1. Identifikation einer beruflichen Handlungssituation

Leitfrage: Welches mir wichtige Problem in einer Handlungssituation will ich reflektieren, um es durch den Aufbau von wirkungsvollen Praktiken lösen zu können?

  • Sie dokumentieren Erfahrungen, die Sie in verschiedenen beruflichen Handlungssituationen machen
  • wählen eine Situation aus und analysieren sie,
  • leiten daraus eine pädagogische Fragestellung mit fachdidaktischen Anteilen zur Weiterarbeit ab.

Exemplarische Reflexionsdokumentation einer fiktiven LiV:

In meiner 9. Klasse im Fach Chemie herrscht in manchen Phasen keine lernförderliche Lernatmosphäre: Ich beobachte, dass viele Kinder unruhig und unaufmerksam sind, Konflikte untereinander haben, sich auch während der Stunde streiten.

Bei der Beobachtung verschiedener Lernenden während der störungsanfälligen Phasen sind mir besonders Peter und Petra aufgefallen. Den beiden gelingt es in der Vorbereitung der Experimente zumeist nicht, die Arbeitsaufträge zur Lösung der am Stundenbeginn entwickelten Problemfrage zeiteffizient zu bearbeiten. Zudem beachten sie häufig die Sicherheitsvorschriften nicht, die ihnen eigentlich bekannt sind. Ohne dass ich sie explizit mehrfach auffordere, ziehen sie z.B. keine Schutzbrillen an:

Chaos2chemieunterricht.jpg.1

[Originalquelle = https://www.schellingschule.de/?page_id=2968]

Chemikalien werden häufig verschüttet, so wie hier auf dem Bild in der Gruppe rechts. Peter läuft mal wieder durch den Raum. Er hat keine Aufgabe und nutzt das aus: 
chaosChemieunterricht.jfif

In den Auswertungsphasen sind sie wie viele andere oft nicht in der Lage, ihre Beobachtungen aus der Experimentierphase auf die Problemfrage bezogen mitzuteilen.

Dies zeigt sich an diesem Versuchsprotokoll einer Lerngruppe, die ich im HS1 unterrichtet hatte:

Das hier abgebildete Tafelbild zeigt, dass es mir auch in einer anderen Stunde nicht gelungen war, gute Ergebnisse zu sichern.

Tafelbild.jpg

Guter Unterricht und vor allem das Experimentieren und die Auswertung der Experimente ist so oft nicht optimal möglich. Auch im unbewerteten ersten UB in EBB waren geringe Unterrichtsstörungen zu beobachten.

Ich leite aus dieser Situation die folgende "pädagogische Fragestellung mit fachlichen Anteilen" für mich ab:
Welche Möglichkeiten der Störungsprävention ermöglichen es mir, zu einer besseren Lernatmosphäre beizutragen, damit es gelingt, die Lernzeit für das fachliche Lernen effizient zu nutzen? Was muss ich insbesondere in den Experimentierphasen beachten?

2. Erarbeitung einer Lösungsstrategie, z.B. mit einer Kernpraktik

Leitfragen: Wie würde ich das benennen, was ich besser beherrschen will, um die Situation zu meistern? Welche Qualitätskriterien liegen aus der Fachliteratur vor, z.B. zu Kernpraktiken, Methoden usw.?

  • Sie definieren für die ausgewählte komplexe pädagogische Fragestellung eine Lösungsstrategie, z.B. die Anwendung einer Kernpraktik[1],
  • planen ein Unterrichtsvorhaben und
  • führen den Unterricht durch.

[1] Grundlage der Analyse können z.B. Kernpraktiken, der Hessische Referenzrahmen Schulqualität, die Kerncurricula der Module oder Fachliteratur sein. Nutzen Sie das Schaubild „Kernpraktiken in den Handlungsfeldern“.

