Was bedeutet Notwehr im österreichischen Strafrecht? § 3 StGB

Sind Sie in einen Vorfall geraten, bei dem Sie sich körperlich zur Wehr setzen mussten und wurden Sie dennoch als Beschuldigter bei der Polizei vorgeladen?

Sie finden hier einige Informationen zum Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB), damit Sie sich einen ersten Überblick verschaffen können. Wenn Sie eine eingehende Rechtsberatung wünschen oder aber eine Vorladung zur Vernehmung bei  der Polizei aufgrund eines Vorfalls hatten, der in Notwehr erfolgt ist, dann können Sie mich gerne anrufen oder mir eine Email schreiben und ich freue mich als Strafverteidiger mit Ihnen einen Termin für ein erstes Gespräch zu vereinbaren.

Mag. Zaid Rauf: Ihr Anwalt für Strafrecht in Wien:

Rechtsanwaltskanzlei Bleichergasse 8/12 in 1090 Wien, Alsergrund (Nähe Währinger Straße / Volksoper)

Eine Person darf sich im Rahmen der Notwehr (§ 3 StGB) gegen Angriffe verteidigen und eine Notwehrhandlung vornehmen. In einem solchen Fall sind an sich rechtswidrige Handlungen im Rahmen der Notwehr “gerechtfertigt” und entfällt dadurch die Strafbarkeit einer Handlung, die ansonsten eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen würde.

Der Gesetzgeber knüpft bestimmte Voraussetzungen an die Annahme der Notwehr gem. § 3 StGB. Das ist auch nachvollziehbar, da erfahrungsgemäß viele Personen versuchen sich auf Notwehr zu berufen, wenn sie in eine körperliche Auseinandersetzung geraten.

Ab wann ist es Notwehr?

Ein Angriff ist dann nach § StGB gerechtfertigt, wenn er im Rahmen der Verteidigung erfolgt, die

notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff

auf

  • Leben,
  • Gesundheit,
  • körperliche Unversehrtheit,
  • sexuelle Integrität und Selbstbestimmung,
  • Freiheit oder Vermögen 

von sich oder einem anderen abzuwehren.

Was bedeutet “notwendig”?

Notwendig ist ein Angriff dann, wenn er aus der Sicht des Angegriffenen erforderlich ist um einen Angriff verlässlich abzuwehren.

Dazu eingehender der oberste Gerichtshof (Ris – Justiz, RS0089309):

“Notwendig im Sinne des § 3 Abs 1 StGB ist jene Verteidigungshandlung, die aus der Situation des Angegriffenen („ex ante“) gesehen, wenngleich unter Beachtung objektiver Kriterien gerade so weit in die Rechtsgüter des Angreifers eingreift, damit der Angriff verlässlich abgewehrt werden kann.”

Was bedeutet gegenwärtig oder unmittelbar drohend?

In einer Notwehrlage befindet sich, wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff erleidet oder einen unmittelbare drohenden rechtswidrigen Angriff befürchtet.

Gegenwärtig bedeutet, dass der Angriff noch nicht

  • aufgegeben wurde oder
  • bezwungen wurde oder
  • misslungen ist. (vgl. Ris – Justiz, RS0088813)

Unmittelbar droht ein Angriff dann, wenn eindeutig ist, dass das Verhalten einer Person in einen gefährlichen Angriff umschlagen kann und dann eine Abwehr notwendig sein wird.

Der oberste Gerichtshof stellt hierzu fest (Ris – Justiz, RS0088776):

“Unmittelbar drohend“ ist ein rechtswidriger Angriff erst, sobald die Gefahr des Angriffes und die Notwendigkeit einer abwehrenden Reaktion eindeutig sind. 

Notwehr ist bereits (aber auch erst) zulässig, wenn das gegnerische Verhalten zwar noch keine Rechtsverletzung darstellt, aber unmittelbar in eine solche umschlagen kann. Ist ein Angriff erst in Zukunft zu erwarten, darf Notwehr noch nicht in Anspruch genommen werden.“

„Unmittelbar“ bevor steht ein Angriff, wenn Gegenwehr bereits sachlich geboten ist.”

Der Angriff muss also entweder gerade stattfinden oder aus der Sicht des Angegriffen unmittelbar drohen.

Rechtswidrigkeit des Angriffs

Der Angriff muss “rechtswidrig” sein, damit Notwehr iSd § 3 StGB dagegen zulässig ist.

Ein durch Gesetz oder Verordnung (Amtsbefugnis) gerechtfertigter Angriff ist nicht gerechtfertigt (Einschreiten der Polizei oder anderer Organe der öffentlichen Aufsicht).

Auch ist die “Notwehr gegen Notwehr” nicht erlaubt, da ein Angriff im Rahmen der Notwehr nicht mehr rechtswidrig ist.

