Empfang von Anastas Mikojan
Zur Auflösung der Fußnote[2] einer Initiativgruppe von
Deutschen, im Bestand: Kaiser (Tschernogorsk), Hollmann
(Krasnojarsk), Schneider (Nasarowo) – alle aus der Region
Krasnojarsk, Vogel (Moskau, "Neues Leben"), Brug (Frunse), Köln
(Krymsk), Michel (Frunse), Bornemann (Kotowo), Delwa
(Krasnoturjinsk)
Zur Auflösung der Fußnote[3]
12.1.1965
Im Empfangsraum des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR hat uns dessen Leiter, M.D. Skljarow, um 9:15 Uhr in Gegenwart von drei anderen Mitarbeitern empfangen, ein vorbereitendes Gespräch mit uns geführt und es aufgeschrieben. Um 11:10 Uhr waren wir im Empfangsraum von A.I. [Anastas Iwanowitsch] Mikojan im Kreml. Er traf uns sehr höflich und fragte, wer würde sprechen? Die Rede hat Michel gehalten, der im Namen der gesamten Gruppe das Zentralkomitee, das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR und die Sowjetregierung für die politische Rehabilitierung der Deutschen gedankt hat, die im Erlass aus dem Jahr 1964 Zur Auflösung der Fußnote[4] zum Ausdruck gebracht wurde. Allerdings kann man erst nach der Wiederherstellung der Autonomen Republik an der Wolga von einer vollständige Rehabilitierung sprechen.
Mikojan: Die Frage ist natürlich, aber gleichzeitig auch komplex. In der Deutschen Republik wohnten 350.000 Deutsche. Auch in der Ukraine lebten die Deutschen. Sie alle zu sammeln und eine Autonomie entstehen zu lassen ist praktisch unmöglich. Wenn jemand will, so ist es möglich, die deutsche Kultur zu erhalten, aber es ist unmöglich, die Deutsche Republik wiederherzustellen. Das Gebiet der Deutschen Republik ist dichtbesiedelt, ebenso wie das Territorium der Krimtataren. Man kann deutsche Mittelschulen eröffnen, Literatur auf Deutsch veröffentlichen, Bücher aus der DDR beziehen. Ihre Sprache wird in fast jeder Schule unterrichtet. Zur Auflösung der Fußnote[5]
Bornemann: Wir stellen die Frage über die nationale Staatlichkeit. Über die Wiederherstellung der Republik der Sowjetdeutschen an der Wolga. Womit kann man erklären, dass nach der Beseitigung der politischen Anschuldigungen die Bestrafung der Deutschen geblieben ist: Durch den Erlass vom 13. Dezember 1955 [Aufhebung der Sonderkommandantur] ist es Deutschen verboten, zu ihren früheren Wohnorten zurückzukehren. Warum kann dies [das Verbot] nicht aufgehoben werden? Deutsche Menschen fühlen sich deprimiert. Die Regierung verheimlicht den Erlass vom 29. August 1964 vor dem Sowjetvolk, welchen Wert hat so ein Dekret? Durften etwa nicht alle Völker der UdSSR die Wahrheit über die Sowjetdeutschen wissen?
Mikojan: Ist denn der Erlass in einer deutschen Zeitung nicht veröffentlicht worden? Wir werden ihn veröffentlichen. Was die Anmeldung Zur Auflösung der Fußnote[6] betrifft, könnte dieses Problem gelöst werden. Die Autonomie können wir nicht wiederherstellen.
Köln: Haben wir das Recht auf eine autonome [i.S. nationale] Selbstbestimmung?
Mikojan: Nein, sie haben kein Territorium.
Köln: Es gibt Theoretiker, die argumentieren, dass eine Eigenstaatlichkeit den Sowjetdeutschen deshalb verwehrt wird, weil sie Vertreter einer Nation sind, von denen die meisten außerhalb der UdSSR leben.