 

 

Exemplarische Reflexionsdokumentation einer fiktiven LiV:

Eine Lösungsstrategie für meine "komplexe pädagogische Fragestellung" könnte die Verbesserung meines classroom managements sein:
Ich muss dafür sorgen, dass die SuS die Regeln, die ich vorgegeben habe, einhalten. Ich muss auch mögliche Sanktionen, die ich angekündigt habe, anwenden, also konsequent und strenger sein. [=> dies könnte eine Formulierungen sein, die LiV verwenden würden, bevor sie Feedback bekommen]

Im Planungsprozess für meine nächsten Unterrichtsstunden habe ich mir Feedback geholt und mich in die Fachliteratur eingelesen und meine Planung theoriefundiert erweitert: 

Wenn ich in dieser komplexen Handlungssituation gut agieren können will, dann muss ich die Kernpraktik 8 = "organisatorische Routinen: Regeln und Prozeduren / Zeitnutzung / Aufbau erwünschten und Abbau unerwünschten Schülerverhaltens" gut einsetzen.
Um diese Kernpraktik 8 wirksam anzuwenden, muss ich eine Diagnostik und Reflexion vorschalten:

Ich muss lernen zu schauen,
A. welche Lernenden aufmerksam sind und welche nicht,
B. wann die Unruhe aufkommt und wodurch genau sie entsteht
Nach Hinweis von Frau Gritschke und von Herrn Löhr auf Nolting, Störungen in der Schulklasse, 2017, habe ich Punkt C. und D. ergänzt:
C. Welchen Anteil habe ich als L. an der Störung? Wie kann ich der Störung ggf. präventiv begegnen?
D. Peter hat keine Aufgabe. Man müsste ihm eine angemessene Aufgabe übertragen.

Welche Ideen habe ich, in diesen Momenten zu reagieren?

Ich habe die folgenden Möglichkeiten: Ich kann ...

-> Regeln etablieren
-> Prozeduren absprechen
-> Verhaltensmuster anlegen / vereinbaren: Wer gibt wann die Texte aus? Wie werden die Instrumente ausgegeben und eingesammelt. Es muss klar sein, was für wen zu tun ist?
-> Regeln für einzelne Phasen visualisieren

In den nächsten Stunden habe ich neue Regeln und Prozeduren eingeführt: Ich wollte ein Signal für die Beendigung einer Arbeitsphase etablieren.

Dafür hatte ich vor, ein Klingelsignal einzuführen. Allen sollte immer klar sein, dass es vom Wechsel von der Gruppenarbeit in das Plenum beim Klingelzeichen im Phasenwechsel darauf ankommt, routiniert und gut von mir erzogen, nicht zu einem Zeitverlust kommt.

Herr Löhr riet mir in der Nachbesprechung des 1. UB im HS1, im Sinne einer "Good-Practice, "den Aufräumprozess bei Schülerinnen und Schüler - Experimenten durch eine vorab abgesprochene Aufgabenverteilung zu entlasten, sodass diese schneller wieder an ihren Platz zurückkehren."

Ich bat meine Mentorin zu beobachten, wie gut das gelingt.

Die Problemlösungsstrategie, die ich erproben will, eine Good-Practice, habe ich wie folgt geplant und durchgeführt:

Ich will für die Experimentierphasen in meinem Chemieunterricht:

-> Regeln etablieren
-> Prozeduren absprechen
-> Verhaltensmuster anlegen / vereinbaren: Wer gibt wann die Texte aus? Wie werden die Instrumente ausgegeben und eingesammelt. Es muss klar sein, was für wen zu tun ist?
-> Regeln für einzelne Phasen visualisieren
-> Aufgaben verteilen
-> durch die Sachanalyse in der Planung das Fragliche an der Sache zum Unterrichtsgegenstand machen.
-> ich unterscheide dabei Prophylaxe- und Interventionsstrategien.

3. Analytische Auseinandersetzung mit der Lösungsstrategie

Leitfrage: Was melden mir Akteurinnen und Aktuere zurück, während ich die Praktik umsetze?

  • Sie dokumentieren die Wirkung Ihres Unterrichts anhand von Belegen,
  • tauschen sich mit qualifizierten Akteurinnen und Akteuren aus, indem Sie sich Feedback einholen,
  • sichern im Portfolio Erkenntnisse und ggf. konkrete Handlungsalternativen.

 

 

Exemplarische Reflexionsdokumentation einer fiktiven LiV:


Dokumentation von Wirkung und Austausch: 

Das folgende    kurze Unterrichtsvideo / die folgende schriftliche Selbstreflexion nach einer Unterrichtsstunde / der folgende Verlaufsplan    zeigt eine frühe Situation der Erprobung, in der ich eine Experimentierphase anleite:
 -> ggf. Link zu einem Video  ODER EINE ANDERE Belegform (Selbstreflexion, Verlaufsplan o.ä.)

