalt austreiben29. Analysen der Bleiisotope und Spurenelemente durch E. Pernicka ergaben, dass das Kupfer für die Herstellung aus dem Ostalpenraum stammt30. Zinn und Gold kommen hingegen mit großer Wahrscheinlichkeit aus Cornwall31. Der Durchmesser der Himmelsscheibe beträgt zwischen 31,o cm und 32,o cm. Die Dicke des Metalls nimmt gemäß dem Treibvorgang von innen (4,5 mm) nach außen (1,5 mm) ab. Die Scheibe ist mit etwa 2o5o g überraschend schwer, da sie auf den Abbildungen durchgehend filigraner wirkt. Auch die Goldbleche sind mit etwa o,4 mm Dicke relativ stark. Diese Stärke war jedoch für die Aufbringung mittels einer sogenannten Tauschierplattierung nötig. Mit dieser Technik konnten die Goldblechauflagen sehr solide und dauerhaft auf der Scheibe befestigt werden. Für diese Befes- 29 Siehe hierzu Beitrag Berger u. a. sowie Beitrag Holdermann/Trommer in diesem Band. 3o Siehe Beitrag Pernicka in diesem Band. 31 Mündl. Mitteilung E. Pernicka und G. Borg. – In Bezug auf das Zinn vgl. Vortrag Pernicka in Abb. 13 Die Detailaufnahme zeigt, dass der ursprüngliche Stern 23a durch die Tauschierrille für Horizont 2 verletzt wurde. Ein Teil des abgetrennten und eingeklemmten Goldes verblieb in der Tauschierrille. Vermutlich aus optischen Gründen wurde der Stern ersetzt und etwas versetzt neu gestaltet. Dabei geriet der neue Stern größer, der umgebende Metallwall aus Bronze wurde flach gehämmert. tigung wurde mit einem deutlich höherlegierten, gehärteten Bronzemeißel eine unterschnittene Rille in der Form des einzulegenden Goldbleches in die Oberfläche der Scheibe geschlagen. Das Goldblättchen wurde anschließend eingefügt, das aufgeworfene Metall flach und sorgfältig um den Rand des Goldstückes gehämmert. Alle Goldauflagen der Himmelsscheibe gehen auf die Kreisform zurück. Die Maße der aufgebrachten Elemente stehen in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander. Ob diese Tatsache auf ein bronzezeitliches Maßsystem oder aber die Verwendung von Handwerkerschablonen zurückzuführen ist, muss vorerst offenbleiben32. Bei näherer Betrachtung ist entlang des Schiffsrandes eine grob ziselierte Fiederung erkennbar. Eine wesentlich feinere Ziselierung aus zahlreichen Rillen bildet einen feinen Kranz um Sonne/Vollmond. Beim rechten Horizont (Horizont 1) zeigen sich am äußeren Ende die etwas überstehenden Vorritzungen der Tauschierungen. Berlin-Adlershof am o4.11.2oo9 sowie Pressemitteilung Pernicka vom Dezember 2oo9. – Weiterhin zu den Zinnanalysen Haustein u. a. 2o1o, 816–832. – Zur Herkunft des Goldes vgl. Artikel »Focus« vom 12.o5.2o1o. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 32 Vgl. Beiträge Berger u. a. sowie Breuer in diesem Band. – Generell zur Technik der Metallverarbeitung in der Bronzezeit Schwab u. a. 2oo7. 45 46 HARALD MELLER a b Abb. 14 a–b Unter dem in Phase 2 aufgebrachten Horizontbogen 1 prägen sich die vor der Aufbringung entfernten Sterne 31 und 32 durch. Besonders im Röntgenbild werden die Tauschierkanäle dieser älteren, später abgerissenen Sterne gut sichtbar (b). Bei noch genauerer Betrachtung wird offensichtlich, dass das Himmelsbild auf der Scheibe von Nebra nicht in einem einmaligen Arbeitsprozess entstanden sein kann. Am augenfälligsten wird dies an einem versetzten Stern (Sterne Nr. 23a, 2333). Der ursprüngliche Stern der ersten Fassung der Himmelsscheibe war wohl beim Anbringen der Tauschierrille von Horizont 2 randlich verletzt worden und ist in der Folge abgefallen oder entfernt worden. Ein kleiner Goldrest dieses ursprünglichen Sternes befindet sich noch in der Tauschierrille (Abb.13). Anschließend wurde – ein Stück nach innen versetzt – ein neuer Stern angebracht. Dabei unterliefen dem neuen Handwerker, der offenbar in der Anbringung solcher Sterne weniger Erfahrung hatte als der eigentliche Verfertiger der Himmelsscheibe, zwei Anfängerfehler: Zum einen wählte er für den Tauschierkanal das ursprüngliche Außenmaß des alten Sternes, so dass der neue Stern größer geriet. Zum anderen verdrängte er beim Anlegen des Kanals zuviel Material, so dass beim Einhämmern der Bronze ein »Materialwall« entstand. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 15 Die Golduntersuchungen ergaben, dass für die Herstellung der Bildwerke auf der Himmelsscheibe drei verschiedene Goldsorten Verwendung fanden: Das Gold des Horizontbogens sowie des versetzten Sternes 23 ist zinnreicher, das Gold des Schiffes silberärmer als das Gold der restlichen Sterne, der Mondsichel sowie des Vollmondes bzw. der Sonne. Dieses Ergebnis korrespondiert exakt mit den archäologischen und handwerkstechnischen Untersuchungen, die ebenfalls von einer mehrphasigen Anbringung der Bildelemente ausgehen. 0,09 Sonne/Vollmond 0,08 Mond Sterne 0,07 Horizont Stern 23 Zinn in % 0,06 Schiff 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0,00 12 14 16 18 20 22 24 Silber in % Ein weiteres klares Zeichen für diese Umarbeitung sind zwei Tauschierrillen älterer Sterne unter Horizont 1, die sich durch das überprägende Goldblech des Horizontes abzeichnen und sich auch klar im Röntgenbild zeigen (Abb. 14; vgl. Pernicka/Wunderlich 2oo2, bes. 27 Abb. 5). Eindeutig später hinzugefügt scheint ebenfalls das Schiff, dessen Fiederung deshalb bei Stern 22 verkürzt ist und das sich zudem kompositorisch zwischen die umgebenden Sterne (18, 22, 26, 27, 25, 29) zwängt. Die Durchlochung des Scheibenrandes ist als ein weiterer separater Vorgang anzusehen. Dieser beschädigte neben Horizont 1 auch das Schiff, ohne Rücksicht auf die qualitätvolle Verarbeitung oder Zierelemente, wie beispielsweise die Fiederung des Schiffes, zu nehmen. Da die Durchlochung äußerst unsorgfältig ausgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass die Löcher durch die Befestigung der 33 Siehe Koordinatennetz mit Stern- und Objektnummerierung auf der Himmelsscheibe von Nebra am Ende dieses Bandes. Scheibe an oder auf einem organischen Untergrund verdeckt wurden. Ausgehend von dem »Wall«, der durch die Tauschierung des versetzten Sternes 23a/23 entstand, erschließt sich eine weitere Beobachtung: Stern Nr. 3 ist etwas kleiner und unregelmäßiger als die angrenzenden Sterne, zudem verfügt er ebenfalls über einen nicht flach gehämmerten »Wall«. Es könnte sich hier um den ersten Stern handeln, den der eigentliche Schmied auf die Himmelsscheibe aufbrachte, bei dem es ihm noch etwas an Übung fehlte. Die Oberfläche der Himmelsscheibe wäre demnach – sollte die jetzige Orientierung zutreffen – von oben nach unten gearbeitet worden. Diese These stützt der Eindruck, dass die Sterne nach unten hin zunehmend besser gelungen zu sein scheinen. Unter rein technischen Aspekten lassen sich zumindest drei verschiedene Handwerkerhände unterscheiden34: Ein 34 Siehe hierzu Beitrag Berger u. a. in diesem Band. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 47 48 HARALD MELLER Phase I Phase II Phase III Phase IV Phase V Abb. 16 Archäologische, technische und naturwissenschaftliche Analysen lassen fünf verschiedene Phasen der Entwicklung der Bildwerke auf der Himmelsscheibe erkennen. In Phase 1 wurde die Himmelsscheibe als scheinbar einfaches Himmelsbild mit 32 Sternen, Sichel- und Vollmond bzw. Sonne geschaffen. In Phase 2 wurden am rechten Rand zwei Sterne entfernt, anschließend seitlich die beiden Horizontbögen aufgebracht. Dabei wurde Stern 23a beschädigt und versetzt. In Phase 3 wurde am unteren Rand der Himmelsscheibe ein Schiff angebracht. In Phase 4 wurde die Himmelsscheibe rundum gelocht und wahrscheinlich auf einem organischen Trägermaterial montiert. In Phase 5 wurde der linke Horizontbogen abgerissen, die Himmelsscheibe somit disfunktionalisiert und den Göttern auf dem Mittelberg bei Nebra geopfert. erster Handwerker, der außer Stern 23 alle Sterne sowie den Sichelmond und die Sonne bzw. den Vollmond zu verantworten hatte; ein weiterer Handwerker, der die beiden Horizontbögen und Stern 23 aufbrachte, sowie ein dritter Handwerker, der das Schiff relativ nachlässig auf der Scheibe fixierte. Dazu ist wahrscheinlich noch ein vierter Handwerker zu rechnen, der die Scheibe grob randlich lochte, oder gar ein fünfter, der den zweiten Horizontbogen entfernte. Vom ersten bis zum vierten Handwerker nehmen Qualität und Sorgfalt im Umgang mit dem Himmelsbild und der Bronzescheibe selbst kontinuierlich ab. Welchem der späteren Handwerker der Probeschlag auf der Rückseite der Himmelsscheibe zuzuweisen ist, bleibt unklar. Er lässt sich, wie bereits erwähnt, nur durch die Unkenntnis eines späteren Handwerkers in Bezug auf die Legierung, also die Weichheit des verwendeten Materials, erklären. Allein die »Händescheidung« der möglichen Handwerker, aber auch der unsachgemäße Umgang mit den jeweils älteren Darstellungen – etwa die Horizontanbringung, das Herabreißen der alten Sterne sowie die Lochung von Horizont und Schiff – machen es unwahrscheinlich, dass derselbe oder jeweils vorherige Handwerker die Himmelsscheibe nacheinander in kürzeren oder auch längeren Abständen aus eigenem Antrieb oder im Auftrag Dritter veränderte. Vielmehr scheinen diese Veränderungen von unterschiedlichen Handwerkern zu verschiedenen Zeiten für diverse Besitzer durchgeführt worden zu sein. Diese zuerst rein archäologischen, handwerkstechnischen, stilistischen und stratigraphischen Beobachtungen werden eindrucksvoll durch die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Goldauflagen des Himmelsbildes untermauert. Bereits mit bloßem Auge war die etwas gelblichere Goldfärbung des Schiffes zu erkennen. Alle anderen Goldauflagen dagegen erweckten einen durchaus harmonischen, gleichfarbigen Eindruck. Die zerstörungsfreie, sorgfältige Analyse der einzelnen Goldauflagen durch SynchrotronRöntgenfluoreszenz am Berliner Elektronenbeschleuniger BESSY II zeigt die Unterschiede eindrücklich. Unterschiedliche Zinn- zu Silber- sowie Kupfer- zu Silbergehalte belegen eindeutig, dass die Auflagen aus drei verschiedenen Gold- chargen angefertigt wurden (Abb. 15): Die erste Charge (gelb), die alle Sterne mit Ausnahme von Stern 23 sowie Sichelmond und Sonne/Vollmond umfasst; sodann der erhaltene Horizontbogen und der versetzte Stern 23 (rot) und schließlich das Schiff, das ebenfalls aus deutlich anderem Gold gefertigt ist (blau). In der Zusammenschau mit den handwerklich-technischen Beobachtungen lassen die Ergebnisse folgenden Schluss zu (Abb. 16): Die Himmelsscheibe trug in ihrer ersten Phase ein sehr einfaches, plakatives Himmelsbild aus 32 Sternen, Sichelmond und Vollmond/Sonne. In Phase 2 wurden vermutlich zuerst die beiden Sterne 31 und 32 entfernt, um Platz für die Anbringung des rechten Horizontbogens zu schaffen. Schließlich wurde Stern 23a beschädigt und, aus der neuen Goldcharge gefertigt, versetzt wieder angebracht. In Phase 3 erfolgte die Anbringung des Schiffes. Die randliche Durchlochung der Himmelsscheibe erfolgte abschließend in Phase 4. In einer möglichen Phase 5 könnte der zweite Horizontbogen entfernt und somit die Himmelsscheibe rituell unbrauchbar gemacht worden sein. Ein Wechsel der Phasen 2 und 3 – also eine Anbringung des Schiffes vor den Horizontbögen – kann nicht ausgeschlossen werden, ist aufgrund des späten Auftretens der Schiffsdarstellungen am Ende der Frühbronzezeit (frühestens 165o v. Chr.35) jedoch eher unwahrscheinlich. 