Der oberste Gerichtshof hält hierzu fest (Ris – Justiz, RS0089113):

“Gegen einen rechtmäßigen Angriff, z. B. in Ausübung einer Amtsbefugnis oder in Ausübung der Notwehr selbst, ist Notwehr nicht zulässig.”

Notwehr Beispiel

Ein Beispiel für Notwehr wäre etwa wenn jemand in einer Bar einer anderen Person einen Faustschlag versetzt oder versetzen möchte und die andere Person stößt diese Person zu Boden, wobei sich die Person, die zu Boden stürzt eine Schürfwunde zuzieht. Es handelt sich um einen rechtswidrigen gegenwärtigen Angriff und der angegriffene wendet durch den Stoß das gelindeste Mittel an, um den Angriff wirksam zu beenden.

Notwehrfähige Rechtsgüter

Der Angriff muss sich gegen schutzfähige Rechtsgüter richten (Leib und Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen – aufgepasst: Nicht die Ehre!).

Diese sind gesetzlich vorgegeben (Ris – Justiz, RS0089107):

“§ 3 StGB enthält eine taxative Aufzählung der notwehrfähigen Rechtsgüter. Damit ist klargestellt, daß es sich bei der Ehre nicht um ein solches handelt.”

“Unfugnotwehr”

Die Handlung ist dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.

Das klassische Beispiel, ist der erzürnte Eigentümer eines Kirschbaums, der mit seinem Gewehr auf die Lümmel schießt, die seine Kirschen ohne Erlaubnis schnabulieren wollen. Selbstverständlich ist ein solcher Angriff nicht nach § 3 StGB gerechtfertigt – der zornige Eigentümer würde vermutlich in Untersuchungshaft genommen und wegen Mord (§ 75 StGB) angeklagt (vielleicht sogar verurteilt) werden.

Notwehrüberschreitung – Notwehrexzess

Der Angegriffene muss sich, immer des gelindesten verfügbaren Mittels bedienen, um den Angriff abzuwehren. Ansonsten verantwortet er sich nach dem Vorsatzdelikt.

Dazu der oberste Gerichtshof (Ris – Justiz, RS0088842):

“Notwendig ist stets nur jene Verteidigung, die unter den verfügbaren Mitteln das schonendste darstellt, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff sofort und endgültig abzuwenden.”

Dabei richtet sich die Angemessenheit der Verteidigung nach dem Angriff, den es gilt abzuwehren. Je heftiger der Angriff, desto intensiver darf die Verteidigung dagegen ausfallen (Ris – Justiz, RS0089259):

“Das Maß der Abwehr bestimmt sich nach der Art, der Wucht und der Intensität des (zur Notwehr berechtigenden) Angriffs, nach der Gefährlichkeit des Angreifers und nach den zur Abwehr zur Verfügung stehenden Mitteln.”

Bei Notwehr mit Todesfolgen bzw. wenn eine Waffe angewendet wird um vermeintliche Notwehr zu üben, so liegt ein Notwehrexzess sehr nahe, da es selten Situationen gibt, die den Tod des Angreifers oder den Einsatz einer Waffe rechtfertigen. Erfahrungsgemäß muss dann der Angegriffene einen schweren Vorwurf (Mord, absichtlich schwere Körperverletzung) gegen sich gelten lassen.

Privilegierung nach Abs 2

Wenn das angemessene Maß überschritten wird, dann macht man sich nach einem Vorsatzdelikt strafbar – das bedeutet, dass einem selbst eine Körperverletzung (oder vielleicht sogar eine schwere Körperverletzung oder Mord/Totschlag) vorgeworfen wird. Wenn man jedoch aus “Bestürzung, Furcht oder Schrecken” die Situation falsch eingeschätzt hat und dann “überzogen” reagiert, so macht man sich nicht nach einem Vorsatzdelikt strafbar, sondern wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts (fahrlässige Körperverletzung, fahrlässige Tötung etc.):

Der oberste Gerichtshof hält fest (Ris – Justiz, RS0089349):

“Wenn – objektiv gesehen – auch weniger gefährliche, dem Angegriffenen zur Verfügung stehende Abwehrmaßnahmen genügt hätten, um den Angriff abzuwehren, und wenn der Angegriffene – subjektiv – ungeachtet seiner bedrängten Lage imstande war, eine für den Angreifer weniger gefährliche Art der Verteidigung zu wählen, dann trifft ihn, wenn er nur aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken seine Gefahrenlage überschätzte oder, ohne die schon nach der Größe des Verletzungsrisikos erkennbare Inadäquanz seines Gegenangriffes zu bedenken, mehr tat, als zu seiner Verteidigung nötig war, der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne des § 335 StG (vgl nunmehr §§ 6, 80, 88 StGB).”

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