Verlaufsplan.png

Wie im Video / in der schriftlichen Selbstreflexion / im Verlaufsplan dokumentiert, erläuterte ich zu Beginn der Stunde in einem recht langem Lehrkraftvortrag, worauf es zu achten gilt. Diese längere Erklärung ist als Störungsprophylaxe gedacht, führt aber wie durch das Verhalten von Martin und Maria deutlich wird, punktuell zu einer Unterrichtsstörung. Deutlich wurde mir bei der Sichtung der Videographie dieser Phase auch, dass ich nicht vorausschauend die Nähe zu den potentiell unaufmerksamen Lerndenden Maria, Martin, Peter und Petra suchte. 

Zu diesem Video / dieser schriftlichen Selbstreflexion / diesem Verlaufsplan     und bei den weiteren Erprobungen gaben mir Ausbildungskräfte, LiV-Kolleginnen und -Kollegen und mein Mentor im Fach Chemie mehrfach Feedback. Aus dem Feedback entwickelte ich Handlungsalternativen.

Mit Frau Chirollo kam ich in einer Modulveranstaltung im Fach D, in der ich mein Portfolio zu Beginn in der aktuellen Runde vorstellte und zur Kommentierung freigab, in ein fachdidaktisches Arbeitsgespräch zum Thema Störungen. In der Modulgruppe diskutierten wir, inwiefern Andreas Gruschka Recht hat, wenn er feststellt, dass die Unterrichtsstörungen nachlassen, wenn der Unterricht interessant wird, weil etwas für die Schülerinnen und Schüler Fragliches an der Sache zum Thema wird. 

Mein DFB-Ausbilder Herr Sach meldete mir zurück: "Häufig ist es gut, zwischen Störungsprophylaxe und Störungsintervention zu unterscheiden. Vielleicht helfen Ihnen beim Verständnis der als Störung wahrgenommenen beobachteten Schülerhandlungen und beim Entwickeln von Prophylaxe- und Interventionsstrategien, die angelegten beiden Files aus der Zeitschrift Pädagogik." Die von ihm zur Verfügung gestellte Fachliteratur ist in die Modellierung meiner Problemlösungsstrategie und in meine Unterrichtsplanung eingegangen.

Nach Hattie (Invisible Learning für Lehrpersonen, 2014) haben Prozeduren eine Effektstärke von d=0,76.

Das folgende Versuchsprotokoll meiner Lerngruppe aus dem HS2 zeigt, wie das neue Regelplakat gewirkt hat:


Sicherung von Erkenntnissen und Handlungsalternativen

Es zeigte sich:
- dass es funktionaler sein könnte, durch mein Raummanagement die Nähe von potentiellen Störungsherden zu suchen, d.h. zu Schülerinnen und Schülern, von denen ich annehmen kann, dass sie unaufmerksam sein könnten.
- dass es wirksamer sein könnte, die Regeln nicht zu referieren, sondern die Lernenden aufzufordern, die Regeln für das Experimentieren und die einzelnen Rollenaufgaben zu benennen,
- mein Mentor stellte mir ein alternatives Regelplakat zur Verfügung (s.u.)
- dass zusätzlich besprochen werden kann, was aus der Sicht der Schülerinnen und Schülern bereits beim letzten Experiment gut geklappt hatte und was noch besser gemacht werden könnte,
- dass die Suche nach dem Fraglichen an der Sache eine wichtige Perspektive bei der Reduzierung von U-Störungen sein kann. Es geht, das meldete mir Frau Chirolle in einem D-UB zurück, weniger um die Suche nach einer "Stundenfrage" (was ja auf etwas Organisatorisches zielt, die Stunde eben), sondern um die Suche nach dem, was die Schülerinnen und Schüler sich fragen und um die Suche nach dem, was die Sache als Frage aufwirft. Im CH-Unterricht ist dieses Prinzip grundsätzlich in der Didaktik des forschend-entwicklenden NW-Unterrichts enthalten und gut etabliert. Im D-Unterricht ist diese Suche nicht ganz so einfach zu gestalten. Ich habe Frau Chirollo auf dem Weg, auf der Suche nach den Fraglichkeiten mehrfach Sachanalysen zu Unterrichtsgegenständen geschickt. Dabei habe ich gemerkt, dass es legitim ist, von einigen Routinen des Deutschunterrichts zu verzichten. Form-Inhalts-Analysen bei der Behandlung von Lyrik gilt ja im Deutschunterricht als unverzichtbar. Ich kam allerdings in der Suche nach den eigentlichen Fraglichkeiten weiter, wenn ich mich "radikal" in der Ich-Perspektive lesend nicht als Lehrerkraft an den Text machte, sondern als Privatperson, die sich vornimmt, ohne zu viel Fachwissen mit anderen Privatpersonen über den Text, das Gedicht zu sprechen. 

