Gespräch mit dem LSVD-Bundesvorstand zum 30-jährigen Jubiläum des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 30. Oktober 2020

Bundespräsident Steinmeier hat am 30. Oktober zum 30-jährigen Bestehen des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) drei Mitglieder des Bundesvorstands zu einem Gespräch ins Schloss Bellevue eingeladen: "Was für ein Fortschritt! Sie werden alle dabei gewesen sein vor zwei Jahren im Tiergarten – ich habe es damals in meiner Rede am 3. Juni 2018 gesagt, und ich sage es deshalb auch gerne noch einmal hier: Die Würde der LSBTI-Community, die Würde jedes einzelnen Menschen, steht selbstverständlich unter dem Schutz des Staates – und sie ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon immer hätte sein sollen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache anlässlich eines Gesprächs mit dem LSVD-Bundesvorstand zu 30 Jahre Lesben- und Schwulenverband in Deutschland im Langhanssaal von Schloss Bellevue

Herzlich willkommen, liebe Gäste! Schwule und Lesben im Schloss Bellevue, Gespräche über die Erfahrungen von queeren, von bi-, trans- und intersexuellen Menschen beim Bundespräsidenten – noch vor wenigen Jahrzehnten hätte das für Entrüstung in den Leitartikeln mancher deutscher Tageszeitungen geführt.

Heute ist es umgekehrt: Heute liegt der Skandal dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verächtlich gemacht oder benachteiligt werden. Was für eine zivilisatorische Wendung! Was für ein Fortschritt! Sie werden alle dabei gewesen sein vor zwei Jahren im Tiergarten – ich habe es damals in meiner Rede am 3. Juni 2018 gesagt, und ich sage es deshalb auch gerne noch einmal hier: Die Würde der LSBTI-Community, die Würde jedes einzelnen Menschen, steht selbstverständlich unter dem Schutz des Staates – und sie ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon immer hätte sein sollen.

Dass unsere Gesellschaft heute reifer und aufgeklärter dasteht, ist auch ein Verdienst von Politik und Parteien. Vor allem aber haben wir diesen Erfolg Generationen von Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken. Von Karl Heinrich Ulrichs über Johanna Elberskirchen und Magnus Hirschfeld bis zu Stonewall und der immer größer gewordenen globalen Bewegung der letzten fünfzig Jahre: Zehntausende mutige Menschen haben sich gewehrt und gingen auf die Straße, haben viel riskiert, um für sich und nachfolgende Generationen das Recht auf Liebe und Zusammensein zu erkämpfen.

Deshalb freue ich mich wirklich, heute dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland ganz herzlich zu seinem 30. Jubiläum zu gratulieren. Ihr Verband hat viel dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft bunter und toleranter geworden ist. Und der LSVD kämpft weiter gegen so manche immer noch fortbestehende Ungerechtigkeiten. Von der Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 175 über die Ehe für alle bis zur Reform des Transsexuellenrechts und der Debatte über eine explizite Erweiterung unseres verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbots um das Merkmal der sexuellen Identität – der LSVD war und ist immer an vorderster Front dabei.

Nach wie vor müssen viele Schwule, Lesben, bi-, trans- und intersexuelle Menschen in unserem Land Nachteile erleiden, werden ihre Rechte verletzt – im Alltagsleben, am Arbeitsplatz, durch nicht gerechtfertigte medizinische Behandlungen. An vielen Orten weltweit, auch in Europa, werden anders liebende Menschen immer noch verfolgt und herabgewürdigt. Autoritäres Denken, Populismus und Fundamentalismus schüren neuen Hass und neue Gewalt gegenüber der LSBTI-Community.

Die Mitglieder und Unterstützer des LSVD gehören oft zu den ersten in Deutschland, die ihre Stimme gegen Diskriminierung und gegen Verfolgung erheben – ob hierzulande, bei unseren Nachbarn oder auf anderen Kontinenten. Für all dieses bürgerschaftliche, meist ehrenamtliche Engagement möchte ich Ihnen hier und allen aktiven und ehemaligen Engagierten ganz herzlich danken.

Noch einmal deshalb: Ihnen allen ein ganz herzliches Willkommen! Ich bin mir sicher, Sie haben eine Menge Themen mitgebracht, über die es sich zu diskutieren lohnt.