35 Die bislang älteste bekannte Schiffsdarstellung auf dem Schwert von Rørby (Seeland, Dänemark) datiert in die Zeit der Nieder- Die Schwerter Zusammen mit der Himmelsscheibe wurden zwei Schwerter gefunden, die in vielfacher Hinsicht von herausragender Qualität sind (Abb.17). Dies betrifft in erster Linie weder die Form der Klingen, die als sogenannte Sögel-Klingen zahlreich belegt sind, noch den Griff, der auf die sogenannten Apa-Schwerter zurückgeht, sondern vielmehr die außergewöhnlich seltene Tauschierung auf Griffen und Klingen sowie die filigrane Goldmanschette unterhalb des Knaufes. Obwohl die beiden Schwerter auf den ersten Blick einen nahezu identischen Eindruck in Bezug auf Größe, Konstruktion und Zierweise machen, gibt es doch Unterschiede, durch die sich Schwert 1 von Schwert 2 unterscheidet. Die Klinge legung der Himmelsscheibe um 16oo v. Chr.; vgl. dazu Kaul 2oo4, 58; Rønne 2oo4, 64; Abb. S. 65. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 17 Der Hortfund von Nebra enthielt zwei Schwerter. Obwohl diese fast identisch aussehen, bestehen doch geringe Unterschiede, wie etwa in der Verzierung der Klingen oder der Griffe. So verfügt Schwert 1 (links) über eine sich den Mittelgrad entlang schlängelnde Klingentauschierung, wohingegen der Griff von Schwert 2 (rechts) umfangreicher tauschiert ist. Die Halbschalengriffe hatten ursprünglich eine Ergänzung aus organischem Material (Holz oder Knochen). Diese ist mittlerweile vergangen. Die Seite mit bronzenem Griff war die Schauseite. Die seltenen goldenen Griffmanschetten sowie die Tauschierung machen die Schwerter zu einem raren und kostbaren Produkt. Auch aufgrund der formalen Paarigkeit ist davon auszugehen, dass sie gemeinsam getragen wurden. Die Schwerter sind letztendlich Kopien donauländischer Vollgriffschwerter, deren Kenntnis vermutlich über dänische Importstücke vermittelt wurde. von Schwert 1 zeigt auf der Vorderseite eine schlangenartig gewellte Mitteltauschierung entlang des Klingengrates, die von einer für Sögel-Klingen typischen Lanzettverzierung gefasst wird. Des Weiteren sind Knaufplatte und -nagel mit umlaufenden Dreiecken verziert. Beides fehlt bei Schwert 2. In der Detailaufnahme der Griffe werden weitere kleine Unterschiede sichtbar, wie etwa die Zackentauschierung bei Schwert 2 unterhalb der Goldmanschette (Abb. 21). Beide Schwerter verfügen über eine etwa 36,5 cm lange, relativ breite, im Querschnitt lanzettförmige, nur schwach geschwungene, relativ massive Klinge mit deutlichem, aber nicht ausgeprägtem Mittelgrat. Von den äußeren Griffnieten ausgehend sind die Klingen mit zwei- bis vierfachen lanzettförmigen Rillenbündeln verziert. Innerhalb dieser Strichbündel verläuft eine Kupfertauschierung, die sich in der Antike vermutlich durch künstliches Patinieren deutlich TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 49 50 HARALD MELLER Abb. 18 Die drei schottischen Dolche von Collessie, Blackwaterfoot und Skateraw (von links nach rechts), deren organische Griffe längst vergangen sind, datieren etwas älter als die Schwerter von Nebra. Sie stellen jedoch das einzige Vergleichsbeispiel für die goldenen Griffmanschetten dar. Somit weisen die Schwerter von Nebra neben donauländischen auch britannische Einflüsse auf. farblich, Schwarz auf Gold des Kupfers, abgesetzt haben dürfte36. Auf der ausschwingenden, halbrunden Griffplatte ist jeweils ein massiver Halbschalengriff mit vier Nieten befestigt. Die in einem der Griffe haftenden Reste von Birkenrinde belegen, dass der Kern und anscheinend auch die zweite Griffhälfte aus organischem Material bestanden. Diese zweite, vermutlich aus Holz oder Knochen gefertigte Griffhälfte, die mit der Rinde wohl gegen die Bronze gepolstert war, war durch einen zentralen Niet, durch jeweils eine Knaufplatte und einen langen Knaufnagel mit dem gegossenen Halbschalengriff fest verbunden. Zwischen Halbschalengriff und Knaufplatte befand sich ein fein gerilltes, nach innen gefalztes Goldband, das sich an den organischen Griffkern geschmiegt haben dürfte (vgl. Pernicka/Wunderlich 2oo2). Die Griffverzierung aus gerippten Goldmanschetten findet ihre nahezu exakte Entsprechung in den schottischen Dolchen von Collessie (Fife), Skateraw (East Lothian) und Blackwaterfoot (Insel Arran). Sie zählen zu einer Sögel-Klingen lang Sögel-Klingen kurz Abb. 19 Vermutlich orientieren sich die Klingen der Griffplattenschwerter vom Typ Sögel an donauländischen Schwertern vom Typ Apa. Allerdings wäre auch eine Ableitung aus frühbronzezeitlichen Dolchen denkbar. Ein Großteil der Sögel-Klingen ist unter 25 cm lang und damit eher den Dolchen als den Kurzschwertern zuzurechnen. Die längeren Klingen erreichen bis zu 4o cm Länge. Sie sind bis nach Mitteldeutschland verbreitet, während die kürzeren Formen nur im nördlichen Verbreitungsgebiet auftreten. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Apa Hajdúsámson Téglás Tårupgårde Stensgård »Pella« 0 3 cm Abb. 2o Die Griffe der Schwerter des so genannten Typs Apa weisen regelhaft hängende schraffierte Dreiecke auf, die durch Strichbündel getrennt werden. Vereinzelt, wie in Apa selbst, kommen auch stehende Dreiecke vor. Des Weiteren sind Nieten und die diese umgebenden Griffteile häufig von Punktreihen gefasst oder durch Strichbündel getrennt, Verzierungsmuster, wie sie ebenfalls auf den Griffen der Nebra-Schwerter auftreten. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 51 52 HARALD MELLER Abb. 21 Die wesentlichen Zierelemente der ApaSchwerter – hängende Dreiecke und Strichbündel – sowie die Verzierung um die Nieten finden sich auf beiden Schwertgriffen von Nebra wieder. Hier wurde die Zier weniger sorgfältig und weniger charakteristisch ausgeführt – ein Hinweis auf Imitation. Das für die Apa-Schwerter typische quer geriefte Strichbündel unterhalb der Knaufscheibe ist bei den Schwertern von Nebra als Goldmanschette ausgeführt. Die beiden Knaufplatten und Knaufnägel von Nebra entsprechen in ihrer Dreiecksverzierung oder ihrer unverzierten Art den verschiedenen Ausformungen der Knaufplatten der Apa-Vorbilder. 1 2 Gruppe frühbronzezeitlicher, im Vergleich zu den NebraSchwertern allerdings etwas älter datierender Dolche, deren organische Griffe vergangen sind (Abb. 18; Cowie 2oo4, 176). Die Griffkonstruktion mit je zwei Halbschalen aus unterschiedlichem Material ist zwar technisch ausgefeilt, dennoch dürften die Schwerter mehr Repräsentations- als tatsächlichen Kampfwert besessen haben. Die gegossenen Halbschalen der Griffe sind mit vier ausgeprägten Niethüten, die von Punzreihen umsäumt werden, und über diesen mit einem gegenständigen Wolfszahnmuster verziert. Die Griffseiten und in einem Fall, wie beschrieben, das Griffende zur Goldverzierung hin werden von kupfertauschierten Winkelbändern eingerahmt (Abb. 21). In seiner groß angelegten Studie ordnete B. Sicherl die beiden Schwerter von Nebra zusammen mit dem ebenfalls singulären Schwert von Rastdorf (Kr. Plön) einer Sonder36 Siehe hierzu Beitrag Berger u. a. in diesem Band. 37 H. Vandkilde hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass zwar originale Apa-Schwerter aus dem mittleren Donaugebiet und dem Karpartenbecken direkt nach Dänemark importiert wurden, dass es dort aber auch schnell zu lokalen Kopien kam; vgl. hierzu Vandkilde 1996, 224 ff. Abb. 239. – Bei einer Originalautopsie in Ungarn, vor allem im Museum Debrecen, zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen den sogenannten ApaSchwertern. Deutlich wird dies beim Schwert 0 3 cm gruppe der Schwerter vom Typ Apa zu (Sicherl 2oo4, 5o Karte 12; Liste 346; zur Forschungsgeschichte der ApaSchwerter 47 ff.). Wahrscheinlich handelt es sich bei den Schwertern aus Nebra jedoch nicht um eine Sonderform des Typus Apa, sondern vielmehr – zumindest auf den Griff bezogen – um eine Imitation von Apa-Schwertern des donauländischen Raumes in Kombination mit Sögel-Klingen. Die These Sicherls, dass der Ort der Entstehung und Produktion der Apa-Schwerter im oberen Mittel-Donau-Gebiet liegt, triff hingegen sicherlich zu (Sicherl 2oo4, 52)37. Die älteren der Apa-Schwerter (Hajdúsámson) datieren in die Zeitstufe der Schwerter von Nebra, ganz an das Ende der Frühbronzezeit. Der Export der Apa-Schwerter nach Norden belegt, dass der Weg entlang der Oder nun wieder als direkte Handelsroute genutzt werden konnte. Ob es sich bei den gleichzeitigen Sögel-Klingen um Kopien von Apa-Schwer- von Hajdúsámson, das über einen ausgeprägten Mittelgrat sowie eine nach der Griffplatte nur wenig einziehende Klinge verfügt. Vermutlich sind diese Schwerter zeitgleich mit denen von Nebra, während der Fund von Apa etwas jünger datiert (Hinweis R. Schwarz [LDA], siehe auch Chronologietabelle in Meller 2oo4, 12 f.). Der Einfachheit halber wird jedoch hier die eingeführte Bezeichnung »Apa-Schwerter« beibehalten. 38 Zusammenfassend zu Sögel-Klingen und weiterführender Literatur siehe Laux 2oo9, 2o ff. – Zu Griffplattenklingen siehe Vogt 2oo4, dort zu Apa-Schwertern 25 ff., zu SögelKlingen 29 ff. – Die älteren Apa-Schwerter vom Typ Hajdúsámson dürften, wie ausgeführt, nebra-zeitlich sein, also an das Ende der Frühbronzezeit A2c datieren. Der Hortfund von Apa selbst dürfte schon mit dem Hortfund von Bühl, also B1a bzw. MD I, zu verbinden sein. In diesen Horizont wäre wohl auch ein Großteil der Sögel-Klingen zu setzen, sie beginnen allerdings (siehe Nebra) bereits am Ende der Frühbronzezeit. 39 Fundort und -umstände sind unbekannt. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Rastorf Eschwege 0 3 cm Abb. 22 Die Griffzier des Schwertes von Eschwege gibt einen eindeutigen Hinweis auf die Imitation der Apa-Schwerter. Der Griff selbst ist als Vollgriff ausgebildet. Die Klinge hingegen entspricht den Sögel-Klingen. Das Schwert von Rastorf verfügt, wie die Schwerter von Nebra, über einen Halbschalengriff. Allerdings ist die Knaufplatte voll ausgebildet. tern oder aber nur um eine eigenständige Umsetzung der Idee dieser ersten Vollgriffschwerter handelt, bedarf einer detaillierten Untersuchung. Festzuhalten bleiben bei einem Blick auf die größten und massivsten dieser Klingen eindeutige Anklänge an die deutlich größeren und stärker geschwungenen Apa-Schwerter38. