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Ermittlungen gegen Österreichs Kanzler Grüne stellen Handlungsfähigkeit von Sebastian Kurz infrage

In Österreich ermittelt die Justiz wegen Korruptionsverdacht gegen Kanzler Kurz. Nun beginnt sein Koalitionspartner, die Grünen, von ihm abzurücken.
Sebastian Kurz

Sebastian Kurz

Foto: LUDOVIC MARIN / AFP

In Österreich gerät Sebastian Kurz (ÖVP) zunehmend unter Druck. Nach neuen Vorwürfen stellen die Grünen nun die Handlungsfähigkeit des Kanzlers infrage. »Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund infrage gestellt. Wir müssen für Stabilität und Ordnung sorgen«, sagte Vizekanzler und Grünenchef Werner Kogler.

Kogler und Fraktionschefin Sigrid Maurer würden deshalb die Fraktionschefs der anderen Parlamentsparteien zu Gesprächen über das weitere Vorgehen einladen. Auch ein Gesprächstermin mit dem grünen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen sei vereinbart worden. Die Opposition hatte am Vortag geschlossen den Rücktritt von Kurz gefordert.

Am Mittwoch wurde nach Razzien im Bundeskanzleramt bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Kurz und enge Mitarbeiter des Kanzlers ermittelt . Es geht um Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Gegen den 35-Jährigen wird bereits wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ermittelt.

Laut Staatsanwaltschaft wird neben dem Kanzler nun auch gegen neun weitere Beschuldigte sowie drei Verbände ermittelt, teils in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Im Zuge dessen gab es der Behörde zufolge am Mittwoch Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten, darunter auch in einzelnen Büros zweier Ministerien. Die ÖVP bestätigte Razzien im Kanzleramt, der Parteizentrale sowie im Finanzministerium. Betroffen sind der Partei zufolge enge Mitarbeiter und Berater des Kanzlers.

Die Behörde geht eigenen Angaben zufolge dem Verdacht nach, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet wurden. Kurz war bis 2017 Außenminister, bevor er im Mai 2017 das Ruder bei der ÖVP übernahm. Bei den Neuwahlen im Oktober 2017 ging die Volkspartei als stärkste Kraft hervor und Kurz wurde Bundeskanzler.

Kurz wehrt sich gegen die Vorwürfe

Die Umfrageergebnisse sind der Staatsanwaltschaft zufolge – ohne als Anzeige deklariert worden zu sein – im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht worden. Laut der Behörde besteht der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien. Die im Zuge der Hausdurchsuchungen sichergestellten Beweismittel würden nun gesichtet und ausgewertet, so die WKStA.

»Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden.«

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

»Auch diesmal sind es wieder konstruierte Vorwürfe mit derselben Systematik«, sagte Kurz. »Es werden immer SMS aus dem Kontext gerissen, um daraus einen strafrechtlichen Vorwurf zu konstruieren.« Es gebe überhaupt kein Indiz dafür, dass er gesteuert habe, welche Inserate oder Umfragen im Finanzministerium geschaltet worden seien. Nicht nachvollziehen könne er, warum »immer ich schuld sein soll«, wenn irgendwo Unrecht geschehe. Dass er Scheinrechnungen für Umfragen gestellt oder erhalten oder sonstwie darin involviert sein könnte, könne er »zu 1000 Prozent ausschließen«. Die Vorwürfe würden sich vor allem an Mitarbeiter des Finanzministeriums richten.

Bundespräsident Van der Bellen sagte bei einer Festveranstaltung mit Blick auf die Razzien: »Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden.« Man müsse sich auf die Fundamente des Rechtstaats besinnen. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaften, Verdachtsmomenten unabhängig vom Ansehen der Personen nachzugehen und sowohl Belastendes als auch Entlastendes zu suchen. Momentan wisse man nur, dass es Ermittlungen gebe.

asc/Reuters