4. Reflexion von Erprobung und Aneignung der Praxis

Leitfrage: Welche zentralen und unverzichtbaren Elemente einer wirkungsvollen Lösungsstrategie, z.B. eine Kernpraktik, beherrsche ich nun besser?

  • Sie beschreiben die im Reflexionsfokus stehende und erprobte Lösungsstrategie,
  • schätzen auf der Meta-Ebene Ihren eigenen Lernstand bezüglich ihrer Handlungs- und Reflexionskompetenz ein.

 

Exemplarische Reflexionsdokumentation einer fiktiven LiV:

Die von mir erarbeitete Lösungsstrategie im Umgang mit Unterrichtsstörungen in Experimentierphasen des CH-Unterrichts will ich abschließend als Handlungsempfehlungen darstellen. 

Zu Beginn nutze ich das folgende Regelplakat, das ich noch aus meinem Schulpraktikum kannte, für meinen Lehrervortrag und dann für die Schülervorträge über die Regeln:

 

Chemie_Regeln1.jpg

Nach der ersten Erprobungsphase nutzte ich das folgende Plakat für die Vorträge der Lernenden vor Beginn der Experimente:


Chemie2experimentieren.jpg
[Original-Quelle: https://www.zaubereinmaleins.de/kommentare/experimentieren-die-sechs-schritte....296/]

Das Regelplakat hat den Vorteil, dass es verschiedene Rollen beschreibt: es ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, 6 verschiedene Rollen zu erkennen und einzunehmen.
Inzwischen habe ich es weiter überarbeitet, indem ich die Rollen klarer formuliert habe:
Rolle 1: Ich erläutere meiner Gruppe den Arbeitsauftrag,
Rolle 2: Ich bereite den Arbeitsplatz vor (Geräte, Chemikalien),
Rolle 3: Ich moderiere das Sammeln unserer Vermutungen,
Rolle 4: Ich trage die Verantwortung für die Durchführung,
Rolle 5: Ich trage die Verantwortung für das Aufräumen,
Rolle 6: Ich verfasse das Versuchsprotokoll und stelle es den anderen vor. 

Meine Beobachtungen und die Rückmeldungen meines Mentors  sind durchaus positiv. Auch er verwendet nun die Neuversion des Regel-Plakats.

Bad-practice-Beispiel 

Bad-practice-Beispiele wären z.B. die folgenden (so habe ich es teilweise früher gemacht):
L: Hört endlich mal zu! Ihr seid die schlimmste 7. Klasse der ganzen Welt!
S: Das stimmt gar nicht...
S: Warum sagen Sie das? Wir sind voll lieb...

L: Beim letzten Mal gab es wieder mal ganz viele Probleme! Ich erläutere noch einmal, worauf ihr beim Experimentieren achten müsst: 1. Vor dem Experimentieren müsst ihr unbedingt die Tische leer räumen! Dann achtet endlich mal drauf, ...

Good-practice-Beispiel

Ein Good-practice-Beispiel aus meinem eigenen Unterricht ist das der Variante B:

L: So, wer kann die Regeln und Routinen, die das letzte Mal schon recht gut funktioniert haben, noch einmal wiederholen, bevor wir anfangen?
S1: ...
S2: ...
L: Worauf sollten wir achten, damit es noch besser klappt als beim letzten Mal?
S3: ...

Die Handlungsempfehlungen, denen ich zur Zeit folge, lauten:

In der 9. Klasse hat sich bewährt, auf die folgenden Indikatoren zu achten:
1. Als Lehrkraft störe ich nicht den Lernprozess der Schülerinnen und Schülern, indem ich z.B. zu lange vortrage.
2. Eine klare Aufgabenverteilungen: jede Schülerin und jeder Schüler soll genau wissen, was er tun soll.
3. Es muss evaluiert werden, wie gut die Umsetzung der Regeln und Rituale gelingt.
4. Die Regeln und Rituale sollten keinen Verbotscharakter haben, sondern funktionale Handlungen vorbereiten.