Mikojan nahm von Köln den Zettel mit dem Zitat, las es und befahl dem Referenten, sofort das Buch Podjatschich zu finden:
Zur Auflösung der Fußnote[7]
"Solche Vertreter der Völker haben keine eigene Staatlichkeit in der UdSSR, deren Mehrheit außerhalb der Sowjetunion lebt (Deutsche, Polen, Bulgaren u. a.)."
Mikojan: Das ist Unsinn.
Köln: Im Lehrbuch der Geschichte für die 9. Klasse, herausgegeben von Prof. Dr. Pankratowa, wurde der jungen Generation zwanzig Jahre lang die Behauptung präsentiert, dass die Wolgadeutschen der wohlhabendste und reaktionärste Teil der Bevölkerung waren, der dem russischen Volk feindselig gegenüberstand.
Zur Auflösung der Fußnote[8] Das hat man mit dem Ziel geschrieben, um die Sowjetdeutschen in den Augen der Völker der UdSSR zu diskriminieren [i.S. diskreditieren], die anderen [Presse]Organe haben tatkräftig mitgemacht, sogar einige Schriftsteller.
Am meisten bedrückt uns jedoch das Dekret vom 13. Dezember 1955, das den Deutschen verbietet, in ihre früheren Wohnorte zurückzukehren.
Zur Auflösung der Fußnote[9]
Mikojan: Wir können Einschränkungen aufheben.
Delwa: Wir sind dankbar für die politische Rehabilitation, aber wir bedauern, dass es keine deutschen Schulen, Verlage, nur wenige Zeitungen in deutscher Sprache gibt, es gibt keine Möglichkeit, Bücher zu veröffentlichen, und infolgedessen wird die deutsche Kultur verschwinden. Seit 23 Jahren [seit der Auflösung der ASSRdWD] ist nur ein Buch in deutscher Sprache "Hand in Hand" erschienen. Zur Auflösung der Fußnote[10] All diese Probleme können nur im Falle der Wiederherstellung der Wolgarepublik gelöst werden.
Mikojan: Wir können die Veröffentlichung der deutschen Literatur und Lehrbücher organisieren, sie in der DDR erwerben.
Kaiser: […] Bitte veröffentlichen Sie den Erlass [vom 29.8.1964] in russischsprachigen Zentralzeitungen.
Erlass vom 29. August 1964 auf Deutsch (© Zeitungsausschnitt aus der Privatsammlung Viktor Krieger (Heidelberg - Lobbach))
Mikojan: Der Erlass wird in der deutschen Zeitung [im vollen Wortlaut] und in den russischen Zentralzeitungen in Zusammenfassung veröffentlicht. Zur Auflösung der Fußnote[11]
Kaiser: Die Errichtung von Schulen für die Deutschen und die Unterrichtung von Kindern in ihrer Muttersprache ist wegen der Zerstreuung in kleinen Gruppen fast unmöglich. Dieses Problem kann nur durch die Wiederherstellung der autonomen Republik gelöst werden.
Michel: Ich war in fünf Dörfern an der Wolga, 40% der ehemaligen Gebäude sind zerstört und werden nicht repariert. Viele Arbeitshände sind nötig, aber den Deutschen wird keine Zuzugsgenehmigung erteilt.
Bornemann: An die Wolga kamen demobilisierte sowjetdeutsche Soldaten, aber ihnen wurde keine Zuzugsgenehmigung ausgestellt und sie werden angewiesen, das Gebiet Saratow in 24 Stunden zu verlassen.
Mikojan: Ich werde den Obersten Sowjet der RSFSR
Zur Auflösung der Fußnote[12] anweisen, Maßnahmen zur Beseitigung der Beschränkungen bei der Anmeldung des Wohnsitzes zu ergreifen. Die Deutschen haben sich während des Krieges sehr gut benommen, sie haben ehrlich gearbeitet und heute arbeiten sie ehrlich. Wir zeichnen sie für ihre Verdienste aus. Sehr selten werden Kriminalfälle mit sowjetdeutscher Beteiligung behandelt; und im Allgemeinen haben wir noch viel zu viele Straftaten.
Entschuldigung sie mich, ich habe um 12 Uhr eine Sitzung des Präsidiums.
Zur Auflösung der Fußnote[13]