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Repertoire der Sögel-Klingen außergewöhnlich viele kurze Formen beinhaltet, so dass der Übergang von den Kurzschwertern im Bereich von ca. 25 cm Klingenlänge zu den Dolchen fließend ist. Bei einer Scheidung der kurzen von den langen SögelKlingen ergibt sich für beide Typen das nahezu gleiche Verbreitungsgebiet über Norddeutschland und Dänemark (Abb. 19). Jedoch reichen die langen Sögel-Klingen weiter nach Mitteldeutschland und nach Süden bis in die Mittelgebirgszone. Die Klingen von Nebra würde man ohne die Kenntnis ihrer Griffe den größeren Sögel-Klingen zuordnen, zumal in der nächsten Umgebung des Fundortes, in Sachsenburg und Halberstadt (Wüstemann 1995: zu Sangerhausen 11o Nr. 344; zu Neuenhofe, Kr. Halberstadt, 11o Nr. 34o), an Form und Größe ähnliche Exemplare gefunden wurden. An Schwertern vom Typ »Sögel lang« lassen sich zahlreiche weitere Stücke mit jeweils vier oder fünf Griffplattennieten aufzählen, die häufig auch eine Lanzettenverzierung tragen. An dieser Stelle sei beispielsweise auf die Klingen aus dem TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Nyköping-Fluss (Ksp. Barbö, Schweden; Jacob-Friesen 1967, 3o7 Nr. 286) oder aus Schonungen (Kr. Schweinfurt; Schauer 1993, 75) verwiesen. Bei einem Vergleich der Griffe von Nebra mit solchen der Apa-Schwerter liegt die Vermutung nahe, dass bei den mitteldeutschen Exemplaren eine Imitation vorliegt. Sowohl eines der Schwerter von Apa (Nr. 26; vgl. Bader 1991, 39) als auch die Schwerter von Hajdúsámson, Téglás (beide Hajdú Bihar, Ungarn; Kemenczei 1991: zu Téglás 8–1o Nr. 3; zu Hajdúsámson 8–1o Nr. 1) und angeblich »Pella« (Zentralmakedonien; Kilian-Dirlmeier 1993, Nr. 444)39 verfügen ebenso wie die Schwerter von Tårupgårde und Stensgård (beide Maribo Amt, Dänemark; Aner/Kersten 1977: zu Stensgård 86 Nr. 1675; Taf. 146; zu Tårupgårde 87 f. Nr. 168o; Taf. 146) über schraffierte, hängende Dreiecke, die durch horizontale Linien getrennt werden (Abb. 2o). Ziselierte Dreiecke, wenn auch leicht unsauber ausgeführt, weisen auch die Griffe der Nebra-Schwerter auf. Diese für die Griffe des Typs Apa typischen Reihen hängender Dreiecke, durch mehrere horizontal verlaufende Linien unterbrochen, sind auf den Griffen der Nebra-Schwerter auf ein Element aus hängenden und stehenden Dreiecken reduziert. Als kostbare eigenwillige Interpretation wurde auf beiden Griffen die gerillte Zone durch eine Goldmanschette ersetzt (Abb. 21). Bei beiden genannten dänischen Importschwertern werden zudem, 53 54 HARALD MELLER Abb. 23 Die Vollgriffschwerter vom Typ Apa wurden an der mittleren Donau und im Karpatenbecken am Ende des 17. Jh. v. Chr. erfunden. Sie gelangten über den Oder-Weg nach Dänemark, wo sie in lokaler Rezeption in minderwertiger Qualität kopiert wurden. Schwerter Typ Apa mit einteiligem vernieteten Vollgriff Schwerter Typ Apa, Griff und Klinge aus einem Guss Schwerter Typ Apa, wohl lokale Imitation ähnlich den Nebra-Schwertern, die Nieten durch Strichbündel getrennt. Betrachtet man die Knaufplatten und -nägel der Funde aus Nebra, von denen nur einer diese Zier trägt, so entspricht dieser Unterschied im Schwertpaar ebenfalls den Apa-Vorbildern, die gleichermaßen verziert und unverziert auftreten. Wie bereits erwähnt, ist der Halbschalengriff von Nebra keine unikale Lösung. Die beiden nächsten Vergleichsfunde sind die Schwerter von Rastorf (siehe oben) und Roum (Viborg Amt, Dänemark) (Abb. 22). Im Fall von Rastorf (Bokelmann 1977, 97 Abb. 8 [Zeichnung]; Bokelmann 1972, 1; Taf. 3 [Foto]) wurde allerdings nach einer anderen, einfacheren Lösung gesucht: Sechs Nieten halten den Griff auf der Griffplatte, die Knaufplatte ist voll ausgeformt und mit dem Halbschalengriff vergossen, so dass auf die Befestigung mit Knaufnägeln verzichtet werden konnte. Auch die einfache Zier der Knaufplatte erinnert an die der Apa-Schwerter. Beim Fund von Roum (Hachmann 1957, Taf. 19,16; Broholm 1943, Nr. 4) handelt es sich um einen Halbschalengriff mit Knauf und offenbar loser Knaufplatte. Besonders enge Bezüge zu den Nebra-Schwertern – nicht nur räumlicher Art – weist das Schwert von Eschwege (Kr. Werra-Meißner; Hänsel 2ooo, 32) auf. Dieses verfügt jedoch über einen vollgegossenen Griff, ist aber mit einer Klinge versehen, die eher den Sögel-Klingen ähnelt. Auch dieses Exemplar ist zweifelsfrei als Kopie eines Apa-Vorbildes anzusprechen. Die Klingentauschierung der Schwerter von Nebra ist noch ungewöhnlicher als die Griffzier mit Goldmanschetten. Aus Nord- und Westeuropa sind zwei weitere Beispiele 4o Vgl. hierzu Beitrag Berger u. a. in diesem Band; Wunderlich 2oo5. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 24 Die beiden Randleistenbeile (Beil 1 links, Beil 2 rechts), der Randleistenmeißel mit geknicktem Rand sowie die beiden Armspiralen mit verjüngten Enden aus dem Hortfund von Nebra. bekannt: das Schwert aus Vreta-Kloster (Östergötlands län, Schweden; Oldeberg 1974, Abb. 4; Montelius 19oo, 74 f. mit Abb. 198) und das Schwert von Marais de Nantes (Dép. Loire-Atlantique, Frankreich; Schauer 1984). Neben den tauschierten Klingen sind wenige weitere hochwertig tauschierte Objekte, wie etwa das ebenfalls frühbronzezeitliche Beil von Thun-Renzenbühl (Kanton Bern, Schweiz; Strahm 1972; Abb. 24 in Beitrag Berger u. a. in diesem Band), in Mitteleuropa gefunden worden. Ob die Technik der Tauschierung während der Frühbronzezeit in Mitteleuropa eigenständig entwickelt oder aus der Ostägäis importiert wurde, lässt sich aufgrund der wenigen Vergleichsbeispiele nicht mit Sicherheit feststellen40. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Zusammenfassend lässt sich für die Schwerter von Nebra festhalten, dass es sich um ein Schwertpaar höchster Qualität mit zwar geringen, aber zur Unterscheidung durchaus geeigneten Unterschieden handelt. Dieser Umstand legt nahe, dass das Schwertpaar zusammen genutzt und wohl auch getragen werden sollte – ob durch eine einzelne oder zwei miteinander auftretende Personen, ist bei der Befundlage nicht zu entscheiden. Der Schwertgriff imitiert die hochrangigen, damals neu entwickelten Vollgriffschwerter vom Apa-Typ des mittleren Donauraumes, die als direkte Importe nach Dänemark gelangten und dort in deutlich schlechterer Qualität kopiert wurden. Es erscheint auf den ersten Blick rätselhaft, warum 55 56 HARALD MELLER für den Auftraggeber eine in ihrer Herstellung äußerst aufwendige, verkleinerte Kopie eines Apa-Schwertes hergestellt und nicht ein Apa-Schwert im Original erworben wurde. Betrachtet man die Verbreitungskarte, wird deutlich, dass Apa-Schwerter und ihre direkten Kopien nur im Ursprungsraum und – von der polnischen Ausnahme Rożnowo (Woj. Zachodniopomorskie; Blajer 199o, 131; Taf. XCII Nr. 1o3) abgesehen – in Skandinavien auftreten (Abb. 23)41. Als Erklärung bietet sich folgerichtig an, dass der Auftraggeber der Nebra-Schwerter keinen Zugang zu originalen Schwertern hatte. Wurde hier also ein Sögel-Schwert des Nordens mit organischem, verziertem Griff imitiert? Die typo-chronologische Einordnung verweist auf das Ende der Frühbronzezeit in den Fundhorizont von Trassem42. Diese Datierung wird zudem durch die Radiokarbondatierung der Birkenrindreste aus einem der Griffe unterstützt43. Die Beile Ähnlich dem Schwertpaar waren im Hort von Nebra zwei einander sehr ähnliche bronzene Randleistenbeile enthalten (Abb. 24). In ihrer oberen Hälfte verlaufen die Seiten nahezu parallel zueinander, um sich nach der Beilmitte leicht geschwungen zur Schneide hin zu verbreitern. Die Seitenansicht ist weidenblattförmig. Die Beile unterscheiden sich in ihrer Ausführung: Beil 1 ist im Gegensatz zu Beil 2 eher durch härtere, klar voneinander abgesetzte Formen, Beil 2 hingegen durch fließende Übergänge charakterisiert. So ist Beil 1 im Querschnitt rechteckig, die Randleisten sind scharf abgesetzt. Bei Beil 2 ist der Querschnitt konkav, die Randleisten sind weniger scharf abgesetzt. Überdies ist hier der Nackenabschluss gerundet, der bei Beil 1 gerade verläuft. Beide Beile eint die leichte Rast in ihrer Mitte. Die Form dieser Beile fasste K.-F. Rittershofer unter dem Typ Bühl zusammen (Rittershofer 1983, 178–189), dessen Ursprungsgebiet er mit dem Nordischen Kreis gleichsetzt. Die Untergliederung der Beile nach Rittershofer wurde von F. Laux anhand der niedersächsischen Beile erheblich verfeinert und aufgegliedert44. Chronologisch setzen beide Autoren diesen Beiltyp an das Ende der Frühbronzezeit. Die Verbreitungskarte Rittershofers (1983, 186 Abb. 3 mit Liste 1; 76 f.) zeigt einen Schwerpunkt an Elbe und Oder mit wenigen Ausreißern bis an die Donau. Sie gibt das Hauptverbreitungsgebiet wieder, ist jedoch nach zahlreichen Neufunden und den umfangreichen Studien Laux’ nicht mehr aktuell. 41 Das Schwert von Eschwege wird in Verbindung mit den Sögel-Klingen und den Schwertern von Nebra gesehen und wurde deshalb nicht in die Verbreitungskarte mit aufgenommen. 42 Ursprünglich wurde der Horizont von P. Reinecke (1924) als Stufe A2 Trassem-LangquaidTinsdahl beschrieben. Der Autor folgt der Terminologie von W. Ruckdeschel (1978, 3o2–3o4) in die Stufen A2 a–c und nicht der Terminologie von K.-F. Rittershofer (1983, Der Meißel Aus dem Depotfund von Nebra stammt ein Randleistenmeißel mit geknickten Seiten (Abb. 24). Der Schäftungsteil entspricht der halben Länge des schmäleren Schneidenteiles. Er ist im Querschnitt rechteckig, die Randleisten sind stark ausgeprägt. Meißel mit geknickten Seiten sind seit dem Fürstengrab von Leubingen bekannt, dort allerdings weisen sie noch keine Randleisten auf. Die Knickrandmeißel wurden von B. Zich zusammengestellt. Der Meißel von Nebra entspricht Typ 36a (Zich 1996, 214 f. Karte 97). Nach Zich datiert dieser Typ an das Ende der Frühbronzezeit, an den Übergang zur Mittelbronzezeit. Meißel dieser Form sind in der nördlichen Aunjetitzer Kultur verbreitet und daher in Mitteldeutschland nicht unüblich. Eine Verdichtung und Erweiterung des Verbreitungsgebietes nach Norden erfährt die Typologie nach Zich durch die Arbeiten von Laux, der die Randleistenmeißel mit geknickten Seiten in fünf Varianten unterteilt (Laux 2ooo, 67–71). Der nächste Vergleich zu dem Meißel aus Nebra ist die Variante Holte-Spangen. Laux datiert die Meißel ganz allgemein an das Ende der Aunjetitzer Kultur. Aus den Arbeiten Vandkildes wird deutlich, dass die entsprechenden Randleistenmeißel mit geknicktem Rand auch im Nordischen Kreis, hier insbesondere in Dänemark, Verbreitung finden (Vandkilde 1996, 136–138 Abb. 123)45. Auch sie setzt diese Meißel in den Sögel-Klingen-Horizont. Die Armspiralen Neben den beiden Schwertern, Beilen und dem Meißel enthielt das Depot von Nebra auch zwei mehrfach zerbrochene Armspiralen (Abb. 24). An beiden Spiralen war jeweils ein sich verjüngendes Ende erhalten. Der Querschnitt ist D-förmig. Ihr Durchmesser macht eine Verwendung als Armschmuck wahrscheinlich. Das besser erhaltene Exemplar weist noch sieben Spiralwindungen auf. Armspiralen sind in vielen Fällen Bestandteil der Hortfunde der nördlichen Aunjetitzer Kultur. In den südlicheren Formenkreisen der Frühbronzezeit scheinen sie an Grabinventare gebunden zu sein. Dort sind sie sowohl paarig als auch einzeln vertreten (Zich 1996, 2o7 f. Karte 94). Auch in Hortfunden treten Armspiralen häufig paarig auf46. Neben der rein schmückenden Funktion, die sie wohl als Grabbeigaben innehatten, kommt den Spiralen in den Depots möglicherweise auch eine Barrenfunktion zu (Zich 1996, 2o7). In Bezug auf die Datierung wird auf den Querschnitt, die Drehrichtung und vor allem auf die zunehmende Länge der 326–337) in Stufe A3. Allerdings sehen wir einen zeitlichen Unterschied zwischen den Horten von Langquaid (A2b) und Trassem (A2c); danach würde der Hort von Bühl, bereits mittelbronzezeitlich (B1a), folgen. Den Hort von Nebra – dies wird auch an den weiteren Beifunden deutlich werden – sehen wir in einem Horizont mit Trassem (siehe auch die chronologische Übersicht in Genz/Schwarz 2oo4, 12 f.). 43 1639–14o1 cal. BC (Two Sigma Range), Leib- niz-Institut für Isotopenforschung Kiel. 44 Laux 2ooo: etwa die Typen Ülsen und Basdahl (S. 36) oder Typ Suderburg-Oldenstadt (S. 43 f.) und die Variante Harsefeld (S. 77–79). Die zahlreichen Varianten sind nur schwer unterscheidbar. 45 Der Meißel von Nebra entspräche wohl am ehesten Typ D4, Variante C. 46 Ausführlich zu den Armspiralen mit verjüngten Enden in Gräbern Ruckdeschel 1978, 159–161; 155 Abb. 13. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Armspiralen im Verlauf der Frühbronzezeit hingewiesen, ohne dies jedoch genauer zu spezifizieren (Ruckdeschel 1978, 16o–162). Nach derzeitigem Kenntnisstand treten diese Armspiralen während der Frühbronzezeit sowohl in Stufe A1 als auch in Stufe A2 auf. Die Zusammensetzung des Hortfundes von Nebra Eine kurze Betrachtung der einzelnen Elemente des Hortfundes hat gezeigt, dass Schwerter, Beile und Meißel, aber auch die Armspiralen aus rein chronologischen Gesichtspunkten an das Ende der Frühbronzezeit in Stufe A2c zu setzen sind. Nun stellt sich die Frage nach der Gesamtzusammensetzung des Hortfundes von Nebra: Ist diese musterhaft oder singulär? In der Vergangenheit wurde mehrfach auf die überzeugende Parallele des Inventars des Fürstengrabes von Leubingen verwiesen (Meller 2oo4, 94–97; Maraszek/Zipf 2oo9, 71–74). Die Doppelung von Beil und Schwert in Nebra findet ihre Entsprechung in der Doppelung von Beil und Dolch in Leubingen. Das Leubinger Grab enthält zudem ebenfalls einen Meißel. Bislang wurde keine Verbindung zu den frühbronzezeitlichen Hortsitten Mitteldeutschlands und der nördlichen Aunjetitzer Kultur gesehen (Maraszek/Zipf 2oo9, 73). Vielmehr hat S. Hansen den Ursprung dieses Hortmusters im mittleren Donauraum angenommen. Er geht davon aus, dass die Hortsitte erst mit dem Import der Apa-Schwerter nach Norden gelangte47. Eine Beurteilung der Zusammensetzung des Hortfundes von Nebra ist nicht einfach, da für diesen letzten Abschnitt der Frühbronzezeit nur wenige Horte belegt sind. Bei der Betrachtung der zeitgleichen Gräber fällt auf, dass mit SögelKlingen ausgestattete Männergräber an weiterer Bewaffnung meist über ein Beil und seltener über Pfeile verfügen. Die Kombination Schwert–Beil scheint geradezu kanonisch zu sein. In Einzelfällen kann das Beil sehr schmal ausgebildet sein oder aber durch einen Meißel ersetzt werden48. Vor diesem Hintergrund liegt bei dem Hort von Nebra im Hinblick auf die Waffenkombination tatsächlich eine Doppelung vor49. Der mit Nebra zeitgleiche Hortfund von Trassem (Lkr. Trier-Saarburg) erinnert mit der Kombination von Kurzschwert, mehreren Beilen – darunter ein sehr schmales, meißelartiges Beil – und goldenem Schmuck, zu dem auch ein Armring zählt, sehr an das Hortfundmuster von Nebra (Behrens 1916, 19 f. Abb. 6; Abb. 25). Bei der Betrachtung der zeitlich unmittelbar vorangegangenen frühbronzezeitlichen Hortfundsitten im Raum Sachsen-Anhalt und Sachsen wird klar, dass dieses Muster auf eine lange Tradition zurückgeht. In den älteren Hortfunden ist anstelle des neu entwickelten Kurzschwertes von Nebra ein Dolch oder Stabdolch enthalten. Stabdolche in Kombination mit Beilen und Armspiralen sind sowohl in den Hort- 47 Siehe Beitrag S. Hansen in diesem Band. 48 Zum Meißel als Waffe siehe Beitrag S. Hansen in diesem Band. 49 Zu den Waffengräbern des Sögel-Horizontes siehe Laux 2ooo, 13–15; Taf. 92–93. 5o Die Hortfunde von Dieskau 2 und 3 sowie Abb. 25 Der Hortfund von Trassem ist etwa gleichzeitig mit dem Depotfund von Nebra und zeigt ein ähnliches Hortungsmuster: ein Kurzschwert (1), fünf Randleistenbeile mit halbkreisförmiger Schneide (hier nur drei wiedergegeben, 2–4), ein meißelartiges Randleistenbeil mit kurzer gerader Schneide (5), eine goldene Nadel (6), ein goldener Armring (7) sowie vier Golddrahtspiralen (8). funden von Dieskau 2 und 3, aber auch in Depot 3 von HalleKanena zu finden50. Dolch und kleiner Spiralring sind für Schollene, Beil und Armringspiralen für Halle-Reideburg und Osterburg belegt51. In keinem der genannten Horte sind Dolch, Beil und Armspiralen mit einem Meißel vergesellschaftet. Ähnlich verhält es sich in Sachsen: Dolch und Armspiralen wurden in Dresden-Dobritz, Kühnau, Röderau und Schleinitz-Wauden zusammen niedergelegt52; in Schleinitz-Wauden in Kombination mit zwei Randleistenbeilen. Auch hier beinhalten die entsprechenden Fundkombinationen keinen Meißel. Die meisten der Hortfunde sind außerdem mit mehreren Ösenhalsringen und schweren Ringen ausgestattet. Armspiralen kommen häufig paarig oder in paarigen Sätzen vor. Dies scheint mit Einschränkungen auch für die Beile zu gelten, wohingegen die Dolche stets einzeln belegt sind. Halle-Kanena, Depot 3, finden sich mit weiterer Literatur in Zich 1996, 427; zu Dieskau 3 427 f.; zu Halle-Kanena, Depot 3, 437. 51 Die Depots Halle-Reideburg, Osterburg und Schollene finden sich mit weiterer Literatur in Zich 1996, 437; 4o6; 4o9. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 52 Die Depots mit weiterer Literatur in Zich 1996: zu Dresden-Dobritz 527, K 62; zu Kyhna 513 f. H 87; zu Röderau 538, K 222; zu Schleinitz-Wauden: 538, K 224. 57 58 HARALD MELLER Abb. 26 Ein Teil des Depotfundes von Bruchhausen (nicht abgebildet sind neun einfache Bronzeringe). Das bereits frühmittelbronzezeitliche Depot zeigt mit zwei Dolchklingen (einem Rohling), mehreren Beilen, einem Randleistenmeißel mit Knick sowie Armspiralen das gleiche Hortfundmuster wie das Depot von Nebra. Ein Blick in die Hortfundlandschaft Polens bestätigt das Bild. Dort sind relativ regelhaft Beile und Armspiralen vergesellschaftet, nur selten kommt ein Dolch hinzu. Der gleiche Befund ergibt sich für die zahlreichen Hortfunde Böhmens, dort ist ebenfalls die Kombination Beile–Armspiralen üblich. Doppelungen, vor allem bei den Armspiralen, zeichnen sich auch hier ab. Dieser kurze Überblick zeigt deutlich, dass die Zusammensetzung des Depots von Nebra durchaus aus den älteren regionalen Hortfundsitten ableitbar ist. Es scheint gleichzeitig eine Entwicklungstendenz der Hortsitten der frühen Mittelbronzezeit vorwegzunehmen. Zumindest zeigen die etwas späteren Depots von Stecklin und Bruchhausen (Westpommern; Abb. 26) ein ganz ähnliches Hortfundmuster (beide Funde in Hachmann 1957: zu Bruchhausen Taf. 33; zu Stecklin Taf. 37). Das Kurzschwert von Stecklin ist mit zwei Randleistenbeilen und Armspiralen vergesellschaftet. Im Fall von Bruchhausen kommen zu zwei Dolchen TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES mehrere Randleistenbeile, zwei Armspiralen, Ringschmuck sowie ein Meißel. Die beiden zuletzt genannten Depots sind zeitlich kurz nach demjenigen von Nebra anzusetzen. Diese Erwägungen zeigen, dass das Depot von Nebra von zweierlei mitteldeutschen Traditionslinien beeinflusst wird: einer aus der weit verbreiteten Hortfundsitte, aber auch einer aus den Fürstengräbern, speziell dem Grab von Leubingen, in dem die Dolche ebenfalls gekreuzt lagen. Interpretation der Bildwerke auf der Himmelsscheibe von Nebra Bereits bei der ersten genaueren Untersuchung der Himmelsscheibe war klar, dass ihr Bild durch das Entfernen alter und das Abringen neuer Bildelemente mehrfach verändert worden war. Es lassen sich, wie gezeigt, eindeutig vier Phasen nachweisen. Ob für das Entfernen von Horizontbogen 2 eine fünfte Phase angenommen werden darf oder dieser schlicht verloren ging, ist nicht zu belegen. Für das Verständnis des Scheibenbildes ist neben der Analyse des Urbildes auch die der anschließenden Veränderungen wesentlich. Wurde das ursprüngliche Bild jeweils nur erweitert oder entscheidend verändert? Welcher Zeitraum lag zwischen den Eingriffen? Wer veranlasste diese? Fand im Zusammenhang mit diesen Veränderungen ein Besitzerwechsel statt? Wann, durch wen und für welchen Zweck die Himmelsscheibe erdacht und gefertigt wurde, lässt sich nur aus der Analyse des Urbildes von Phase 1 ableiten. Die neue astronomische Interpretation durch R. Hansen von Anfang 2oo6 ist hierfür maßgeblich53 und hatte für die kulturhistorische Interpretation weitreichende Konsequenzen. Der Forschungsstand beim Kongress 2oo5, demzufolge das Urbild der Himmelsscheibe noch neolithischen Traditionen verhaftet war und erst die Anbringung des Schiffes in Phase 3 neue religiöse Vorstellungswelten der Bronzezeit implizierte, war mit der These Hansens widerlegt54. Im Gegenteil ist anzunehmen, dass der »Schöpfer« der Himmelsscheibe mit allen bekannten neolithischen Traditionen brach und zudem seinen bronzezeitlichen Zeitgenossen in Bezug auf seine Himmelskenntnisse offensichtlich weit voraus war. Die Himmelsscheibe war in ihrer ersten Fassung ein klares Bild rationalen Denkens, hinter dem sich in mehrfacher Verschlüsselung komplexe Kenntnisse verbargen. In der weiteren Folge wurden diese Bildinhalte vergessen und mit altem Wissen oder neuen religiösen Vorstellungen überlagert. Der Weg ging hier vom Logos zum Mythos, aber nicht umgekehrt. Phase 1 Das nüchtern anmutende Urbild der Himmelsscheibe ist im Kontext prähistorischer Abbildungen äußerst untypisch. Auf dem zu vermutenden dunklen Hintergrund der Bronzescheibe waren lediglich Sichelmond, Vollmond/Sonne sowie 25 gleichmäßig verteilte Sterne zu sehen. Die als Plejaden gedeuteten sieben Sterne sind als Rosette zwischen Sichelmond und Vollmond/Sonne angebracht. Ein vergleichbar nüchternes, offenbar zumindest eine Konstellation oder gar eine Himmelskonjunktion darstellendes Bild war bislang aus der Vorgeschichte Europas und darüber hinaus nicht bekannt. In den Hochkulturen sind Himmels- oder Sternenbilder in der Regel mythologisch behaftet und werden daher oft allegorisch wiedergegeben. Beispielhaft sei hier auf die Sternendecke des Grabes von Sethos I. oder die astronomische Decke von Dendera in Ägypten, aber auch auf die berühmten Himmelsgloben der römischen Antike verwiesen. Am Anfang der nicht mythologischen Wiedergabe stehen wohl erst die Himmelsdecken der tangzeitlichen Gräber Chinas55. Die prähistorische Bildwelt der Bronzezeit gründet, soweit sie bildlich überliefert ist, auf mythologischen Vorstellungen. Diese Vorstellungen, wie etwa die Sonnenreise mittels verschiedener Schiffe, sind nur bei günstiger Überlieferungslage zu rekonstruieren (zu Sonnenreisen Kaul 2oo4, 58–63; Kaul 1988). Zwar sind auf bronzezeitlichen Abbildungen, wie den berühmten Felsbildern Skandinaviens, immer wieder Punkte und Punktgruppen zu lokalisieren, diese lassen sich jedoch in keinem der Fälle zweifelsfrei als Sternendarstellung interpretieren. Die früh- und mittelbronzezeitliche Bildwelt, insbesondere die des Nordens, ist bevölkert von Schiffen sowie rätselhaften Menschen- und Göttergestalten. Diese agieren offenbar in Kulthandlungen als Tänzer, Akrobaten, Adoranten oder auch nur Ruderer in mythologischen Welten, deren Rituale heute längst vergessen sind (zur bronzezeitlichen Religion jüngst zusammenfassend Kaul 2oo4). Astronomische Bildinterpretation Auf die Bedeutung der Plejaden, die auffällig zwischen Sichel- und Vollmond stehen, wurde von W. Schlosser ausführlich hingewiesen56. Die Plejaden sind altbekannte Kalen53 Diese Interpretation Hansens stellte das LDA erstmals am 21.o2.2oo6 im Rahmen einer Presseinformation mit dem Titel »Die Himmelsscheibe von Nebra. Eine astronomische Uhr« der Öffentlichkeit vor. Die entsprechende Publikation erfolgte mit Hansen 2oo6. 54 Die neuen Vorstellungen wurden durch den Autor in Form zahlreicher Vorträge ab 2oo6 umfänglich dargestellt. Sie werden hier erstmals etwas ausführlicher publiziert; siehe hierzu auch Meller 2oo7, 188 f.; Maraszek 2oo8, 46–59; Bertemes 2oo9, 96–1oo. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 55 Vergleiche hierzu Beitrag Quack in diesem Band. – Zum Grab Sethos’ I. Hornung u. a. 1991, Abb. 2oo. – Zu den römischen Himmelgloben Künzel 2oo5. 56 Vgl. Referentenbeitrag Schlosser in diesem Band; Schlosser 2oo4, 44–46; Schlosser 2oo2. 59 60 HARALD MELLER Abb. 27 Die vorliegende Abbildung verdeutlicht die auf der Himmelsscheibe dargestellte Schaltregel. Rechts ist eine schmale Mondsichel (Neulicht) zu sehen, die in früher Abenddämmerung dicht am Horizont bei den Plejaden steht. Diese Konstellation läutete den Frühlingsmonat März ein. Wenige Tage später werden die Plejaden als Kalendersterne in der Dämmerung verschwinden. Die linke Seite zeigt eine wesentlich dickere Mondsichel, die erst 32 Tage nach dem letzten Neulicht in der späten Abenddämmerung bei den Plejaden steht. Diese werden erst in etwa einem Monat in der Abenddämmerung verschwinden. Der Frühlingsmonat März ist noch einen Monat entfernt, deshalb muss bei der Konstellation mit »dickem« Mond nun ein Monat eingefügt werden, um Sonnen- und Mondlauf erneut zu harmonisieren. dersterne, unter deren Zuhilfenahme die Einteilung des bäuerlichen Sonnenjahres erfolgte, und zwar über ihre tagesscharfe, letztmalige Sichtbarkeit am 1o. März und ihren erstmaligen Untergang am westlichen Morgenhimmel um den 17. Oktober57. Hansen erschloss darüber hinaus die astronomische Bedeutung des gesamtkompositorischen Bildes der Scheibe. Dabei war das Verhältnis der Plejaden zum benachbarten Sichelmond entscheidend. Hinter der Gesamtdarstellung entschlüsselte er zwei Schaltregeln, die es dem Schöpfer der Himmelsscheibe ermöglichten, das längere Sonnenjahr (365 Tage) mit dem kürzeren Mondjahr (354 Tage) in Einklang zu bringen (Hansen 2oo6, 289–3o4). Hansen wies zudem darauf hin, dass dieses Wissen während des 7./6. Jh. v. Chr. in Babylonien schriftlich fixiert, dort aber bereits wesentlich länger bekannt war. Die Himmelsscheibe diente somit als lunisolarer Kalender, der die Harmonisierung von Mond- und Sonnenjahr auf eine vergleichsweise einfache Art und Weise durch Beobachtung und Kenntnis der Himmelsmechanik löst. Entscheidend hierfür ist die Kenntnis der Schaltregel. Für die Anwendung dieser Regel ist die »Dicke« des Sichelmondes ausschlaggebend. Der Sichelmond wird auf der Himmelsscheibe etwa 4,5 Tage alt wiedergegeben. Tritt er bei der jährlichen Konjunktion im Frühlingsmonat März in dieser »Dicke« zu den Plejaden, so muss ein Schaltmonat eingefügt werden. Ist er dünner und somit jünger, ist die Anwendung der Schaltregel noch nicht notwendig (Abb. 27). Wenn der Mond also nicht als Neulicht, sondern eben als 4,5 Tage alte Sichel bei den Plejaden steht, verstreicht seit dem vorangegangenen Neulicht ein Zeitraum von 32 und nicht, wie üblich, von 29 oder 3o Tagen. Dies wiederum bedeutet, dass die 32 Sterne des Urbildes ebenfalls nicht zufällig angebracht wurden. Sie sind der Hinweis auf die zweite Schaltregel: Vergehen 32 Tage, bis der Mond seit dem Neulicht des Vormonates im Frühlingsmonat bei den Plejaden steht, so muss geschaltet werden. Zwölf Tage nach dieser Konstellation markiert der Vollmond den Frühlingsbeginn und zeigt damit den Beginn des bäuerlichen Jahres an, also des Sonnenjahres. Folglich kann der Vollmond auch als Sonne gesehen werden. Möglicherweise könnten die 32 Goldpunkte der Sterne auch für 32 Sonnenjahre stehen. In Zusammenschau mit der Goldscheibe des Vollmondes würden sie die 33 entsprechenden Mondjahre symbolisieren. Zudem hat Schlosser auf die Möglichkeit zur indirekten Vorhersage einer Mondfinsternis verwiesen: In der Regel läuft, wie auf der Himmelsscheibe wiedergegeben, der Mond unter den Plejaden. Zieht er als Halbmond über die Plejaden, so folgt acht Tage später eine Mondfinsternis (dpaMeldung Schlosser vom 14.o2.2oo8). Geistiger Hintergrund Folgt man der astronomischen Bildinterpretation, so sind auf dem Urbild der Himmelsscheibe komplexe himmelsmechanische Regeln gekonnt verschlüsselt in einem scheinbar einfachen Bild wiedergegeben. Diese Umsetzung muss als erhebliche geistige Transformationsleistung betrachtet werden. Der Versuch, diese Leistung in die geistige Welt 57 Die Daten folgen dem heutigen Kalender. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES der Frühbronzezeit einzuordnen, fällt insofern schwer, als sich der Großteil der bildlichen Überlieferung entweder aus deutlich späteren Phasen der mitteleuropäischen Bronzezeit oder zwar aus frühbronzezeitlichen, vermutlich aber ganz an deren Ende datierenden reichhaltigen bildlichen Darstellungen des Nordens speist58. Da davon auszugehen ist, dass die Phase der Schaffung der Himmelsscheibe weit vor dem Zeitpunkt der Niederlegung um 16oo v. Chr. liegt, liefern die Bildquellen dieser Zeit wenig Anhaltspunkte. Für einen direkten Vergleich wäre zuerst das zeitliche Umfeld des Fürstengrabes von Leubingen heranzuziehen. Die Quellenlage jedoch ist vergleichsweise unergiebig. Für diese Zeit wird vor allem horizontastronomisches, in der Sonnenorientierung geschultes Wissen vorauszusetzen sein. Dieses Wissen spielt für die Interpretation der Himmelsscheibe allerdings erst in der folgenden Phase 2 eine Rolle. Die Sonne und deren Lauf dürften seit dem Spätneolithikum eine erhebliche religiöse Bedeutung innegehabt haben, wie die bipolaren Gräber der Schnurkeramik- und Glockenbecherkultur, vor allem aber die entsprechenden »Sonnenschalen« der Schönfelder Kultur zeigen (Abb. 31). Das Urbild der Himmelsscheibe von Nebra scheint von diesen religiösen Vorstellungen nicht behaftet zu sein. Es ist die Schöpfung eines beobachtenden Geistes oder eines weit gereisten »Helden«, der neues Wissen in die Heimat bringt. Verwendung Das Bild der Himmelsscheibe von Nebra in seiner ursprünglichen Form diente ganz offensichtlich als Verbildlichung wichtiger astronomischer Regeln. Als Schriftersatz sollten diese Regeln symbolhaft für Hersteller oder Auftraggeber fixiert werden. Auf diese Weise konnten die Regeln memoriert, aber auch in Verbindung mit einer mündlichen Erklärung an Dritte weitergegeben werden. Es ist anzunehmen, dass die Tradierung der Regeln innerhalb einer kleinen exklusiven Gruppe oder möglicherweise nur durch eine Einzelperson erfolgte. Wären die Regeln Teil des Allgemeinwissens der damaligen Bevölkerung gewesen und somit über weite Strecken mündlich tradiert worden, wäre eine aufwendige Verschlüsselung des vorliegenden Himmelsbildes nicht notwendig gewesen. Folglich ist davon auszugehen, dass das Urbild der Himmelsscheibe zur Bewahrung wertvollen Wissens geschaffen wurde. Um dieses Wissen exklusiv weiterzugeben, wurde die Scheibe wahrscheinlich nicht öffentlich gezeigt und wenn, dann sicherlich nur unkommentiert und somit für die Gemeinschaft unverständlich. Womöglich war sie in den Händen eines Einzelnen, der sie als Kostbarkeit mit schatzähnlichem Charakter verborgen hielt. 58 Der Begriff »Frühbronzezeit« wird aus der Sicht des Fundes – also auf Mitteleuropa bezogen – verwendet. Im Nordischen Kreis setzt die Frühbronzezeit später ein; vgl. dazu Vandkilde 1996. 59 Zu Herschaftssymbolen vgl. die Beiträge Bertemes, Brun u. a., David und Metzner-Nebelsick in diesem Band. – Zur Genese bronzezeitlicher Eliten vgl. Beitrag Strahm in diesem Band. – Zur Mehrfachbewaffnung Hansen 2oo2. – Zu den Edelmetallwaffen Primas 1988. Auftraggeber/Hersteller Das Wissen um die Schaltregeln zur Herstellung eines Lunisolarkalenders verlieh dem Besitzer der Himmelsscheibe Macht über die Zeit; konnte er doch als Einziger für jeden sicht- und nachvollziehbar exakte kalendarische Bestimmungen im Sonnenjahr durchführen. Folglich liegt es nahe, den Hersteller in den Reihen der frühbronzezeitlichen Eliten zu suchen. Die frühbronzezeitliche Gesellschaft Mitteleuropas glich einer sozialen Pyramide mit einer vergleichsweise kleinen Oberschicht. Erstmalig setzte sich diese überdeutlich und signifikant vor allem durch die Verwendung verschiedener goldener Herrschaftsinsignien, wie Noppenringe, Armringe oder Nadeln, aber auch durch Mehrfachbewaffnung und andere Grabsitten vom großen Rest der Bevölkerung ab59. Auch diese Elite oder Fürstenschicht war hierarchisch gestaffelt. Die Mehrzahl der Mitglieder verfügte über goldene Noppenringe – ein seit dem späten 3. Jt. geläufiges Distinktionsmerkmal, das wenigen an der Spitze der Pyramide vorbehalten war. Teilweise wurde zusätzlich zu den goldenen Armringen der ranghöchste Status auch durch goldene Waffen gekennzeichnet, wie dies im Falle des Fundes von Dieskau nachzuweisen ist60. Für die Zugehörigkeit der Himmelsscheibe zu den Fürsten spricht auch ihre Zusammensetzung aus den Materialien Gold und Bronze. Diese Materialkombination war, wie erwähnt, ausschließlich den oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten61. Weiterhin ist für die frühbronzezeitliche Führungsschicht von einer Vernetzung und dem zumindest kommunikativen Austausch ihrer Mitglieder über weite Distanzen auszugehen. Nur innerhalb dieses Netzwerkes konnten fremde Kenntnisse erlangt werden. Ferner bestand nur in dieser Gruppe die Möglichkeit, einzelne von jedweder Form körperlicher Arbeit freizusetzen. Der Schöpfer der Himmelsscheibe könnte das Wissen folglich auch durch eine Reise in den Vorderen Orient erworben haben. Dort waren die astronomischen Kenntnisse offenbar bereits bekannt. Diese Reisethese hat auch K. Randsborg (1993) für den in Kivik (Skåne län, Schweden) bestatteten Fürsten nicht ausgeschlossen. Die Kenntnisse könnten allerdings auch autonom in Mitteldeutschland durch Beobachtungen des Mondes erlangt worden sein. Dann allerdings hätte der Zeitraum der Beobachtungen mindestens 4o Jahre umfassen müssen und die Beobachtungen hätten schriftlos archiviert und ausgewertet werden müssen. 6o Die Problematik der Benennung der sogenannten Fürstengräber wird spätestens seit Kossack 1974 wieder aufs Neue diskutiert. Da Begriffe wie »Eliten« oder »Oberschicht« zeitlich, »Häuptling« oder »Big Man« aber ethnograhisch gebunden sind, wird hier der alte, historisch geprägte Begriff »Fürst« verwendet. Der Begriff »Elite« wird alternativ für die breite Oberschicht benutzt. Ist vom »Schöpfer« der Himmelsscheibe im Folgenden die Rede, inkludiert der Begriff einen TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 oder mehrere Handwerker oder Handwerkerinnen. Aufgrund der Beziehung zu den Fürstengräbern ist an dieser Stelle die männliche Bezeichnung zu wählen. – Allgemein zu bronzezeitlichen Eliten RGZM 1999. 61 Zur Gesellschaftsdifferenzierung durch Goldobjekte in der Aunjetitzer Kultur siehe auch Genz/Schwarz 2oo4. 61 62 HARALD MELLER Abb. 28 Die Endpunkte der Horizontbögen (A–D) markieren die Sommerund Wintersonnenwenden. Die Goldbögen selbst zeigen den Horizontdurchlauf der Sonne während des Jahres. Dieser beträgt in Mitteldeutschland zwischen 82° und 83°. Der Scheibenmittelpunkt (M) liegt knapp unterhalb des Punktes, an dem sich die Geraden, welche die Enden der Horizontbögen miteinander verbinden, kreuzen. Der Winkel (von M aus) von D nach C ist 5–6° kleiner als der gegenüberliegende von A nach B. Dies entspricht den realen Beobachtungen der Sonnenauf- und -untergänge, da es in unserer Lufthülle zu Lichtbrechungen kommt. Folglich ist Norden auf der Scheibe tatsächlich oben, das Schiff unten fährt durch den südlichen Himmel. Datierung Die Phasen 1–4 sind schwer zu datieren. Die mehrfache Veränderung des Bildnisses auf der Himmelsscheibe kann zwar nachgewiesen werden, die zeitlichen Abstände dieser Veränderungen können jedoch nur aus kulturhistorischen Erwägungen und bergbaugeschichtlichen Beobachtungen abgeleitet werden. Die Deponierung der Himmelsscheibe dürfte sich durch die Datierung der Beifunde zwischen ca. 16oo und 155o v. Chr. festmachen lassen. Mit diesem Datum liegt ein Terminus ante quem vor. Einen weiteren Datierungsansatz liefert das Schiff aus Phase 3. Schiffe als religiöses Symbol und Transportmittel der Sonne finden sich in der Nordischen Bronzezeit erstmals auf dem Schwert von Rørby um 16oo v. Chr., also um den Zeitpunkt, an dem die übrigen Beigaben der Himmelsscheibe und die Deponierung der Scheibe anzusetzen sind (vgl. Anm. 35). Da in Mitteleuropa das Schiff in späterer Zeit als religiöses Symbol häufig mit dem Wasservogel verbunden ist, muss an dieser Stelle auf das erste Vogelsymbol nördlich der Alpen im Hortfund von Ackenbach (Bodenseekreis) verwiesen werden. Dieser Fund datiert allerdings bereits in das beginnende 16. Jh. (vgl. Rittershofer 1983, 372 Abb. 32.1o). Sollte das Schiff als Symbol bronzezeitlicher religiöser Vorstellungen erstmals in Mitteleuropa auf der Himmelsscheibe auftreten, so könnte dies frühestens für den Verlauf des 17. Jh. v. Chr. postuliert werden. Von Phase 3 zu 2 dürfte aufgrund der radikalen Umdeutung als nunmehr religiöser Gegenstand mit mythologischer Bedeutung ein gewisser zeitlicher Abstand bestanden haben. Gleiches gilt für den Abstand von Phase 2 zu 1. Auch hier ist die Anbringung der Horizontbögen ohne neuen Besitzer der Himmelsscheibe nicht wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist als zeitlicher Abstand zwischen den Phasen jeweils mindestens eine Generation anzunehmen. Je nach Anzahl der Phasen (vier oder fünf) wäre somit eine hypothetische Mindestlaufzeit von zumindest 1oo Jahren für die Himmelsscheibe gegeben. Diese Hypothese untermauern die neuesten bergbauhistorischen Beobachtungen aus dem Mitterberg-Revier im Salzburger Land. Da das Kupfer der Himmelsscheibe gemäß den Analysen Pernickas vom Mitterberg stammt, kann der frühestmögliche Zeitpunkt der Herstellung der Himmelsscheibe höchstens mit dem Beginn des Bergbaus im Mitterberg-Revier zusammenfallen. Um diesen Beginn des Abbaus zu ermitteln, bestehen prinzipiell zwei Möglichkeiten: zum einen die Datierung von Artefakten, die aus Mitterberg-Kupfer angefertigt wurden, zum anderen die Datierung der Produktionsanlagen selbst. Da eine systematische Datierung der Artefakte bislang nicht erfolgt ist, bleibt die Datierung der Produktionsanlagen, die methodisch schwierig ist (Stöllner 2oo9, 38 f.). Im Süd- und Ostrevier des Mitterberges ist der Grubenbergbau vor allem mittelbronzezeitlich datiert, es liegen jedoch Hinweise auf ein erweitertes Datierungsspektrum vor, das bereits in der Kupferzeit beginnen könnte (Stöllner 2oo9, 43). Momentan geht man dort von einem »Beginn der Bergbautätigkeit im 18./17. Jahrhundert v. Chr.« aus (Stöllner 2oo9, 43)62. Th. Stöllner rechnet mit einer oberflächennahen Frühphase, »der spätestens in der Mittelbronzezeit ein Tiefbergbau à la Arturstollen gefolgt ist« (Stöllner 2oo9, 43 Abb. 4). Nach diesen Erwägungen wäre der Beginn der Erschließung des Mitterberg-Kupfers und damit die Herstellung der Himmelsscheibe frühestens im 18. Jh. v. Chr., also zwischen 175o und 17oo v. Chr. anzusetzen, wobei – wie bereits bemerkt – ein früherer Ansatz des Bergbaus aufgrund des methodischen Vorgehens und des derzeitigen Forschungsstandes nicht auszuschließen ist. Wenn das Datum der Kupfergewinnung mit dem der Herstellung gleichzusetzen ist, dürfte die Himmelsscheibe maximal 2oo Jahre, wahrscheinlich eher 1oo Jahre in Umlauf gewesen sein. Da ihre Herstellung, wie ausgeführt, mit der sozial exponierten Fürstenschicht zu verbinden ist, ist für einen Vergleich aus chronologischen Gründen eher das an Gold überreiche Fürstengrab von Dieskau als die Fürstengräber von Leubingen oder Helmsdorf heranzuziehen63. Phase 2 In Phase 2 wurden die Sterne 31 und 32 entfernt, um an dieser Stelle Horizontbogen 1 anzubringen. Auf der gegenüberTA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 29 Die Horizontbögen auf der Himmelsscheibe markieren den Horizontdurchlauf der Sonne von der Sommer- bis zur Wintersonnenwende. Die Verbindung der Horizontbogenenden ergibt einen Winkel von 82,7°. Daraus kann auf die geographische Breite des Beobachtungsortes geschlossen werden. Bei Beachtung der Fertigungstoleranz ergibt sich der Bereich zwischen den gestrichelten Linien mit Magdeburg etwa in der Mitte. Der Mittelberg bei Nebra als Fundort der Himmelsscheibe liegt ca. 7o km südlicher. Arendsee ELBE Have l Aller Hav Ohr el e MAGDEBURG EL BE DESSAU Schwar ze E lste r de Bo ale Sa Fuhne er ipp W HALLE lde Mu Mittelberg bei Nebra iberg Fre er s tr ut st El ei ß W e Ch e Astronomische Bildinterpretation Die beiden seitlichen Bögen werden als Horizontbögen interpretiert. Sie symbolisieren den Horizontverlauf der Sonne von der Sommersonnenwende am 21. Juni bis zur Wintersonnenwende am 21. Dezember. Dabei bezeichnet der rechte Bogen 1 den Bereich, in dem die Sonne während eines Jahres untergeht. Die linke Seite zeigt dementsprechend die Sonnenaufgänge zwischen Sommer- und Wintersonnenwende (Abb. 28). Die Enden der Horizontbögen mar62 In Stöllner 2o1o, 3o3 Abb. 2 wird sogar von einem Beginn des Abbaus im Südrevier im 19. Jh. v. Chr. ausgegangen. kieren jeweils die Wendepunkte der Sonne während des Jahres64. Die Bögen nehmen einen Winkel von 82,7° ein. Aus diesem Winkel kann auf die geographische Breite des Standpunktes des Beobachters und somit indirekt auf den Fertigungsort geschlossen werden. Inklusive der Fehlertoleranz geht Schlosser davon aus, dass sich der Beobachtungsraum zwischen einer Linie Halberstadt–Dessau–Wittenberg im Süden und Brandenburg–Wolfsburg im Norden befunden hat. Magdeburg liegt in der Mitte des Streifens, der Mittelberg bei Nebra ca. 7o km südlich davon (Schlosser 2oo3, 38; Abb. 29). Eine weitere wichtige Beobachtung Schlossers zeigt, dass die Horizontbögen etwas nach oben versetzt waren. Das heißt, der goldfreie Randsektor zwischen 21. Juni Sonnenaufgang und 21. Juni Sonnenuntergang war um etwa 5° kleiner als zwischen dem Sektor der Wintersonnenwende. Schlosser schließt hier auf die Wiedergabe realer Beobachtungsergebnisse, die sich durch die Lichtbrechung in der Lufthülle ergeben (Schlosser 2oo4, 44–46). Damit sind die Himmelsrichtungen klar bestimmbar: Norden ist oben, Süden unten. Die Ost- und Westrichtung 63 Zum Fürstengrab von Dieskau Schmidt/ Nietzschke 198o; v. Brunn 1959, 55; Taf. 12,1–5. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 chopa Zs Erfurt liegenden Seite wurde ebenfalls ein Horizontbogen in Tauschiertechnik befestigt. Dabei wurde der beschädigte Stern 23a entfernt und durch einen neuen, leicht versetzt angebrachten Stern (23) ersetzt. Ob der Ersatz des Sternes aus rein ästhetischen Gründen vorgenommen wurde oder aber für den Bildinhalt von Bedeutung war, ist nicht mehr zu ermitteln. Horizontbogen 2 ist nicht mehr vorhanden. Da die Suche nach Kontaktspuren an der Bronzescheibe erfolglos verlief, konnte nicht nachgewiesen werden, ob dieser ebenfalls aus Gold gefertigt war. Muld e Pleiße er Un 64 Zur astronomischen Deutung siehe Schlosser 2oo4; Schlosser 2oo3; Schlosser 2oo2. 63 64 HARALD MELLER Abb. 3o Der »westliche« Sichelmond gibt einen Hinweis darauf, dass die Himmelsscheibe nicht nur landkartenähnlich betrachtet wurde, sondern als nächtliches Abbild des Himmels über Kopf gehalten wurde. In diesem Falle sind Ost und West vertauscht. Einer solchen Verwendung des zweidimensionalen Bildes würde ein dreidimensionales Weltmodell zugrunde liegen. Bei diesem Kuppelweltbild wäre eine flache Welt von Wassern umflossen und von einer Kuppel überspannt, die Gestirne, Sonne, Mond und Sterne trägt. Ähnliche Denkmodelle waren in der Antike bekannt. Für das vorgeschichtliche Mitteleuropa wäre dies der erste Nachweis eines Weltmodells, das in verschiedenen Ableitungen von der Antike bis in das Mittelalter Anwendung fand. ist schwieriger festzulegen: Die Form des Sichelmondes legt nahe, die rechte Seite (vom Betrachter aus) mit Westen gleichzusetzen. Dann allerdings musste der Nutzer die Scheibe – vergleichbar mit modernen Sternenkarten – über sich halten (Schlosser 2oo4, 45). Diese Nutzart wiederum setzt voraus, dass der zweidimensionalen Himmelsdarstellung die Vorstellung einer die Erde überwölbenden Kuppel, vergleichbar mit dem Weltbild des Thales von Milet, zugrunde lag (Abb. 3o). Geistiger Hintergrund Das Urbild von Phase 1 und die damit verbundene Schaltregel wurden offensichtlich nicht mehr verstanden oder aber als Neuerung abgelehnt. Die Himmelsscheibe wurde jetzt als bloßer Bildträger des nächtlichen Sternenhimmels interpretiert. Da mit dem Unverständnis des ursprünglichen Bildes auch dessen bisherige Verwendung entfiel, musste die Himmelsscheibe, um einer Einschmelzung oder Deponierung zu entgehen, umfunktioniert werden. Für ein sinnfreies Bild dürfte in der Welt der Bronzezeit, in der jeder Gegenstand funktionsbehaftet war, wohl kein Bedarf bestanden haben. Vielleicht aus Ehrfurcht vor dem traditionsbehafteten Bild versah man die Himmelsscheibe mit einem neuen Bildinhalt. Dieser basierte auf eigenen, seit Langem tradierten Kenntnissen. Seit der Stichbandkeramik war die Horizontbeobachtung ein probates Mittel zur kalendarischen Festlegung von Festtagen, wie die Kreisgrabenanlage von Goseck (Burgenlandkreis) bereits 3 ooo Jahre vor Anbringung der Horizontbögen auf der Himmelsscheibe belegt (Schlosser 2oo6). Bemerkenswert ist zudem die genaue Beobachtung des Himmels, weshalb die Horizontbögen etwas nach Nor- den versetzt exakt auf Höhe der optisch richtigen geographischen Breite angebracht wurden. Verwendung Erst in dieser Phase war die Verwendung der Himmelsscheibe auf dem Mittelberg sinnvoll. Der Mittelberg zählt zu jenen seltenen Beobachtungspunkten, von denen aus an markanten Kalenderdaten der Sonnenuntergang hinter Bergspitzen erfolgt. Vom Mittelberg aus ging die Sonne am 1. Mai genau hinter dem Kyffhäuser und zur Sommersonnenwende, also am 21. Juni, hinter dem Brocken unter (vgl. Abb. 7). Hielt man die Scheibe horizontal, konnte der nördliche Rand von Horizontbogen 2 mit dem höchsten Berg des Harzes, dem Brocken, zur Deckung gebracht werden. Auf diese Weise war die Himmelsscheibe automatisch genordet. Auftraggeber/Hersteller Die Zerstörung des Urbildes und die Umnutzung der Scheibe durch die Anbringung von Horizontbögen legen nahe, dass der Auftraggeber oder Hersteller den Inhalt des ursprünglichen Bildes nicht kannte und ihm damit der Zugang zum mehrfach verschlüsselten Bildinhalt – der Anwendung der Schaltregel – fehlte; ein Wissen, das wahrscheinlich nur oral tradiert wurde. Im Gegensatz zum Schöpfer des Urbildes beruhten seine Kenntnisse auf althergebrachtem Wissen. Lediglich die Beobachtung der Sonnenaufgangs- und -untergangspunkte wurde präzise auf den Kreis der Himmelsscheibe übertragen. Möglicherweise lag hier die Vorstellung eines Kuppelweltbildes zugrunde – ein Modell, das wir bislang zu dieser Zeit in Mitteleuropa nicht erwartet hätten. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Zum Verlust des Wissens um den ursprünglichen Bildinhalt sind viele Szenarien denkbar. In Gesellschaften mit mündlicher Tradition genügt in der Regel das Abreißen des Erzählstranges beispielsweise durch den vorzeitigen Tod des alleinigen Wissensträgers, um die Erinnerung an umfangreiche Kenntnisse auszulöschen. Da der Hersteller oder die Bewahrer der Himmelsscheibe in Phase 1 sich der außergewöhnlichen Bedeutung der Schaltregel sowie der Notwendigkeit ihrer Verankerung und Überlieferung absolut bewusst waren, ist davon auszugehen, dass durch die Einbeziehung Eingeweihter ein vorzeitiges Abreißen der Tradition vermieden werden sollte. Auf dieses Bewusstsein deutet bereits die Fertigung der kostbaren Himmelsscheibe als Erinnerungsobjekt hin. Vor diesem Hintergrund ist entweder anzunehmen, dass die Himmelsscheibe in die Hände völlig neuer Besitzer ohne die mündliche Weitergabe der Schaltregel gelangte oder das etwa der Kundige vorzeitig verstarb. Ein weiteres Szenario wäre, dass nach dem Tod des Schöpfers die Nachfahren oder Nachfolger zum alten traditionellen Wissen zurückkehrten, da sie die Neuerung ablehnten. In Zeiten charismatischer Herrschaft sind drastische Umbrüche in der Folge kriegerischer Auseinandersetzungen oder innerhalb der eigenen Gesellschaft nach einigen Generationen stabiler Herrschaft vorauszusetzen. Dies macht ein Abreißen der mündlichen Überlieferung wahrscheinlich. Aufgrund des Entschlusses, das Bild nach eigenen Vorstellungen umzudeuten und umzugestalten, verbunden mit dem Wissen um die exakte Anbringung der Horizontbögen und – möglicherweise damit einhergehend – mit der Idee eines Kuppelweltbildes , ist auch in Phase 2 davon auszugehen, dass die oder der neue Besitzer wiederum der Führungsschicht angehörte. Datierung Die Herstellung der Himmelsscheibe wurde unter einigen hypothetischen Erwägungen frühestens in das 18. Jh. v. Chr. gesetzt. Nimmt man eine Überlieferung des Bildes zumindest über ein bis zwei Generationen an, könnte sich die hier beschriebene Umwandlung des Bildes noch in der ersten Hälfte des 17. Jh. v. Chr. vollzogen haben. Rand der Himmelsscheibe. Die ganz überwiegende Mehrheit der Kollegen sieht darin trotz des hohen Abstraktionsgrades ein Schiff65. Einzig P. Gleirscher interpretiert den Goldbogen als Sichel (Gleirscher 2oo4). Gegen diese Deutung sprechen jedoch zahlreiche chronologische und formale Gründe66. Auf brieflichem Wege gingen zahlreiche weitere Vorschläge von interessierten Bürgern ein. Die meisten deuten den goldenen Bogen als Regenbogen oder Milchstraße. Geistiger Hintergrund Mit der Anbringung des Schiffes wurde die bisherige Bedeutung der Himmelsscheibe radikal verändert. Sie war nun keine Verbildlichung astronomischen Wissens mehr, sondern wurde erstmals zu einem Bildträger der bronzezeitlichen Mythologie. Ab etwa 16oo v. Chr. treten mit Beginn der Frühbronzezeit im Nordischen Kreis zahlreiche Schiffsdarstellungen auf Felsbildern oder auch auf Bronzen, wie dem Schwert von Rørby, auf. Einige Jahrhunderte später folgen Schiffsdarstellungen auf Rasiermessern, die in Kombination mit Sonnen- und Tierdarstellungen (vor allem Pferd und Fisch) den zugrunde liegenden Mythos, zumindest in Teilen, rekonstruieren lassen67. Das Schiffssymbol manifestiert in der Nordischen Bronzezeit das Zeichen einer neuen religiösen Idee: Die Sonne wird auf verschiedenen Schiffen durch Tag und Nacht transportiert. Die Idee des Sonnentransportes bildet eine der Grundlagen der altägyptischen religiösen Vorstellung. Eine Verbindung zwischen diesen einander ähnlichen Vorstellungen wäre allerdings in Ermangelung archäologischer Zwischenfunde äußerst gewagt. In Mitteleuropa erscheinen solche Schiffsdarstellungen, insbesondere in Verbindung mit dem Symbol der Vogelsonnenbarken, erst Jahrhunderte später68. Lediglich der bereits erwähnte Wasservogel aus dem Hortfund von Ackenbach ist eine singuläre Ausnahmeerscheinung (vgl. Rittershofer 1983, 372 Abb. 32.1o). Das Schiff auf der Himmelsscheibe von Nebra stellt somit den ersten und ältesten Nachweis dieses Symboles in Mitteleuropa dar und kündet gleichzeitig als Vorbote von einer neuen, heraufziehenden religiösen Vorstellung. Verwendung Phase 3 Am rätselhaftesten und schwersten zu fassen ist das stark gewölbte, längs gerillte und gefiederte Goldband am unteren 65 Zur Deutung als Schiff ausführlich Meller 2oo2, 1o–14 sowie Beitrag Maraszek in diesem Band mit weiterer Literatur. – Schlosser äußerte sich bereits 2oo2 zur möglichen Durch die Anbringung des Schiffes als Symbol der neuen Religion wurde der Bedeutungsgehalt des Bildes auf der Himmelsscheibe radikal verändert. Das einst verschlüsseltes Wissen tradierende Himmelsbild war zu einem funkelnden Beiwerk des neuen Kultes verkommen. Es ist anzunehmen, dass der neue Verfertiger den Bedeutungsgehalt der zweiten Phase wohl noch kannte, da er das Schiff zwischen die Horizontbögen und damit nach Süden an den Rand des Himmelsozeans setzte. Das Schiff pendelt zwischen Ost und West in der Nähe des Zenits beständig über den südlichen Himmel. Durch die Deutung als Milchstraße, wenn das Goldband auf der Oberseite der Scheibe zu sehen wäre; vgl. hierzu Schlosser 2oo2, 23. 66 Siehe Beitrag Maraszek in diesem Band. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 67 Zur Rekonstruktion des Mythos Kaul 2oo4a; Kaul 1998; Pedersen 2oo8; Kaul 2oo5, bes. 138–141. 68 Vgl. Beitrag Maraszek in diesem Band. 65 66 HARALD MELLER leicht versetzte Anbringung des Schiffes und die sichtbare »Verkippung« wird der Eindruck von Bewegung erzeugt. Diese dynamische Erscheinung unterstreicht die leicht gegenständige randliche Fiederung des pendelnden Schiffes. Der Schöpfer des Schiffes nutzte so das alte Bild der Himmelsscheibe in optimaler Weise zur Darstellung der neuen Gedankenwelt. Mit dem Übertritt in eine religiöse, mythologische Sphäre ist davon auszugehen, dass die Himmelsscheibe nicht mehr auf einen kleinen, elitären Kreis beschränkt war. Vielmehr dürfte sie jetzt öffentlich die neue Denkweise verbildlicht haben und in diesem Zuge der Gemeinschaft präsentiert worden sein. Auftraggeber/Hersteller Die neuen religiösen Ideen wurden aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls durch die bronzezeitliche Führungsschicht vertreten und kommuniziert. Ob diese mythologische Transformation der Himmelsscheibe durch Nachfahren der Besitzer aus Phase 2 oder neue Besitzer vollzogen wurde, lässt sich beim derzeitigen Wissensstand nicht feststellen. Abb. 31 Klein Möringen (Lkr. Stendal). Die Schale barg mit zwei anderen ähnlichen Schalen den Leichenbrand eines Toten der sogenannten Schönfelder Kultur (28oo–22oo v. Chr.). Die in den Ton eingedrückten hyperbelförmigen Ornamente sollen die Strahlen der aufgehenden Sonne zeigen. Auch die Schurkeramik- und Glockenbecherkultur lassen im 3. Jt. v. Chr. durch ihre bipolare Bestattungssitte eindeutige Bezüge zu sonnenreligiösen Vorstellungen erkennen. a Abb. 32 Auf zahlreichen Felsbildern des Nordens (a Backa, Bohuslän, Westschweden) erscheinen Scheiben, die im Zentrum ein Radkreuz zeigen. Sie werden im Allgemeinen als Sonnensymbole gedeutet. Häufig sind sie mit Ständern oder Stöcken versehen. Dass diese Felsbilder reale Vorbilder hatten, zeigt eine nur 7 cm große Modellstandarte aus Jütland, die eine Datierung Da die ersten Schiffe in Nordeuropa frühestens gegen 16oo v. Chr. auftreten, ist der Beginn der Schiffssymbolik für Mitteleuropa vor dem 17. Jh. v. Chr. wenig wahrscheinlich. b Bernsteinscheibe trägt (b). Hält man diese gegen das Licht, erscheint ein Radkreuz. Das untere Ende der Halterung zeigt, dass das Modell möglicherweise in ein Schiff eingesteckt war. Die Rillung lässt an eine Schnurbefestigung im Originalvorbild denken. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Abb. 33 Die Deponierung der Himmelsscheibe von Nebra und ihrer Beifunde vollzog sich in der Zeit um 16oo v. Chr. Vermutlich war damals die Himmelsscheibe schon lange genutzt worden, während die Beifunde höchstens einige Jahrzehnte alt waren. Nach der Anbringung der Horizontbögen dürfte zumindest eine Generation vergangen sein, so dass wir uns hypothetisch bei der Anbringung des Schiffes nicht weit vor 165o v. Chr. befinden sollten. unterfüttert worden sein müssen, um die Fehlstellen auszugleichen. In und an den Löchern fanden sich keinerlei organische Reste oder Spuren von Nägeln, die Hinweise auf die Art der Befestigung geben könnten. Bildinterpretation Phase 4 In Phase 4 wurde die Himmelsscheibe relativ grob randlich gelocht und wohl auf einen organischen Träger aufgebracht. Dabei gilt zu beachten, dass die Himmelsscheibe leicht konvex ist: Flach auf den Tisch gelegt, stehen die Ränder leicht tellerförmig nach oben. Bei einer Befestigung auf einem flachen Hintergrund, beispielsweise einer Holzplatte, Wand oder Ähnlichem, hätte die Scheibe mit organischem Material TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 Da durch die Lochung die Horizontbögen beschädigt und diese, wie auch das Schiff, durch die Anbringung auf einem organischen Träger partiell verdeckt wurden, ist von einem kompletten Bedeutungsverlust beider Bildelemente auszugehen. Die Durchlochung des Randes dürfte folglich durch einen neuen Besitzer vorgenommen worden sein. Somit stand ein anderer Bildbezug im Vordergrund – möglicherweise der eines Himmelsbildes oder aber der der Sonne, dem prominentesten und flächigsten Bildgegenstand auf der Himmelsscheibe. Dies bedeutet aber auch, dass sich – zumindest im Verwendungsgebiet der Himmelsscheibe – die neue religiöse Idee des Sonnentransportes in Verbindung mit Schiffssymbolen nicht durchsetzen konnte. Dafür spricht, dass sich im Gegensatz zum nordischen Raum die Schiffssymbolik erst Jahrhunderte später ausbreitete. 67 68 HARALD MELLER Abb. 34 Detail der Schiffsdarstellung auf der Himmelsscheibe von Nebra. Das Bild des Schiffes wurde bei der randlichen Lochung der Scheibe ohne Rücksichtnahme auf den Symbolwert beschädigt. Geistiger Hintergrund Auftraggeber/Hersteller Sonnenscheiben spielen nicht nur in der Gedankenwelt des Vorderen Orients (Meller 2oo2, 14–17), sondern vom Neolithikum bis in die Spätbronzezeit auch im mitteldeutschen Raum eine erhebliche Rolle. Vereinzelt treten Darstellungen des Sichelmondes in Kombination mit Vollmond oder Sonnenscheibe auf. Die sogenannten Schönfelder Schalen verdeutlichen klar den erwähnten solaren Bezug im mitteldeutschen Spätneolithikum (Abb. 31). Von der Früh- bis Spätbronzezeit sind zahlreiche weitere Scheiben überliefert – seien sie aus Gold wie in Moordorf (Lkr. Aurich) oder deutlich kleiner aus Bronze wie in Kyhna (Lkr. Nordsachsen)69. Diese Darstellungen zeigen mit Kreuz- oder Strahlenmustern eindeutig ihre solare Konnotation. Vergleichbar mit den Sonnenscheiben des Vorderen Orients weisen sie stets eine Binnenzeichnung auf. Besonders hervorzuheben ist der bekannte mittel- bis spätbronzezeitliche Berliner Goldhut mit einer Mond- bzw. Sonnendarstellung, wie sie bezeichnenderweise ebenfalls für den Vorderen Orient üblich ist. Deutlich wird diese Kombination auch auf der Schale von Zürich-Altstetten; hier erscheinen Sichelmond und Vollmond/Sonne zusammen70. Es ist nicht anzunehmen, dass die Hersteller der Standarte das Schiff auf der Himmelsscheibe angebracht haben, da dieses seine ursprüngliche Bedeutung und Exklusivität verloren hatte, ja möglicherweise sogar kaum noch sichtbar war. Die Implementierung einer neuen Religion, eines neues Mythos war gescheitert. Wahrscheinlich handelte es sich nunmehr wieder um neue Besitzer, entweder aus der nachfolgenden Generation oder einer anderen Gruppe, die sich möglicherweise auf die traditionelle Sonnenvorstellung besann. Datierung Da nicht davon auszugehen ist, dass das Schiff vor der Mitte des 17. Jh. v. Chr. angebracht und andererseits der Hortfund zwischen 16oo und spätestens 155o v. Chr. deponiert wurde, bleibt für die Randlochung eine Zeitspanne von einigen Jahrzehnten am Ende des 17. Jh. v. Chr. Verwendung Die Lochung legt eine öffentliche Präsentation der Himmelsscheibe nahe. Wahrscheinlich ist die Scheibe hierfür zu einer Standarte oder einem ähnlichen tragbaren Bildwerk umgearbeitet worden. Solche Standarten sind auf den Felsbildern, aber auch durch ein besonders eindrucksvolles, nur 7 cm großes Modell aus Jütland zahlreich für den Nordischen Kreis belegt (Abb. 32). Sowohl die Felsbilder als auch das Modell zeigen, dass die Scheiben von einem breiten Rand gefasst waren; dieser hätte, wie dargestellt, die randlichen Bildelemente verdeckt. Phase 5 Tauschierrinnen und der versetzte Stern zeigen an, dass ehedem ein zweiter metallischer Horizontbogen vorhanden war. Dieser linke Horizontbogen 2 fehlt von alters her. Die Himmelsscheibe wurde also bereits ohne ihn deponiert. Ob dieser nun bei der Randlochung der Scheibe abfiel oder später abgerissen wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES ca. 18. Jh. v. Chr. Phase I ca. erste Hälfte 17. Jh. v. Chr. ca. Mitte 17. Jh. v. Chr. ca. Ende 17. Jh. v. Chr. ca. erste Hälfte 16. Jh. v. Chr. Ein mehrfach codiertes, perfektes Bild zeigt das geheime Regelwerk für die Herstellung eines revolutionären Lunisolarkalenders. Phase II Die Himmelsscheibe gelangt in neue Hände. Das Wissen um die Schaltregel geht verloren oder wird abgelehnt. Uraltes, seit Jahrtausenden tradiertes Wissen über den Jahresumlauf der Sonne wird mit den Horizontbögen angebracht. Diese geben dem Bild auf der Himmelsscheibe eine neue Bedeutung sowie Himmelsrichtungen, die auf die Vorstellung eines Kuppelweltbildes schließen lassen. Phase III Mit der Anbringung eines Schiffes als Symbol einer neuen religiösen Vorstellung wird die Scheibe vom Informationsträger zum Kultbild einer neuen Mythologie. Phase IV Die Himmelsscheibe wird gelocht und wahrscheinlich randlich organisch gefasst. Damit verlieren sowohl die Horizontbögen als auch das Schiff ihre Bedeutung. Die neue Religion ist – wie bereits in den vorangegangenen Phasen das neue Wissen – gescheitert. Vermutlich erfolgt eine Rückbesinnung auf traditionelle, ebenfalls auf die Sonne bezogene, religiöse Werte. Phase V Nachdem die Himmelsscheibe durch das Entfernen eines Horizontbogens rituell unbrauchbar gemacht worden ist, wird sie den Göttern als Opfer niedergelegt. Die letzten Besitzer sind, wie alle vorangegangenen, der Führungsschicht zuzuweisen. Abb. 35 Zusammenfassende Darstellung der fünf möglichen Nutzungsphasen der Himmelsscheibe von Nebra. Der Datierung liegt als Terminus post quem der Beginn des Kupferabbaus im Gebiet des Mitterberges im 18. Jh. v. Chr. zugrunde. Als Terminus ante quem ist die Deponierung der Himmelsscheibe mit den Beifunden in der ersten Hälfte des 16. Jh. v. Chr. zu sehen. Nach Phasen getrennt wird ein kurzer Überblick über die – wahrscheinlich jeweils mit einem Besitzerwechsel zusammenhängenden – Veränderungen des bildlichen Inhalts und die damit verbundenen Vorstellungen gegeben. Bildinterpretation/geistiger Hintergrund/Verwendung des Bildnisses handeln. Die Deponierung der Scheibe und ihrer Beifunde wäre folglich als Opfer an die Götter zu betrachten (Abb. 33)71. Sollte das Herabreißen des Goldbogens mit der Deponierung der Himmelsscheibe und ihrer Beifunde in Zusammenhang stehen, so würde es sich um eine rituelle Zerstörung 69 Am bekanntesten ist die mit Gold beschlagene Scheibe des Sonnenwagens von Trundholm (Seeland, Dänemark), siehe Kaul 2oo4b. – Zur Goldscheibe von Moordorf Jacob-Friesen 1931 mit weiteren Parallelen. – Zu den Goldscheiben des Karpatenraumes Mozsolics 1965/66. – Zu Kyhna Coblenz 1986. 7o Zum Berliner Goldhut Menghin 2ooo, Abb. 8. – Zur Goldschale aus Zürich-Altstetten Armbruster 2oo4. TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 71 Zum Opfer an die Götter und die rituelle Zerstörung im Vorfeld der Niederlegung Hänsel/Hänsel 1997. 69 70 HARALD MELLER Auftraggeber Auch der letzte Besitzer der Himmelsscheibe muss der Führungsschicht Mitteldeutschlands am Ende der Frühbronzezeit angehört haben. Schließlich war er in der Lage, einen auch materiell äußerst wertvollen Fund zu opfern. Hinweise auf den letzten Besitzer liefern zudem die Beifunde der Himmelsscheibe. Gehörten Beile, Meißel und Armspiralen zum üblichen Inventar von Opferdepots, so waren die Schwerter äußerst kostbar und technisch innovativ. Vor allem die Doppelung der Gegenstände und die Verwendung von Gold und Bronze in Kombination erinnern an den älteren Fürstengräber-Horizont. Daher kann zumindest hypothetisch angenommen werden, dass die Beifunde Teil der Ausstattung des letzten Repräsentanten waren. Armspiralen lassen sich nicht sicher geschlechtsspezifisch zuweisen, während Waffen als männliche Attribute gelten. Wahrscheinlich handelt es sich demnach um einen Mann in Mehrfachbewaffnung oder aber um zwei Männer mit identischer Bewaffnung. Der singuläre Meißel deutet allerdings – wie im Grab von Leubingen – eher auf einen einzelnen Träger mit Doppelwaffen hin. Datierung Die Datierung ergibt sich, wie bereits mehrfach betont, aus den Beifunden um 16oo v. Chr., wobei die Niederlegung als Depot nach einer Laufzeit der Beifunde von einigen wenigen Jahrzehnten erfolgt sein dürfte. Resümee Im Verlauf dieser Studie wurde deutlich, dass sich trotz der Umstände bei der Entdeckung und Raubgrabung durch Sondengänger der Depotfund von Nebra sicher rekonstruieren lässt und vor allem vollständig und authentisch vorhanden ist. Darüber hinaus konnten der originale Fundort sowie die gesamte Fundgeschichte nachvollzogen werden. Die Niederlegung des Fundes datiert in die Zeit um oder kurz nach 16oo v. Chr. Die Zusammensetzung des Depots ergibt sich aus zwei Traditionslinien: den mitteldeutschen Fürstengräbern vom Typ Leubingen sowie den frühbronzezeitlichen Hortfundsitten der Region. Kulturgeschichtlich bedeutend ist die Rekonstruktion der einzelnen Veränderungen der Bildwerke auf der Himmelsscheibe, für die hier eine Zeitspanne von 1oo bis maximal 2oo Jahren vorschlagen wurde. Der erste Schöpfer der Himmelsscheibe war ein außergewöhnlich kenntnisreicher, fähiger, kühl kalkulierender Geist. Er beschloss, das nur ihm oder einer kleinen Gruppe bekannte astronomische Herrschaftswissen über die Schaltregel für einen Lunisolarkalender als perfektes Bild zu bannen. Dies gelang ihm mehrfach codiert in virtuoser Weise mit der Herstellung der Himmelsscheibe. Ziel war es, in schriftloser Zeit die Erinnerung an die geheimen Regeln möglichst lange bewahren und weitergeben zu können. Irgendwann allerdings riss der mündliche Überlieferungsstrang ab, die Himmelsscheibe kam in unbefugte fremde Hände, die – wie beim ersten Besitzer – ebenfalls der mitteldeutschen frühbronzezeitlichen Fürstenschicht angehörten. Bei dieser Übernahme ging das kostbare Wissen verloren, die Himmelsscheibe war nun ein bloßes unverstandenes Bild. Hier setzten die neuen Besitzer mit einer Neugestaltung an, bei der zwar nur altes horizontastronomisches Wissen des Sonnenverlaufes fixiert, aber dadurch die Scheibe nach Nord und Süd orientierte wurde. Zudem lässt sich ein den Beobachtungen zugrunde liegendes Kuppelweltbild vermuten. Die folgenden Besitzer, die die nächste Veränderung des Bildwerkes vornahmen, verstanden das vorhergehende, am Sonnenlauf orientierte Bildprogramm vollständig; platzierten sie doch ein goldenes Schiff nahe am Zenit im Süden. Die Anbringung erfolgte geschickt am Rande des Himmelsozeans, wo das Schiff zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang hin und her pendelte. Hier lag die Idee zugrunde, dass ein goldenes Schiff die Sonne über den Himmel transportiert. Diese neue religiöse Vorstellung wurde ebenso wie das zweite Bild durch den nächsten Besitzer zerstört. Dieser lochte die Himmelsscheibe relativ grob randlich und brachte sie auf einem organischen Träger an. Es ist zu vermuten, dass der Besitzer die Scheibe jetzt wie eine Standarte benutzte; es kam ihm jetzt offenbar nur auf die bloße Funktion als Himmelsbild oder Sonnendarstellung an. Ein neuer Besitzer opferte die Himmelsscheibe und ihre Beifunde den Göttern. Dabei geben uns gerade die Beifunde – zwei kostbare Schwerter, zwei Beile, ein Meißel und zwei Armspiralen – Auskunft über den herausragenden Stand des Opfernden. In der Folge war eine der faszinierendsten Schöpfungen der Geistesgeschichte des frühen Menschen für mehr als drei Jahrtausende verborgen. Literaturverzeichnis Adam 1984 J. Adam, Boden- und Staubspuren. Suche, Sicherung und Analyse (Berlin 1984). Aner/Kersten 1977 E. Aner/K. 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Seeländer, LDA 2o Apa: Bader 1991, Taf. 6; Hajdúsámson, Téglás: Kemenczei 1991, Taf. 1; Tårupgårde, Stensgård: Aner/Kersten 1977, Taf. 146; »Pella«: Kilian-Dirlmeier 1993, Taf. 58; Graphik N. Seeländer, LDA 21 S. Belizki/C. Gembalski, LDA 22 Rastorf: Bokelmann 1977, 97 Abb. 8; Eschwege: Hänsel 2ooo, 32 Abb. 1 23 nach Sicherl 2oo4, Karte 12; Vandkilde 1996, 226 Abb. 239 mit Erweiterungen; Graphik N. Seeländer, LDA 24 J. Lipták, Köln; N. Seeländer, LDA 25 Behrens 1916, Abb. 6 26 Hachmann 1957, Taf. 33 27 K. Schauer, LDA 28 B. Parsche, LDA 29 nach Schlosser 2oo3, Abb. 6; Karte N. Seeländer, LDA 3o K. Schauer, LDA 31–32 J. Lipták, Köln 33 K. Schauer, LDA 34 J. Lipták, Köln 35 Verfasser; Graphik N. Seeländer, LDA TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 NEBRA – BIOGRAPHIE EINES HIMMELSBILDES Anschrift Prof. Dr. Harald Meller Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte Richard-Wagner-Str. 9 D-o6114 Halle (Saale) hmeller@lda.mk.sachsen-anhalt.de TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0 73